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Erinnerungen

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Kapitel 01: Erinnerungen
 

Er hastete durch die Straßen, dicht gefolgt von den Schergen des Herrschers. Wäre er nicht so erschöpft und am Ende seiner Kräfte gewesen, hätte er sich vielleicht größere Mühe gegeben, eine Möglichkeit zu finden, seine Verfolger auszuschalten, doch sein Verstand war durch die Anstrengungen der letzten Zeit viel zu vernebelt. Und so rannte er einfach nur um sein Leben, völlig außer Atem und wohl wissend, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Zu lange wurde er schon gejagt und verfolgt, viel zu lange. Hatte es überhaupt einen Sinn, dass er floh?

Er war am Ende, seine Kräfte waren fast aufgebraucht und schlagartig fragte er sich, warum er nicht eher bemerkt hatte, dass sein Fluchtplan von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war. Wieso hatte er es nicht schon vorher erkannt gehabt? Nur ein Wunder konnte ihn jetzt noch retten.

Er war verloren.

Schwer schnitt jeder Atemzug in seine Lunge, gab ihm das Gefühl, husten zu müssen und nicht genügend Luft zu bekommen, außerdem schmerzte schon seit einiger Zeit seine rechte Seite höllisch, weshalb er seine linke Hand dagegen presste. Das brachte zwar keine Besserung, aber zumindest hatte er dadurch den Eindruck, irgendetwas an seiner Lage verändern zu können. Die Tatsache, dass seine Beine sich unheimlich schwer anfühlten, während seine Füße unangenehm mit jedem Schritt wie Feuer brannten, bereitete ihm auch keine sonderliche Hoffnung auf einen Erfolg seiner Flucht.

Es hatte keinen Sinn.

Wenn er jetzt aufgab und sich stellte – vielleicht würde die Bestrafung nicht allzu hart ausfallen. Der Gedanke schien im ersten Moment gar nicht so abwegig, doch dann verfluchte er sich dafür, dass er überhaupt daran dachte, zurück zu kehren in sein dunkles Gefängnis, wenn die Freiheit doch plötzlich so greifbar war. Bei Gott, er hatte von Anfang an nicht erwartet, dass es einfach werden würde; aber er wusste, wie es sich anfühlte, wenn er glaubte, kurz vor seinem Ziel zu sein und plötzlich an allem zu scheitern. Es war mehr als nur frustrierend, es trieb ihn in die Verzweiflung. Die Aussichtslosigkeit seiner Lage, die Unfähigkeit, irgendetwas an seiner Situation zu ändern – und doch versuchte er es immer wieder, etwas daran zu ändern.

Er war niemand der aufgab.

Er würde es schaffen. Dieses eine Mal würde er es schaffen. Er würde entkommen.

Seine Haare waren zu lang, hingen ihm ungebändigt ins Gesicht und gestalteten ihm dadurch das Rennen nur noch schwerer, konnte er so kaum etwas von seiner Umgebung wahrnehmen. Mit gesenktem Haupt hetzte er durch eine Menschenmenge, spürte, wie er immer mehr an Geschwindigkeit verlor. Überrascht und schockiert zugleich keuchte er auf, als er stolperte und der Länge nach hinfiel. Vor blankem Entsetzen riss er die Augen auf, spürte die Panik, die in ihm hochkroch. War etwa alles umsonst? Seine gesamte Flucht?

Er wusste, dass er die Kraft, um aufzustehen, wohl nicht mehr aufbringen würde. Aber er musste! Seine Finger krallten sich im Boden fest, als er gegen das aufkeimende Gefühl der Hoffnungslosigkeit ankämpfte und den verzweifelten Versuch unternahm, sich aufzuraffen. Ohne Erfolg.

Tränen krochen in ihm hoch und er presste seine Lippen aufeinander, kniff seine Augen zusammen. All diese Anstrengung vollkommen umsonst! Wie viel Zeit sollte er denn noch in Gefangenschaft verbringen?! Warum, verflucht nochmal, war es einfach unmöglich diesem kranken Herrscher zu entkommen?

Schlagartig erstarrte er, als er zum ersten Mal seit Jahren bewusst das Geräusch des fließenden Wassers vernahm. In seiner blanken Panik und Hektik hatte er das Geräusch nicht beachtet, doch nun hörte er es. Ein Fluss. Erschöpft hob er seinen Blick und erkannte ein paar Meter neben sich einen schwachen Hang, und an dessen Fuß lag der Fluss.

Sein Herz schlug schneller.

Grob packte ihn eine Hand von hinten, jemand sprach in gehässigem Tonfall auf ihn ein, doch er nahm es kaum wahr. Er spürte neue Kraft, als er endlich einen Ausweg aus seiner Lage sah. Ein Hoffnungsfunke. Klein, aber so unheimlich verlockend.

Ja, der Fluss hatte eine sehr starke Strömung. Aber lieber würde er ertrinken, als von den Schergen geschnappt und wieder in seine Zelle gesperrt zu werden!

Bevor er realisieren konnte, was er tat, hatte er sich auf den Rücken gerollt und nach den beiden Wachen getreten. Diese hatten nicht mit dieser Reaktion gerechnet und waren umso überraschter, als sie nach hinten fielen. Mehr stolpernd als gehend brachte er die Distanz zum schützenden Wasser hinter sich und stürzte sich mit einem Sprung hinein.

Ehe er sich versah, wurde er von der Strömung erbarmungslos mitgerissen. Obwohl es wohl eher lächerlich war, versuchte er sich über Wasser zu halten. Doch es misslang ihm kläglich. Verzweifelt schnappte er nach Luft, aber es war eine Sache der Unmöglichkeit. Das rücksichtslose Nass zog ihn immer weiter in die Tiefe.

Er verlor das Bewusstsein.

Sein Kopf schlug schmerzhaft gegen etwas Hartes und er riss erschrocken den Kopf nach oben, schnappte nach Luft, doch nur Wasser füllte seinen Mund. Voller Panik kämpfte er sich dorthin vor, wo er die Wasseroberfläche vermutete, und als er es tatsächlich schaffte, nach oben zu gelangen, befand er sich sofort wieder in der Gefangenschaft der gewaltigen Wassermassen. Mit allerletzter Kraft gelang es ihm, sich zum Ufer vorzukämpfen, sich daran festzukrallen, im beinahe hoffnungslosen Kampf mit der Strömung. Er spuckte einen Mund voll Wasser aus und während er immer mehr fühlte, wie sein Körper immer tauber wurde, gelang es ihm unter großen Qualen, sich aus dem Wasser zu befreien, ans Ufer zu gelangen. Völlig durchnässt und schwer atmend lag er auf dem Bauch, hustete hart, spuckte Wasser. Und obwohl er einfach nicht mehr konnte, wusste er, dass er nicht bleiben durfte. Zu weit war er gekommen, als jetzt hier liegen zu bleiben und sich einfangen zu lassen. Sie würden ihn hier finden. Er stellte ein gutes Ziel dar und mit Sicherheit wussten alle zuständigen Einheiten inzwischen, dass er sich irgendwo im Fluss oder am Ufer befand. Man würde ihn hier suchen. Und finden.

So schmerzhaft es war, so sehr er das Bedürfnis hatte, seine Verzweiflung einfach nur herauszuschreien, er konnte sich nicht ausruhen. Er musste weiter.

Während er sich in Gedanken selbst Mut zusprach, brachte er sich in eine kniende Position. Alles verschwamm vor seinen Augen, sein Körper hatte keine Kraft mehr. Aber er musste weiter! Wenn es eine Sache gab, die er noch nie sonderlich gut beherrscht hatte, dann war es das Aufgeben gewesen. Mit größter Konzentration gelang es ihm, unsicher und schwankend auf die Beine zu kommen. Zögerlich machte er die ersten Schritte, stürzte fast. Doch er kämpfte sich vorwärts und wusste, was auf dem Spiel stand.

Egal, was es kostete. Dieses Mal würde er es schaffen.

Langsam aber sicher kam er näher an ein paar Häuser heran, die schützende, aber auch bedrohliche Stadt. Das enge Gassengewirr konnte ihn vor seinen Verfolgern behüten, aber es konnte ihn auch direkt in ihre Fänge bringen. Aber die Alternative wäre der nahegelegene Wald – und er wusste, dass er es mit den wilden Tieren in seinem Zustand erst recht nicht aufnehmen konnte.

Es wurde allmählich dunkel.

Taumelnd kämpfte er sich voran, doch bald wusste er nicht mehr, wo er sich eigentlich befand. Es war alles so... anders. Alles hatte sich verändert.

Vor Wut über sich selbst und seine Situation sackte er mit einem wütenden Schrei auf die Knie. Er konnte nicht mehr. Er war am Ende. Seine Beine würden ihn nicht mehr weiter tragen.

Er war so müde, so verdammt müde...

Die Schwäche überkam ihn in einem Moment, in dem er nicht aufgepasst hatte. Obwohl er sich bewusst war, dass er weiter musste, dass er hier nicht bleiben konnte, dass er Schutz brauchte, war ihm der Gedanke, einfach kurz sitzen zu bleiben so verdammt angenehm. Es war falsch gewesen, sich selbst die Pause zu gönnen. Vor seinen Augen drehte sich alles und er spürte, wie sich seine Muskeln langsam entspannten. Er fiel vorne über.

Das Letzte, was er empfand, bevor er das Bewusstsein verlor, war die aufkeimende Angst, dass man ihn finden würde und alles umsonst gewesen wäre.
 

Es verging einige Zeit und der regungslose Körper blieb unbeachtet liegen. Vermutlich war der Grund hierfür, dass endgültig die Nacht über der kleinen Stadt hereingebrochen war und nur wenige Menschen noch auf den Straßen unterwegs waren. Und die Leute, die sich herumtrieben, schenkten dem Bewusstlosen keine Beachtung.

Doch eine Gestalt blieb stehen, blickte hinab auf den am Boden liegenden Mann und zögerte einen Moment, ehe sie sich hinabbeugte und die Person am Hals berührte. Zumindest konnte er einen Puls spüren, was er als gutes Zeichen deutete.

Er, das hieß Ray Kon, ein durchschnittlich großer und relativ gut durchtrainierter, schwarzhaariger junger Mann, dessen lange Haare zu einem Zopf gebunden waren. Seine bernsteinfarbenen, sichtbar asiatischen Augen fixierten nachdenklich den Kerl der vor ihm lag und er verengte sie zu schmalen Schlitzen. Viel konnte er nicht erkennen, da es bereits Nacht war, aber durch die Berührung hatte er zum einen die Nässe und zum anderen die Hitze gespürt, die von dem starren Körper ausging. Es widerstrebte seinen Moralvorstellungen, einen Verletzten einfach so liegen zu lassen; aber er hatte auch keine Lust, irgendeinen Penner mit in sein Haus zu nehmen. Wenn er einmal damit anfing, würden viele weitere folgen. Und das war eine Vorstellung, mit der er sich nicht anfreunden konnte.

„Hey“, murmelte er und packte den Besinnungslosen an der Schulter, um ihn zu schütteln, „Sie können hier nicht schlafen.“ Doch es folgte keinerlei Reaktion. Gequält sog Ray die Luft ein und seufzte, während er sich für sein Gewissen verfluchte. Es wäre wesentlich einfacher, wenn er an solchem Elend vorbeilaufen könnte. Aber die Tatsache, dass er in einer trostlosen, selbstgerechten Welt lebte, brachte ihn nur noch mehr dazu, Hilflosen zu helfen. Egal wie sehr es ihm in manchen Fällen widerstrebte, es half ihm, sich selbst nicht zu vergessen, nicht genauso abzustumpfen wie all die Menschen, die um ihn herum lebten. Wenn es etwas gab, das er fürchtete, dann war es das.

Zögerlich ließ er sich auf die Knie sinken, wollte sich die bewusstlose Person gerade über die Schulter werfen, als seine Augen ein Emblem auf der Kleidung des Mannes wahrnahmen. Er erstarrte kurz, ließ dann langsam seine Finger darüber fahren, da er aufgrund der Dunkelheit nicht exakt erkennen konnte, was das Zeichen genau darstellte. Aber er hatte eine große Befürchtung und diese schien sich zu bestätigen. Der Typ war ein entlaufener Gefangener des Herrschers.

Erschrocken taumelte er zurück und fiel auf seinen Hintern.

Bei Gott, was sollte er jetzt tun? Sollte er ihm trotzdem helfen? War das ein Schwerverbrecher? Oder einfach nur ein armer Wicht, den man festgenommen hatte, weil er sich gegen den Herrscher gestellt hatte? Es schüttelte ihn. Sollte er die Wachen rufen?

Im nächsten Moment hasste er sich dafür, dass er überhaupt daran gedacht hatte, diesen Ungeheuern einen Wehrlosen zu überlassen. Aber wenn man ihn dabei erwischte, wie er sich um den Sträfling kümmerte, dann...

Obwohl er starke Bedenken hatte, beeilte er sich damit, den Mann auf seinen Rücken zu laden, und zu seinem Haus zu gelangen. Er durfte in keinem Fall erwischt werden, wenn ihm sein Leben lieb war.

Während er in schnellem Tempo die Seitenstraßen entlang huschte, spürte er den schweren Atem in seinem Nacken. Dass der Mann dringend Hilfe benötigte, war eindeutig.

Als er endlich bei seinem kleinen, ein wenig abgelegenen Haus angekommen war, war er äußerst erleichtert. Er betete, dass niemand ihn gesehen hatte und er vorerst sicher war – aber wer wusste das schon in diesen Zeiten wirklich sicher? Man konnte sich auf niemanden verlassen.

In Gedanken war er erleichtert, dass Mariah für die nächsten beiden Wochen verreist war. Wenn es eine Sache gab, von der sie am besten Nichts mitbekam, dann wohl seine Rettungsaktion. Das brächte sie beide in Verlegenheit und ihn selbst in höchste Lebensgefahr.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, lief er durch einen schmalen Gang zu seinem Schlafzimmer, wo er den Bewusstlosen auf das Bett fallen ließ. Hastig verschloss er alle Rollos des Raumes, damit niemand hereinblicken konnte. Dann wandte er sich wieder um und betätigte den Lichtschalter. Im Licht des Zimmers betrachtete er den Unbekannten genauer. Er war blass, vollkommen durchnässt und lag schweratmend auf dem Bett. Seine Haare waren grau, zerzaust und verfilzt, sein Gesicht hager und erschöpft. Die Kleidung, die er trug, war, wie befürchtet, die Uniform der Strafgefangenen, Schuhe trug er keine. Ray schauderte bei dem Anblick und er entschied sich dazu, zuerst einmal den Mann aus seinen nassen Klamotten zu befreien – anschließend würde er sie verbrennen, damit niemand dahinterkäme, was er getan hatte.

Nachdem er den Mann vollständig entkleidet hatte, katapultiere er die durchnässte Bekleidung auf einen Haufen, damit sie nicht im Weg herum lag. Danach schnappte er sich eine Decke, in die er den Bewusstlosen vorsichtig einwickelte, damit sein Zittern nicht noch schlimmer wurde. Ray war sich ziemlich sicher, dass er Fieber hatte und dringend Medizin und Pflege benötigte. Aber war es richtig gewesen, dass er diesen Kerl einfach mit hierher gebracht hatte? Vermutlich hatte er den größten Fehler seines Lebens begangen. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Was sollte er tun?

Erneut trat er auf den Liegenden zu und rüttelte ihn kräftig an der Schulter. Er musste es wissen. Er musste wissen, für wen er sein Leben aufs Spiel setzte. „Hey, aufwachen!“ Auch wenn er krank aussah und sein gesundheitlicher Zustand sehr angeschlagen war – es würde den Typen hoffentlich nicht umbringen, wenn er ihm ein paar Fragen stellte, bevor er ihn versorgte.

Es dauerte ein wenig, ehe die Lider seines Gegenübers leicht flatterten und er sie einen Spalt breit öffnete. Vermutlich bekam er nicht sonderlich viel von seiner Umgebung mit, der fiebrig-glasige Blick starrte ins Nichts und Ray zweifelte nicht daran, dass der Kerl im Augenblick mehr bewusstlos als wach war. Mit einem leisen Seufzen fuhr er sich durch die Haare. „In Ordnung. Wer bist du?“

Der Angesprochene öffnete den Mund, doch kein Ton drang heraus. Ray fasste sich mit der Hand an die Stirn. Sein Versuch schien nicht von sonderlichem Erfolg gekrönt zu sein. „Was willst du hier? Wieso warst du im Gefängnis?“

„Ich...“, gebannt starrte Ray den Kranken an, in der Hoffnung endlich etwas zu erfahren, „Ich... weiß es nicht...“ Vor Wut und Verzweiflung hätte Ray am liebsten laut aufgeschrien. Es war zum Verrücktwerden! Wollte der Kerl ihn verarschen oder meinte er das ernst? Um ehrlich zu sein bezweifelte er, dass ein Typ in seinem Zustand noch große Lügengeschichten hervorzaubern konnte. Aber wer konnte das schon genau sagen? Gereizt presste Ray seine Lippen aufeinander, ehe er weiter fragte: „Wie lange warst du im Gefängnis?“

„Z... zehn Jahre...“, die Schwäche war der zitternden Stimme deutlich anzuhören. Ray hingegen schüttelte ungläubig den Kopf. Zehn Jahre im Gefängnis ohne eine Ahnung zu haben, warum? Das schien ihm doch äußerst absurd. Vermutlich war es in der Tat sinnvoller, selbst Nachforschungen anzustellen, statt sich auf die Lügen eines Sträflings zu verlassen. Doch dafür brauchte er eine entscheidende Information. „Wie heißt du? Wie lautet dein Name?“

Es dauerte ein bisschen, bevor der Geschwächte diesmal antwortete und er atmete sehr flach. Er schien kurz davor zu stehen, sein Bewusstsein erneut zu verlieren, aber das war nicht weiter von Bedeutung. Wichtig war es, den Namen zu kennen. Nur dann konnte Ray sich schlau machen und sicher gehen, dass er sein Leben nicht für einen Mörder oder Vergewaltiger riskierte.

„K...“, das Sprechen schien dem Unbekannten unendliche Anstrengungen zu bereiten und Rays Magen zog sich aus Mitgefühl unangenehm zusammen. War es wirklich in Ordnung, dass er den Mann so quälte? „Kai“, hauchte der Mann mit dünner Stimme, „Kai... Hiwatari...“

Sein Kopf fiel zur Seite und er blieb regungslos liegen.

Mit offenem Mund und wildem Blick starrte Ray den Fremden fassungslos an. Eine Lüge. Es musste eine Lüge sein. Eine dreiste, unverschämte, schmerzhafte Lüge. Es konnte nicht sein. Oder doch? Er selbst war auf Kais Beerdigung gewesen, hatte um ihn getrauert. Und dieser verwahrloste Kerl vor ihm behauptete nun allen Ernstes, er sei sein vor langer Zeit verstorbener Teamkollege?! Wut staute sich in Ray auf und er ballte seine Hände zu Fäusten.

Das Erscheinungsbild passte ja irgendwie. Was erhoffte sich dieser Typ davon, dass er sich als der verstorbene Kai Hiwatari ausgab? Auch wenn er sich für einen kurzen Moment wünschte, er könnte den Worten des ehemaligen Gefangenen Glauben schenken, er wusste, dass es eine Sache der Unmöglichkeit war. Kai war tot. Er hatte seinen toten Körper gesehen.

Doch es war so verlockend. Ein wenig Hoffnung in der traurigen, trostlosen Welt. Beherrscht von einem herzlosen Herrscher, der mit eiserner Faust und viel zu hohen Steuern regierte, der Menschen umbringen ließ, die sich gegen ihn stellten. Aber auch die Menschen, die behaupteten, sie würden sich für den Frieden einsetzen, waren nicht viel besser. Sie töteten und mordeten die Leute, die etwas mit dem Herrscher zu tun haben könnten, schlachteten sie erbarmungslos ab und machten auch vor Kindern keinen Halt. Was war das für eine Welt? Was war aus der schönen Zeit seiner Kindheit nur geworden?

Und gerade, weil er diese Zeit so sehr vermisste, war es doch so ein willkommener, herrlicher Gedanke, dass Kai noch lebte. Könnte es nicht vielleicht doch irgendwie eine Möglichkeit sein? Er wollte es glauben. Vermutlich war das der Grund, dass er, obwohl er wusste, dass es Unsinn, dass es eine Unmöglichkeit war, sich selbst vergewissern wollte, dass dieser Mann die Wahrheit sprach, dass er es überhaupt in Betracht zog, obwohl er es eigentlich besser wusste.

Kai hatte ein Tattoo in Form eines stilisierten Phönix auf dem rechten Schulterblatt, von dem nur wenige etwas wussten. Ein dahergelaufener Sträfling würde es nicht wissen. Woher auch? Wenn er es besitzen würde, dieses Tattoo...

Mit zitternden Händen griff Ray nach seiner rechten Schulter, um sie anzuheben, einen Blick darauf zu werfen. Er machte sich keine Hoffnungen, aber in ihn war dieser Drang, dieser Wunsch, dass die Behauptungen der Realität entsprachen.

Und dann sah er es. Das Tattoo. Den Phönix mit der Flamme.

Erschrocken ließ er den Kranken los, tat er einen Satz nach hinten. Damit hatte er nicht gerechnet. Konnte es sein? Konnte es wirklich sein? Kai lebte? Es war nicht möglich!

Heftig und hart schlug Rays Herz gegen seinen Brustkorb und er trat wieder an das Bett heran, strich Kai geradezu liebevoll ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Es war schwer, aber er war bereit dazu. Er konnte es glauben, weil er es glauben wollte. Kai lebte. Nach 10 Jahren mit dem Glauben, dass Kai gestorben sei, wusste er es nun besser.

Doch Kais Zustand war in diesem Moment nicht unbedingt der beste. Mit einem Lächeln auf den Lippen machte sich Ray daran, sich um seinen totgeglaubten Freund zu kümmern, damit er schnell wieder gesund wurde...
 

Nur äußerst langsam öffnete er seine Augen.

Ihm war schlecht, sein Schädel schmerzte furchtbar und sein Körper fühlte sich so beklemmend schwer an, dass er sich nicht sicher war, ob er sich aus eigener Kraft überhaupt aufrichten konnte. Der Kampf gegen die aufkeimende Übelkeit veranlasste ihn dazu, erneut die Augen zu schließen, doch er zuckte augenblicklich zusammen.

Mit einem lauten Quietschen wurde die Kerkertür geöffnet, zwei Wachen, in der weißen Uniform des Herrschers, packten ihn, zogen ihn unsanft auf die Beine. Er wurde mehr geschleift, als dass er ging, aber er war in diesem Moment sogar dankbar dafür, verhinderte es doch, dass er sich selbst Schritt für Schritt zur kommenden Bestrafung quälen musste. Von den Gängen bekam er kaum etwas mit, war er noch zu sehr damit beschäftigt, gegen die Bewusstlosigkeit und die Magenkrämpfe anzukämpfen. Doch es war auch nicht von sonderlicher Bedeutung. Er kannte sie alle.

Er wusste, wohin sie ihn brachten.

Als die beiden hochgewachsenen Männer stehen blieben, hob er schwach seinen Kopf ein wenig an. Sie waren angekommen. Mit einer kräftigen Armbewegung öffnete einer der Beiden die Tür. Desinteressiert blickte er zu Boden. Er wusste, was kommen würde. Was ihm in wenigen Minuten widerfahren würde. Dass es sinnlos war, sich dagegen zu wehren.

Es war erstaunlich, dass er immerhin zehn Jahre gebraucht hatte, um das zu realisieren. Vielleicht wäre seine Gefangenschaft angenehmer ausgefallen, wenn er sich keine falschen Hoffnungen auf Rettung oder Flucht gemacht hätte.

Achtlos wurde er in den kleinen Raum gezerrt und auf den Boden geworfen, regungslos blieb er liegen. Es hatte keinen Sinn, sich aufzurichten oder irgendetwas zu versuchen. Wenn er sich jetzt verausgabte und sich hoch kämpfte, würde das rein gar nichts an seiner Bestrafung ändern. Rein gar nichts. Wieso hatte er überhaupt versucht zu fliehen? Sein Scheitern war von Anfang an klar gewesen.

Langsam und bedrohlich hörte er Schritte, die sich ihm näherten und eine gehässige Stimme meinte leise: „Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du vorher über die Konsequenzen nachgedacht hättest, mein lieber Kai...“

Er brauchte nicht aufzuschauen, um zu erkennen, wer gesprochen hatte. Er kannte den Mann. Der Kerl hatte ihn hierher gebracht, hielt ihn gefangen, war für alles verantwortlich, was ihm widerfahren war. Mit den Jahren hatte er Anhänger gefunden, wurde mächtiger, ließ sich von allen nur Herrscher nennen. Und er wusste beim besten Willen nicht, was er damit zu tun hatte. Wieso man ihn gefangenhielt.

Kai schwieg, ließ seine Augen geschlossen. Was hätte er auch antworten sollen? Dass er es nicht akzeptieren konnte, gefangen zu sein? Dass er es vermutlich wieder versuchen würde, weil er schon so viele Jahre in Gefangenschaft verbracht hatte, und es einfach nicht mehr ertrug? Ja, er hätte wissen müssen, dass sein Fluchtversuch fehlschlagen würde. Genauso wie die unzähligen, die er zuvor unternommen hatte. Aber er musste er doch versuchen... zumindest wenn er das bisschen Selbstwertgefühl, das er noch besaß, behalten wollte.

Die Wachen traten vor, zogen ihn in die Höhe, streiften ihm die Kleidung ab, die achtlos am Boden liegen blieb. Der Mann, der sich selbst nur Herrscher nannte, trat vor, beugte sich ein Stückchen nach vorne und flüsterte ihm leise ins Ohr, sodass ihm ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter lief: „Einige werden wohl nie aus ihren Fehlern lernen.“

Kai ahnte, was jetzt kommen würde. Die Hand des Herrschers fuhr fast zärtlich seinen Nacken entlang, dann fühlte er ein kurzes Stechen und er spürte, wie seine Beine weich wurden. Der kleine Apparat, der eine runde Form und vielleicht gerade einmal einen Durchmesser von zwei Zentimetern hatte, wirkte unscheinbar, doch sein Zweck war alles andere als erfreulich: Folterung.

Das kleine, einfache Gerät erzeugte grauenhafte Schmerzen im Inneren des Körpers, die sich zu so einem Grad steigern ließen, dass sie nicht einmal mehr mit unerträglich bezeichnet werden konnten. Es zerriss einen förmlich von innen heraus – und doch starb man nicht zwangsläufig daran...

In schrecklicher Erwartung verkrampfte sich Kai und als das winzige Ding mit einem leisen Surren zum Leben erwachte, durchzuckte der kalte, erbarmungslose Schmerz in einem Sekundenbruchteil seinen ganzen Körper. Panisch sog er die Luft ein, schrie laut auf.

Er riss die Augen auf. Heftig atmend und völlig schweißgebadet lag er da, konnte sich kaum bewegen. Langsam fasste er sich mit seiner Hand an den Kopf. Ein Albtraum.

Sein Körper schmerzte. Doch es war nicht die Art von Schmerz, die er sonst spürte. Und es war auch nicht das Gefängnis, in dem er sich befand. In dem Versuch seine Sinne und seinen Verstand zu beruhigen und seinen Pulsschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen, blieb er für einige Augenblicke bewegungslos liegen, ehe er sich vorsichtig ein wenig aufrichtete, um sich umzusehen.

Verdammt, wo war er hier? Zumindest schien er sich nicht im Palast zu befinden. Es sah eher nach einem einfachen, bürgerlichen Haus aus. Er lag in einem weichen Bett, eingehüllt in eine warme Decke, um ihn herum herrschte Dunkelheit.

Die Feststellung, dass er lebte und man ihn allem Anschein nach nicht dem Herrscher ausgeliefert hatte, erleichterte ihn um einiges. Dass er einen Schlafanzug oder etwas Ähnliches und nicht die Gefangenenuniform trug, ebenfalls. Sichtlich beruhigt ließ er sich in sein Kissen zurücksinken und er kuschelte sich in das Bett. Es war so wahnsinnig angenehm... Er spürte die Schläfrigkeit, die langsam in ihm hoch kroch und er bemerkte die Erschöpfung, die sich über seinen Geist und seinen Körper legte. Vielleicht war es falsch, dass er einem Unbekannten vertraute. Woher wollte er wissen, dass man ihm hier nicht doch auch etwas Schlechtes antun wollte?

...so schön warm...

Langsam fielen ihm die Augen zu, seine Gedanken ließen ihn allmählich in das Reich der Träume hinübergleiten, als er Stimmen vernahm und erschrocken aufhorchte. Er konnte nicht verstehen, was sie sagten, doch sie beunruhigten ihn. Die Müdigkeit verhinderte, dass er sich ordentlich konzentrieren konnte und er seufzte verzweifelt auf. An seiner Situation ließ sich für den Moment nichts ändern. Er brauchte den Schlaf dringend. Sobald er wieder fit und ausgeruht war, konnte er immer noch Nachforschungen anstellen und im Notfall einen Fluchtversuch unternehmen...

Demonstrativ, als würde er dadurch irgendjemandem irgendetwas beweisen, zog er sich die Decke bis zum Kinn und entspannte sich. Sie spendete ihm Geborgenheit und das Gefühl für den Moment sicher zu sein. Müde drehte er sich auf den Bauch, drückte sein Gesicht in das weiche Kopfkissen und schloss erneut seine Augenlider.

Es war so verdammt beruhigend...
 

„Ich denke, er kommt zu sich...“

Kai öffnete nur langsam und zögerlich seine Augen. Er war immer noch ein wenig erschöpft, aber zumindest fühlte er sich jetzt ein wenig gesünder. Seit langer Zeit war es das erste Mal gewesen, dass er in seinem Schlaf nicht von Albträumen heimgesucht worden war. Jede Nacht hatte der Herrscher ihn bisher bis in seine Träume verfolgt, um ihn dort zu foltern und zu erniedrigen. Aber diesmal hatte er einen ruhigen Schlaf gehabt. Er war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt geträumt hatte.

Schlagartig hatte er das unangenehme Gefühl von Blicken, die auf ihm ruhten. Er kannte dieses Gefühl nur zu gut – und er hasste es. Es verunsicherte ihn, brachte ihn dazu, sich bloßgestellt zu fühlen. Instinktiv ballte Kai seine Hände zu Fäusten, wagte es nicht, sich irgendwie zu bewegen. Solange er auf seinem Bauch lag, würde man mit Sicherheit nicht bemerken, dass er bei Bewusstsein war. Oder doch?

In diesem Moment verspürte er nur die Angst. Irgendjemand war da. Aber konnte er ihm vertrauen? Wollte man ihn foltern? Ihn erneut ins Gefängnis stecken? War das ein weiteres Spiel des Herrschers, um ihn endgültig zu brechen? Er erschauderte.

Dann kam er sich auf einmal albern vor. Die Anwesenden wussten wahrscheinlich ziemlich genau, dass er wach war, selbst wenn er sich schlafend stellte. Und sie würden wohl auch nicht so einfach wieder verschwinden. Vielleicht war es das Beste, dieses Spiel zunächst einmal mitzuspielen und bei der nächstbesten Gelegenheit zu verschwinden. Anders käme er hier vermutlich nicht mehr heraus.

Äußerst langsam und schwerfällig, da sich sein Körper immer noch so anfühlte, als hätte jemand seine Muskeln verknotet, schaffte er es, sich auf den Rücken zu drehen und sich ein wenig aufzurichten. Die Anstrengung kostete ihm viel Kraft und er fasste sich für einen kurzen Moment an die Stirn, damit sein Kreislauf Zeit hatte, sich zu beruhigen.

„Wie fühlst du dich, Kai?“

Er erstarrte augenblicklich in seiner Bewegung. Woher kannten diese Leute seinen Namen? Zögerlich blickte er auf, sah ihnen in ihre Gesichter. Seine Gesichtszüge entgleisten ihm. Das konnte nicht sein!

Links und rechts neben seinem Bett standen insgesamt drei Personen und er kannte sie leider nur viel zu gut. Wenn es nun auch schon so verdammt lange her war.

Rechts stand ein schlaksig wirkender, junger Mann. Hochgewachsen, schlank. Er hatte kurze blonde, ungebändigte Haare, jede Menge Sommersprossen und er lächelte ihn freundlich an. Seine Kleidung wirkte lässig, bestand lediglich aus einem grünen T-Shirt und einer schwarzen Jeans, dazu trug er Turnschuhe. Daneben stand ein gut durchtrainierter, durchschnittlich großer, chinesisch anmutender Mann mit sehr langen, schwarzen Haaren. Passend zu seinem weißen Oberteil trug er eine schwarze Stoffhose und flache, ebenfalls schwarze Schuhe. Auch er schien guter Dinge zu sein. Den beiden gegenüber stand ein weiterer junger Mann. Seine dunklen Haare hatte er ordentlich zu einem Pferdeschwanz gebunden, hatte einen ungewöhnlich ernsten und hoffnungsvollen Blick auf seinem Gesicht. Sein weißes Hemd steckte ordentlich in seiner schwarzen Cargohose und an seinen Füßen befanden sich Wanderschuhe aus Leder. Er wirkte sehr gepflegt und ordentlich.

Er starrte sie für einen kurzen Augenblick einfach nur entsetzt an, versuchte die Wut, die Trauer und die Verzweiflung in seinem Inneren zu unterdrücken und setzte, so gut es ihm möglich war, eine starre Maske der Distanziertheit auf. Es fiel ihm schwer. Zu aufgewühlt war er.

Stumm wurde er angestarrt wie ein Tier in einer Ausstellung.

„Kennen wir uns?“, seine Stimme bebte ein wenig, als Kai die Worte sprach und Tyson, Max und Ray wirkten für einen kurzen Augenblick ein wenig erschüttert. „Du erinnerst dich nicht mehr an uns?“, murmelte Max mit gerunzelter Stirn, doch Kai zeigte sich unbeeindruckt. „Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?“

„Ich bin‘s Max! Max, erinnerst du dich nicht mehr?“ Der Angesprochene schüttelte nur langsam den Kopf. Tyson wirkte ob der Entwicklung sichtlich frustriert und er seufzte leise, Ray hingegen musterte seinen Gast mit skeptischem Blick. „Ich denke, er braucht einfach noch Ruhe“, sagte er dann mit bedachter Stimme zu Tyson und Max, „Wir sollten ihn noch etwas Schlaf gönnen. Am besten ihr geht schon mal, ich gebe unserem Gast hier nur noch schnell seine Medizin.“

Langsam und mit hängenden Schultern traten die beiden aus dem Raum und Kai verspürte innerlich für einen kurzen Augenblick so etwas wie Genugtuung. Zumindest, bis Ray ihn mit zusammengekniffenen Augen musterte. „Warum lügst du?!“

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Doch, ich glaube, das weißt du genau. Ganz genau. Ich weiß genau, dass du dich erinnerst, ich sehe es dir an, Kai.“ Die Nennung seines Namens jagte ihm einen unangenehmen Schauer durch den ganzen Körper und er warf Ray einen zornigen Blick zu. Es fiel ihm schwer seine Tarnung aufrecht zu erhalten, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. „Und wenn es so wäre?“, trotz der Schmerzen, die er spürte, erhob er sich aus dem Bett, baute sich in seinem Schlafanzug vor Ray auf, „Es ist meine Sache. Und ihr drei Idioten tätet besser daran, euch nicht in meine Angelegenheiten einzumischen!“

Nun wirkte auch Ray ernsthaft zornig und seine Stimmte bebte, als er Kai anfuhr: „Das ist es doch, oder? Du hast noch nie viel von uns oder von unserem Team gehalten, nicht wahr? Weshalb? Wir waren-... Wir sind deine Freunde! Aber wenn dir das nichts wert ist, dann kannst du gerne selbst sehen, wie du dein Leben unter dem Herrscher fristest!“ Er drehte sich, wollte in Richtung Tür gehen, den Raum verlassen. Schlagartig erstarrte er, als ein trockenes Lachen an seine Ohren drang. Es war Kai.

„Freunde? Was bringen mir Freunde? Was bringt es mir euch zu vertrauen? Kannst du mir das verraten, Ray?“, die Worte wirkten kalt und gefühllos, Hohn schwang deutlich in ihnen mit, „Soll ich dir etwas echt total lustiges erzählen?“ Er schnaubte, brachte ein Lächeln zustande.

„Weißt du, was genau vor dreitausendsechshundertzweiundsiebzig Tagen passiert ist? Ein Junge kam zu mir. Sagte, er sei ein alter Freund. Ich habe versucht ihn loszuwerden, doch er nutzte die Gelegenheit aus, verabreichte mir irgendein Mittel. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einer Art Gefängniszelle. Ich habe jeden einzelnen, verfluchten Tag gezählt. Dreitausendsechshundertzweiundsiebzig an der Zahl. Und weißt du, was das Lustige an der Sache ist?“ Ray drehte sich langsam herum, wagte es nicht, irgendetwas zu sagen. „Jeden Tag... Jeden einzelnen, verfluchten Tag habe ich fest daran geglaubt, dass irgendjemand kommen würde, um mich zu retten. Wie konnte ich nur so naiv sein, auf meine Freunde zu vertrauen? Meine gesamte Hoffnung bestand darin, dass ich betete, dass ihr kommen und mich befreien würdet. Aber keiner ist gekommen. Das ist doch einfach nur doof, oder? Ich hatte euch den ganzen Freundschafts-Scheiß echt abgekauft und euch vertraut. Und jeden verdammten Tag habe ich mir immer und immer wieder Entschuldigungen für euch ausgedacht, warum ihr noch nicht gekommen seid. Um mir selbst etwas vor zu machen. Ich habe echt an den Mist geglaubt. Und jetzt sag‘ mir bitte, mein lieber Freund, wieso ich euch noch vertrauen sollte, geschweige denn mich über eure Anwesenheit freuen sollte. Das Einzige, das ich empfinde, wenn ich euch sehe, ist Hass. Und Wut. Ich will nichts mehr mit euch zu tun haben, lasst mich einfach in Ruhe. Ich werde nie wieder den Fehler machen und euch vertrauen. Nie wieder!“

Kais Knöchel waren weiß, er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und sein ganzer Körper bebte. Ray hingegen starrte ihn nur entsetzt und sprachlos zugleich an. „Was ist?!“, fuhr Kai ihn zornig an und packte ihn grob am Kragen, „Hat es dir die Sprache verschlagen, oder was? Hau ab!“ Als er die letzten Worte sprach, stieß er Ray von sich, sodass er ein paar Schritte nach hinten taumelte. „Verschwinde!!“

Wieder reagierte Ray in keiner Weise, starrte ihn einfach nur an. Mitleidig, erschüttert, entsetzt... Es machte ihn wütend. So unendlich wütend. Der Hass und die Abneigung, die er empfand, die Verzweiflung und auch die Enttäuschung machten Kai um Worte verlegen. Am liebsten hätte er alles kurz und klein geschlagen und auf Ray eingeprügelt, um ihn einfach los zu sein und seinen Blick und die damit verbundenen Erinnerungen endlich zu vergessen.

„Kai“, Ray sprach überaus bedacht, langsam und sorgfältig, fast ein wenig zögerlich, als ob er fürchtete, dass er Kai noch mehr verärgerte, wenn er zu schnell sprach, „Kai, du... du weinst...“ Kai wurde bleich, fuhr sich bestürzt mit der Hand über das Gesicht. Warme Tränen berührten seine Fingerkuppen und er erstarrte. Er weinte? Er? Ausgerechnet jetzt fing er an zu heulen? Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Zornig funkelte er sein Gegenüber an: „Lass mich einfach in Ruhe, klar?! Ich habe weder Lust mich wieder mit euch abzugeben, noch über irgendetwas zu diskutieren. Um ehrlich zu sein habe ich weitaus besseres zu tun, als hier herumzusitzen. Die letzten zehn Jahre habe ich ohne euch überlebt, da werde ich auch in Zukunft sehr gut ohne euch zurechtkommen!“

Ray trat mit ernstem Blick ein paar Schritte zu ihm hin, während Kai ihn weiterhin wütend anstierte. „Und du glaubst, das ist der richtige Weg für dich? Ja? Bist du dir da so sicher, Kai? Gerade jetzt brauchst du jemanden, dem du vertrauen kannst, jemanden, der-...“ „Und da sollte ich mich ausgerechnet für euch entscheiden? Ich bin kein Vollidiot. Ich habe am eigenen Leib gespürt, was es bedeutet, euch zu vertrauen!“

„Kai, mach keinen Unsinn“, murmelte Ray und schüttelte betreten den Kopf, packte ihn sanft an den Schultern, „Du hast keine andere Wahl, du kommst ohne unsere Hilfe aus dem Ganzen nicht lebend heraus!“ Er brach ab und schluckte. „Und hätten wir gewusst, dass du gefangen genommen worden bist, dann hätten wir wohl auch versucht, dich zu retten, aber... Wir haben deinen toten Körper gesehen. Wir waren alle auf deiner Beerdigung. Wir dachten du seist tot!“
 

Widerwillig und mit düsterer Miene saß Kai in einem Sessel im Wohnzimmer von Rays Haus. Ray hatte ihm Kleidung geborgt, ein rotes Hemd und blaue Jeans, die ihm sogar einigermaßen passten, und ihm die Haare kurz geschnitten, damit er nicht so sehr auffiel. Obwohl er gut geschlafen hatte, war er erschöpft und ausgelaugt und brauchte Ruhe. Das Gespräch mit Ray hatte ihn mitgenommen, ihn sehr angestrengt und irgendwann hatte er nur noch schwarz vor Augen gesehen und war vornüber gekippt. Der Asiate hatte ihn zurück ins Bett gebracht, ihm dabei geholfen, Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen, und Kai hatte sich, soweit er das Ganze in seinem dämmrigen Zustand überhaupt mitbekommen hatte, verzweifelt gefragt, wann er zuletzt etwas gegessen hatte. Danach hatte er irgendwann endgültig das Bewusstsein verloren.

Als er wieder aufgewacht war, hatte Ray ihn erneut zur Rede gestellt, ihm ein Foto seines Grabsteins gezeigt, aber Kai wollte nicht reden. Es tat weh, über alles nachzudenken und es war angenehmer, sich abzulenken. Doch Ray hatte darauf bestanden. Nur äußerst widerstrebend hatte Kai zugestimmt vorerst bei ihm, Max und Tyson zu bleiben, bis es ihm besser ging, und ihnen noch eine Chance zu geben. Er wusste absolut nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Irgendwann hatte er angefangen seine Freunde zu hassen und diese Abneigung war nichts, was man von heute auf morgen abstellen konnte, nur weil einem irgendjemand eine recht nett klingende Geschichte erzählte.

Er zeigte sich den Anderen gegenüber schweigsam und abweisend, wollte niemanden zu lange bei sich haben und auch sein Kreislauf machte noch viel zu oft schlapp. Ein Grund, weshalb er sich in den dunklen Raum gesetzt hatte. Ruhe. Die brauchte er dringend. Über all die Jahre hatte er sich wieder an das Alleinsein gewöhnt gehabt, es gefiel ihm nicht, dass man ihm nun so viel Aufmerksamkeit schenkte. Aus diesem Grund kam es ihm gerade nur recht, dass Tyson, Max und Ray in der Küche standen, abspülten und sich vermutlich flüsternd über ihn unterhielten. Pah! Sollten sie doch...

Genervt von dem bloßen Gedanken verschränkte er seine Arme vor der Brust und sehnte sich insgeheim zurück zu den alten Zeiten, als die Welt um ihn herum noch einigermaßen in Ordnung gewesen war.

Müde schloss er die Augen, ließ sich ein wenig tiefer in den Sessel zurücksinken und hoffte, dass man ihn vorerst in Ruhe lassen würde, bis er sich mit der Situation abfinden konnte. Kaum hatte er sich ein wenig entspannt, hörte er Schritte. Jemand betrat den Raum, blieb kurz stehen. Allem Anschein nach hatte man ihn bemerkt. Doch er wollte mit niemandem sprechen, wollte alleine sein, deshalb stellte er sich weiterhin schlafend. Langsam und vorsichtig kam die Person leise näher und Kai spürte die Panik tief in ihm, die sich langsam aber sicher in ihm aufstaute. War er hier wirklich sicher? Konnte er sich wirklich sicher sein, dass man ihm hier nichts Schlechtes wollte? Es machte ihn nervös, dass sich irgendjemand an ihn heranschlich, und er rang innerlich mit sich selbst, seine Angespanntheit nicht zu deutlich zu zeigen. Aufmerksam lauschte er und versuchte abzuschätzen, was wohl als nächstes passieren würde. In keinem Fall durfte er schreckhaft reagieren.

Er hörte den leisen Atem, der näher kam und er musste mit sich kämpfen, seine Fingernägel nicht in seinen Arm zu krallen.

Plötzlich berührten ihn ganz kurz sanft ein paar Finger an seiner rechten Hand, ließen ihn kaum merklich zusammenzucken. Achtsam und umsichtig strich ihm jemand über die Wange. Was genau damit bezweckt wurde, wusste Kai nicht, aber es war ihm verdammt unangenehm und er überlegte für einen kurzen Augenblick, ob er die Hand einfach bei Seite schlagen sollte. Ein leises, erleichtertes Seufzen ertönte und der Übeltäter ließ von seiner Handlung ab.

„Ich werde es dir wohl nicht ins Gesicht sagen können“, flüsterte die unbekannte und doch so vertraute Stimme kaum hörbar, „Aber ich bin wirklich froh, dass du noch am Leben bist. Auch wenn du mir das vermutlich nie glauben würdest...“

Kais Herz schlug heftig gegen seine Brust, denn er hörte deutlich die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit aus Tysons Stimme heraus. Für einen kurzen Moment wusste er nicht, ob er ihn für dieses freundschaftliche Geständnis dankbar sein oder ihn dafür hassen sollte. Er war erleichtert darüber, dass Tyson dachte, dass er schlief, so wurde keine Reaktion von ihm erwartet. Denn er wusste beim besten Willen nicht, wie er ihn zu diesem Zeitpunkt hätte vor den Kopf stoßen können.

Leises Rascheln von Kleidung verrieten ihm, dass sich Tyson wieder aus dem Zimmer schlich, um ihn in Ruhe schlafen zu lassen. Vorsichtig öffnete Kai seine Augen und blickte ihm mit aufgewühlter Miene hinterher. Dieser verdammte Tyson.

Plötzlich stand Ray im Türrahmen, blickte ihn überrascht an und Kai schaffte es gerade rechtzeitig, wieder einen neutralen Gesichtsausdruck anzunehmen. „Ist alles in Ordnung mit dir, Kai?“ er nickte bloß stumm und sein Gegenüber schien das als gutes Zeichen zu deuten und setzte sich zu ihm in den Raum, in einen anderen Sessel. „Worüber denkst du nach?“

Kai hatte keinerlei Lust über seine Gefühle und das Durcheinander in seinem Kopf zu sprechen, weshalb er es für das Beste hielt, zunächst einmal ein anderes Thema anzusprechen. Das würde ihn vermutlich selbst auch auf andere Gedanken bringen. „Der Herrscher. Wie ich ihm entkommen kann.“

„Du meinst, wie wir ihm entkommen können.“

Kai rollte genervt mit den Augen, äußerte sich jedoch nicht zu der Aussage und meinte lediglich: „Ich habe schon überlegt, dass es vermutlich sinnvoll wäre ins Ausland abzuhauen oder so etwas in der Art.“ Ray schüttelte den Kopf. „Das wird nichts bringen. Damit wirst du keinen sonderlichen Erfolg haben.“

„Wieso?“

Unruhig wackelte Rays linkes Knie auf und ab und er befeuchtete seine Lippen. „Du hast ja nicht so viel mitbekommen, wenn du im Gefängnis saßt... Aber es ist ja nicht so, als hätte der Herrscher nur diese Stadt, Region oder Japan unter seiner Kontrolle“, er zögerte, „Es ist ein... weltweites Phänomen.“

Mit dem blankem Entsetzen und erschütterter Wut in den Augen starrte Kai Ray fassungslos an.

„Es ist... kompliziert. Kaum warst du tot, ist auf einmal dieser Typ aufgetaucht, hat sich Landstrich für Landstrich unter den Nagel gerissen. Es gibt nur noch wenige freie Länder, wenige Menschen, die bereit sind Widerstand zu leisten. Wir befinden uns zurzeit mitten in einem... Weltkrieg“, er schüttelte nachdenklich den Kopf, während er sich mit der Hand durch die Haare strich, „Anfangs haben viele Staaten für ihre Freizeit gekämpft, doch irgendwie hat er es geschafft, sie zu besiegen. Dann hat er Unterstützung von anderen Ländern erhalten, die sich hierdurch Macht und Reichtum in der neuen Weltordnung erhofft haben. Europa ist fast besiegt, Amerika wird vermutlich ebenfalls bald fallen. Der Rest ist bereits in seiner Gewalt. Da heißt es nur noch: sich unterordnen und den Versuch unternehmen, ein einigermaßen gutes Leben zu führen.“

Kais Gesicht war bleich und seine Stimme zitterte, als er sprach: „Es muss doch eine Möglichkeit geben, diesen Wahnsinnigen aufzuhalten!“ Ray schenkte ihm ein müdes Lächeln. „Es gibt einige Leute, die auch so denken. Sie arbeiten geheim, um nicht erkannt zu werden, doch die meisten werden doch entdeckt und gestellt. ‚Gestellt‘ ist wohl der falsche Ausdruck. Sie verschwinden einfach“, Ray wirkte plötzlich ungewöhnlich alt, „Und nachdem, was der Kerl in Europa angestellt hat, wagt es keiner mehr, sich ihm entgegen zu stellen.“

„Warum? Was hat er getan?“, hakte Kai nach. Es gab so viele Dinge, von denen er keine Ahnung hatte, die er erfahren musste. „Erinnerst du dich noch an die europäischen Beyblader, gegen die wir früher mal gekämpft haben? Robert Jürgens, Johnny McGregor, Enrico Giancarlo und Oliver Boulanger. Allesamt Abkömmlinge reicher und adeliger europäischer Familien“, er holte tief Luft, ehe er fortfuhr, „Sie wollten ihm die Stirn bieten, ihn aufhalten. Doch sie wurden verraten. Keiner weiß genau wieso. Vermutlich war es die Macht, die Johnny dazu brachte, seine Freunde zu verkaufen. Aber alle ihre Anhänger, ihre Bediensteten, alle, die ihnen nahe gestanden hatten, wurden brutal niedergemetzelt in einem noch nie da gewesenen Blutbad. Was genau mit Robert, Enrico und Oliver geschehen ist, weiß niemand. Sind sie damals umgekommen? Leben sie noch?“ Ahnungslos zuckte Ray mit den Schultern, wirkte betroffen, wollte vermutlich nicht mehr weiter darüber sprechen.

„Was habt ihr die letzten zehn Jahre gemacht?“, murmelte Kai nach einiger Zeit des Schweigens und er erntete einen überraschten Blick von Ray. Schnell fügte er hinzu: „Nicht, dass es mich wirklich interessieren würde.“

Ray brachte ein Lächeln zustande, sah Kai ein wenig schief an. „Nach deinem Tod sind die Bladebreakers zerbrochen. Ziemlich schnell ist jeder seine eigenen Wege gegangen. Tyson hat uns zuerst verlassen. Er wurde Kendolehrer in einem kleinen Dorf, fand eine Frau, gründete eine Familie und hat auch allem Anschein nach eine kleine Tochter. Er hat eigentlich nie etwas von sich hören lassen. Es war wirklich schwer, Kontakt zu ihm aufzunehmen, nachdem ich dich gefunden hatte. Max war ziemlich lange in Amerika, hat dort auch studiert. Nachdem sich die weltpolitische Lage immer mehr verschlechtert hat, kam er dann wieder hierher zurück, um ein besseres Auge auf die Geschehnisse hier vor Ort zu haben. Er arbeitet ziemlich intensiv mit den Widerstandskämpfern zusammen, die in Amerika kämpfen. Vor allem seit dem Angriff auf die AllStarz und nach dem plötzlichen Verschwinden seiner Mutter...“, er unterbrach sich kurz, blickte nachdenklich an die Zimmerdecke, „Und ich... Na ja, ich lebe seit ein paar Jahren mit Mariah zusammen. Wir haben uns verlobt und hätten fast geheiratet. Aber dann... Dann habe ich herausgefunden, was sie unserem Dorf angetan hat und dass sie für ihn arbeitet. Für diesen Größenwahnsinnigen.“ Er schnaubte. „Ich verstehe das einfach nicht.“

Plötzlich hielt er in seiner Bewegung inne, erstarrte. Dann sprang er auf, packte Kai am Arm und zog ihn in die Höhe. „Wir müssen hier sofort verschwinden!“ Mit Kai im Schlepptau trat er in den Flur. „Max, Tyson! Beeilt euch, wir müssen sofort hier weg! Nehmt nur das Wichtigste mit!“

„Was ist auf einmal los?“, fragte Kai verwirrt, versuchte Schritt mit Ray zu halten, der die Treppe zum Keller hinunter eilte. Max und Tyson, die gerade aus dem Gästezimmer kamen, blickten verwundert den Beiden hinterher, ehe sie sich daran machten, ihnen mit ein paar wenigen, kleineren Gegenständen zu folgen.

Die Stufen führten sie hinab in einen recht großen Lagerraum, der mit Regalen und Kisten vollgebaut war und Ray lief zielstrebig auf einen Schrank am Ende des Raumes zu. Er öffnete die Türen des Schrankes und gab den Blick frei auf einen Haufen Klamotten, die auf Kleiderbügeln aufgehängt waren, und weder Max, noch Tyson oder Kai wussten in diesem Moment, was genau sie mit der Kleidung anfangen sollten, doch Ray trat grob gegen die Rückwand, die sofort aufflog. Eine versteckte Tür. Mit einer stummen Geste seiner rechten Hand deutete er ihnen an, sofort durch den Kleiderschrank zu gehen, was diese mit verwirrten Blicken, aber gehorsam taten. Hinter ihnen schloss Ray sowohl die Schranktüren, als auch die Rückwand.

Sie befanden sich nun in einem schmalen, erdigen Gang, in dem ein Erwachsener zwar direkt hinter der Tür stehen konnte, der jedoch sehr bald so eng wurde, dass sie auf allen Vieren würden krabbeln müssen. Für einen kurzen Moment überlegte Kai, ob es sinnvoll wäre, Ray, Max und Tyson auf seinen gesundheitlichen Zustand aufmerksam zu machen. Er wusste nicht, ob er es schaffen würde. Wie lange war dieser verfluchte Gang überhaupt? Unsicher bedachte er den Weg, während Ray ein paar Kisten, die rechts neben ihnen standen, vor die Tür des Kleiderschranks schob.

„Nennt mich paranoid“, murmelte er dann, nachdem er seine Arbeit beendet hatte, „Aber ich habe den Gang angelegt, nachdem ich das mit Mariah herausgefunden hatte. Ich wusste, dass man mir und meinen Ansichten irgendwann auf die Schliche kommen würde. Da dachte ich, es sei besser, wenn ich darauf auch vorbereitet bin.“ Kai schüttelte nur den Kopf. „Was soll die ganze Aktion hier überhaupt?“

Ray seufzte leise. „Ich habe eine gewisse Eventualität außer Acht gelassen. In der Tat hege ich schon lange die Vermutung, dass ich abgehört werde. An sich kein großes Problem, aber der Herrscher ist hinter dir her. Die Gefahr, dass seine Leute hier auftauchen ist zu groß. Ich war unvorsichtig, wir müssen dringend verschwinden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Schergen schon unterwegs sind. Deswegen sollten wir uns beeilen.“
 

Wie lange sie schon unterwegs waren, Kai wusste es nicht. Man konnte kaum etwas erkennen, gerade einmal die Füße des Vordermanns. Und während sie so langsam voran krochen, wurde Kai immer mehr bewusst, wie nötig er den Schlaf und etwas Ruhe doch hatte. Obwohl er sehr erschöpft war, schleppte er sich langsam weiter und überlegte, wie er die drei Tage Flucht überhaupt heil hinter sich gebracht hatte.

„Es ist nicht mehr weit“, murmelte Ray leise hinter ihm und Kai widerstand der Versuchung, sich umzudrehen, „Es ist in etwa noch eine halbe Stunde, dann haben wir den Tunnel hinter uns und können uns kurz ausruhen.“

„Das ist gut“, kam Max‘ gutgelaunte Stimme von vorne, „So allmählich bekomme ich nämlich ziemlichen Hunger. Und wir alle können mit Sicherheit ein wenig mehr Bewegungsfreiheit gebrauchen...“

Kai schnaubte, was vermutlich unter normalen Umständen eine Art Lachen gewesen wäre. Dann seufzte er leise und hing wieder seinen eigenen Gedanken nach, in der Hoffnung, dass sie bald das Ende des Tunnels erreicht haben würden.
 

~*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (12)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  TalaxNile
2011-09-23T13:43:39+00:00 23.09.2011 15:43
*schluck*
Das ist echt hart, was du mit Kai angestellt hast. Deine FF ist der Hammer! Ich werd sie sofort weiterlesen und allen meinen Freunden empfehlen!
Mach so weiter. Mir hat die Stelle gefallen, wo Ray Kai über die letzten Jahre aufgeklärt hat. Und wie konnte Jonny das nur machen? Es gibt noch so viele Fragen bei mir, ich hoffe, ich werde sie bald alle lösen können.

Und der Herrscher ist so gemein
Von: abgemeldet
2008-04-21T18:14:26+00:00 21.04.2008 20:14
Toby: Pass Mal auf was passiert!
Passt du auf? Gut.
Also:
Happy?
Happy: hm?
Toby: Kai.
Happy: hnnn :3
Toby: Ray.
Happy: hmnhn :3 *sabber*
Toby: *freu*

Happy: *räusper* Ja schönes Wetter nicht?
Regen: Gegen Fenster klatsch.

Ne im Ernst, die ´Story is toll.
Werd gleich mal weiter lesen
Hab auch den Trailer gesehen. absolut cool.
Dadurch bin ich erst auf die FF gekommen.
Von: abgemeldet
2004-10-23T12:19:19+00:00 23.10.2004 14:19
Hi!^^
Deine Geschichte ist toll!^^ Echt! Schreib ja schnell weiter!!!

Bye, Fire__Angel
Von: abgemeldet
2004-04-25T14:32:03+00:00 25.04.2004 16:32
Also ich kann mich nur anschließen: super Idee, super geschrieben und MACH WEITER!!!! Ich mag den Herrscher irgendwie ^-^ bin ich da die einzige oder gibt es noch andere die ihn mögen? Naja gut er ist vielleicht ein wenig sadistisch veranlagt und ein bisschen größenwahnsinnig und besitzergreifend... aber sind wir das nicht alle?
//Nein die bist die einzige Geisteskranke hier//
Ach ja das ist die Stimme in meinem Kopf... sie kann echt gemein sein
//Ich bin nur ehrlich//
Wäh... du hasst mich
//ja und?//


I'm nuts >.<
Von: abgemeldet
2004-04-14T20:24:13+00:00 14.04.2004 22:24
Weiter schreiben, weiter schrieben, weiter schreiben, weiter schreiben, weiter schreiben, weiter schreiben, weiter schreiben, weier schreiebn, weiter schreiben.

Also ich sag es noch zum letzten mal.
Weiter schrieben

Denn ich find diese FF einfach klasse und wenn du das nich tmachst, bin ich ganz traurig *heul*, aber soweit soll es doch nicht kommen oder? Lass es bitte nicht soweit kommen. So eine gut FF musss weiter geschrieben erden.

Also weiter schrieben ^__^
Von:  Skarabaeus
2004-04-14T16:29:11+00:00 14.04.2004 18:29
Echt klasse Idee!!!
Die FF ist wirklich gut
Und schreib bloß weiter ò_ó
CU .::Silber::.
Von:  Elliiy
2004-04-13T08:54:47+00:00 13.04.2004 10:54
*heul* mein armer kai *schluchts*!!! wie konntest du nur ihm sowas antun??? das ist ja soooo fies *heul*

trozdem super FF

Lg, Elliiy
Von:  Hayan
2004-04-06T16:28:28+00:00 06.04.2004 18:28
wie jetzt?
war des jetzt ernst gemeint? "ich schreib vielleicht ma weiter"
samma hackts? schreib weiter!! ><
*knuffel*
bye Thinka
Von:  DarknessKai
2004-04-06T16:17:43+00:00 06.04.2004 18:17
Schreib bloss weita sonst............. ^-^" wenn ich das wüste XD
War klasse mach weida ^-^

Bye
Darkness
Von: abgemeldet
2004-04-05T21:22:52+00:00 05.04.2004 23:22
*gg*

@bunny dein kommi ist genial XD
@dich
die ff hört sich echt genial an!
mach weiter so!


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