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Das Glück der Erde

von

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Erklärungsnot

Das Smartphone brummte und brummte. Die Kommode vibrierte bei dem unsäglichen Krach und ließ Elena nicht mehr schlafen. Murrend tastete sie das Möbelstück ab, ehe sie das Teil in ihrer Hand hatte und verschlafen auf die Nummer blinzelte, die ihr angezeigt wurde.

»Ich hoffe, es ist wichtig, Mina, sonst –«

»ELENA! EIN NOTFALL!«

Die Reiterin wurde hellwach. Ihr Ohr klingelte und befürchtete, dass ihr Trommelfell geplatzt sei.

»Was zum Teufel stimmt mit dir nicht?!«, hielt sie sich wieder das Ding am Ohr und kniff die Augen zusammen, als das Sonnenlicht sie blendete.

»Zieh dich an, komm um zwölf zu unserem Stammcafé und wehe du bist nicht da, sonst haben wir beide ein Problem!«

Dann legte sie auf und ließ eine verdatterte Elena zurück. Ihr leicht verstörter Blick weiter auf das kleine Gerät in ihrer Hand haftend.
 

»Also los. Raus damit. Warum wolltest du mich unbedingt an einen meiner seltenen, freien Tage sehen?« Elena klang noch immer müde, als sie von Kamina unsanft aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Das schien ihrer Freundin herzlich egal und wirkte eher unruhig oder geradezu panisch, als sie die Kaffeetasse mit ihren manikürten Fingernägeln festkrallte.

Elena wurde zunehmend besorgter und legte behutsam ihre Hand auf ihren Arm. »Mina, was ist los?«

»Er folgt mir«, war das einzige, was die Reiterin als Antwort bekam.

»Wer folgt dir?«

»Er!«

Noch immer sah sie die aufgebrachte Frau an. »Wer ist... „er“?«

»Na er hier!« Kamina hatte ihr Smartphone in der Hand, rief ihr Profil auf und drückte es beinahe ins Gesicht der Reiterin. »Schau!«

Elena blinzelte und starrte auf den User, dessen Icon ihr verdächtig bekannt vorkam.

»Warte, ist das etwa Sho?«

»Ja!«

»Unser Shunko Sho? Der Shunko Sho aus der rotburger Mannschaft?!«

»Ja! Ich weiß gar nicht, warum er auf meine Postings reagiert und mir sogar folgt!«

Sie antwortete daraufhin nichts, sondern ließ ihre Freundin weiter ihrer unnötigen Panik freien Lauf.

»Hast du was damit zu tun?«

Elena verschluckte sich leicht an ihrem Kaffee und hustete einige Male, bevor sie ihr einen fragenden Blick zuwarf. »Was... soll ich denn großartig gemacht haben?«

»Du hast auffallend oft Kontakt zu den Fußballern.« Ihr Blick war eisern, beinahe glich Kamina einer strengen Lehrerin, die ihren Schülern gerade eine Strafarbeit aufbrummte.

»...Ja schon«, stammelte Elena. »a – aber ich habe nie angesprochen, dass du ihn toll findest«

»Wer sagt denn, dass ich ihn toll finde?!«

Das war nicht ihr ernst, dachte sich Elena und lachte leise, während sie ihren Kopf schüttelte. »Du reitest dich immer weiter rein, meine Liebe. Jeder sieht doch, dass du Augen für ihn hast und ganz ehrlich, verdenken kann ich es dir sicher nicht. Er schaut schon sehr süß aus und er ist wirklich ein Schatz. Ich muss es wissen. Ich rede oft mit den Jungs und er ist bei den Gesprächen nahezu immer dabei.«

Kaminas Brust zog sich seltsamerweise ein wenig zusammen. Sie sagte immer wieder, dass ihr dieser Fußballer egal war. Warum also störte es sie, wenn Elena sich offenbar gut mit ihm verstand?

»Ich rede mal mit den Jungs«, kam es plötzlich von der Reiterin und kam sich vor, als hätte ihre beste Freundin sie durchschaut.

»Die Jungs?«

»Ob du ihrem Server beitreten kannst. Dann kannst du dich auch mit ihnen unterhalten – und besonders mit Sho«

»Nein danke, aber ich habe kein Interesse daran rund um die Uhr über Fußball zu sprechen«

»Was?«, fragte Elena mit schiefem Grinsen. »Ich dachte du magst Fußball und schaust dir gerne die Spiele an?«

»Das heißt aber nicht, dass ich mich 24/7 damit beschäftigen muss«

»Wir reden nicht nur über Fußball«, erklärte sie sich. »Ehrlich gesagt, wenn ich dabei bin, wird so gut wie nie über Fußball gesprochen. Was die Jungs unter sich machen, ist mir egal. Wenn ich dabei bin, wird über alles mögliche gesprochen.«

Kamina hörte ihr schweigend zu und bemerkte nicht, wie die Kellnerin ihre Apfeltasche brachte.

»Ich kann mir denken, dass Sho dich gerne kennen lernen will und dir deshalb Kommentare auf deine Postings geschrieben hat. Oder hat er dich direkt angeschrieben?«

»Nein!«, schnappte sie. »Nein... nein, hat er nicht...«

»Du klingst dabei sehr enttäuscht«, sagte Elena mit einem leisen Kichern.

»Bin ich nicht«, rümpfte sie ihre feine Nase und begann die Apfeltasche mit einer Kuchengabel zu zerkleinern. »Soll er machen, was er will. Er interessiert mich nicht«

»Und warum bin ich dann hier, wenn dir Sho so egal ist?«

Kamina hatte bereits zu einer Antwort ansetzen wollen, doch sie stoppte plötzlich und nicht ein einziges Wort brachte sie über ihre Lippen.

»Ehrlich, Mina, warum sträubst du dich dagegen ihn kennen zu lernen? Er ist wirklich nett und ich kann mir vorstellen, dass ihr euch versteht«

»Du weißt doch. Mein strenger Zeitplan lässt das nicht zu«

»...Du sitzt hier mit mir in einem Café und jammerst mich hier voll, weil Sho dir auf Instagram folgt.«

So langsam war Elena das Theater leid. Sie wusste um Kaminas Macken Bescheid. Sie war kein Kind von Traurigkeit und hatte bis jetzt nie eine feste Beziehung gehabt. Das hieß jedoch nicht, dass sie unerfahren war. Ganz im Gegenteil. Die junge Frau nahm sich einfach das, was sie brauchte und war bis dahin rundum zufrieden damit. Männer waren, wie die Schneiderin sie immerzu nannte, eine „Entspannung von ihrem stressigen Arbeitstag“ oder, wie Elena es treffender formulierte: „Sie waren ein guter Fick und ein guter Fick schadet niemandem“.

Tatsächlich hatten sich einige ihrer Eroberungen Hoffnungen gemacht es könnte doch etwas ernstes als ein One Night Stand werden, aber sie ließ sich nicht erweichen. „Warum sich in eine Beziehung stürzen, wenn es ohnehin nicht funktioniert“ war ihr Motto und danach lebte sie – bis Sho kam und ihren Lebensstil komplett durcheinander brachte.

»Es ist so unerträglich, dass dieser Schwachkopf mir nicht aus dem Kopf geht!«, hörte Elena sie meckern und horchte aufmerksam weiter. Dabei genüsslich ihren Kaffee trinkend.

»Wenn er spielt, ist das noch in Ordnung. Ich achte auf die Mannschaft, schaue mir das Spiel an und wenn es vorbei ist, ist er aus meinen Gedanken verschwunden, bis sie wieder gegen wen antreten«, rechtfertigte sie sich noch immer. »Aber jetzt, nachdem ich weiß, dass er mir folgt, kann ich an nichts anderes mehr denken!«

»Oh nein, du armes Ding«

»...Was soll ich jetzt machen?!«

»Nehme Kontakt auf«, war die einfache, aber logischste Antwort auf diesen Kindergarten. »Es reicht schon aus, wenn du dich bei ihm bedankst und dich freust, dass er dir folgt. Von mir aus antworte auf seine Kommentare, die er vermutlich auf deinen Postings hinterlässt. Das tust du doch oft, warum also nicht bei Sho?«

»Weil... es nun mal Sho ist«, nuschelte sie und sah dabei befangen auf die Apfeltasche. »und nicht irgendwer«

»Dachte schon, du würdest ihn mal sehr gerne für deine „entspannten Tage“ nutzen?«, hörte Kamina Elenas eindeutige Botschaft heraus. »Ich mein ein Fußballer wäre doch auch mal was feines, oder nicht? Und er scheint deinem Beuteschema sehr zu entsprechen. Du magst ja gerne sportliche Männer«

»Ich sagte doch er ist nicht wie die anderen Typen, die ich sonst abschleppe«, korrigierte sie Elena fix, wobei der Gedanke ein wenig verlockend war die Nacht mit einem Profifußballer zu verbringen.

»Aber abgeneigt bist du davon auch nicht.«

Kamina schwieg abermals und dieses Mal länger als üblich. Elena wusste, dass sie von ihrer besten Freundin keine vernünftigen Argumente bekäme, die gegen ein mögliches Kennenlernen waren.

»Kamina«, fing sie stattdessen an mit ihr in einem bestimmendem Tonfall zu sprechen und stellte dabei achtsam ihre Kaffeetasse auf die weiße, blumenförmige Untertasse. »Ich weiß, dass du ein gewisses... Bindungsproblem hast und du Männer nur als Ablenkung benutzt, aber findest du nicht, dass du eventuell eine einmalige Chance entgehen lässt, wenn du nicht über deinen eigenen Schatten springst und zumindest einmal auf Shos Nachrichten reagierst? Du musst ihm nicht gleich einen Ring in den Finger stecken. Ein paar kleine Worte reichen doch für den Moment aus und wenn es gut läuft, dann läuft es und wenn nicht, dann eben nicht. Was hast du denn schon zu verlieren, außer deine verlorene Zeit, die du für einen Moment an ihn investiert hast?«

Genau deswegen war Elena der perfekte Ansprechpartner für solche Themen. Kamina konnte sich immer auf sie verlassen, wollte sie sich ihren Kummer von der Seele reden oder unbedingt eine Lösung für ihre Probleme finden. Sie wusste nicht warum, aber die Reiterin hatte für so etwas immer einen siebten Sinn. Sie war so verflucht aufmerksam und behielt gerade bei ernsten Gesprächen einen kühlen Kopf auf die Situation. Und auch bei diesem Gespräch bewies sie ein gutes Gespür für Kaminas derzeitiges Dilemma und begann ernsthaft über ihre Worte nachzudenken. Sie hatte doch recht. Was hatte sie schon zu verlieren? Einen Versuch war es doch allemal wert, oder nicht? Auch, wenn sie über all ihre aufgestellten Prinzipien ging und diese schließlich über Bord warf.

»Wie du bereits sagtest, Mina«, setzte Elena nach und legte das Geld neben ihre Kaffeetasse. Sie deutete ihre Freundin damit an gehen zu wollen, blieb jedoch für eine letzte Unterhaltung sitzen und sah sie aufmerksam an. »Sho ist nicht irgendwer und glaub mir du wirst es nicht bereuen, wenn du ihn anschreibst. Er ist es wirklich wert.«
 

Genzo hörte plötzlich das Vibrieren seines Smartphones, welches auf der hölzernen Kommode rumorte. Seine strubbeligen Haare waren noch feucht, als er nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Bad kam und fix das kleine Gerät in seiner Hand hatte. Sofort bildete sich ein weites Lächeln auf seinem Gesicht, als er Elenas Namen auf dem Display las und den Anruf entgegennahm.

»Hey, Elena! Das ist vielleicht eine Überraschung.« Genzos Stimme hellte sich plötzlich auf, was allerdings unbemerkt blieb. »Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs?«

»Ach, weißt du, mein lieber Balljunge, ich habe heute einen freien Tag und dachte mir ich ruf dich mal an und frage, wie es dir geht und wie das Training so ist?«

Charmant wie eh und je, dachte sich Genzo und beantwortete jede Frage, die sie ihm stellte. Gleichzeitig hatte der Keeper ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und glaubte, dass Elena ihn eventuell wegen etwas anderem anrief.

»Oh, das ist gut, dass es bei euch soweit alles klappt, ehrlich!« Das meinte sie wirklich ernst und hoffte, dass Genzo das verstand. »Ich erwarte von euch, dass ihr die Bremer fertig macht«

»Aye Aye, Chef«

»Und da wir gerade von Bremen sprechen«, kam es beinahe summend aus ihr. »kannst du dort gleich eine neue Bleibe suchen, denn wenn du je wieder ein Fuß nach München setzt, bring. Ich. Dich. Um!«

Da war es. Das unangenehme Gefühl in der Magengegend, welches sich immer weiter ausbreitete... und aus irgendeinem unerklärlichen Grund konnte er nur erahnen, was sie damit meinte. Jedoch blieb er unwissend und weitete nur irritiert seine Augen, angesichts der Todesdrohung, die Elena aussprach.

»W... was?«

»Du mieser, kleiner Balljunge!«

Plötzlich schallte es am Smartphone und sofort klingelte sein armes Ohr.

»Da bitte ich dich nur um einen einzigen Gefallen und du kriegst es nicht auf die Reihe deine dämliche Klappe zu halten?! Deinetwegen hatte ich ein sehr anregendes Gespräch mit Kamina führen müssen, weil Sho auf sie aufmerksam wurde! Sie hat mich mit ihrer Panikmache total mürbe gemacht, nur weil du geplappert hast!«

»Drei gegen Eins ist schon unfair!«, versuchte Genzo sich zu rechtfertigen.

»Drei?«

»Sho, Levin und Karl haben was von unserer Privatunterhaltung mitbekommen und mich ausgequetscht. Ich hatte keine Chance, ehrlich!«

»Du bist so ein Schwächling, Balljunge«

»Jetzt wirst du aber gemein«

»„Jetzt wirst du aber gemein“«, äffte sie ihn nach. »Wieso verflucht konntest du nicht still sein?«

»Was hätte ich denn machen sollen? Sie haben mich überrumpelt und war total chancenlos. Sie haben mir keine Wahl gelassen«

»Du hättest standhaft bleiben sollen. Deinen Mann stehen müssen. Eier bewiesen und... ach wem erzähl ich das überhaupt? Ihr Fußballer seid doch eh totale Weicheier«

»Das nehm' ich jetzt aber persönlich, Lenchen.«

Sie stockte plötzlich und antwortete ihm nicht. Fragend hob er seine Braue und sah ein paar Mal aufs Display. Er dachte schon sie hätte bereits aufgelegt, aber sie war noch dran.

»Elena?«

»... Es ist so komisch, dass du mich „Lenchen“ nennst«, sagte sie tonlos. »Sonst nennen mich nur mein Bruder, meine Mädels und meine Eltern so – und... auch mein Ex, aber bei ihm klang das so... unehrlich«

»...Wenn, wenn es dich stört, dann –«

»Nein!«, kam es lauter als gewollt aus ihr heraus. »Nein, ist... ist schon ok. Ist mir nur aufgefallen, weiter nichts. Ist auch nicht so wichtig...«

»Ok«, meinte er dann. »Wenn du es sagst«

»Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich mal wieder sauer auf dich bin.«

Da war sie wieder. Die angenehme Spannung zwischen ihnen, die die unangenehme Situation mit einem Wink wegfegte.

»Aber ist es denn so schlimm, dass Sho davon Wind bekam?«

Sie seufzte in den Hörer. »Eigentlich nicht.« Etwas knirschte und raschelte bei Elena, doch bevor der Keeper sie danach fragen konnte, fuhr die Reiterin fort. »Ich sagte ihr auch, dass das nicht schlimm ist und das es sogar eine großartige Gelegenheit ist mit ihm in Kontakt zu treten. Alles andere liegt bei ihr«

»Ja.«

Und wieder hörte er dieses merkwürdige Rauschen auf der anderen Leitung.

»Sag mal, was ist das da bei dir, was so raschelt?«

»Oh!« Sie sah sich um. »Ich liege auf einem Strohhaufen«

»Wie bitte? Auf Stroh?« Er musste schmunzeln.

»Ja, wir haben eine neue Ladung von unseren Landwirten bekommen und halte mich dort gerade auf. Es ist so toooooll.«

Genzo konnte ihre Begeisterung heraushören, aber auch das Bild, wo er sich Elena mit Strohresten im Haar vorstellte, amüsierte ihn.

»Probier das auch mal aus. Ist wirklich gemütlich«

»Na das Angebot nehme ich doch gerne an.«

Es vergingen weitere Minuten, ehe Genzo wieder das Wort ergriff. »Bist du mir noch böse, weil ich nicht still halten konnte?«

»Wie ich neulich sagte. Ich werde immer böse auf dich sein, selbst, wenn wir uns verstehen.«

Er konnte nicht anders als zu lachen. Solch eine burschikose Frau war ihm bis jetzt noch nie begegnet – nun ja. Zumindest nicht in Deutschland. An eine ähnlich lebhafte Persönlichkeit konnte er sich sehr gut erinnern: Maki Akamine, Hyugas Freundin. Sie war wie er ein richtiges Temperamentsbündel und konnte nicht nur einstecken, sondern auch ordentlich austeilen. Unglaublich, dass es jemandem gelang den wilden Tiger, unter dem Namen Kojiro Hyuga mittlerweile bekannt war, zu zähmen. Er glaubte fast, dass Elena sich wunderbar mit ihr verstehen würde. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass das der Fall wäre.

»...wie auch immer, ich muss Schluss machen.«

Genzo hörte den abgehackten Satz gerade noch und als sie sich von ihm verabschiedete und kurz davor war aufzulegen, hielt er sie mit einem »Warte!« auf.

»Was ist denn noch?«, wollte sie wissen.

»Bist du mir wirklich nicht mehr böse?«, wollte er noch einmal ganz genau wissen und es schien ihm wirklich leid zu tun geplaudert zu haben.

Sie schwieg, begann dann aber doch zu lächeln. »Ist schon in Ordnung, Genzo. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass sich da endlich mal was bewegt«

»Tatsächlich?«, fragte er nach und ignorierte die Tatsache, dass Elena ihn bei seinem echten Namen ansprach.

»Na ja, ich sagte ja, dass sie ein kleines bisschen in ihn verliebt ist und dass Sho sich dazu entschlossen hat sie anzuschreiben, lässt mich auf ein Wunder hoffen. Wie hat er überhaupt reagiert, als er sie sah?«

»Als wir auf dem Weg nach Bremen war, habe ich ihm ein paar Bilder von Kamina gezeigt. Er hat seit dem nicht mehr sein Smartphone weggelegt, so fasziniert hat er darauf gestarrt.«

Ein leises, unterdrücktes Quietschen konnte Genzo am anderen Ende der Leitung hören und kicherte schwach.

»Er mag sie tatsächlich. Das ist toll!«, freute sie sich wie ein Honigkuchenpferd. »Jetzt muss sich nur noch zwischen den Beiden etwas entwickeln und dann hat dieses nervende Leugnen endlich ein Ende«

»Ich verstehe«, kommentierte der Keeper spitzbübisch. »Bei der ganzen Sache geht es in erster Linie um dich. So selbstsüchtig, kleine Ponyhalterin. Schäm dich«

»Halt die Klappe, Balljunge«, richtete sie sich auf, woraufhin Genzo wieder das bekannte Rascheln von Stroh vernahm. »Du hast ja keine Ahnung, wie unglaublich nervenaufreibend diese Gespräche waren, die ich mit Mina führen musste. Kimmy und ich haben ihr immer wieder zugeredet Sho mal anzuschreiben, aber sie blieb einfach stur. Das ist so anstrengend«

»Warum sträubt sie sich so sehr gegen ihre Gefühle? Was ist denn so schlimm daran sich zu verlieben?«

»Es ist... kompliziert.«

Das war es eigentlich nicht, aber Genzo brauchte Kaminas Hintergründe nicht zu erfahren – zumindest nicht von Elena.

»Das ist es doch immer«, seufzte er. »Also... da wir das jetzt geklärt haben... verspürst du keinen Drang mehr mich noch umbringen zu wollen?«

Sie lächelte erneut. »Nur, wenn du mir wieder auf die Nerven gehst und ich fürchte, dass wird ganz bald wieder der Fall sein«

»Du denkst immer nur das Schlechte von mir, Lenchen«

»Bei dir weiß man es nie, mein lieber Balljunge.«

Sie verloren sich abermals in angenehmes Gelächter, ehe Genzo kurz auf die Uhr sah und bemerkte, dass es spät wurde. Er hatte sich noch mit den Jungs zum Essen verabredet und wollten die bremer Straßen unsicher machen, wie Sho es nennen würde. Wenn er ehrlich war wollte er diese Unternehmung streichen lassen und weiter mit Elena quatschen. Es fühlte sich gut an, wenn sie sich unterhielten und er hatte das Gefühl, dass er ihr alles anvertrauen konnte. Er hatte in ihr einen guten Freund gefunden und umso erleichterter war er, dass auch seine Jungs sie mochten. Selbst die blöden Bemerkungen, die Elena über den Fußball machte, nahmen sie mittlerweile mit Humor. Und was Elena konnte, konnten die Jungs erst recht. Gerne zogen sie sie mit ihrem Beruf als Reiterin auf, doch einmal war die Diskussion besonders hitzig gewesen. »Es gibt einen Unterschied zwischen Pferdemädchen und Reitern!«, hatte sie mal gesagt und klang dabei sehr streng. »Pferdemädchen sehen nur hübsch aus. Echte Reiter machen sich jederzeit die Hände schmutzig und sind stolz drauf, wenn sie nach Mist stinken, merkt euch das!«

Ja, Elena konnte sehr überzeugend sein, was das Reiten anging. Und spätestens beim Thema „Pferdemädchen“ sollte man aufpassen, nicht in ein Hornissennest zu stechen, wenn sie dabei war.

Kaum machten seine Gedanken der Realität wieder Platz, da wollte er zu einem weiteren Gespräch ansetzen, als die Zimmertür sich öffnete und ein verdatterter Karl den in Handtuch bekleideten Keeper entdeckte.

»Du bist ja noch nicht angezogen. Ich dachte du wärst schon längst fertig. Wir wollten doch um die Häuser ziehen, oder hast du das etwa vergessen?«

»Wie, was?«, drehte sich Genzo zur Tür, dabei noch immer sein Smartphone am Ohr haltend. »Karl?«

»Der bin ich«, verschränkte er seine Arme und zog dabei eine Braue hoch. Als er das kleine Ding in seiner Hand bemerkte, begann er sofort zu grinsen. »Was denn, hab ich euch gestört?«

»Äh...« Genzo war noch immer verwirrt über Karls plötzliches Auftauchen gewesen und wollte darauf etwas erwidern, als auch noch Sho und Levin ihre Köpfe neugierig ins Zimmer streckten und ihren Kumpel im Bett liegend sahen.

»Kleiner Plausch mit einer gewissen Reiterin, wie?«, lachte der Kaiser und sofort wussten die Jungs hinter ihm, was er meinte. »Und er ist auch noch dabei nackt!«

Den letzten Satz sprach er bewusst so laut aus, dass es für Elena unmöglich war, das zu überhören. Und sie hörte Karl – mehr als deutlich und musste erst einmal verarbeiten, was er da gerade von sich gab.

»KARL!«

»Und so wie es aussieht, freut er sich sehr deine engelsgleiche Stimme zu hören, Lenchen!«, rief er weiter munter aus.

»KARL, ICH SCHWÖRE BEI ALLEM, WAS MIR HEILIG IST! HALT. DEINE. KLAPPE!«

Ehe Elena etwas erwidern konnte, wurde das Telefonat abrupt beendet. Offenbar hatte Genzo versehentlich aufgelegt und so wie er seine Stimme erhob, musste sich Karl auf etwas gefasst machen. Stumm sah sie auf ihr kleines Smartphone und ließ das Gespräch Revue passieren.

»Dieser Spinner«, murmelte sie und ließ sich wieder auf den gemütlichen Strohhaufen nieder. Sie hatte sich seit langem nicht mehr so wohl bei einem Jungen gefühlt, der nicht ihr Bruder war. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, ob sie dieses Gefühl auch bei Jens hatte. Vor ihrer Beziehung mit Sicherheit, doch als sie dann zusammenkamen, begannen nach einiger Zeit die ersten Probleme und die Sicherheit, die sie zuvor bei ihm spürte, schwand immer mehr. Die rotburger Mannschaft gab ihr diese Sicherheit zurück. Verrückt, dachte sie sich. Sie wollte nach der Sache mit Jens nie wieder etwas mit Fußball zu tun haben. Jetzt hatte sie sich ausgerechnet mit ein paar Fußballprofis angefreundet. Für sie noch immer eine ungewohnte Situation, obwohl mittlerweile Wochen vergangen waren, als sie sich begegneten. Sie waren dümmlich, chaotisch, blödelten rum und hatten nichts außer ihren doofen Ball im Kopf. Männer. Schwachsinnige Idioten allesamt, dachte sie. Und doch mochte sie die Jungs und wollte sie nicht mehr in ihrem Leben missen.

»Viel Glück euch«, murmelte sie, während sie mit einem warmen Lächeln auf die Decke des Lagers starrte. »Besiegt die Bremer und kommt gut nach Hause zurück.«



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