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Als die Dunkelheit das Licht verschlang

Buch I: Hohepriester Chaths
von

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Kapitel V

Ausar ließ sich nicht stören als Hanbals Leibgarde die gesamte Tempelanlage auf den Kopf stellte. Im Gegenteil, er genoss sein Frühstück und beobachtete das Geschehen amüsiert.

„Du hast deinen Spaß?“, trat Hanbal grollend dazu und griff nach einer Traube. „Mein Pharao, ja, ich habe tatsächlich großen Spaß... Setz dich und iss. Ich möchte dir gerne eine Geschichte erzählen...“, bat er und der Pharao setzte sich aufseufzend zu Ausar und begann zu essen.

Der Hohepriester schmunzelte und trank vom Traubensaft.

„Es war einmal ein junger Prinz. Er wuchs sehr streng und konservativ auf. Von früh bis spät musste er lernen. Lesen, schreiben, rechnen. Er musste die Geschichte des Reiches beherrschen und auch die Geschichte der Götter. Er lernte die Rituale und er sollte mit sehr jungen Jahren den Thron besteigen. Seine Eltern liebten ihn. ABER er durfte nie Kind sein. Er wusste nicht, wie man spielte und wie es außerhalb der Palastmauern aussah oder zuging.

In einem Anflug von Aufbegehren schlich er sich aus seinen Gemächern und verließ den Palast. Er huschte zu dem Tempel und sah sich mit großen Augen um. Dort traf er auf einen Tempeldiener und gemeinsam zogen sie in die Welt“, begann Ausar leise.

Hanbal hielt in seiner Bewegung inne und blickte seinen Hohepriester mit flackerndem Blick an.

„Warum willst du mir die Geschichte von uns beiden erzählen?“, wollte er kühl wissen.

Ausar ließ seinen Blick gleiten. „Weil du dich im Moment so verhältst, wie dein Vater und deine Lehrer. Du bist im Moment so, wie du es nie werden wolltest. Angefangen mit der Bestrafung eines jungen Mannes, der nichts Falsches getan hat“, erklärte er ruhig.

„Amsu war hier...“, stellte der Pharao fest und Ausar nickte.

„Ja, er war hier und war komplett verzweifelt. Er war verstört, weil du plötzlich gesagt hast, dass er in drei Tagen die Weihe erhalten soll und nicht erst zur Sonnenwende. Außerdem sollte er die Weihe von jemanden anderen als Chaths bekommen. Und er will nicht Ra als seinen Gott haben. Er hat Chaths überredet, ob er mitkommt. Sie sind gemeinsam unterwegs.“

Hanbal brauchte einen Moment, um die Information zu verdauen und runzelte die Stirn. „Der Straßenjunge kann wieder sehen?!“, fragte er ungläubig. Der Hohepriester schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist auch fraglich, ob er je wieder sein Augenlicht erhalten wird.“

Der Pharao schluckte und blickte tatsächlich beschämt zur Seite. „Ich habe nicht nachgedacht. Es ist einfach so über mich gekommen... Es tut mir leid.“

Ausar erhob sich und atmete tief durch. „Sag es ihm und nicht mir. Sie sind auf einer Reise. Selbstfindungsphase. Chaths wird von seinem Gott die Weihe erhalten und Amsu wird die Weihe von Chats erhalten. Akzeptiere es und denk bitte darüber nach. Dein aktuelles Verhalten könnte die Prophezeiung vom Orakel wahr machen.“

Hanbal schluckte trocken. „Weißt du, wo sie hin sind?“ Ausar schmunzelte. „Versuchen wir unser Glück doch mal beim Tempel des Anubis...“
 

Chaths stockte leicht, als es unter seinen Füßen nicht mehr knirschte. „Wo sind wir?“, fragte er nervös. „Keine Angst. Wir erreichen das Ufergebiet des Nils. Wir haben die Wüste hinter uns“, erklärte Amsu und beobachtete nun die Kobra, die auf einmal flußaufwärts strebte. Chaths folgte direkt dem Zug und Amsu blieb keine andere Wahl, als sich anzuschließen.

Nach eine Weile erreichten sie eine kleine Felsgruppe, die von einigen Bäumen und Sträuchern eingerahmt war und direkt am Fluss lag. Die Kobra verharrte und zischelte leise. Daraufhin nahm Chaths ihr das Geschirr ab und tastete sich zu seinem Felsen, an dem er sich seufzend nieder ließ.

Amsu seufzte und blickte sich um. „Ich versuche ein paar Fische zu fangen, einverstanden?“, fragte er unsicher.

Sie hatten fast vier Tage gebraucht, um den Nil zu erreichen und während dieser Zeit hatte Chaths kein einziges Wort gesprochen. Dies verunsicherte Amsu und er stellte die ganze Reise und auch sein Handeln in Frage.

„Amsu... mach dir nicht zu viele Gedanken. Du vergisst, dass ich mein Augenlicht verloren habe. Es ist sehr anstrengend für mich, verstehst du?“ erklang da sanft Chaths Stimme und der Kronprinz lächelte. „Es tut mir leid. Du läufst so trittsicher, da vergesse ich immer wieder diese Tatsache. Wenn ich ein paar Fische gefangen bekomme, würde ich vorschlagen, dass wir uns einige Tage hier ausruhen. Oder was meinst du?“

Chaths lachte leise auf. „Ich bin dafür. Amsu, ich bin kaputt und wäre nicht abgeneigt, hier einige Tage zu verweilen. Und was die Fische angeht... Lass uns doch Seth fragen, ob er uns was beschaffen kann.“

Der junge Prinz hob fragend eine Augenbraue. „Seth?! Wie kommst du denn auf ihn?“ - „Er ist Herr über den Nil... und wenn ihr alle darauf besteht, dass diese Götter wirklich existieren... frage ihn. Vielleicht hilft er uns...“, spottete Chaths.

Nun grinste Amsu diabolisch. „Da gibt es nur ein Problem. DU wirst Hohepriester, also musst DU die Götter fragen... also? Dann frag mal Seth, ob er uns helfen mag!“

Chaths holte tief Luft und plusterte die Backen empört auf. „Wie du willst!“, zischte er erbost. „Seth! Wir haben Hunger!“, flaumte der Junge und dem Prinzen blieb der Mund offen stehen. „Du kannst doch nicht so mit einem Gott reden!“

Chaths schnaubte. „Du siehst doch, wie ich das kann. Seth, wir wollen auch ein Dach über den Kopf!“, maulte er weiter.

Da tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein kauerndes Wesen mit einer langen gebogenen Schnauze und aufrecht stehenden und beschnittenen Ohren auf. Seinen an der Spitze gespaltener Schwanz peitschte amüsiert hin und her. Amsu wich einen Schritt zurück und stieß mit dem Baum hinter sich zusammen.

„Ein Feuer wäre auch nicht schlecht und etwas Obst. Ach ja, Eier und Mäuse für Apophis!“, zählte Chaths weiter auf.

Amsu blieb die Luft weg, als das Wesen sich langsam in eine menschliche Gestalt wandelte und ihm war klar, wer vor ihm und neben Chaths stand, der wirklich genervt aussah. Ob das gut ging?
 

„Hohepriester Chaths?“, sprach Seth den Jüngling an. „Ich bin kein Hohepriester!“, kam es da auch schon angefaucht. Chaths hatte sich zwar bei der Ansprache erschrocken, da aber seine Schlange ruhig blieb, blieb er auch sitzen und beschloss, seinen ganzen Unmut, an den Fremden auszulassen, in der Hoffnung, dass sie schnell wieder alleine waren.

Amsu jedoch rutschte langsam am Baum auf den Boden und starrte auf die beiden, zu keinem Ton fähig!

„Verzeih, aber mir wurde berichtet, das du ein Erwählter und Hohepriester bist“, erwiderte Seth nun ruhig. Erneut schnaubte Chaths abfällig. Er erhob sich, wandte sich Seth zu und holte tief Luft.

„Erstens: Wäre es mir neu, dass ich ein erwählter bin. Zweitens: Kann ich kein Hohepriester sein, weil ich dafür die Weihe erhalten muss, welche ich noch nicht habe! Drittens: Woher weißt du, wer ich bin und viertens: Ich habe Hunger, bin müde und will meine Ruhe haben!“

Seth lächelte nachsichtig und legte sanft eine Hand auf Chaths Haupt. „Wehr dich nicht dagegen“, raunte er leise. „Ihr seid auf den Weg, damit du deine Weihe bekommst. Das allein berechtigt dich ein Hohepriester zu sein. Erlaube mir euch Proviant zu geben.“

Chaths zuckte leicht zusammen, als er die Hand auf seinem Kopf spürte und wurde dennoch ganz ruhig. Wärme durchflutete seinen Körper und er schloss seine Augen, spürte dem Gefühl nach. Zaghaft nickte er schließlich. Seth neigte minimal sein Haupt und küsste Chaths auf die Stirn. „Viel Glück auf eurer Reise und wir sehen uns wieder!“, raunte er und verschwand.

Im gleichen Moment tauchte eine eingerichtete Hütte auf und Fleisch, Fisch und Obst im Überfluss.

Amsu ließ langsam seinen Blick gleiten und ja... Daran könnte er sich wirklich gewöhnen, wenn man von der Tatsache absah, dass er bis zu diesen Moment selber auch nicht wirklich daran geglaubt hatte, dass die Götter existierten.

Chaths blinzelte verwirrt, als Seth einfach verschwunden war und wandte sich dann in Richtung Amsu. „Amsu? Was war denn das?“, wollte er verwirrt wissen.

Der junge Prinz schluckte trocken. „Ich glaube du wurdest erhört... Magst du etwas essen?“



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