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About Clowns and Heroes

von

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Confession


 

1
 

Das ungleiche Paar ist schon fast eingeschlafen. Joker hat seinen Kopf unbemerkt auf dem durchtrainierten Oberschenkel des Rächers gebettet und döst vollkommen zufrieden vor sich hin. Wer hätte gedacht, dass das Ganze doch noch so gut ausgehen würde, und nicht in einem Riesenkrach endet, wie er die ganze Zeit befürchtet hatte? Das Cape des Dunklen Ritters dient dem kleinen Clown als zweckendfremdete Decke, in das er sich ganz fest eingekuschelt hat. Tief atmet er dabei den herben Duft seines Partners ein, der ihm eine ungeahnte Sicherheit zu versprechen scheint. Bruce sitzt derweilen mit halbgeschlossenen Augen neben ihm und streicht ihm gedankenverloren durch die völlig wirren, grünen Haare. Tief grübelt er darüber nach, was in den letzten Stunden so alles passiert ist. Was überhaupt alles seit dem ersten Auftauchen des Jokers vor fast einem Jahr so alles passiert ist. Und das nicht nur mit Gotham, sondern auch mit sich selbst. Er hat sich verändert, gleichfalls Joker. Dabei stellt er nicht sonderlich verwundert fest, dass es ihm doch tatsächlich schwerfällt, sich jetzt von dem kleinen Bengel zu trennen. Ist das nicht vollkommen verrückt? Doch es muss sein. Jeder von ihnen muss wieder in seine eigene Welt zurück. Es ist einfach besser so...
 

Langsam wendet er den Blick der hinteren Seitenscheibe zu. Von ihrem Standpunkt aus kann Batman das Polizeirevier ziemlich gut sehen, ohne dass sie jemand in den Schatten entdecken könnte. Mit einem erstaunlich heftigen Anflug von Wehmut muss er jetzt allerdings feststellen, dass die Beamten wohl wieder aus ihrem ungewollten Schlaf erwacht sind. Ein gutes Dutzend verlässt gerade die Wache, blickt sich unschlüssig um, versucht zu verstehen, was ebent passiert ist. Da aber sonst alles in Ordnung und niemand verletzt ist, auch sonst alles ungewohnt friedlich scheint, geben sie ihre Bemühungen schnell wieder auf und widmen sich dem nächtlichen Geschehen. Somit verabschiedet sich die Tagschicht nun endgültig, während die Nachtschicht doch noch mit ihrer Arbeit beginnen kann. Das an sich ist selbstverständlich nicht schlimm, es ist sogar sehr wichtig, doch es bedeutet auch unzweifelhaft, dass sich Batman und Joker jetzt wirklich voneinander trennen müssen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie doch entdeckt werden oder ein anderer Auftrag nach der Fledermaus verlangt...
 

Der Schwarzhaarige gibt ein untypisch bedrücktes Seufzen von sich, das all seinen Unwillen diesbezüglich ausdrückt. Er kann selbst kaum begreifen, wie schwer ihm gerade das Herz wird. Doch es gibt keinen anderen Weg. Nachdrücklich rüttelt er dem kleinen Clown an der Schulter, der daraufhin ein sehr verstimmtes Brummen von sich gibt. „Noch fünf Minuten...“, grummelt er gähnend in sich hinein und kuschelt sich noch mehr in das Cape. „Joker, wach auf! Zeit zu gehen.“, erwidert ihm der Ältere nachdrücklich. Der Grünhaarige will das aber so gar nicht wahrhaben und zieht sich das Cape daher trotzig über den Kopf, sodass er nun wie eine kleine Raupe aussieht, die sich gerade erfolgreich verpuppt hat.
 

Ein nachsichtiges Schmunzeln huscht über Bruce‘ Gesicht hinweg und er schüttelt leicht den Kopf. „Nun hör doch mal, Joker. Dein Gas hat seine Wirkung verloren. Es ist hier nicht mehr sicher für dich.“ „Was ist kaputt...?“, fragt der Verrückte mit belegter Stimme und windet zumindest seinen Kopf wieder aus dem Cape heraus. „Nichts ist kaputt, aber die Polizisten sind wieder wach. Du musst gehen, ehe sie uns entdecken.“, meint der Beschützer der Stadt mit mahnendem Unterton. Sehr langsam scheinen die Worte des Größeren zu ihm durchzudringen. Als sie endlich am Ziel sind, weiten sich die unnatürlich roten Augen in beginnender Erkenntnis, und ein sehr enttäuschter Ausdruck schlägt sich auf dem entstellten Gesicht nieder.
 

„Nein...“, jammert Joker kindlich, setzt sich hin und klammert sich schmollend am Cape fest, als könne er damit verhindern, dass ihn der Dunkle Ritter so unschön vor die Tür setzt. Sein finsteres Gegenüber kann das sehr gut nachvollziehen, würde er doch auch gern noch etwas mit ihm hier verweilen, das Ganze entspannt und vernünftig mit dem Sonnenaufgang ausklingen lassen, dennoch lässt es sich jetzt nicht ändern. Kurzentschlossen und völlig ohne zu begreifen, was er gleich tun wird, beugt sich Batman zu ihm hinüber und streift mit seinen Lippen ganz flüchtig die des kleinen Clowns. Diese hauchfeine Berührung ist kaum ein Kuss zu nennen, und doch ist es das Zärtlichste, das je zwischen ihnen gewesen ist und jemals sein wird. Überrascht sieht Joker mit großen Augen zu ihm auf, ist den Tränen nahe. „Doch.“, haucht Bruce entschieden und streckt die Hand aus. Der Grünhaarige lässt die Schultern hängen, windet sich aber aus dem Cape heraus und überlässt es ihm wortlos.
 


 

2
 

Schweigend, in sich gekehrt und sichtlich unwillig ziehen sich die beiden nun also wieder an. Sie machen es bewusst langsam, um so lange wie möglich noch die Nähe des anderen genießen zu können. Erneut wundert sich Batman in diesem Fall über sich selbst. Es ist so untypisch für ihn, die Gegenwahrt dieses Irren suchen zu wollen, ganz egal auf welche Weise auch immer. Sie regelrecht zu brauchen. Seine Gefühle sind das reinste Chaos, und dennoch kann er dem Knaben neben sich deswegen nicht einmal böse sein. Schließlich ist Joker ja nicht erst seit gestern so anhänglich ihm gegenüber. Aber seit dem Gespräch mit Nigma vorhin, weiß Bruce einfach nicht mehr, was er denken und fühlen soll. Es ist etwas in ihm erwacht, das er nicht kontrollieren kann, und ehrlich gesagt macht ihm das auch ein bisschen Angst. Wo soll das nur hinführen? Was ist, wenn er wirklich gerade dabei ist, sich in den durchgeknallten Bengel zu verlieben? Das würde in jedem Fall sehr viel Ärger bedeuten, und zwar für sie beide – für die Stadt sicher ganz zu schweigen. Nicht auszudenken, was Edward als verschmähter Liebhaber dann womöglich tun könnte, wenn er vorhin schon so heftig reagiert hat. Andererseits hat Nigma ihn aber auch regelrecht dazu genötigt, sich seinen Gefühlen für Joker zu stellen und alles zwischen ihnen zu klären. Somit ist der Brünette dann doch wohl selbst schuld, wenn es am Ende nicht so ausgeht, wie er es sich erhofft hat, oder?
 

Aber jetzt ist einfach nicht die Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Das sollte er wohl erst einmal still und heimlich für sich allein machen, bevor er den Clown nur wieder durcheinanderbringt und dieser sich erneut Dinge einbildet, die einfach nicht zwischen ihnen sein dürfen. Zudem findet der Schwarzhaarige, dass man so etwas nicht unbedingt nach dem Sex besprechen sollte, wenn die Gefühle eh schon hochgekocht sind und einem so herrlich trunken der Kopf schwirrt. Sie sollten sich dafür viel mehr Zeit, Ruhe und insbesondere Abgeschiedenheit suchen, falls irgendetwas schiefgeht und einer von ihnen womöglich wieder einmal ausrastet. Doch erstmal muss der Rächer mit sich selbst ins Reine kommen, dann alles andere. Als allererstes jetzt aber den Grünhaarigen aus der Schussbahn bekommen, bevor sie entdeckt werden und Nigma einen neuen Grund findet, um Bruce ans Leder zu wollen, von den Polizisten ganz zu schweigen...
 


 

3
 

„Aussteigen!“, harscht der Schwarzhaarige seinen kleinen Partner etwas an, als dieser nach dem Anziehen einfach nur stur neben ihm sitzenbleibt. Leicht erschrocken zuckt Joker zusammen und wendet ihm vorsichtig das nackte Gesicht zu. Kindlich schmollend hat er die Unterlippe vorgeschoben, und in seinem Blick liegt die tiefe Bitte, es nicht so enden zu lassen. Demonstrativ seufzt der Dunkle Ritter und sieht ihn abwartend an. Langsam lässt der Jüngere die Schultern hängen und senkt den Kopf. „Ist ja schon gut...“, kommt es trübsinnig von ihm, während er geknickt die Hand nach dem Türgriff ausstreckt. „Nun guck doch nicht so, Kleiner...“, setzt Bruce aufmunternd an. Der Verrückte dreht sich jedoch nicht zu ihm um.
 

Erneut seufzt der Rächer, diesmal aber tonlos. „Hör mal, Joker. Ich will auch nicht, dass es jetzt schon endet, ganz ehrlich, aber es geht nicht anders. Das verstehst du doch sicher, oder?“ „...ja, glaub schon...“, kommt es leise zurück. In der Stimme des Jungen liegt eine verborgene Traurigkeit, die sich langsam an die Oberfläche schiebt. Nicht mehr lange und sie wird ihn überwältigen, und dann könnte es gefährlich werden. Der Ältere muss daher dafür sorgen, dass der durchgeknallte Bengel mit einem guten Gefühl nach Hause geht. Bruce dachte zwar bis eben, dass er dem kleinen Clown genug Gutes getan hat, – und sich selbst unzweifelhaft auch – aber der Grünhaarige erhofft sich scheinbar immer noch einiges mehr von ihm, als er ihm im Moment geben kann.
 

Gerade, als sich der Junge dazu entschließt die Tür zu öffnen, schlingen sich auf einmal die starken Arme der Fledermaus um seinen schmächtigen Körper, ziehen ihn leicht wieder zurück und drücken ihn an seine Brust. Der Kleinere fürchtet wohl einen Angriff oder dergleichen und versteift sich augenblicklich im Griff des anderen Mannes. Hilflos zieht er die Schultern hoch und macht sich noch kleiner. Dieses Verhalten stimmt Batman auf eine ganz neue Weise traurig, da es doch irgendwie bedeutet, dass ihm der Joker nicht ganz vertraut. Das ist vielleicht sogar verständlich, wenn man bedenkt, was schon alles Unschönes zwischen ihnen passiert ist. Vieles davon bereut der Ritter mittlerweile sehr und er wünscht sich, er könnte es rückgängig machen. Das geht natürlich nicht. Dafür begreift er nun aber, was Nigma gemeint hat. Batman ist für das verheerende Verhalten des Clowns mit verantwortlich – und das von allen anderen Schurken wohl auch. Es ist für ihn schwer zu begreifen, doch es stimmt wohl. Nicht nur die Irren stacheln ihn an und treiben ihn zu Dingen, die er eigentlich nicht tun will, sondern auch er stachelt sie an und begünstigt damit ihr schlechtes Benehmen. Sie formen einander unbewusst, dafür aber unweigerlich und nachhaltig!
 

Das ist eine Tatsache, die Bruce in all den Jahren weder wirklich bemerkt noch begriffen hat, jetzt allerdings versteht er es endlich. Und wie sehr er sich doch wünscht, er hätte es früher in den Kopf bekommen. Dann wäre all das Unglück womöglich gar nicht erst passiert. Das ist wohl der Preis, den man dafür zahlen muss, wenn man auf eigene Faust versucht, die Welt zu verbessern – die Konsequenzen sind nicht ersichtlich, egal wie viele gute Absichten hinter alledem stecken mögen. Man verändert nicht nur sich selbst, sondern auch alles und jeden in seiner Umgebung unausweichlich! Und das ist etwas, was man nur sehr schwer wieder rückgängig machen oder geradebiegen kann. Denn wenn man seine Fehler endlich bemerkt hat, ist es längst zu spät...
 

„Schon gut, keine Gefahr...“, meint Wayne nun vorsichtig. Er wartet einen Moment, und dann entspannt sich der Junge in seinem Griff langsam wieder. Leicht verloren wendet Joker ihm doch noch das Gesicht zu. Die Traurigkeit in seinen roten Augen ist inzwischen unübersehbar geworden, sodass ihn der Ältere kaum ansehen kann, ohne unerfindliche Schuldgefühle zu empfinden. Daher bettet er nun bedächtig seinen Kopf auf der Schulter des Grünhaarigen, drückt ihre Wangen gegeneinander, sodass der Verbrecher wieder geradeaussehen muss. Das lässt den Bengel erneut zusammenschrecken, doch nur ein bisschen. Jetzt vermutlich auch eher, weil er so eine Nähe von dem Rächer nicht gewöhnt ist, anstatt eine Strafe oder dergleichen befürchten zu müssen.
 

„Batsy, was...“, setzt der Clown flüsternd an. „Es war doch gerade sehr schön zwischen uns, nicht wahr? Und das kann es wieder werden. Das wird es wieder sein! Schon sehr bald, versprochen. Aber jetzt musst du gehen und ich auch. Ich will nicht, dass man dir wehtut, verstehst du? Und ich will dir auch nicht wehtun müssen, nur weil uns die Polizisten zusammen sehen und von mir erwarten, dass ich dich zurück nach Arkham bringe. Niemand würde jemals verstehen, was zwischen uns ist. – Edward ist bestimmt auch schon ganz krank vor Sorge um dich. Die Sonne geht bald auf, wir waren die ganze Nacht zusammen, Joker, und jetzt ist es halt vorbei. Aber nur für diesen Moment, ganz ehrlich. Also fahr jetzt bitte auf direktem Weg nach Hause, okay?“
 

Die Stimme des Dunklen Ritters ist nur ein tiefes Hauchen, das Joker innerlich erzittern lässt. Eine einzelne Träne rinnt seine erhitzten Wangen hinab, doch er fühlt sich jetzt viel besser. Ein kleines Schmunzeln legt sich auf seine Lippen. „Okay – und danke für alles...“ Langsam trennt sich Bruce von ihm. Der Verrückte greift wieder nach der Tür, wendet sich aber noch einmal zu ihm herum. Nun ist es ein ehrliches Lächeln, das sein verwüstetes Gesicht ziert. Es bringt auch Batman leicht zum Schmunzeln. „Ich hasse dich.“, kommt es verträumt von dem Jüngeren. „Ich hasse dich auch.“, erwidert der Mitternachtsdetektiv völlig ehrlich. Sein Herz schlägt dabei viel zu schnell, was die Worte in seinen Ohren völlig falsch klingen lässt, doch es ist nun einmal die Art des Clowns, sich ihm gegenüber so auszudrücken, also spielt er einfach mit – auch wenn sie es beiden tief drinnen vielleicht besser wissen... Dann öffnet Joker die Tür und sie steigen gemeinsam aus.
 

Der Verbrecher duckt sich instinktiv in den Schatten des schwergepanzerten Wangens und lässt seine Augen flink in alle Richtungen huschen. Batman braucht sich nicht wirklich zu verstecken, aber auch er lässt seinen Blick schweifen, fixiert dabei besonders das nahegelegene Polizeirevier. Dort scheint inzwischen alles wieder ruhig zu sein und seinen gewohnten Gang gefunden zu haben. Also keine Gefahr für seinen durchgeknallten Partner. Ohne den Blick von dem Backsteingebäude abzuwenden, gibt er Joker ein Zeichen. „Los jetzt!“, zischt er ihm leise zu. Als er den Blick nur eine Sekunde später senkt, ist der Bengel allerdings schon lässt nicht mehr zu sehen. Leicht verwundert sieht sich der Rächer noch einmal um. Im Augenwinkel bemerkt er eine Bewegung. Es ist das Heck von Jokers quietschbuntem Lamborghini, der ohne Licht und stillschweigend in der Dunkelheit verschwindet. Eine gewisse Erleichterung erfasst den Schwarzgekleideten und er setzt sich wieder hinter das Steuer seines eigenen Wangens, um diese Nacht nun hoffentlich ausklingen lassen zu können.
 


 

4
 

Ziemlich zufrieden, wenn auch immer noch etwas geknickt, sitzt der kleine Clown hinter dem Steuer. Ungesehen – hofft er zumindest – düst er über Nebenstraßen Richtung Narrows. Sein ganzer Körper kribbelt noch so herrlich angetan von der wilden Leidenschaft, die er mit dem Ritter geteilt hat. Es kommt ihm wie in einem Traum vor. Ist das alles wirklich passiert? Er schluckt hart. Dabei schmerzt es leicht tief hinten in seinem Hals. Unbewusst gleiten seine Finger hinauf und streichen über die gereizte Haut. Batmans kräftige Hände haben einen roten Ring auf seinem Hals hinterlassen, und ihm wird ganz schwummerig, wenn er nur daran denkt. Ein überaus erleichtertes Seufzen verlässt seine Lippen. Nein, dass alles kann kein Traum gewesen sein!
 

Es war alles echt. Und nun endlich hat er all das bekommen, was er sich immer von dem Älteren gewünscht hat! Es ist nur so furchtbar schade, dass es schon enden musste. Doch er klammert sich mit aller Macht an Batmans letzte Worte, dass sie sich sehr bald wiedersehen und das alles wiederholen werden. Schon beim Gedanken daran wird ihm wieder ganz heiß und kribbelig. Verlangend beißt er sich auf die Unterlippe und versucht, irgendwie auf Kurs zu bleiben. Wäre doch wirklich schade, wenn er jetzt einen Unfall bauen würde, nur weil er sich nicht mehr im Griff hat. Also lieber schnell an etwas anderes denken...
 

Doch was fällt ihm da ein? Mal nachdenken... Sein Kopf ist so ein herrliches Chaos der Gefühle, dass ihm gar nichts anderes einfallen will. Furchtbar... Ja, furchtbar geil! Ach Mist, so wird das ja nie etwas! Okay, okay, jetzt völlige Konzentration, bitte... Gut, dass sieht schon besser aus. Nur nicht nachlassen. Weiterbohren... Tiefer... Gleich... Plötzlich reißt Joker erschrocken die Augen auf und tritt so heftig auf die Bremse, dass das Heck des Lamborghinis bockend ausbricht und ihn im Kreis zu schleudern droht. Fluchend hält er dagegen und schafft es gerade noch so, nicht in irgendwelche geparkten Autos am Straßenrand zu krachen. Doch es ist wirklich mehr als haarscharf.
 

Als der Wagen endlich zum Stehen kommt und Joker durchatmen kann, entspannt sich auch sein Geist wieder und präsentiert ihm dafür das, was ihn eigentlich erst in diese Lage gebracht hat: Ein Bild von Edward! Nun weiten sich erneut seine Augen in völligem Unglauben, und das Begreifen schlägt wie ein Hammer auf ihn ein. „Scheiße...“, wimmert er verloren. „Was hab ich nur getan?“ Nun wird ihm alles vollkommen bewusst. Seit er Ed seine Liebe gestanden und zum ersten Mal mit ihm geschlafen hat, hatte er nichts mehr mit Batman zu tun gehabt – jedenfalls nicht auf diese spezielle Weise.
 

Er war so glücklich, dass er die Fledermaus endlich vollkommen von sich überzeugen konnte, dass er ganz außer Acht gelassen hat, dass er ja einen festen Freund hat, und ihn somit gerade ohne jeglichen Gedanken an Reue betrogen hat! Diese Erkenntnis bricht über ihm zusammen, wie das Gebäude, das er vor einer Weile aus Versehen in die Luft gesprengt hat – obwohl Joker es ja nicht selbst getan hatte, wenn man es ganz genau nimmt, aber egal. „Scheiße...“, flüstert er wieder und atmet hektisch.
 

Er hat den einzigen Menschen auf der Welt betrogen, der ihm noch mehr als der Dunkle Ritter bedeutet! Edward hat in den letzten Stunden schlichtweg gar nicht existiert! Oh, wie konnte ihm das nur passieren? Wie konnte er nur so rücksichtslos, so egoistisch, so, so... Ihm fehlen einfach nur die Worte, um zu beschreiben, wie sehr er sich doch gerade selbst verabscheut. Was ist er nur für ein triebgesteuerter Mistkerl? Und das ist noch sehr nett ausgedrückt!
 

Kraftlos sinkt er über dem Lenkrad zusammen und fängt an zu weinen. Kindlich beginnt er zu schluchzen und will dabei einfach nicht in den Kopf bekommen, was er getan hat. Was soll er denn jetzt bloß machen? Nigma wird sich von ihm nicht hinters Licht führen lassen, wenn er ihm irgendeine Geschichte auftischt. Dafür kennen sie sich inzwischen einfach zu gut. Außerdem ist nicht zu übersehen, dass er mit dem Mitternachtsdetektiven aneinandergeraten ist, in welcher Form auch immer. Den Rest kann sich Ed auch ohne irgendwelche Ausflüchte zusammenreimen. Nichts zu sagen bringt daher genauso wenig wie eine Lüge.
 

Joker bleibt daher nur die Möglichkeit, es ihm zu gestehen. Ihm zu sagen, was er getan hat, und dann mit den unausweichlichen, herzzerbrechenden Konsequenzen zu leben. Zu akzeptieren, dass er die erste und womöglich einzige Beziehung in seinem Leben zerstört hat, nur weil er den notgeilen Teenager spielen musste. Dass er den einzigen Menschen in seinem Leben vor den Kopf gestoßen hat, der immer ehrlich und liebevoll zu ihm war, dem er stets blind vertrauen konnte. Der ihm gezeigt hat, dass Liebe wirklich existiert, und wie wundervoll sie sein kann. So etwas kann er von Batman nicht erwarten. Der Rächer wird niemals eine Beziehung mit ihm führen, geschweige denn es auch nur ansatzweise wollen. Mehr als Sex ist mit ihm nicht drin. Joker muss der Wahrheit daher ins Auge sehen: Noch bevor die Sonne ganz aufgegangen ist, wird er wieder ganz allein auf der Straße sitzen!
 

Vielleicht sollte er einfach abhauen? Gleich jetzt, ohne überhaupt noch einmal nach Hause zu fahren? Im Handschuhfach ist genug Geld, damit er sich für lange Zeit keine Sorgen machen muss. Um alles andere kann er sich dann später noch kümmern. Es wäre so einfach. Es würde niemandem wehtun. Aber stimmt das wirklich? Nein, selbstverständlich nicht! Wenn Joker nicht bis Sonnenaufgang Zuhause ist, wird Ed vor Sorgen umkommen und ganze Heerscharen an Suchtrupps losschicken, um ihn zu finden, erst recht, weil er weiß, dass sich der kleine Clown mit Batman treffen wollte, und dann wird das Ganze so oder so rauskommen. So etwas kann er dem Brünetten auf keinen Fall antun, dafür liebt er ihn zu sehr. Also muss er sich dem stellen, ob er nun will oder nicht.
 

Langsam hebt er den Kopf vom Lenkrad und wischt sich kindlich mit den Fäusten die feuchten Augen. „Scheiße...“, wimmert er zum dritten Mal und holt erstickt Luft. Schwerfällig lässt er sich gegen die Rückenlehne sinken und blickt zum Wagenhimmel empor. Dieser liegt als dunkler Schleier über ihm und spiegelt perfekt seine jetzige Stimmung wieder. Hilflos kaut er eine Weile auf seiner geschundenen Unterlippe herum, dann ergreift er ruckartig das Lenkrad und setzt sich wieder aufrecht hin. Es hat gar keinen Sinn hier rumzuheulen! Er hat Scheiße gebaut und muss dafür jetzt eben geradestehen. Nur ist das normalerweise so gar nicht seine Art, immerhin ist er ein geisteskranker Krimineller, ganz genau aus dem Grund, dass er sich niemals eingestehen kann und will, einen Fehler gemacht zu haben. Doch jetzt...
 

Jetzt ist es fast wie ein Zwang. Er muss es einfach loswerden, um es nicht noch schlimmer zu machen. Der Rätselmeister hat ihm mal gesagt, dass sie sich nur gegenseitig von alledem heilen können, um irgendwann vielleicht ein normales oder zumindest geregeltes Leben führen zu können. Dass weder Batman noch die Arkham Anstalt ihnen da helfen kann. Im Moment kommt es Joker so vor, als wäre da wirklich etwas Wahres daran. Dass dieser Heilungsprozess schon lange, aber unbemerkt begonnen hat, und er sich dessen nun endlich bewusst wird.
 

Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden oder womöglich doch noch einen Rückzieher zu machen, tritt Joker aufs Gas und lenkt den Wagen wieder Richtung Narrows und seiner ungewissen Zukunft entgegen...
 


 

5
 

Nervös wie ein Schüler vor einer großen Prüfung, stoppt Joker seinen Wagen vor der Garage. Grüßend hebt Bob eine Hand, während das Rolltor rumpelnd in seinen Führungen nach oben rattert. Flüchtig erwidert der Clown den Gruß, doch eigentlich bekommt er es gar nicht richtig mit. Seine Gedanken sind ganz woanders. Als das Tor am Ende angekommen ist, kriecht der Wagen an seinen angestammten Platz und der aufgemotzte Motor erstirbt in der friedlichen Stille des weitläufigen Raumes. Unschlüssig sitzt der Grünhaarige weiterhin hinter dem Steuer und versucht, sich ein Schreckensszenario nach dem anderen auszumalen. Doch ganz egal, wie er es auch immer drehen und wenden mag, es endet immer auf die gleiche Weise: Joker sitzt einsam und allein mit gebrochenem Herzen auf den kalten Straßen Gothams, ungeliebt und von allen verlassen, die ihm etwas bedeutet haben...
 

Traurig starrt er seine Hände an und ist nicht gerade verwundert darüber, dass sie ein bisschen zittern. Himmel, was ist nur los mit ihm? Wann, in Gottes Namen, haben seine Hände das letzte Mal vor Angst gezittert? Er kann sich nicht einmal daran erinnern, es muss also sehr lange her sein. Zittrig stößt er Luft aus, nur um sie einen Moment später mit einem unterdrückten Schrei wieder einzusaugen. Ein unerwartetes Klopfen an der Scheibe ist der Grund dafür. Mit aufgerissenen Augen starrt der Verrückte durch das getönte Glas. Davor steht Carl, immer noch in seiner klopfenden Haltung eingefroren, in der anderen Hand ein triefendes Sandwich, den überrascht geöffneten Mund verschmiert wie ein kleines Kind. Einen Augenblick sehen sich die beiden einfach nur verloren an und keiner von ihnen rührt sich.
 

Joker ist noch ganz in der Vorstellung gefangen, dass Ed an die Scheibe geklopft haben könnte, und ihn somit mit seinen Fragen überfällt, bevor der Grünhaarige auch nur die Gelegenheit hatte, sich darauf vorzubereiten, zu ihm zu gehen. Und Carl ist ganz sicher überrascht darüber, seinen zweiten Chef so ganz ohne seine bunte Schminke zu sehen, auch wenn das durch die getönte Scheibe nicht gut zu erkennen ist. Es wäre zwar nicht das erste Mal, kommt aber sehr unerwartet, erst recht, wenn der Bengel gerade von einer Spritztour zurückkommt.
 

Schließlich fällt die Starre von Joker ab und er lässt die Scheibe herunter. „Klecker mir ja nicht den Lack voll!“, mahnt er sein Gegenüber ziemlich halbherzig. Dennoch tritt der andere Mann sehr erschrocken zurück und betrachtet leicht panisch den Wagen vor sich. Zu seiner Erleichterung ist dieser jedoch völlig sauber, sodass sich Carl langsam wieder entspannt. „Ist alles in Ordnung, Mister Jay?“, fragt er stattdessen sorgenvoll und betrachtet ihn nun eingehender.
 

Daraufhin lässt sein schmächtiges Gegenüber betrübt die Schultern hängen und weicht seinem Blick aus. „Es – geht mir gut, aber – in Ordnung ist rein gar nichts. – Ich fürchte, ich – hab diesmal richtig Scheiße gebaut...“, kommt es stockend von ihm, während sich heiße Tränen hinter seinen Augen sammeln und nur darauf warten, über die Ufer treten zu können.
 

„Was – was ist denn passiert...?“, fragt der Ältere nun vorsichtig. „Das wirst du sicher noch früh genug erfahren, mein Großer. Doch jetzt muss ich erst mal ganz dringend mit Ed reden. Ist er hier?“ „Ja, der Boss ist in seinem Büro.“ „Okay, danke...“, seufzt Joker in sich hinein und öffnet die Tür, um auszusteigen. Er meidet den fragenden Blick des anderen Mannes ganz bewusst und wendet sich stattdessen zu dem kleinen Raum in der Ecke um, den sein Freund als Büro benutzt.
 

Die Tür ist geschlossen, was bedeutet, dass Edward eigentlich nicht gestört werden will. Doch darauf kann Joker unmöglich Rücksicht nehmen, nicht jetzt. Dennoch kommt es ihm sehr gelegen. So steht er fast fünf Minuten vor dem zerkratzten Holz und sammelt allen Mut, den er in sich finden kann. Alle Männer, die gerade anwesend und wach sind, betrachten ihn dabei sehr verwundert, doch keiner wagt es, sich ihm zu nähern, um vielleicht doch noch ein paar Worte aus ihm herauszubekommen. Aber wenn der kleine Clown so nervös wegen dem ist, was er scheinbar angestellt hat, muss es etwas sehr Verheerendes gewesen sein, das sie womöglich alle in Gefahr bringen könnte...
 

Der sonst so aufgeweckte Junge schluckt noch einmal hart und streckt dann die Hand nach der Klinke aus. Zitternd verharrt sie einen Moment direkt darüber und kommt nicht mehr weiter. Hilflos ballt sie sich zur Faust, auch sie zittert sichtlich. Dann atmet Joker ein letztes Mal tief durch, schlingt die schlanken Finger um die Klinke und betritt dann das Büro seines Freundes, ohne anzuklopfen...
 


 

6
 

Edward ist tief in Gedanken versunken. Er merkt gar nicht, dass die Tür geöffnet wird und jemand ungefragt eintritt. Stumm betrachtet Joker den Brünetten. Dieser ist zwischen den unzähligen Stapeln an Papier auf seinem Tisch kaum zu sehen. Leise kann er ihn aber murmeln hören, dann huscht sein Stift wieder über das Blatt und macht flinke Notizen. Es sieht aus, als wäre er irgendwo zwischen Kostenrechnungen und Arbeitsplanung heillos verschwunden. Kein Wunder, dass er eigentlich nicht gestört werden will. Dabei den Überblick zu behalten, ist selbst für den hochbegabten Nigma kein Kinderspiel – erst recht, wenn man bedenkt, dass der Brünette gerade gut ein Dutzend Projekte gleichzeitig am Laufen hat.
 

Eine Weile steht der Grünhaarige einfach nur da und beobachtet ihn. Hofft innerlich darauf, dass Ed ihn bemerken wird, damit er ihn nicht aus seinen Gedanken reißen muss. Doch wenn sich der Rätselmeister einmal so vertieft hat, holt ihn so schnell nichts mehr zurück. Nun gibt der Ältere allerdings ein schweres Seufzen von sich und fährt sich zerstreut mit den Fingern durch die Haare. „Mist...“, schimpft er leise in sich hinein und betrachtet den Plan vor sich sehr skeptisch. Mit leicht verärgertem Gesicht streicht er schließlich etwas durch, kaut verloren auf dem Ende des Stiftes herum, was sonst gar nicht seine Art ist, und scheint dennoch keine Lösung zu finden. Nach einem Moment wirft er den Stift dann einfach schnaubend auf den Tisch, nimmt seine Brille ab und reibt sich die überanstrengten Augen. Erschöpft legt er anschließend den Kopf zurück gegen die Stuhllehne und schließt die müden Augen.
 

Edward wirkt, als würde er jeden Moment schreckliche Migräne bekommen. Vielleicht wäre es also doch besser, wenn der kleine Clown später wiederkommen würde? Doch gerade, als er diesen Gedanken gefasst hat und sich unbemerkt wieder davonschleichen will, öffnet Nigma die Augen und setzt sich wieder gerade hin. Sein Blick fällt auf seinen quirligen Freund, während er nach seiner Brille greift und sich wieder seiner Arbeit widmen will.
 

„Joker, du bist zurück und das auch noch in einem Stück.“, bemerkt er nebensächlich und studiert wieder seine Aufzeichnungen. „Können wir reden?“, fragt der Jüngere möglichst neutral. „Jetzt bitte nicht. Ich habe hier an die zehn Problem, die ich erst lösen muss, bevor auf allen Baustellen das Chaos ausbricht. Also sei so gut und geh etwas mit den Jungs spielen, ja?“, erwidert der Brünette, ohne von seinem schon ziemlich mitgenommenen Blatt aufzuschauen. „Nein, es muss jetzt sein!“, beharrt der Verrückte etwas nachdrücklicher. Nun reibt sich Ed demonstrativ die Schläfen. „Ich habe doch gerade gesagt, du sollst...“, erst jetzt blickt er versucht streng zu seinem Freund hinüber. Der Anblick des Jungen lässt ihn seinen Satz gar nicht erst beenden.
 

Überrascht erhebt er sich stattdessen von seinem Platz und umrundet den Schreibtisch mit besorgter Miene. „Himmel, was ist passiert? Wo ist deine Schminke?“, fragt er vorsichtig, fast erschrocken, und deutet dabei auf die Würgemale am Hals seines Gegenübers. „Alles – Nichts – Ich...“, setzt der Kleinere an und verstummt dann. „Hat er dir etwa wieder wehgetan?“, will Ed nun wissen und dirigiert seinen Partner dabei ein Stück nach hinten, wo ein weiterer Stuhl steht, auf den sich der kleine Clown wortlos fallenlässt.
 

„Nein, – er hat mir nicht wehgetan. Wir – konnten sogar endlich alles klären...“ „Woher dann wieder die Male an deinem Hals?“ Als Edward mit den Fingern darüberstreichen will, zuckt Joker vor ihm zurück, was Nigma ein ganz schlechtes Gefühl gibt. „Joker...?“, haucht er schon fast und kniet sich dann vor ihm hin, um ihm besser in das so ungewohnt nackte Gesicht sehen zu können, das der Clown nun betrübt gesenkt hält. „Ist nicht schlimm, aber – ich hab echt Scheiße gebaut...“, erwidert der Junge schließlich und krampft zitternd die Hände im Schoß zusammen.
 

„Was hast du gemacht?“, fragt der Rätselmeister verwirrt. Seit wann gibt der durchgeknallte Bengel schon mal zu, dass er Unfug angerichtet hat? Es muss also etwas ziemlich Heftiges gewesen sein, das ihnen allen später womöglich noch Ärger einbringen könnte. Nun beißt sich Joker fest auf die Unterlippe, fängt an zu wimmern, und dann fließen auf einmal ungehalten die Tränen. Überrascht zuckt Edward ein Stück zurück, versteht überhaupt nichts mehr.
 

„Ich – ich – hab – dich betrogen...“, platzt es dann aus dem kleinen Clown heraus. Jetzt ist Nigmas Verwirrung komplett. „Was? Aber wie das denn?“ „Ich hab – mit ihm geschlafen...“ Völlig in Tränen aufgelöst sieht Joker ihn nun an, gefasst auf all den Ärger, den er jetzt ganz unzweifelhaft bekommen wird. „Du hast...“, setzt der Ältere an, verstummt dann aber wieder. Langsam erhebt er sich, geht zu seinem Schreibtisch zurück und lehnt sich dann mit dem Po gegen die Platte. Abwehrend verschränkt er die Arme vor der Brust und seufzt.
 

„Es tut mir so unendlich leid! Ich – ich – dass war nicht so geplant! Bitte glaub mir das! Ich wollte doch nur – ich – ich...“, hilflos ringt der Verrückte nach Worten, wobei das meiste in seinem heftigen Gefühlsausbruch ertrinkt. Nigmas Stirn legt sich fragend in Falten, während er versucht, den Ausführungen seines Freundes irgendwie zu folgen. Seine aufgewühlten Gedanken zu sortieren und zu verstehen.
 

Nach all der gemeinsamen Zeit, all den Abenteuern, hat er ihn immer noch nicht ganz ergründet. Nicht einmal ansatzweise, wie ihm scheint. Er hat ihn lachen und weinen sehen, töten und tanzen; er hat ihn schlafen und im Schutz der Nacht Wache halten sehen. Er hat ihm beigewohnt, wie es sonst nur Mann und Frau in seiner Empfindung vorbehalten sein sollte, und hat ihn in allen nur erdenklichen anderen Situationen erlebt, aber dennoch – Joker bleibt ihm völlig unergründlich in all seinem Denken und Handeln.
 

Wie soll er sich jetzt also verhalten? Was soll er ihm antworten? Sein Kopf droht fast zu platzen, wenn er versucht, irgendetwas dahingehend zu unternehmen. Daher hält er es für das Beste, erst einmal zu schweigen und zu sehen, was der Bengel noch aus alledem macht. Was er vielleicht noch zu sagen hat. Womöglich gelingt es ihm dann, eine Lösung dafür zu finden...
 

Der Grünhaarige sitzt weiterhin bitterlich weinend vor ihm, zittert inzwischen am ganzen Körper und bekommt kein verständliches Wort mehr heraus, japst nur halb erstickt nach Luft. In seinen unnatürlich roten Augen liegt eine tiefe Bitte, dieses Martyrium endlich zu beenden und ihn im schlimmsten Fall für sein Vergehen zu bestrafen. Doch kann Nigma das wirklich? Der Brünette ist sich in gar nichts mehr sicher, seufzt nur wieder schwer und behält seine abwehrende Haltung erst einmal bei.
 

Sein Schweigen erträgt Joker aber nicht allzu lange. „Nun sag doch bitte etwas!“, fordert er ihn schließlich auf, nachdem er sich halbwegs wieder unter Kontrolle bekommen hat. „Und was soll ich deiner Meinung nach dazu sagen?“, stellt Edward die Gegenfrage. Perplex starrt ihn der kleine Clown an. Der Rätselmeister wirkt ungewohnt kalt und distanziert, ganz so, wie Joker ihn noch nie erlebt hat. Dass ist ganz sicher kein gutes Zeichen.
 

„Es – es tut mir leid...“, wimmert der Grünhaarige abermals verloren und senkt wieder den Blick. „Das hilft uns aber auch nicht weiter, fürchte ich.“, kommt es fast schon giftig von dem Älteren zurück, sodass der Verrückte sichtbar auf dem Stuhl zusammenzuckt. „Ich verspreche, dass – dass es nie wieder vorkommt, ganz ehrlich!“, versucht es der Kleinere mit wenig Hoffnung, und in diesem Fall wird er leider auch nicht enttäuscht. „Dass glaubst du doch selbst nicht einmal, stimmt’s? Also erzähl mir so etwas nicht! Von versprechen ganz zu schweigen! Sag mir lieber, was ich jetzt mit dir machen soll, um das Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen!“
 

Diesmal zuckt der Grünhaarige noch viel deutlicher zusammen. Er erkennt seinen sonst so verständnisvollen Freund gar nicht mehr wieder. Es ist eher so, als würde er stattdessen mit dem Riddler sprechen. Was für eine abgrundtief furchtbare Vorstellung, selbst jetzt noch, wo Edward schlechtere Hälfte schon so lange Geschichte ist. Erst recht, wenn er sich die unterdrückte Wut in den für gewöhnlich so sanften, grünen Augen seines Gegenübers so betrachtet.
 

Hilflos versucht Joker nach dem allerletzten Strohhalm zu greifen. „Ich weiß es nicht! Doch tu, was immer du für richtig hältst! Bestraf mich so viel du willst, doch bitte, bitte setz mich nicht vor die Tür! Ich brauch dich!“, bettelt er nun ergeben und sieht den Älteren flehend an, während neue Tränen seine entstellten Wangen wie Sturzbäche hinabrinnen.
 

Ed bleibt jedoch erstaunlich ungerührt von alledem. Mustert ihn fast schon herablassend. „Hör auf damit, dass bringt dich kein Stück weiter! Und eine Strafe bringt bei dir schon mal gar nichts! Denkst du eigentlich, ich bin blöd oder so etwas? Ich kenne dich doch nicht erst seit gestern, Junge! Daher gibt es nur eine Möglichkeit, um dir klarzumachen, was du falsch gemacht hast...“ „Nein! Bitte nicht!“ „Raus hier!“ Nigmas Stimme scheint noch viel kälter geworden zu sein, sodass Joker nun das Gefühl hat, dass sich messerscharfe Eisfinger um sein Herz schließen und es immer weiter zusammenquetschen, tief ins Fleisch schneiden, bis es schließlich platzen und er grausam daran zu Grunde gehen wird.
 

Unwillig und auf sehr wackeligen Beinen, erhebt sich der kleine Clown von seinem Stuhl. „Ich liebe dich...“, flüstert er schon fast, doch Edwards einzige Reaktion darauf ist ein strenger Fingerzeig auf die Tür. So endet es also nun doch genauso, wie es sich Joker die ganze Zeit über ungewollt ausgemalt hat, und er kann nichts mehr dagegen tun. Keine Worte, die vielleicht doch noch eine Wendung bringen könnten, lassen sich mehr in seinem mitgenommenen Schädel finden. Sein Kopf ist völlig leer, sein Herz dafür bis zum Überlaufen mit Trauer, Schmerz und Schuld angefüllt. Schniefend wendet er sich schließlich herum und greift nach der Klinke, doch auch diesmal kann er sie nicht sofort erreichen...
 


 

7
 

Allerdings hindert ihn jetzt kein plötzlicher Gedanke, keine unerwartete Gefühlsregung daran. Diesmal sind es zwei einladend warme Arme, die sich um seinen bebenden Körper schließen und ihn fast schon ruckartig etwas zurückziehen. Überrascht erstarrt der kleine Clown in dieser unerwarteten Geste. Außer ihm ist nur Edward hier im Raum, somit kann nur er es sein, der ihn nun doch zurückhält. Unbewegt und mit gesenktem Kopf, noch immer die Türklinke umfassend, verharrt der Grünhaarige und wartet mit all der Hoffnung, die er dachte, schon längst verloren zu haben.
 

Sanft legt sich Nigmas Kopf auf seine Schulter, zieht ihn noch fester in die Umarmung hinein, ganz so wie es Batman vorhin getan hatte. „Geh nicht...“, flüstert ihm der Rätselmeister so herrlich warm ins Ohr. „Aber...“, setzt der Verrückte unschlüssig an. Er glaubt nicht an einen plötzlichen Sinneswandel seines Partners, auch wenn er ihn sich mehr als alles andere auf der Welt wünscht.
 

„Nein, bleib bei mir.“ „Ich...“, Joker weiß einfach nicht, was er sagen soll. Er ist so durcheinander. „Schon gut. Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen und ich werde dich auch nicht wegjagen. Mir tut es leid, dass ich gerade so fies zu dir war...“ Vorsichtig dreht der kleine Clown den Kopf etwas nach hinten, um dem Brünetten ins Gesicht sehen zu können. Der Ausdruck darauf ist wieder so sanft und verständnisvoll, wie er es immer war.
 

Langsam beginnt der Jüngere zu begreifen. „Heißt das etwa, dass gerade war – ein Trick? Du hast mich nur verarscht?“, fragt er skeptisch, würde er seinem Gegenüber doch nie etwas so Perfides zutrauen. Ed seufzt schwer. „Ja und nein.“ Verwirrt legt sich Jokers Stirn in Falten und er dreht sich langsam in der Umarmung des anderen herum, damit sie sich besser ansehen können. Schließlich lässt Nigma sogar von ihm ab und steht nun wie ein kleiner Junge vor ihm, der getadelt wird. Es wirkt völlig unwirklich bei der sonst so beherrschten Persönlichkeit des Rätselmeisters.
 

„Ja, es war ein Trick, weil ich herausfinden wollte, ob du es wirklich bereust, es getan zu haben. Wie viel dir an mir liegt. – Und nein, es war kein Trick, weil ich – ich eifersüchtig bin...“ Verwirrt betrachtet ihn der Verrückte. „Du – bist eifersüchtig? Auf Batsy?“ „Ein bisschen schon, ja. – Ihr passt viel besser zusammen. Ihr ergänzt euch so gut. Und ich bin mir sicher, dass Batman keine halbe Stunde darüber nachgrübeln muss, ob es jetzt angebracht wäre, mit dir zu schlafen oder nicht. Er tut es einfach, ohne sich über irgendetwas Sorgen zu machen. Du wirst es schon aushalten. Ich dagegen habe jedes Mal das Gefühl, dir nicht zu genügen, weil ich viel zu schüchtern und vorsichtig bin. Und...“
 

„Ach, Ed. Du genügst mir voll und ganz! Ich finde es wundervoll, wie du mit mir umgehst. Ich würde es gar nicht anders wollen. Ich finde, es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als einfach nur neben dir im Bett zu liegen und zu kuscheln. Deine Wärme um mich rum zu haben. Da brauch ich gar nicht mehr. Ich mag es, dass du schüchtern und nachdenklich bist, dich um alles sorgst. Das bist eben du und das würde ich im Leben nicht eintauschen wollen, schon gar nicht gegen so jemanden wie Batsy!“
 

„Wirklich?“ „Aber selbstverständlich, mein Hübscher!“ „Und du liebst mich?“ „Noch immer von ganzem Herzen und viel mehr!“, nun endlich kann Joker auch wieder etwas lächeln, was Edward ebenfalls ein bisschen ansteckt. „Ich liebe dich auch. – Ging es dir deswegen so nahe, weil du dachtest, mich betrogen zu haben?“ „Ja. Immerhin haben wir eine richtige Beziehung miteinander. Seither hatte ich nichts mit Batsy und hätte auch nicht gedacht, dass es da jemals wieder etwas Positives geben könnte. Doch dann...“ „Ist schon gut. Du musst mir das nicht erklären. Ich verstehe es auch so.“ „Ach wirklich? Ich versteh es nämlich selbst gar nicht mehr...“
 

„Das kann ich mir vorstellen. Ich habe auch ziemlich lange gebraucht, um es zu verstehen, und es zu akzeptieren erst recht. – Und eigentlich ist es auch ganz einfach. Du brauchst uns beide, um dich wirklich gut zu fühlen.“ Nun macht Joker große Augen. „Ich bin sicher, inzwischen ist sich Batman dessen auch bewusst geworden. Ich denke, du weißt wahrscheinlich, dass er vorhin bei mir war, um nach dir zu suchen? Da ist mir aufgefallen, dass auch er in einer gewissen Weise eifersüchtig zu sein scheint. Es wie ich aber gleichzeitig auch akzeptiert. – Deine Bedürfnisse sind so weit gefächert, dass ein Mann da nicht ausreicht...“
 

„Du meinst...“ „Ja. Du brauchst Batman, weil er dir Führung gibt. Dir den Weg weist und dich in die richtige Richtung treibt. Du brauchst seine strenge Hand und seine grobe Art, um den Sinn deines Daseins als Joker nicht zu verlieren. Vielleicht sogar, um deinen Wahnsinn ein bisschen zu bändigen, da bin ich mir nicht sicher. Du brauchst all die Action, die mit ihm einhergeht. – Und du brauchst auch mich. Ich gebe dir Sicherheit, Fürsorge, Verständnis. Ich bin dein Freund. Ich gebe dir Halt und höre dir zu. Ich bin der Hafen, in den du dich in stürmischen Zeiten zurückziehen kannst. Der dir Wärme und Geborgenheit gibt, und ab und an auch etwas mehr...“
 

Nun fließen wieder Tränen über die entstellten Wangen des Clowns. „Oh, Ed! Dass hast du wirklich schön gesagt! Und ja, ich hab das Gefühl, dass es genauso ist. Ich brauch euch beide, um mich vollständig zu fühlen. Es gibt keinen perfekten Mann für mich, der all das in sich vereinen kann. Doch – wie kann ich dir das nur zumuten?“ „Ganz einfach. Es war von Anfang an so und ich bin es gewöhnt.“ Jetzt wirkt der Grünhaarige wieder ratlos.
 

„Als ich dich kennengelernt habe, gab es Batman schon in deinem Leben, wenn auch nicht so, wie du es dir gewünscht hast. Doch er war immer da. Eine dunkle Konstante, völlig gleich, was um dich herum passiert ist. Dennoch hast du dich in mich verliebt, erst recht, als mit euch alles schiefging. Aber ich wusste immer, dass es nicht das Ende mit euch sein kann. Dafür ist deine Obsession für ihn zu groß. Das hat mich auch so nicht gestört, bis ich mich dann in dich verliebt habe und wir Sex hatten. Dann wurde ich mir bewusst, dass ich schon die ganze Zeit über schrecklich eifersüchtig war, immer nur auf dem zweiten Platz zu stehen. Dass ich es nicht ertragen konnte, wie er mit dir umgeht und dir das auch noch in gewisser Weise gefällt. Dennoch habe ich gesehen, dass du es brauchst. Dass ich dir nicht das geben kann, was er kann, und es auch nie können werde. Daher akzeptiere ich deine, nennen wir es eine Beziehung, mit Batman, solange du dich dabei wohlfühlst. Also musst du das nächste Mal keine Angst haben, dass ich dich vor die Tür setzen könnte, nur weil ihr miteinander geschlafen habt.“
 

„Himmel, wie kann es nur möglich sein, dass du so gut zu mir bist, wo ich dir doch ständig nur Kummer bereite und Ärger mache? Das verdiene ich doch gar nicht, wenn ich nebenher mit einem anderen Typen ins Bett springe...“ „Du machst mir nicht immer nur Kummer oder Ärger. Diese Zeiten sind größtenteils vorbei. Zudem hast du mir doch gerade auch bewiesen, dass dir durchaus bewusst sein kann, wenn du etwas falsch gemacht hast. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung! Und außerdem verdienst du alles Glück dieser Welt! Nur weil wir Kriminelle sind, heißt das noch lange nicht, dass wir keine Liebe verdient haben, und was auch immer das ist, dass du mit Batman hast.“
 

„Danke, Ed! Tausend Dank!“, schluchzend fällt Joker ihm in die Arme, und so stehen sie noch eine Weile zusammen da und vergessen den dummen Streit und all die Probleme, denn ein neuer Tag steht schon in den Startlöchern und wartet nur darauf, dass sie ihn in Angriff nehmen, um die Welt für sich ein kleines bisschen besser zu machen – zu dritt!?



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