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Nachhilfe

von

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Ich rutschte unruhig im Sitz herum, während Connor mich heimbrachte. Es war Sonntagabend und ich musste morgen in die Schule. Eine Konfrontation erschien unausweichlich. Das Kinn meines Freundes hatte sich kaum verändert und Connor sah aus, als hätte man ihm einen Blaubeereisbecher ans Kinn gedrückt und es dann mit Mangosaft übergossen. In mir machte sich wieder dieses entsetzliche Gefühl der Schuld breit.
 

Connor sah immer mal wieder zu mir herüber, ohne den Blick dabei wirklich von der Straße zu nehmen. Seine Finger trippelt unruhig auf dem Lenkrad herum und die Tachonadel zeigte deutlich mehr als die erlaubten 80 km/h an; eindeutige Anzeichen dafür, dass auch er nervös war.
 

„Du wirkst, als würden wir zu deiner Hinrichtung fahren. Was ist los?“, durchbrach er die Stille mit sorgenvoller Stimme.
 

„Connor, wir fahren gerade meinem Bruder entgegen, der dir ein nettes Andenken verpasst hat. Wie sollte ich mich fühlen? Ich rechne mit Hausarrest bis in alle Ewigkeit oder eine sonstige Gemeinheit“, entgegnete ich bedrückt. „Was, wenn er dir wieder eine knallt?“
 

„Ich bin hart im Nehmen“, antwortete er amüsiert und verzog gleich darauf schmerzhaft das Gesicht.
 

„So siehst du aus.“
 

„Keine Angst, er hat sich sicher beruhigt.“
 

„Du kennst Caleb doch kaum?“
 

„Ich kenne Leute wie Caleb. Er gibt sich irgendwie die Schuld an deiner Situation und vorhin ist er einfach ausgetickt, weil ich, den er einfach nicht ausstehen kann, warum auch immer, mit dir eventuell zusammen sein könnte. Dass wir Sex hatten, war eben das Tüpfelchen auf dem I. Vertrau mir. Wenn es eskaliert, kann ich mich schon wehren.“
 

Woher Connor diese Zuversicht nahm war mir schleierhaft. Caleb hatte ihm ein ordentliches Andenken verpasst und er schien nicht einmal sonderlich sauer auf ihn zu sein. Ich an seiner Stelle hätte mir irgendetwas zurechtgelegt, vorzugsweise etwas um den Escort zu beschädigen. Auch wenn er noch immer nervös wirkte, so hatten die unruhigen Bewegungen am Lenkrad aufgehört und unsere Geschwindigkeit ein annehmbares Maß angenommen. Ich versuchte mich selbst zu entspannen, lehnte mich gegen den Rennsitz und schloss die Augen. Das würde in einer Katastrophe enden, ganz sicher.
 

Es dämmerte bereits und die ersten Straßenlaternen waren angesprungen, wie auch die Außenleuchte am Hof, als wir ausstiegen. Connor und ich wurden von einem fröhlich bellenden Leo begrüßt, der zuerst mir und dann meinem Freund über die Hand leckte und lautstark hechelte.
 

„Da hat dich wer vermisst“, stellte Connor schmunzelnd fest.
 

„Dich wohl auch, hm?“
 

„Scheint so.“
 

Wir kraulten Leo noch gemeinsam eine kleine Weile, bevor wir uns auf den Weg ins Haus machten. In mir zog sich alles zusammen als ich Licht in der Küche brennen sah. Caleb war also zuhause. Nicht, dass es mir lieber gewesen wäre, mich morgen alleine mit ihm zu streiten, aber das hätte zumindest eine ruhige Nacht bedeutet. Je näher wir unserer Haustür kamen, desto unruhiger wurde ich.
 

„Ganz ruhig, ich gehe vor, okay?“
 

Ich nickte und Connor drückte den Griff unserer Eingangstür nach unten. Ich folgte ihm zögerlich und knipste das Licht an. Aus der Küche war das Rücken eines Stuhls zu hören. Gleich würde es krachen, ganz sicher.
 

Die Küchentür wurde aufgezogen und Caleb stand im Türrahmen, gekleidet in ein dunkles Sweatshirt und kurze Trainingshosen. Warum erinnerte mich dieser Anblick gerade so sehr an Connor, der das dazu passende Äquivalent trug? Caleb wirkte seltsam mitgenommen und ich hätte schwören können, dass er erleichtert ausatmete, als er mich sah. Dieser Eindruck verpuffte aber just in dem Moment, in dem er Connor einen giftigen Blick schenkte.
 

„Was willst du hier?“, fuhr er ihn an.
 

„Ich bringe Danny nach Hause“, war Connors äußerst ruhige Antwort.
 

„Das sehe ich selbst.“
 

„Warum fragst du dann?“ Connor hob seine rechte Braue an und nahm mir den Rucksack ab, genauso wie Leo, der die Ohren an den Körper gelegt hatte und leise winselte.
 

„Das hast du ja geschafft, jetzt verzieh dich“, giftete Caleb weiter und seine Brauen berührten schon fast die Augen. „Ich will dich hier nicht haben.“
 

„Das ist mir durchaus bewusst. Ich möchte mich aber noch vergewissern, dass Danny keinen Ärger bekommt.“
 

Ich sah zwischen Connor und Caleb hin und her, die so unterschiedlich waren und sich dabei doch so glichen. Beide waren in etwa gleich groß, waren sportlich, älter als ich, erwachsener und irgendwie verdammt um mich bemüht. Sie hätten so gut miteinander auskommen können: Connor war ruhig, Caleb genauso, mein Freund um mich besorgt, mein Bruder auch. Was sie gerade wirklich unterschied war ihr Gesichtsausdruck. Connor schenkte Caleb einen ruhigen und fast schon bedauernden Blick, während dieser ihn mit seinem eigenen fast aufzuspießen schien.
 

„Den bekommt er nicht. Du bist doch an allem schuld“, zeterte Caleb. „Du hast ihn irgendwie einer Gehirnwäsche unterzogen oder seine Naivität ausgenutzt.“
 

„Das habe ich vielleicht sogar, ja“, gestand Connor nickend ein, was mir ein unbehagliches Gefühl bereitete. Das stimmte doch gar nicht. Connor log für mich.
 

„Du gibst es also auch noch zu?!“
 

„Nein. Ich habe dir das heute schon einmal erklärt: Ich liebe Danny, sehr sogar. Vielleicht sogar mehr als du. Ich würde ihn nie bewusst verletzen“, korrigierte Connor meinen Bruder und strich dabei Leo durchs Nackenfell, der sich an seine Finger schmiegte.
 

„Das ist einfach krank. Du bist ein Perverser. Ich sollte dich anzeigen.“
 

„Dann mach es doch? Solange Danny nicht weiter behelligt wird, ist das für mich okay. Dir muss aber klar sein, dass du ihm damit eine wichtige Bezugsperson nimmst und ich leider nicht weiß, wie gut deine Chancen stehen, dass du damit durchkommst.“
 

„Natürlich komme ich damit durch. Was willst du denn dagegen machen? Mich als Lügner bezichtigen?“, brauste Caleb auf. „Du hast meinen kleinen minderjährigen Bruder gevögelt. Das ist strafbar. Ich habe mich noch einmal informiert.“
 

„Du lügst nicht, nein. Wir haben wirklich miteinander geschlafen, mehrmals. Das geht aber niemanden etwas an. Dich vielleicht noch und deinen Vater, das war es dann aber auch. Von mir aus kannst du es herumschreien und auch in die Zeitung geben, aber damit tust du Danny keinen Gefallen.“
 

„Danny gehört vor dir beschützt!“
 

„Gehöre ich nicht.“
 

Beide Jungs drehten ihre Köpfe schlagartig zu mir herum. Ich hatte all meinen Mut zusammengenommen und sie unterbrochen. Diese ungewollte Aufmerksamkeit schmeckte mir gar nicht und ich fühlte eine imaginäre zentnerschwere Last auf meinen Schultern, aber so wie Caleb mit Connor umging, das war weder fair noch richtig.
 

„Ich gehöre nicht vor Connor beschützt“, wiederholte ich mich.
 

„Das verstehst du nicht, Danny“, wiegelte Caleb ab. „Dafür bist du noch zu jung und unerfahren.“
 

„Doch, ich weiß sehr genau, was ich will“, entgegnete ich trotzig, griff dabei nach Connors freier Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. „Ich bin mit Connor bisher mehr als zufrieden. Er kümmert sich um mich, passt auf mich auf und ist sehr lieb zu mir. Das reicht für den Anfang, oder?“
 

Caleb presste die Lippen so fest zusammen, dass sie weiß hervortraten. Seine Finger verkrampften sich unwillkürlich und er ballte die Fäuste.
 

„Und wohin soll das führen? Was denkst du wird passieren, wenn auffliegt, dass du einen Freund hast, der sogar älter als ich ist? Danny, denk doch einmal nach“, forderte er mich bemüht ruhig auf.
 

„Was soll schon passieren? Nicks Freund war fast doppelt so alt wie er selbst und du hast dich auch kaum drüber ausgelassen. Zumal Connor mir sehr viele schöne Dinge gesagt hat, die er auch ernst meint. Er war da als ich ihn gebraucht habe und er war auch da, als es ihm nicht gut ging.“
 

Mit jedem einzelnen Wort wurde mir etwas leichter ums Herz. Ich schaute schwach lächelnd nach oben zu Connor, dessen Lippen zitterten, der aber nichts sagte, sondern nur meine Hand fest drückte.
 

„Danny, das geht aber so nicht. Seine Eltern wissen ja noch nicht einmal was davon“, versuchte Caleb es erneut mit Ruhe. Ich fragte mich, wann er wohl explodieren würde.
 

„Und? Das weiß Papa auch nicht. Ich bin mir außerdem sicher, dass Papa nichts gegen Connor haben wird. Er wirkt sehr vernünftig. Eigentlich ist so wie du.“
 

Das war wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Calebs rechtes Augenlid zuckte gefährlich und er atmete hörbar ein. Ich stellte mich auf eine Explosion ein. Er würde durchdrehen, ganz sicher.
 

„Caleb, nochmal: Wir müssen keine Freunde werden. Es geht mir primär um Danny und dir auch. Warum versuchen wir nicht einfach einmal miteinander auszukommen ohne uns an die Gurgel zu gehen, hm? Ich verspreche dir, ich werde mit Danny nichts machen, was er nicht möchte und ich gebe gut auf ihn Acht. Er kann selbst entscheiden, was er möchte und was nicht.“
 

Connors ruhige Stimme und dazu die Überzeugung, die er ausstrahlte, verschafften auch mir so etwas wie einen Hauch von Entspannung. Caleb mahlte hörbar mit den Zähnen, bevor er sich straffte und dann tatsächlich einlenkte.
 

„Ich scheine es nicht aufhalten zu können. Versuch aber mir nicht über den Weg zu laufen, reicher Schnösel. Und wenn ich auch nur einen Laut aus Dannys Zimmer höre…“ Er hob drohend den Zeigefinger: „Nein, ich höre gar nichts aus Dannys Zimmer, weil du hier nicht übernachten wirst, verstanden?“
 

„Einverstanden“, nickte Connor. „Darf ich Danny noch eben auf sein Zimmer bringen?“
 

„Von mir aus.“ Caleb machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich gehe jetzt sowieso ins Bett.“ Damit verschwand er wieder in die Küche und warf die Tür hinter sich zu.
 

Ich zog Connor in mein Zimmer, Leo im Schlepptau, warf meinen Rucksack neben mein Bett und setzte mich mit meinem Freund auf die Bettkante, ohne unsere verschränkten Finger zu lösen.
 

„Das ist ja gar nicht mal so schlecht gelaufen“, meinte Connor aufmunternd. „Du warst sehr mutig.“
 

„Mir ist fast das Herz in die Hose gerutscht“, gestand ich leise.
 

„Es war trotzdem mutig.“ Connor strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und schaute mich eindringlich an. „Ich bin furchtbar stolz auf dich und liebe dich.“ Damit küsste er mich sanft auf die Stirn.
 

„Denkst du, dass er mich morgen anfahren wird?“, wollte ich bedrückt wissen.
 

„Nein, das denke ich nicht. Caleb hat ansatzweise begriffen, dass ich dir nichts Böses will. Er wird sich vorwiegend auf mich konzentrieren, denke ich.“
 

„Das ist aber auch nicht richtig! Es tut mir leid.“
 

„Muss es nicht“, lächelte Connor und verzog kurz darauf wieder schmerzhaft das Gesicht. „Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde, wenn ich mich auf dich einlasse, aber du bist es wert.“
 

„Danke“, nuschelte ich und legte meinen Kopf an Connors Schulter und strich ihm mit dem Daumen über den Handrücken.
 

„Dafür doch nicht“, hauchte er mir zu und strich mit seiner Wange über meine Haare. „Ich bin dein Freund, egal ob in freundschaftlicher Hinsicht oder mehr. Das ist meine Aufgabe.“
 

„Nicky war nie so“, stellte ich leise und mit einem Anflug von Bitterkeit fest. „Er hat sich zwar auch um mich bemüht, aber…“
 

„Nicky ist eben noch zu jung. Ich wäre in seinem Alter wahrscheinlich genauso überfordert gewesen.“
 

„Sag mal, Connor…“, begann ich lächelnd und spielte mit seinen Fingerspitzen ein wenig. „Kann es sein, dass wirklich zu perfekt bist? Du schimpfst ja noch nicht einmal über Nicky gerade?“
 

„Ich bin einfach zu gutmütig oder so“, meinte er trocken. „Ich könnte ihm ebenfalls eine reinhauen, falls du das meinst, aber warum sollte ich ihm böse sein? Im Nachhinein hat er mir das schönste Geschenk überhaupt gemacht.“
 

„So? Was denn?“, fragte ich und schaute neugierig auf.
 

„Dich“, war die gelispelte Antwort, bevor er mich küsste. Ich schloss die Augen und genoss den Moment, der nur durch einen Leo unterbrochen wurde, welcher uns gemeinsam mit seinem Gewicht in die Matratze drückte. Ich wollte schon ärgerlich schimpfen, da fing Connor an zu lachen, was von einem lauten „Au“, begleitet wurde. Es war so befreiend ihn lachen zu hören, dass ich miteinstimmen musste. Wir schauten uns tief in die Augen, nachdem Leo sein Interesse an uns verloren hatte und es dauerte keine fünf Sekunden, bevor wir uns erneut küssten, zärtlich und sanft. Nein, ich würde mir das von Caleb nicht vermiesen lassen und nein, ich würde auch nicht mehr nur an Nicky denken, sondern an den Jungen, der mich gerade mit seinen Lippen in den siebten Himmel beförderte. Ich musste mich einfach an ihn gewöhnen und dann lieben und es würde gut werden, davon war ich jetzt überzeugt. Ganz sicher.



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