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Abgründe

Warm. Entspannt kuschelte Akihito sich noch tiefer in die weiche Decke. Beinahe wäre er wieder eingeschlafen. Doch in diesem Moment wurde ihm klar das etwas nicht stimmte. Als er eingeschlafen war, hatte er neben Jefim auf einem Sofa gesessen und dem beruhigenden Gemurmel der Männer gelauscht. Doch davon war jetzt nichts mehr zu bemerken. Weder saß er noch auf einem Sofa, noch konnte er Jefim oder Eury hören. Um genau zu sein, er hörte niemanden. Zögernd schlug er die Augen auf und sah sich dann in dem fremden Schlafzimmer um. Zwar war er noch nie in diesem Raum gewesen, doch so prachtvoll wie dieser eingerichtet war, konnte er nur Prinz Ajahn oder einer anderen so hoch gestellten Person gehören. Wobei Akihito sich aber nicht vorstellen konnte das Eury ihn einfach jemanden anders überlassen würde. Das Gleiche hatte er aber auch mal von Asami angenommen, bevor dieser ihn bei einer Pokerrunde verloren hatte. Und selbst wenn dieser Raum dem Prinzen gehörte, was machte er dann hier und wo war der Russe?

Kurz vor einer Panikattacke suchten die blauen Augen hektisch den Raum nach etwas vertrautem ab, doch er fand nichts. Es gab keinen Hinweis für ihn, was er hier machte. Weder lag auf dem Tisch neben dem Bett ein Zettel, noch war jemand anwesend der ihm alles erklären konnte. Akihitos Atmung wurde immer hektischer, während er verzweifelt den Raum absuchte. Immer weniger Sauerstoff schien in seinen Lungen anzukommen. Haltsuchend vergrub der Fotograf seine Finger in den schweren Laken und kämpfte darum die Panikattacke niederzuringen.

Er bemerkte deshalb nicht wie sich die Tür öffnete und ein roter Haarschopf durch den Spalt sah. Erst als sich eine kühle Hand in seinen Nacken legte, schreckte der Japaner zusammen. Giftgrüne Augen sahen auf ihn herab und ließen ihn ein weiteres Mal zusammenzucken. Seine Panik stieg ins unermessliche, als er Paul erkannte, der sich neben ihn ins Bett gekniet hatte. Nach Luft ringend, brauchte Akihito einen Moment bis er die Hand bemerkte die ihm beruhigend über den Rücken strich. Und auch wenn sich eine Gänsehaut auf seinem Rücken bildete, dort wo Paul ihn berührt hatte, konnte er doch nicht leugnen das es sich gut anfühlte. Ganz langsam gelang es dem Fotografen seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen, während er den Worten Pauls lauschte. Zwar verstand er die Sprache nicht, doch auch so hörte er den beruhigenden Klang. Ganz langsam gelang es ihm wieder Luft zu holen und diese auch in seinen Lungen zu behalten. Die schwarzen Punkte die schon vor seinen Augen getanzt hatten, verschwanden wieder. Ganz im Gegensatz zu Paul, der noch immer neben ihm saß und ihn mehr oder weniger im Arm hielt. Als er sich dessen bewusst wurde, versteifte Akihito sich sofort wieder. Zu seiner großen Überraschung ließ der Rothaarige ihn jedoch nicht sofort los, sondern lies ihn vorsichtig auf ein weiches Kissen sinken. Lange starrte der Japaner in die grünen Augen seines Gegenübers. Versuchte zu begreifen, was hier gerade geschah. Doch er kam zu keinem Ergebnis. Dann stellte er die Frage, die ihn am meisten beschäftigte. „Wo ist Eury?“

Paul zuckte nur mit den Achseln als er antwortete. „Deine Begleiter sind vor etwa zwei Stunden gegangen. Prinz Ajahn hatte auch noch einen Termin, deshalb hat er mich gebeten hier zu sein wenn du aufwachst.“

Mühsam sortierte Akihito die Informationen die er gerade erhalten hatte. Dank der Medikamente die er noch immer in seinem Kreislauf hatte, dauerte das ganze länger als gewöhnlich. Ungewohnt zäh liefen die Gedanken durch den Kopf des Fotografen, bis dieser schließlich seine nächste Frage stellte. „Welche Sprache hast du gerade gesprochen?“

Ein trauriges Lächeln legte sich auf Pauls sonst so ausgeglichene Züge. Erst in diesem Moment fiel Akihito auf das der Rothaarige so gut wie nie Gefühle zeigte. Und wenn dann hatte er meist nur Verachtung und Hass gezeigt. Unwillkürlich fragte der Japaner sich was einem Menschen widerfahren sein musste das er alles andere so tief in sich einschloss das es für andere nicht mehr zu sehen war.

„Das war Deutsch. Ich spreche es nur noch selten und ich fürchte mittlerweile ist es auch nicht mehr besonders gut.“ Ohne dass der Rothaarige es bemerkte, hatten seine Finger den Weg in Akihitos Haare gefunden und vergruben sich jetzt in den weichen Strähnen. „Es ist jetzt schon so lange her, dass es eigentlich gar nicht mehr wahr ist. Wer würde auch schon glauben das der Favorit eines Prinzen aus einem so erbärmlichen Ort wie Steilshoop kommt?“

Die Frage schien überdeutlich im Gesicht des Fotografen zu stehen, denn Paul beantwortete sie bevor Akihito etwas sagen konnte. „Das ist ein Stadtteil von Hamburg. Er ist nicht wirklich sehenswert, das kannst du mir glauben. Graue Steinbauten aus den Siebzigern und überall tristes Einerlei. Vielleicht ist es mittlerweile anders. Doch als ich damals dort in einem dieser Betonklötze lebte, gab es dort nichts. Alle die ich kannte waren Arbeitslos oder auf dem besten Weg dahin. Meine eigene Mutter hatte nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag vom Einkaufscenter zu ihrer Wohnung zu pendeln und das auch nur wenn ihr Alkohol zur Neige ging. Was ich machte hatte sie nicht wirklich interessiert. Ich war noch zu jung um Alkohol zu kaufen und deshalb in ihren Augen vollkommen nutzlos. Im Gegenteil, ich kostete auch noch Geld, denn immerhin musste sie mir Essen und Klamotten kaufen. Und auch das tat sie nur äußerst widerwillig. Zu meinem Glück gab es eine Kleidersammlung in der ich mir regelmäßig etwas holen konnte und der Großteil unserer Lebensmittel kam von der Tafel. Da der Alkoholkonsum meiner Mutter immer größer wurde, reichte das Geld hinten und vorne nicht. Sie wurde immer unausgeglichener und jähzorniger. Ständig schleppte sie irgendwelche Kerle in unsere Wohnung. Damals habe ich es nicht verstanden, doch heute weiß ich dass sie so ihr Geld verdient hat. Eines Tages meinte dann einer ihrer Typen das ich ihm gefallen würde. Er ließ ihr seine Karte da und verschwand wieder. Nach ein paar Tagen hatte ich seine Worte schon wieder vergessen und es ging alles wieder seinen normalen Lauf. Fast jeden Tag brachte meine Mutter einen neuen nach Hause und auch mich beschimpfte sie weiter.“

Pauls Stimme war immer leiser geworden und Akihito konnte sehen wie die sonst so durchdringenden Augen matt geworden waren. Tränen sammelten sich in den Augenwinkeln des Rothaarigen. Hilflos richtete der Japaner sich wieder auf und nahm den Anderen unbeholfen in den Arm. Er wusste nicht was Paul zu seinem Sinneswandel veranlasst hatte und warum dieser es auf einmal als nötig ansah ihm seine Lebensgeschichte anzuvertrauen, doch es berührte ihn. Nur ein absoluter Eisklotz hätte bei dieser Geschichte vollkommen ungerührt bleiben können, dabei war sich Akihito sicher dass er noch nicht einmal das schlimmste gehört hatte. „Deine Mutter hatte sie aber nicht vergessen, oder?“

„Nein, das hat sie nicht. Es war mal wieder kein Geld da und sie war schon den ganzen Tag schlecht gelaunt. Ich bin irgendwann aus der Wohnung geflohen. Alles war besser als mit ihr in diesen trostlosen, engen Wänden gefangen zu sein. Immer wieder verglich sie mich mit meinem nutzlosen Vater der sie hatte sitzen lassen, als sie ihm gesagt hatte das sie schwanger war. Ich habe ihn nie kennengelernt, das einzige was ich von ihm weiß, dass er verheiratet war als er was mit meiner Mutter hatte. Sie hatte ein Praktikum in seiner Firma gemacht. Er hatte wohl einen ziemlichen Ruf als Frauenheld, trotzdem hat sie was mit ihm angefangen. Anscheinend sah sie sich schon fast als Unternehmergattin, was sich dann durch die Schwangerschaft schnell in Luft auflöste. Sie musste die Firma verlassen und fand danach natürlich keinen Job mehr und als ich dann alt genug war, dass sie wieder hätte arbeiten können, da war sie schon so weit abgerutscht, dass es nicht mehr möglich war. Das war natürlich auch meine Schuld, sowie alles was in ihrem Leben schief ging meine Schuld war. Als ich dann abends nach Hause kam, war dieser Typ wieder da. Erst dachte ich mir nichts dabei, immerhin war er das letzte Mal ja auch wegen meiner Mutter hier. Doch diesmal verschwanden sie nicht in ihrem Schlafzimmer. Erst als es zu spät war, sah ich an der Tür den Rucksack stehen, den ich sonst mit zur Schule nahm. Als er nach meinem Arm griff, sah ich meine Mutter zum ersten und einzigen Mal wirklich lächeln. Sie strahlte mich regelrecht an, während er mich hinter sich her zerrte. Bis heute weiß ich nicht was sie für mich bekommen hat, doch dass sie gelacht hat, das hat mich mehr verletzt als alles andere, was in den darauf folgenden Jahren noch kam. Eine Mutter sollte ihr Kind beschützen und es lieben, doch sie hat mich aufgegeben für nichts. Für ein paar Scheine, die wahrscheinlich in den nächsten Tagen schon wieder weg waren. Ich habe sie nie wieder gesehen und weiß mittlerweile noch nicht einmal ob sie überhaupt noch lebt. In den ganzen Jahren habe ich noch oft an sie gedacht, ob sie gewusst hatte, was sie mir antat, als sie mich an diesen Mann verkaufte. Manchmal denke ich das sie es ganz genau wusste, und es deshalb auch tat.“

Die Stimme Pauls war immer leiser geworden, bis Akihito ihn schließlich kaum noch hören konnte. Erschüttert wiegte der Fotograf Paul in seinen Armen, während dieser versuchte sich wieder so weit fangen, dass er sich aufsetzen konnte. „Wie alt warst du damals?“

Ein bitteres Lächeln huschte über die feinen Züge des Rothaarigen. „Dreizehn.“

Ein erschrockenes Ächzen kam über die Lippen des Japaners. „Dreizehn?“

„Es war nicht so wie du denkst. Ich hatte vielleicht auch Glück. Der Mann der mich damals von meiner Mutter kaufte, sah Potenzial in mir. Deshalb verschacherte er mich nicht an irgendein Bordell sondern entschied sich dafür Geld und Zeit in mich zu investieren, damit er mich in den gehobeneren Kreisen verkaufen konnte. Es war bestimmt keine schöne Zeit, doch er sorgte dafür das ich eine annehmbare Bildung erhielt um mich in diesen Kreisen unauffällig bewegen zu können, außerdem lernte ich verschiedene Sprachen, welche er für angebracht hielt. Und natürlich wurde mir alles beigebracht was mein zukünftiger Besitzer von mir erwarten würde.“

Lange starrte Akihito ins Leere, während er beinahe mechanisch die roten Haare streichelte. Die Lebensgeschichte Pauls überstieg alles, was ihm jemals widerfahren war. Er konnte nicht in Worte fassen wie leid ihm der Rothaarige tat ohne das es aufgesetzt wirkte. Gleichzeitig wusste er nicht ob es für so etwas überhaupt Worte gab.

Schließlich war es Paul, der ihr Schweigen brach. „Ich weiß, dass all das was mir widerfahren ist, keine Entschuldigung ist, was ich dir angetan habe. Mein Verhalten dir Gegenüber war unmöglich und das auch nur weil ich eifersüchtig war.“

Mühsam fand Akihito seine Stimme wieder. „Du warst eifersüchtig?“

„Ja, natürlich war ich das. Ich habe nie zuvor gesehen das der Prinz so aufgeregt war, wegen eines neuen Jungen. Weißt du wie lange ich dafür arbeiten musste, damit ich ein Zimmer in dem besonderen Trakt bekam? Oder wie lange ich gebraucht habe, vor dem Prinzen auftreten zu dürfen? Nicht genug damit das für dich gefühlt der rote Teppich ausgerollt wurde. Andauernd war Asami hier und Asami da zu hören. Dass man dich ja gut behandeln müsste, da dieser es nicht gut heißen würde, wenn dir etwas geschieht. Um mich hat sich nie jemand gekümmert. Weder als ich bei meiner Mutter war, noch danach. Ich war immer exakt so viel wert wie ich eingebracht habe oder zu leisten im Stande war. Da gab es einfach nie jemanden der etwas nur für mich getan hätte. Selbst Prinz Ajahn ist nur so lange an mir interessiert gewesen, wie ich seiner Unterhaltung gedient habe. Und dann kamst du. Sorgsam behütet und beschützt. Wie sollte ich da nicht neidisch sein.“

Müde legte Akihito sich auf die Matratze zurück und zog Paul mit sich. „Auf mich muss niemand neidisch sein. Würdest du mein ganzes Leben kennen, würden dir wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen. Außerdem bin ich doch nur hier gelandet weil der ach so tolle Asami Ryuichi mich beim Poker verscherbelt hat. Weißt du was für ihn dabei raus gesprungen wäre, wenn er gewonnen hätte? Neue Handelsrouten nach Abu Dhabi! Nennst du das ernsthaft beschützen?“ Ein kalter Stich ging Akihito durchs Herz, als ihm erst in diesem Moment wieder richtig bewusst wurde, dass er den Yakuza nie wieder sehen würde. So lange hatte er es erfolgreich verdrängen können, hatte er doch immer nur noch von einem Moment zum anderen existiert. Ein Wimmern kämpfte sich seine plötzlich eng gewordene Kehle empor. Tränen, von denen er vor einem Sekundenbruchteil zuvor noch nichts gewusst hatte, liefen ihm die Wangen herunter. Asami war Tod. Seinen Beschützer gab es nicht mehr.

Warme Arme schlangen sich um ihn, doch sie schafften es nicht die Leere in seinem Inneren zu vertreiben, genauso wenig wie die Stimme die wieder in dieser fremden Sprache zu ihm redete. Akihito brauchte einen Moment um zu bemerken das, dass jämmerliche Schluchzen von ihm kam. Haltlos und nicht in der Lage wirkliche Wörter zu bilden stammelte er seinen Schmerz nach draußen. Abgrundtiefer Schmerz drohte ihn mit sich zu reißen, während er nicht in der Lage war sich dagegen zu wehren.

Hilflos hielt Paul den Japaner in seinen Armen, während sich dieser immer tiefer in seinem Schmerz verlor. Jemanden zu trösten, war nicht unbedingt eine seiner Stärken. Trotzdem strich er dem schluchzenden Akihito immer wieder über den Rücken, während ihm die Geräusche die dieser von sich gab immer Angst einjagten. Hatte er doch nicht mehr das Gefühl es wären menschliche Laute. Vielmehr klang der Blonde wie ein verletztes Tier, welches sich von diesem Verlust nie mehr erholen würde. Finger gruben sich schmerzhaft in seine Haut, während die blauen Augen stumpf wurde. Die Klagelaute wurden langsam leiser, doch nicht weil Akihito sich ausgeweint hatte. Dieser Traueranfall hatte nichts reinigendes an sich, nichts was einen irgendwann nach vorne brachte oder einem half damit abzuschließen. Vielmehr sah es danach aus, als würde der Japaner darin versinken und selber sterben. Die Nähe die der Rothaarige gerade noch hatte geglaubt zu spüren schwand mit jeder Sekunde in der Akihito trauerte. Verzweifelt wanderte Pauls Blick durch den Raum auf der Suche nach etwas was ihm helfen würde. Etwas silbernes fiel ihm ins Auge und er brauchte einen Moment bis er begriff was er gerade gesehen hatte. Hastig sah er drehte er noch einmal den Kopf, dann sah er es wieder. Ein Tabletten-Blister lag neben einem Wasserglas auf einem der Nachtschränke neben dem Bett.

Vorsichtig ließ Paul den schluchzenden Akihito auf die Matratze gleiten und angelte dann hastig nach den Tabletten. Einen kurzen Moment lang zögerte er, denn er wusste nicht mehr ob Akihito eine halbe oder eine ganze Tablette nehmen sollte. Als sein Blick jedoch zu dem Häufchen Elend wanderte, zuckte er mit den Achseln und drückte eine der Tabletten heraus. Zusammen mit dem Wasser kam er zu dem Japaner zurück und schaffte es ihn dazu zu bewegen die Tablette zu schlucken. Einen schrecklichen Moment lang sah es so aus als würde Akihito sich an dem Wasser verschlucken, doch dann beruhigte sich der Blonde endlich etwas.

Erleichtert atmete Paul auf, während sich der Andere langsam entspannte. Der Rothaarige bemerkte erst jetzt, wie sehr in die Trauer des Blonden mitgenommen hatte. Noch immer lag Akihito verkrampft auf dem Bett, selbst der Schlaf schaffte es nicht ihn vollkommen zu entspannen. Doch immerhin hatten diese grässlichen Geräusche, die der Blonde von sich gegeben hatte, aufgehört. Lange starrte Paul auf das angespannte Gesicht Akihitos, während er über den Schlaf des Japaners wachte.

Jetzt konnte er nur hoffen das Ajahn es ihm nicht übelnahm das er den Fotografen so aufgeregt hatte. Immerhin hatte dieser doch eigentlich genau das Gegenteil bezwecken wollen.
 

Genervt stützte Ayase sich mit den Füßen gegen das Gitter, an welches er gefesselt worden war. Es war jedoch keine Überraschung für ihn dass es nicht nachgab. Immerhin versuchte er es jetzt schon zum gefühlt hundertsten Mal. Genauso wie die Male zuvor, grinste auch jetzt der Leibwächter den sein Entführer bei ihm zurück gelassen hatte. Zwar sprach der Mann nicht mit ihm, doch er schien sich köstlich über die Befreiungsversuche zu amüsieren. Doch Ayase musste selber zugeben, dass seine jetzigen Manöver mehr als erbärmlich waren. Wusste er doch selber das er nicht über genug Kraft verfügte um auch nur eine Delle im Gitter zu hinterlassen. Trotzdem musste er es weiter versuchen. Er war es Michel, der alles versucht hatte um ihn zu beschützen einfach Schuldig. So setzte er seine Füße erneut gegen das Metall und spannte seine Muskulatur an. Dabei ignorierte er wieder das Lachen des Älteren. Selbst als seine Handgelenke zu schmerzen begannen, war das kein Grund für Ayase aufzuhören. Erst als sich eine große Hand auf seine Schulter legte, zuckte er zusammen und hörte auf. Erschrocken sah er auf. Ohne dass er es bemerkt hatte, war der Leibwächter aufgestanden und zu ihm gekommen. „Jetzt komm schon, Kleiner. Das Bett ist zu stabil für dich und du tust dir nur selber weh.“

Resigniert senkte der Blonde den Kopf. Er wollte nicht das der Ältere seine Träne sah, die ihm verräterisch über die Wange lief. Frustriert kaute er auf seiner Unterlippe herum, stellte jedoch seinen Kampf gegen das Bett tatsächlich ein. Denn der Leibwächter hatte natürlich recht. Schließlich war er nicht Kanou oder Asami. Die beiden hätten diesen widerspenstigen Rahmen wahrscheinlich schon längst zerlegt und würden jetzt den gesamten Rest dieses verdammten Raumes zertrümmern. Doch er konnte es nicht. Er war nur klein, schwach und konnte weitere Probleme verursachen. Einmal sollte er von Nutzen sein und das einzige was er hinbekam, war entführt zu werden. Ayase kannte das Temperament seines Yakuzas nur zu gut um zu wissen das dieser gerade toben würde. Besonders nachdem er das Video gesehen hatte. Kanou hasste Videos von Ayase, duldete er es doch so schon nicht das irgendjemand das berührte, was er als sein ansah.

Natürlich wusste der Blonde das ihre Beziehung nicht als normal angesehen werden konnte und würde er seinen Freunden erzählen mit wem er zusammen lebte, würden sie ihn wahrscheinlich für verrückt erklären. Immerhin hatte der Yakuza ihn gekauft und anschließend mit dem Geld, welches er für ihn ausgegeben hatte, erpresst. Auch jetzt waren sie noch weit von einer normalen Beziehung entfernt, doch verstand der Jüngere den eiskalten Älteren immer besser und wusste mittlerweile auch, dass dieser ihn nur erpresst hatte um ihn an sich zu binden. Auf andere mochte Kanou wirken, als hätte dieser keine Gefühle, doch der Blonde wusste es besser.

Mit einem frustrierten Schnauben trat Ayase ein letztes Mal gegen den Metallrahmen. Im nächsten Moment zuckte er erschrocken zurück, als sich eine raue Hand auf seine Wange legte. Natürlich kam er nicht weg, doch dann sah er das er es auch nicht musste und entspannte sich wieder geringfügig. Ohne etwas zu sagen hielt ihm der Ältere ein Taschentuch entgegen, welches er nach kurzem Zögern annahm.

„Wo sind wir hier?“

Kopfschüttelnd nahm der Leibwächter sein Tuch wieder entgegen und steckte es zurück in die Tasche. „Das kann ich dir leider nicht sagen, Kleiner. Nimm es einfach hin, dass wir uns auf einem Schiff befinden.“

Unzufrieden schnaubte Ayase auf. So weit war er alleine auch schon gekommen. Immerhin war es nicht zu übersehen das er sich in einer Koje befand. Vom Seegang bekam er nicht all zu viel mit, was bedeutete das sie entweder im Hafen lagen oder aber das, dass Schiff einfach zu groß war um durch die Wellen zu schaukeln. Ayase wusste nicht wirklich was jetzt besser für ihn wäre. Ein großes Schiff würde bedeuten das sich viele Menschen an Bord befanden, welche ihn vielleicht retten würden. Vielleicht wäre es aber auch zu anonym und es kümmerte schlichtweg niemanden. Noch während er darüber nachdachte, waren mit einmal Geräusche an der Tür zu hören, welche anschließend mit einem lauten Knall gegen die Wand prallte und sich dann lautstark wieder schloss.

Zitternd versuchte der Blonde zurückzuweichen als er erkannte das sein Entführer zurückgekommen war. Aber auch dieses Mal hörte er nur wieder wie seine Fesseln gegen den metallischen Rahmen schlugen und ihn an Ort und Stelle hielten.

Mit weit aufgerissenen Augen sah er wie der Fremde sich ihm näherte und sich dann zu ihm auf das schmale Bett setzte. Erst jetzt sah Ayase wie müde der Unbekannte aussah, während dieser ihn aus Bernsteinfarbenden Augen musterte. Unwillkürlich fragte der Jüngere sich, wie lange er betäubt gewesen war, nachdem sie die Lagerhalle verlassen hatten.

„Endlich aufgewacht?“

Unsicher, ob er seiner Stimme trauen konnte, nickte der Jüngere nur, während er noch immer versuchte weiter nach hinten zurückzuweichen.

„Du hast vor mir nichts zu befürchten, Kleiner.“

Diese Worte sorgten nicht unbedingt dafür das Ayase sich jetzt sicherer fühlte. Er hatte nicht die Finger auf seiner nackten Haut vergessen und auch nicht den eiskalten Blick des Unbekannten dabei. Trotzdem gab er es auf, sich gegen seine Fesseln zu stemmen und nahm es einfach hin, dass der Andere so dicht bei ihm saß, dass sie sich beinahe berührten. „Wo bringen sie mich hin?“

„Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es am besten wäre, wenn du den japanischen Boden verlässt. Schließlich will ich nicht riskieren das Kanou sein Schoßhündchen wieder findet.“

„Japan verlassen?“ Ayase bemerkte gar nicht wie seine Stimme zu einem stimmlosen Flüstern wurde. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er seinen Gegenüber an und versuchte zu verstehen, was dieser damit meinte. „Kanou wird mich finden, egal wo sie mich hinbringen.“

Ein ehrliches Lachen schallte durch den Raum und brachte den Blonden vollkommen durcheinander. Er hatte mit vielem gerechnet, jedoch nicht damit das der Fremde diese Drohung so leicht nehmen würde. „Aber genau damit rechne ich doch, Ayase. Kanou wird dich suchen. Er wird alles was er zur Verfügung hat aufbieten. Und genau dann werde ich zuschlagen. Genau wie bei Asami.“

Da der Jüngere wusste das sein Entführer Asami für tot hielt, biss er sich fest auf die Lippen bevor er jetzt etwas unbedachtes sagen konnte. „Sie haben keine Chance gegen Kanou! Immerhin arbeitet er mit Baishe und dem Albatofs zusammen.“

Zum ersten Mals in ihrem Gespräch sah der Ältere aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Der Chinese ist kein Problem, auch er wird leicht zu lenken sein, sobald ich seinen Kleinen bei mir habe. Immerhin ist Feilong doch sehr besonnen, was man von den Albatofs leider nicht sagen kann. Du kannst mir glauben, ich hatte niemals vor die Russen in die ganze Sache mitreinzuziehen. Der Patriarch mag alt sein, er reagiert jedoch sehr… gnadenlos wenn es um seine Söhne geht.“

Ayase, der die Drohung gegen Tao noch im Kopf hatte, sah den Älteren vor sich fragend an. „Sie haben dafür gesorgt das Asami beim Pokern verloren hat.“ Es war ein Schuss ins Blaue. Es gab keinerlei Beweise für seine Vermutung und doch wusste der Blonde einfach das er Recht hatte. Das ehrliche Lachen des Anderen bestätigte ihn. „Es war nicht besonders schwer in diese Runde mitaufgenommen zu werden. Wer achtet schon auf die unwichtigen Personen im Hintergrund. Ein kleines Pülverchen ins Getränk hier, etwas Alkohol dort und dann noch etwas unbedachte Worte im Hintergrund… Weißt du was Asamis Größte Schwäche war?“

Zögernd sah Ayase in die kalten Bernsteinfarbenden Augen „Akihito?“

„Nein, das war seine schönste, seine größte war sein Stolz. Er hatte ein so aufgeblähtes Ego das es in seinem Weltbild noch nicht einmal vorkam zu verlieren. Wenn er aufgepasst hätte, wäre das alles nicht passiert. Doch es war unter seiner Würde nach einem Gegner zu suchen der so weit unter ihm stand. So sind sie alle, die es so weit nach oben geschafft haben. Stolz. Und genau deshalb werde ich sie vernichten.“

Zitternd wich der Jüngere vor dem Fremden zurück. „Sie sind wahnsinnig.“

Ohne Vorwarnung holte der Unbekannte aus und schlug Ayase so hart ins Gesicht das er fast aus dem Bett gefallen wäre. Schmerzerfüllt stöhnte der Jüngere auf und versuchte sich unbeholfen wieder aufzusetzen. Da er jedoch seine Hände nicht wirklich einsetzen konnte, blieb er schließlich auf der Matratze liegen und starrte zu seinem Entführer auf.

„Du solltest besser aufpassen wie du mit mir redest, Ayase. Ich habe nicht vor dich ernsthaft zu verletzen, doch ich werde nicht zögern dich zu bestrafen. Hast du mich verstanden?“

Sofort nickte der Blonde, war seine brennende Wange doch noch immer ziemlich präsent. „Was haben sie jetzt mit mir vor?“ traute er sich einen Moment später, schließlich zu fragen.

„Ich habe eigentlich nichts mit dir vor. Du wirst die nächsten drei Wochen hier bleiben. In dieser Zeit wird dieses Schiff Kurs auf Italien nehmen und wenn wir dort sind, werde ich dich an den meistbietenden verkaufen.“

Ayase bemerkte wie sein Mund trocken wurde bei diesen Worten. Die Angst machte sich durch tausende von Nadelstichen auf seiner Haut bemerkbar, während er sich langsam aufrichtete und den Älteren aus weit aufgerissenen Augen ansah. „Eine Auktion?“

Scheinbar sanft fuhr eine Hand durch die verstrubelten blonden Haare. Am liebsten wäre Ayase angeekelt zurückgezuckt, traute sich aber nicht den Älteren noch weiter zu reizen. „Genau das. Du wirst in Europa verkauft. Dort wird all die Macht deines Yakuzas ihm nichts nützen, wenn du von der Bildfläche verschwindest.“

„Damit kommen sie niemals durch!“ Er mochte sich vielleicht nicht den Berührungen des Anderen entziehen, trotzdem sah er ihn mit einem hasserfüllten Blick an. Panische Angst hatte sich in Ayase breit gemacht, erinnerte er sich doch noch zu gut an die Auktion auf der Kanou ihn einst gekauft hatte. Diesmal würde kein Ritter im schwarzen Anzug kommen und ihn retten, dessen war er sich nur zu bewusst.

„Aber kleiner Ayase, das bin ich doch schon. Akihito ist fort, Asami tot und du befindest dich hier bei mir. Du wirst auf diesem Schiff hier keine Hilfe finden. Denn selbst wenn du aus dieser Kabine kommst, wirst du da draußen nur Angehörige der Yakuza treffen. Immerhin befinden sich zwei sehr große Clans hier an Bord. Keiner von ihnen wird Mitleid mit dir haben und dich zurück bringen. Das kannst du mir glauben, genauso wie das ich dich bestrafen werde, wenn du es tun würdest.“

Verzweifelt griff Ayase nach dem winzigen Strohhalm den er sah. „Aber wenn so viele Yakuza hier sind, dann wird es Kanou auffallen und er wird mir folgen!“

Belustigt erhob der Ältere sich und strich Ayase ein letztes Mal durch die hellen Haare. „Das würde er vielleicht, wenn er nicht schon lange wissen würde das hier ein Treffen stattfindet. Er selber hat schon vor Monaten eine Einladung bekommen und abgesagt. Also ist es ziemlich unwahrscheinlich das er jetzt einfach so hier auftauchen wird, besonders da die Sicherheitsvorkehrungen ziemlich hoch sind. Außerdem kennt er die beiden Familien die hier sind. Niemals würde er seinen Gegner in ihren Reihen vermuten, immerhin kennt er Oyabun Oumi schon recht lange.“

Wie betäubt sank Ayase in sich zusammen. Er kannte diesen Namen, hatte ihn schon häufiger gehört wenn er in Kanous Büro war. Jetzt erinnerte er sich auch wieder an die weiße Einladungskarte die vor etwa einem halben Jahr angekommen war. Verzweifelt versuchte der Blonde sich an den Anlass und die Namen zu erinnern die darin gestanden hatten. Doch das einzige was ihm einfiel waren Kanous Worte, als dieser gemeint hatte Italien wäre ihm im Sommer zu heiß.

Erst als sich harte Finger in sein Kinn gruben wurde dem Jüngeren bewusst das er dem Fremden nicht mehr zugehört hatte. „Das beste wird wohl sein, wenn wir dich für die nächste Zeit etwas ruhig stellen. Wir wollen doch nicht das du etwas unbedachtes tust und dich in Schwierigkeiten bringst.“

Verzweifelt versuchte Ayase sich von dem Älteren wegzudrücken, als dieser nach seinem Arm griff und diesen festhielt. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen wie der Leibwächter mit einer Spritze zu ihm kam. Ohne zu Zögern durchstach dieser mit der Nadel seine Haut und injizierte ihm die durchsichtige Flüssigkeit. Der Blonde wollte noch fragen was sie ihm da gerade gespritzt hatten. Doch war er im nächsten Moment nicht mehr wirklich in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, während seine Umwelt vor seinen Augen verschwamm. Alles schien unwichtig zu werden, während er den ineinander verlaufenden Farben fasziniert folgte. Ayase bemerkte nicht mehr wie die Fesseln an seinen Händen gelöst wurden, damit man ihn richtig auf das Bett legen konnte. Er bekam auch nicht mehr mit wie sein Entführer die Kabine verließ. Sein Bewusstsein versank in schillernden Farben und würde für eine ganze Zeit nicht wieder daraus auftauchen.



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