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Spiel ohne Limit

von

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"Gib auf!"


 

Für einen Moment war es als stünde sie inmitten einer Wasserblase. In ihren Ohren drangen die Töne wie ein Rauschen, die Sicht verschwamm direkt vor ihren blassgrünen Augen, die von Dunkelheit und Orichalcos einnehmender Präsenz eingeschlossen worden waren. Das Publikum war für sie nicht existent. Das schwarze Nichts, in das sie hineingezogen worden waren und seit Cyber End-Draches Vernichtung nun endgültig gewonnen hatte, ließ die Tribüne vollends aus ihrem Sichtfeld verschwinden
 

Ich.Soll.Aufgeben.

Schwer ließ sich der Satz herunter schlucken. Ein Brocken, der sich zäh durch die Speiseröhre führen ließ. Die Kehle war trocken, der Puls unkontrolliert hoch, das spürte sie auch ohne dieses Rauschen in den Ohren. Die Blase platzte, ließ sie erkennen, dass es nichts dahinter gab - nur Leere, Verzweiflung und vier Karten in ihrer rechten Hand. Ihre Wange pochte, sie wusste nicht, ob es jemals einen vergleichbaren Schmerz gegeben hatte. Noch nie war sie geschlagen worden, aber sie war sich sicher, dass dieses Gefühl einer Ohrfeige sehr nahe kam. Die Empfindung wurde nur von den Schmerzen im rechten Handgelenk übermalt. Tausend Nadelstiche schienen gleichzeitig durch ihr Gesicht hindurch zu stechen, das Prickeln war entsetzlich, es juckte und brannte im gleichen Maße. Und der Arm - der hatte seit der Aktivierung von Cybernetzwerk sein Mitspracherecht verloren. Ein Stromschlag, ähnlich dem, welchen sie einst im Duell gegen Zigfried und Hacharui verspürt hatte, kribbelte unaufhörlich vom Ellenbogen bis in die Fingerkuppen. Die gegenwärtige DuelDisc war nicht dafür geschaffen, derart hoch auflösende Bilder zu projizieren, geschweige denn die virtuellen Hologramme mit allen sechs Sinnen auf das höchste Level hoch fahren zu lassen. Woher sie wusste, dass es so war, dass das System die vollen hundert Prozent erreicht hatte, obwohl ihr Gerät nicht im Stande war, alles eins zu eins wiederzugeben, war ihr nicht klar. Sie wusste es einfach, den Impuls, dem Adrenalin und wochenlanger Erfahrung geschuldet, die sie mit Seto Kaiba im Cyberspace gesammelt hatte.

Sie sehnte sich nach einer Pause, einer ruhigen Minute, etwas Zeit für sich. Das Duell schaffte sie. Zwei hochentwickelte virtuelle Simulationen innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden forderten ihren Tribut. Selbst Kaiba hatte auf so viele aufeinander folgende Sessions verzichten wollen, und Rin begriff allmählich warum. Ein Teil von ihr wünschte, es würde einfach vorbeigehen. Das Duell, Yutas verbissener Drang, sie vernichten zu wollen - einfach alles. Es war leicht, der Stimme in ihrem Kopf nachzugeben; der Stimme, die >aufgeben< für eine Option hielt, ja, es sogar begrüßte, dass der Satz mehrmals wie ein Echo zu ihr sprach - immer und immer wieder. Schwer stieß sie den Atem aus. Sie wagte es nicht, sich zu rühren. Stocksteif stand sie ihrem Feind gegenüber, welcher einfach nicht aufhören wollte zu lächeln. Sein Lächeln hatte viele Facetten, und diesmal wirkte der Ausdruck auf seinem Gesicht geradezu sanft (sofern man den irren Blick außer Acht ließ), dass ihre Schmach nicht größer ausfallen könnte.

"Du bist ausgebrannt", sagte er, nachdem Rin kein einziges Wort über die Lippen gebracht hatte. Sie konnte nicht sprechen. Der Brocken lag ihr so schwer, schnürte die Kehle zu, dass sie drohte, daran zu ersticken.

"Was könntest du mir noch entgegensetzen?", fragte Yuta und antwortete prompt selbst, "gar nichts. Die einzige Karte, die dich vielleicht retten könnte, wäre Wiedergeburt. Aber Wiedergeburt hast du nicht auf der Hand. Ich brauche keine Gedanken lesen, um dir in die Karten zu blicken, Yamamori. Da ist nichts, das dir helfen könnte. Du bist allein, kein Monster könnte es mit der Macht meines Kaisers und Orichalcos aufnehmen. Ich hatte es dir gleich gesagt." Er schüttelte den Kopf. "Du hast dich für die falsche Seite entschieden. Du hättest dort bleiben sollen, wo du hingehörst. In dein einfaches, bescheidenes Leben von damals." Er blickte sie ernst an. "Vielleicht solltest du einfach umkehren, dein Leben mit deiner kleinen Studentenfreundin genießen, dich mit deinen Eltern versöhnen…" Rin starrte zu Yuta, der einfach weiter erzählte. "Dein Leben kann nicht so sinnlos gewesen sein, dass du es dafür", er zeigte auf das Stadion, zeigte auf die Zuschauertribüne, die Technik - auf einfach alles, das Rin mit dem Chef der Kaiba Corporation verband, "aufs Spiel setzt. Geh' Heim, Rin Yamamori. Sei wieder das brave, unscheinbare Mädchen, das ihre Eltern stolz machen will, und gib' auf."

Die nächsten Sekunden vergingen wie in Zeitlupe. Die junge Frau ließ den Blick zu ihrem Gegenüber schweifen.

"Hab' ich nicht recht?" Yutas Lächeln war auf seinen Lippen zurückgekehrt. Der Wahnsinn ereilte ihn in Schüben, ein Knecht seiner eigenen Phantasien, die durch Dartz' sadistische Rücksichtslosigkeit gefördert worden waren. Mehr war er in ihren Augen nicht und mehr darin zu sehen, bedeutete, sich einzugestehen, dass in dem Grünhaarigen mehr steckte als Paradius' willenloses Werkzeug. Für Mitgefühl war es zu spät, das musste sie sich einreden - Runde für Runde, denn für Yuta war sie auch nur eine Marionette des größten Spiel Unternehmers der Welt.

Tief stieß Rin einen Atemzug aus, fast schien es, als wollten Wolken aus ihrem Mund entweichen.

"Du", raunte die junge Frau, deren Stimme durch den Saal vibrierte. Wie von einem Traum erwacht riss sie die Augen auf. "Glaubst du ernsthaft, du würdest mich kennen?" Immer dunkler wurden die Schatten unter ihren Augen, die Seelenspiegel flackerten im Licht, welche durch die Spielfeldzauberkarte ein extra Schimmern verliehen bekommen hatten. Ohne die Menge um sich herum zu beachten, deren Gesichter bloß aus verschwommenen dunklen Flecken bestanden, die unverständliche Laute von sich gaben war sie ganz auf ihre Wut fokussiert. Irgendwo waren auch ihre Freundin und Kaiba, doch im Augenblick zählte nur eine Person, weshalb sie düsteren Tones fortfuhr: "Du hast keine Ahnung. Du nimmst dir heraus, über mich zu urteilen, aber du weißt nichts. Nicht, wer ich bin oder warum ich hier stehe", die Lippen bebten vor Zorn, die Zähne zwangen sich mit Mühe und Not auseinander zu gehen. "Und dass du meine Familie ins Spiel bringst-" Das Knacken von Knochen und Rins freie Hand war zur Faust geballt.

"Ich", rief sie, als holte sie für die nächste verbale Attacke aus, "gebe nicht auf! Niemals!" Plötzlich war sie hellwach - und niemals klarer im Kopf als jetzt. Wie sie sich hatte gehen lassen, verstand die junge Frau selbst kaum. Der Moment der Schwäche, der Hilflosigkeit - das war die alte Rin. Aber diese Rin war tot. Es gab kein Zurück mehr. Adrenalin kehrte zurück, das Blut pumpte ordentlich durch ihre Adern, dass sie sich lange nicht mehr so lebendig gefühlt hatte.

"Rin Yamamori", knurrte Yuta durch den Saal. "Menschen wie du kotzen mich an", er holte in einer theatralischen Geste mit dem rechten Arm aus. Auch er schien aus einem Traum erwacht, jedoch aus einem völlig anderen. "Weil es euch in eurem perfekten Leben so unsagbar langweilig ist…weil ihr keine wirklichen Probleme kennt-", spuckte er jedes einzelne seiner Worte mit Verachtung und Abscheu heraus. "Ihr wisst nicht, wie es auf der anderen Seite aussieht. Was es heißt, ums Überleben zu kämpfen -wirklich ums Überleben zu kämpfen. In den Kanalisationen nach Essen zu suchen oder die eigenen Freunde ans Messer zu liefern, damit man nicht selbst verraten wird…Nein. Ihr seid blind für das Leben außerhalb eurer perfekten, kleinen Traumblase. Ihr erfindet das hier, weil ihr glaubt, damit die Leere in euren Herzen ausfüllen zu können. Das ist nichts weiter als ein Spiegelbild eurer falschen, trostlosen Wünsche und eine Beleidigung an alle, die für euren Wohlstand bluten mussten." Yuta schüttelte den Kopf. "Du behauptest, dass ich dich nicht kenne? Ich kenne dich sehr wohl, Rin Yamamori. Euch kleinen verzogenen Gören aus der Großstadt - ihr seid doch alle gleich. Sieh' dich doch nur mal an! Du hattest alles. Ein friedliches Zuhause, warmes Essen, eine gute Schule, Freunde…und wofür hast du es eingetauscht? Für eine Firma, die dir das Leben aussaugt, dich manipuliert und kontrolliert, bis nur noch dein nutzloser, schwacher Körper übrig bleibt und du achtlos weggeworfen wirst." Unnatürlich hoben sich die Mundwinkel, dass sein Lächeln mehr und mehr einer seelenlosen Fratze glich.

"Und die da", Yuta fuchtelte mit den Armen, zeigte auf die Zuschauertribünen und lachte leise in sich hinein. "Diese ahnungslosen Trottel. Feiern dieses gottlose Spiel, als wäre es die Antwort auf ihre hoffnungslosen Seelen."

So siehst du also die Welt…?

Rin sah absichtlich weg. Ein Teil von ihr stimmte dem grünhaarigen Duellanten zu. Die Menschen waren naiv und blind. Sie wusste das, sie selbst hatte dazu gezählt, hatte sich von dem Rausch des Sieges, der Euphorie der Massen blenden lassen. Von den Dutzenden packenden Duellen, die von den mächtigen Firmen als >Sensation des Jahres< präsentiert wurden und ein Spektakel nach dem nächsten angekündigt hatten. Dass aus einem Kartenspiel ein Spiel des Lebens geworden war, hatte Rin in ihrer Jugend auch nicht sehen wollen. Sie hatte den Kampf der Duelle geliebt, den Nervenkitzel einer packenden Partie, die tausend Strategien und Möglichkeiten dahinter. Vielleicht hätte sie es bemerkt, wenn sie die Augen für das geöffnet hätte, das ihr nun gnadenlos von Hiii Yuta ins Gesicht geschlagen wurde.

Nein! So darfst du es nicht sehen, Rin! Lass dich nicht in seine Finsternis hineinziehen
 

"Du bist die Ahnungslose von uns beiden", setzte er pausenlos fort als würde er einen Schlag nach dem nächsten austeilen. Sein Lachen wurde lauter, doch die Leere darin breitete sich in unheimlicher Geschwindigkeit aus. "Euer sogenanntes Spiel wird ein Ende haben. Eure Technik wird fallen - ihr werdet fallen und wir werden diejenigen sein, die den Anfang einer neuen, friedvollen Epoche einleiten werden."

"Friedvoll?", knirschte Rin mit den Zähnen. Sie hatte genug gehört. Noch ein weiteres Wort und sie selbst würde noch den Verstand verlieren.

"Du hast recht", gab sie trocken zu, "ich weiß nichts von dem Leben, aus dem du gekommen bist, wie grausam es für dich gewesen sein muss…Aber", sie blickte ihm fest entschlossen ins Gesicht, "das gibt dir noch lange nicht das Recht, die Leute zu terrorisieren und ihnen das Leben schwer zu machen, nur weil sie deine Ideale nicht teilen! Du redest von Frieden, doch deine Leute bringen nichts als Chaos und Zerstörung. Ihr missbraucht die Turniere, um eure fehlgeleiteten Ziele durchzusetzen und dann stellt ihr euch hin und sagt, dass ihr die Guten seid? Siehst du denn gar nicht, dass du es bist, der wie eine Spielfigur herum geschubst wird?"

"Du hast keine Vorstellung, was ich durchmachen musste, Yamamori", entgegnete ihr Gegenüber und bekam ein gefährliches Funkeln in den Augen. Ob er ihr tatsächlich zuhörte, war zu bezweifeln. "Meister Dartz ist der einzige, der mich versteht, der mich aus diesem Sumpf herausgezogen hat", er zeigte auf sich und hämmerte mit dem Daumen auf seine Brust. "Ich schulde ihm mein Leben! Du wirst nie verstehen, was es heißt, jemandem alles bieten zu wollen und zu wissen, dass es nie genug sein wird." Er riss sich sichtlich zusammen, sein Atem ging flach, doch in seinem Innersten schien auch er nicht vollkommen kalt für diese Welt. "Für dich ist das, was wir machen, Terror, aber ich sage dir - mein Meister wird mich und die anderen erlösen. Da draußen lauern nämlich ganz andere Gefahren. Gefahren, die dich nicht nur das Leben kosten, nein", er schüttelte den Kopf, "etwas Großes kommt auf uns zu, die Technik deiner ach so tollen Firma ist nur der Anfang, und wer sich für die falsche Seite entscheidet, der wird elendig verrecken."

"Mag sein", murmelte Rin, die nicht weiter darauf eingehen wollte. Yuta zur Vernunft zu bringen, war ein Akt des Unmöglichen. Seine Vorstellungen waren in Stein gemeißelt - oder zumindest so sehr von Dartz bearbeitet, dass niemand zu ihm durchdringen konnte.

"Und bis es soweit ist", entgegnete die junge Frau, während sie ihre linke Hand zur DuelDisc führte, "werden wir weiterspielen."

"Ganz wie du meinst", zuckte Yuta mit den Schultern, "es ist zwecklos, aber was soll man einem abgerichteten Schoßhund schon sagen?"

Die Lippen fest zusammengepresst, dass sie jegliche Farbe verloren, legte Rin Daumen und Zeigefinger auf das Deck. Der Moment war gekommen, die nächste Karte entschied über Sieg oder Niederlage. War sie bereit, die Konsequenzen zu tragen? Die Verantwortung zu übernehmen, für das, was folgen sollte?

Ich darf jetzt nicht zweifeln

Innerlich schüttelte sie mit dem Kopf.

Sie vertrauen darauf, dass ich gewinne

Wen Rin mit sie meinte, darüber wollte sie im Augenblick nicht weiter nachdenken. Egal ob Vertrauen oder nicht. Niemand wollte, dass Rin aufgab. Sie selbst schon gar nicht.

Die junge Frau gab sich einen Ruck und zog. Die Karte lag schwer zwischen ihren Fingern, welche von den Anstrengungen des Duells wund und rau geworden waren. Nur langsam wanderte der Blick auf die Vorderseite. Flüchtig weiteten sich die Augen. Das hatte man ihr also als letzten Ausweg vor die Füße geworfen? Eine Zauberkarte? Nein, nicht irgendein Zauber. Wenn es dort oben jemanden gab, dann war er ein ebenso großer Zocker wie Rin. Die Karte war nicht nur riskant. Sie blindlings als Ausweg zu benutzen, war fast so, als hätte jemand einen Rettungsring mit einem Autoreifen verwechselt.

Ihr Blick schweifte von der Karte zu ihrem Kontrahenten.

Eine unberechenbare Karte für einen unberechenbaren Gegner. Was habe ich schon zu verlieren…?Ach ja! Alles

"Ich setze zwei Karten verdeckt", rief die junge Frau. Die Entscheidung war gefallen. Aus dem Bauch heraus, denn ihr Verstand hatte gerade keinerlei Befugnisse.

"Wirklich?!", lachte Yuta, der mit aufgerissenen Augen auf Rins Spielfeldzone blickte.

"Das bedeutet also >nicht aufgeben< für dich? Ich dachte, ich tue dir einen Gefallen, erspare dir die Blamage, aber du bettelst geradezu darum, dass ich dich vernichte." Sein Körper bebte, vermutlich konnte er es nicht abwarten, ihr den finalen Schlag zu verpassen. Ihm Gegenüber versuchte Rin, sich nicht die Anspannung anmerken zu lassen. Aus dem Augenwinkel erhaschte sie einen Blick auf die vorderste Reihe, oder das, was Orichalcos davon übrig gelassen hatte. Die Sicht war selbst mit größter Mühe kaum zu überblicken, aber etwas erweckte ihre Aufmerksamkeit. Ein eiskalter Blick ruhte auf ihr, selbst zwischen all der holographischen Technik, spürte sie Seto Kaibas blaue Augen, die Unergründlichkeit, die in seinen zwei Seelenspiegeln steckte und sie auf einmal ganz ruhig werden ließen. Er war da. So wie die anderen. Wenn sie über Orichalcos' Psychospielchen hinaus sah, entdeckte sie, dass es mehr gab. Sicher war es nur Einbildung von Rin, doch aus eben dieser Ecke schien eine derartige Sicherheit auszukommen, dass sie es sich erlaubte, sich dieses Gefühl zu eigen zu machen - wenn auch nur für diese letzten Züge.

Kaiba…

"Du bist dran", sagte sie mit Nachdruck und wappnete sich für das Ende.

Alles oder nichts

"Wie du meinst", grinste sie ihr Gegenüber an und machte sich für seinen Zug bereit.

"Endlich", rief er, ungeachtet der achthundert Lebenspunkte, die ihm Terrorkings Anwesenheit kostete. Yuta lag immer noch mit über 1600 Punkten vorne, ein Angriff von seinem Erzunterweltler Kaiser und Rins letztes Stündlein hätte geschlagen. Mit wachsamen Blicken verfolgten die Zuschauer das Geschehen. Die Endgültigkeit in Yutas Augen, sowie die Tatsache, dass Rin ohne Monster in den Kampf zog, ließ die Mehrheit ihren Sieger küren. Rin wusste es. Man hatte sie abgeschrieben. Das Publikum hatte seine Show bekommen, die Rufe der Mehrheit sprach für Paradius' Duellanten, der jeden von Rins Zügen durchschaut und vereitelt hatte.

"Bist du bereit, Yamamori?", rief Yuta, breitete die Arme aus und blickte hinauf zu seinem stärksten Monster. Erzunterweltler Kaiser erhob sich, die Finsternis saugte sich an ihm fest, dass nur noch Orichalcos ein schwaches Licht entsandte. Kein wirklich beruhigendes Licht, das Grün stach Rin von mal zu mal mehr in die Augen und wenn sie nicht aufpasste, würde die Feldzauberkarte noch ernsthafte Schäden hinterlassen. Also sah sie zu Yuta, der sein mächtiges Monster in den Kampf schickte. Dreitausend Angriffspunkte und fünfhundert zusätzliche durch Orichalcos. Wer keinen Respekt hatte, der hatte nie Bekanntschaft mit dem holographischen System der Kaiba Corporation gemacht. Ein direkter Angriff war wie ein näher rückender Sturm und in Rins Fall gab Dartz verunglimpftes Systemupdate einen extra Schub, der nicht nur ihren Mantel zum Tanzen brachte.

"Ich bin bereit", entgegnete Rin leise. Nie hatte sie entschlossener sein müssen. Es fühlte sich weder richtig noch falsch an.

Es ist wie es ist

Ein dunkles Grollen und der Erzunterweltler stürmte auf Rin zu.

"Der Sieg ist unser", krächzte Hii Yuta und stieß ein gequältes Lachen aus, welches ihm auf halber Strecke im Halse stecken blieb. "Wieso…?! Was ist das für ein Licht?!" Seine roten Augen starrten auf die junge Frau - oder besser gesagt, auf das Licht, das in sanften Schüben über Rins Körper glitt. Der lilane Schimmer umhüllte sie, die Menge verstummte, nur das Surren der Lichteffekte hallte in ihren Ohren wider.

"Meine Fallenkarte", entgegnete Rin und beobachtete, wie das Licht an Gestalt gewann, "Seelenwechsel!" Eben jenes Licht schuf die Gestalt der Bestie, der sie ihr ganzes Vertrauen schenkte.

"Du", Yuta stierte zu Rins weißen Nachtdrachen. Die Bestie erhob sich, das Glitzern seiner unzähligen Schuppen reflektierte im Lichte Orichalcos'. Die Flügel ausgebreitet schuf der Nachtdrachen eine Schutzmauer zwischen Rin und ihrem Gegner.

"Dass du allen Ernstes glaubst, mit dieser Karte gewinnen zu können", knurrte Yuta, sichtlich unschlüssig ob er sich über Rin lustig machen oder doch lieber für ihre Dreistigkeit verfluchen sollte.

"Nicht mit dieser Karte", entgegnete Rin und blickte zu ihrer Bestie hinauf, "aber mit diesem Monster."

"Du setzt all deine Lebenspunkte auf diesen Drachen?!", er schüttelte schmunzelnd den Kopf, scheinbar hatte er sich für eine Empfindung entschieden, "du bist hier die Wahnsinnige, Yamamori. Du musst doch wissen, dass dieses Spiel vorbei ist, sobald ich dein Monster zerstöre."

"Ich kenne den Effekt meiner Fallenkarte", sagte sie ohne jegliche Emotionen, "Seelenwechsel schützt mich vor sämtlichen Schaden. Im Gegenzug verliere ich das Duell, sobald mein auserwähltes Monster das Spielfeld verlässt."

"Was für ein nutzloser Zug", Yuta nickte seinem Erzunterweltler Kaiser zu, "vielleicht mag deine Bestie stark sein, aber mein Kaiser ist deinem Drachen um Längen überlegen."

"Noch", erwiderte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Sinnlos! Das Spiel ist aus."

"Ach ja?!", gelassen deutete Rin auf Yutas Finsternismonster, der zu seinem Gebieter sprang und sich zurück auf dessen Thron begab.

"Diese Fallenkarte", spie Yutas aus.

"Falsch", widersprach ihm Rin, "Feindkontrolle ist eine Zauberkarte. Besser gesagt ein Schnellzauber, und mit seiner Hilfe habe ich dein hässliches Ungetüm in den Verteidigungsmodus versetzt."

"Du schindest Zeit, Yamamori", damit legte Yuta selbst eine Karte verdeckt ab, "aber mach' nur so weiter. Der Ausgang dieses Duells ist längst entschieden."

"Meinst du?", säuselte Rin und nahm die oberste Karte vom Stapel. Ausgiebig betrachtete sie diese, dann sagte sie gedankenversunken: "Glaubst du an das Schicksal, Yuta?"

"Dass du dieses Wort überhaupt in den Mund nimmst", entgegnete er und funkelte sie angriffslustig an.

"Lassen wir doch", ihre Hand fand die DuelDisc mit der leeren Zauberkartenzone, "das Schicksal entscheiden. Wer gewinnt oder verliert, ist vielleicht vorherbestimmt", ihr Blick wanderte zurück zu Yuta, "akzeptieren wir es, egal was kommt."

"Wie du willst", lächelte sie der Grünhaarige an, "so oder so - dein Ende ist gekommen."

"Warten wir's ab!", sie knallte all ihre Reserven aufs Spielfeld. "Ich lege drei Karten verdeckt und beende meinen Zug."

"Ha", mit zusammen gekniffenen Augen starrte Yuta zu ihr herüber, "du bist nicht nur verrückt sondern auch dumm. Du enttäuschst mich, Yamamori. Schade, und ich dachte, es könnte zum Ende noch spaßig werden." Er legte seine Hand auf Terrorking.

"Du hättest mich angreifen sollen, als du noch die Chance hattest. Naja, dann muss ich wohl für etwas Unterhaltung sorgen. Ich opfere meinen Erzunterweltler Terrorking und beschwöre meinen Schädel-Erzunterweltler." Ein stärkeres Monster machte Terrorking Platz. 2500Atk und das Licht von Orichalcos machte ihn genauso mächtig wie ihren Nachtdrachen.

Sein Schädel-Erzunterweltler ist wie mein Nachtdrache - Fallen und Zauber bringen nichts bei ihm! Das ist also sein Plan…

"Tja", säuselte der Grünhaarige weiter, "und da nun ein weiterer Erzunterweltler in meinem Friedhof liegt, kann ich den Effekt meines Kaisers aktivieren. Ich werde mit Freuden zusehen, wie dein kleiner weißer Nachtdrache von der Bildfläche verschwindet - und dich gleich mit in die Tiefe reißt!"

"Darauf habe ich nur gewartet", rief die junge Frau und streckte den Arm aus, "ich aktiviere meine Fallenkarte ultimative Vorhersehung!"

"Ultimative Vorhersehung?"

"Ganz richtig. Sobald ein beliebiger Effekt aktiviert wird, brauche ich nur die entsprechende Karte von meiner Hand ablegen und -Wusch!- annulliert sich der Effekt deines Kaisers.

"Und ich dachte, du hättest deine Verteidigung längst verbraucht." Noch lachte Yuta, doch die Mundwinkel bewegten sich langsam, gefährlich langsam nach unten.

"Ich habe nur auf den richtigen Moment gewartet."

Naja, eigentlich auf die richtige Karte

Sie legte Kindmodo Drache auf den Friedhof. "Aber es kommt noch besser! Sobald Kaisers Effekt vereitelt wurde, verschwindet nicht nur seine Fähigkeit." Aufs Stichwort begann der mächtige Erzunterweltler sich zwischen den Schatten aufzulösen. Mit starrem Blick verfolgte Paradius' Spieler, wie das Finsternismonster von der Bildfläche verschwand. Ein lautes Donnern, mehr blieb von dem Kaiser nicht übrig, als er in winzige Teilchen explodierte.

"Schön, du hast meinen Kaiser vernichtet", Yutas Stimme klang eine Spur kratziger als sonst, "trotzdem wird es dir nichts nützen." Er deckte seine Zauberkarte auf. "Baou! Dieses mächtige Schwert gibt meinem Schädel-Erzunterweltler 500 zusätzliche Angriffspunkte." Ein Breitschwert legte sich um die Pranken des Erzunterweltlers, sein animalisches Gebrüll jagte Rin kurzzeitig einen Schauer über den Rücken. 3500 Atk waren eine Ansage, noch dazu konnte der Ausrüstungszauber die Effekte derjenigen Monster annullieren, die es angegriffen und zerstört hatte; in Rins Fall eine Tatsache, die nichts an den Konsequenzen änderte, die sie mit Seelentausch unwiderruflich in Bewegung gesetzt hatte.

"Wie du dich windest, ist wirklich einmalig", sagte der Grünhaarige und schüttelte den Kopf, "keiner meiner Gegner war bisher so dickköpfig und uneinsichtig wie du. Aber nichtsdestotrotz ist es nun vorbei!"

"Das sehe ich anders!", Rin deckte ihre zweite verdeckte Karte auf. "Zwillingstwister zerstört deine Zauberkarten!"

Ein Wirbelsturm fegte über das Spielfeld hinweg und sog Baou in seinen Strudel der Zerstörung.

Das Schwert war verloren, der Erzunterweltler büßte ein paar Zentimeter seiner Größe ein und war mit 3000 Atk auf seinen letzten Zustand geschrumpft.

"Na und?!", lachte Yuta und stemmte die Hände in die Hüften, "dann sind unsere Monster eben gleichstark. Das bedeutet trotzdem für dich, dass du verlierst, oder hast du vergessen, dass dein Drache nur wegen deiner Fallenkarte Seelentausch noch steht? Sobald unsere beiden Monster vernichtet worden sind, ist das Spiel für dich gelaufen." Er zeigte seine Zähne. "Und jetzt, Schädel-Erzunterweltler! Vernichte Yamamoris Nachtdrachen!" Das Monster gehorchte, stürmte auf den Drachen zu, wobei er in der Mitte des Stadions in die Luft sprang und zum ultimativen Angriff überging. Blitze traten aus seinen Händen, eine geballte Ladung Energie war bereit, auf den weißen Nachtdrachen loszugehen.

"Ich decke meine letzte Fallenkarte auf", rief Rin. Der Ruf wurde von Schädel-Erzunterweltlers Attacke beinahe vollständig untergraben.

"Schlimmes Desaster. Sie zerstört sämtliche Fallen- und Zauberkarten."

"Zwecklos", lachte ihr Gegner, "siehst du denn hier irgendwo noch eine Karte?!"

Langsam wanderte ihr Blick zum Spielfeldrand, dass Yutas Lachen noch lauter ertönte. "Orichalcos? Hast du denn nicht aufgepasst? Du kannst Orichalcos nicht vernichten!"

"Oh doch!", Rin riss die Augen auf.

"Da brauchst du schon mehr als eine Fallenkarte."

"Ich weiß." Ihre Augen wanderten hinauf zum weißen Nachtdrachen, welcher inmitten eines Kampfes steckte, dessen Ausgang er selbst nicht vorhersagen konnte. Die beiden Monster lieferten sich ein Kopf an Kopf rennen, Blitze und Lichtattacken schufen eine gigantische Wolke, welche die Kreaturen vor der Außenwelt abschlossen.

"Hast du nicht eine Kleinigkeit vergessen?", nun wanderte ihr Blick zurück zu ihrem Gegner, "es stimmt, Orichalcos kann einmal pro Zug nicht von Zauber- oder Fallenkarten zerstört werden."

"Und wo willst du jetzt noch eine Fallenkarte aus dem Ärmel schütteln", hickste Yuta, dessen Augen wie zwei überreife Äpfel hervorzustechen drohten.

"Das brauche ich gar nicht", entgegnete Rin und deutete mit dem rechten Zeigefinger auf die immer schwärzer werdende Wolke. "Zwillingstwister. Schon vergessen, dass ich sie gespielt habe? Scheinbar kennst du nicht die Fähigkeit dieser Karte. Wenn sie aktiviert wird, kann sie nicht nur eine, sondern gleich zwei Zauberkarten zerstören. Beim ersten Mal hat es nicht geklappt, weil Orichalcos' Effekt sie beschützt hat, aber jetzt-"

"NEIN!", schaltete sich Yuta dazwischen, "du kannst Orichalcos nicht vernichten."

Doch zu spät. Brüllen brachte nicht. Der Zauber bekam einen Riss, die Ringe brachen nach und nach auseinander, bis nur noch Splitter an die einstige Macht von Orichalcos erinnerten. Die Menge hielt den Atem an. Inmitten der vernichtenden Explosion, die aus der Wolke hervortrat und Schädel-Erzunterweltler als Verlierer kürte, drang aus den Lautsprechern die Stimme des Kommentators lauthals hervor.

"Rin Yamamori hat soeben die mächtigste Spielfeldzauberkarte zerstört,"

Heijis Worte dröhnten aus allen Richtungen. Seiner Stimme zu urteilen, schien es, als könnte er das Gesagte selbst kaum glauben. Da war er nicht der einzige.

Fassungslos - Augen und Mund weit aufgerissen - blickte Paradius' Vorzeigeduellant auf die Überreste des Spielfeldes. Als Überlebender ging der weiße Nachtdrache hervor, sein weißes Licht brachte die ersehnte Sicht auf das Stadion. Finsternis wich, ein sternenklarer Himmel breitete sich direkt über den Köpfen der Zuschauer aus.

Endlich

Rin ließ ihre Gedanken fließen, tat, was sie seit Wochen zurückgehalten hatte - sie überließ dem System ihre Gedanken, verschmolz Bilder und Emotionen zu einem einzigen Gemisch, wofür die Decke als Leinwand hinhalten musste. Es knackte, das Dach schien auszubrechen und hervor kam die Schönheit des Weltraums. Das Antlitz ließ alle Anwesenden ihre Hälse recken. Für einen Moment hatte es den Menschen die Sprache verschlagen, bis Hii Yutas gequälte Stimme die Stille brach.

"Rin Yamamori", er fletschte die Zähne, "es ist noch nicht vorbei."

"Doch", erwiderte die junge Frau. Ihr nächster Zug und weißer Nachtdrache zerstörte Yutas verbliebenen Lebenspunkte. Die Menge kehrte auf den Boden der Tatsachen zurück. Der Jubel brachte das Stadion zum vibrieren, von überall hörte sie ihren Namen rufen. Die Stimme des Kommentators heizte das Publikum nur noch mehr an, dass das gesamte Stadion bloß aus Schreien und Rufen bestand. Mit der linken Hand die DuelDisc abgestreift, lösten sich die Hologramme auf. Die Euphorie hatte sie nicht gepackt. Ihre Miene blieb eisig, als sie zu ihrem Kontrahenten herüber blickte, dessen Fassungslosigkeit sich in grenzenlosen Hass verwandelt hatte.

"Das ist nicht das Ende", Yuta hatte die Fäuste geballt, "ich schwöre dir, diese Firma wird dein Untergang sein!"



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