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Spiel ohne Limit

von

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"Duell - Start!"
 

"Ich rufe Vorhut der Drachen im Angriffsmodus." Der Drache mit Schild und Speer stellte sich vor seine Meisterin. "Und da Vorhut der Drachen ein Erdmonster ist, kann ich ihn ebenfalls rufen - meinen mythischen Wasserdrachen", ein in der Luft hängender Wasserstrudel formte die Struktur des Wasserdrachen, das einige Tropfen durch den Raum, direkt zu dem jungen Firmenchef spritzten. Das Gefühl stand einem unerwarteten Regentropfen in nichts nach. Seto war mit der Darstellung der beiden Drachen vollends zufrieden. Die Monster waren gestochen scharf - schon jetzt zeichnete sich ein Unterschied zu den klassischen Projektionen ab.

Ruhig wanderte sein Blick zurück zu seinem Gegenüber. Rin hatte zwei weitere Karten verdeckt aufs Feld gelegt.

Mit ihrer Drachenkombo versucht sie in der nächsten Runde ihr stärkstes Monster zu beschwören. Eine ihrer Standarderöffnungen. Dann müssten ihre verdeckten Karten-"

"Das war's fürs Erste. Du bist dran, Kaiba." Das sagte sie so trocken, als interessierte es nicht, was Kaiba als nächstes spielte. Der junge Firmenchef wusste es natürlich besser. Ihn faszinierte es ungemein, mit welcher Gleichgültigkeit sie dem mächtigen CEO gegenüberstand. Sobald sie inmitten eines Duells steckte, war die zurückhaltende, wohlerzogene Rin vollends verschwunden.

"Ich ziehe."

Dann wollen wir das Tempo ein wenig hochschrauben.

"Als erstes erledigt mein mystischer Raumtaifun deine linke, verdeckte Karte." Ein Wirbel schoss aus dem Boden. Der Taifun wütete so heftig, dass Kaiba lediglich mitbekam, wie eine Fallenkarte vom Feld gefegt wurde.

"Dann lege ich ebenfalls zwei Karten verdeckt und beschwöre meinen Kaiser Vorse Plünderer im Angriffsmodus." Die verbesserte Version seines damaligen Ungeheuer-Kriegers gab ein primitives Grunzen von sich. Mit 1900 Atk war er um zweihundert Punkte stärker als Rins Vorhut - also das passende Monster, um einen Angriff zu deklarieren.

"Kaiba", Rins Stimme hallte durch den Raum, "diese zwei verdeckten Karten…wenn du mich ernsthaft mit einer Kombination aus dem Zauber Schrumpfen und dem Crushkartenvirus besiegen willst, wäre das eine intellektuelle Beleidigung über alle Maßen."

"Du denkst, ich will dein Deck mit der Fallenkarte Kartenvernichtungsvirus zerstören?"

"Dein Kaiser Vorse Plünderer ist ein Monster von Typ Finsternis - quasi der perfekte Köder für einen direkten Angriff."

Kaiba musste schmunzeln. "Vorausgesetzt, du kommst zu einem Angriff."

Die Chancen standen schlecht für seine junge Duellantin, dass Kaiba sie auch nur in die Nähe seiner Lebenspunkte ließ. Dafür war sein Monster dem ihren viel zu sehr überlegen. Von Seto Kaiba ganz zu schweigen.

"Lass' dich doch einfach überraschen", sagte er und streckte seinen Arm aus. Das Ungeheuer brachte sich in Position - mit dessen Klinge, einer weniger steinzeitlichen Waffe als man vermuten könnte, holte er weit nach hinten aus, rannte dabei direkt auf Rin und ihren Erddrachen zu. Die junge Frau schmunzelte. Zwei Klingen schlugen aneinander, setzten einen ohrenbetäubenden Knall frei, dass die Funken nur so sprossen.

Aber-

Die Power ihres Drachen schnellte auf 2500 Atk nach oben. Der Kaiser Vorse Plünderer unterlag der Waffe seines Gegners, die Spitze des Speeres rammte sich in die Brust des Ungeheuer-Kriegers, dass er in einer einzigen Explosion vom Feld verschwand - und sechshundert Lebenspunkte seines Besitzers mit sich riss.

Ohne eine Miene zu verziehen, blickte er zu Rin, die es kaum erwarten konnte, eine Erklärung abzugeben: "Ich bin dir zu Dank verpflichtet. Als dein mystischer Raumtaifun meine Fallenkarte zerstörte, hast du unweigerlich ihren zweiten Effekt freigesetzt."

"Die Karte Fähigkeitenerbe-"

"Ganz recht. Und wenn Fähigkeitenerbe auf dem Friedhof liegt, kann ich sie aus dem Spiel entfernen, damit sie die Stärke eines meiner Monster um achthundert Punkte erhöht."

"Nette, kleine Ansprache", erwiderte der Chef der Kaiba Corporation, "wenn du jetzt schon all deine Zauber und Fallen verschwendest, um deine mikrigen Monster am Leben zu erhalten", er schüttelte den Kopf, "dann wird dieses Duell schnell beendet sein."

"Wir werden sehen", entgegente sie mit einem Lächeln.

"Erst einmal sehen wir deinem Drachen beim Schrumpfen zu: Weil du meinen Kaiser Vorse Plünderer zerstört hast, verliert deine Vorhut fünfhundert Atk." 1200 Angriffspunkte waren nun wirklich keine Herausforderung mehr. Der Verlust seines Monsters war kaum von Bedeutung gewesen. Er hatte so viele Monsterkarten, mit denen er Rin locker schlagen könnte. Da spielte es auch keine Rolle, dass sie ihm sechshundert Lebenspunkte hatte nehmen können. "Ich beende meinen Zug."

"Nun denn", Rin zog eine Karte, "wenn du Tempo machen willst, werde ich dem mit Freuden nachkommen: ich opfere meine beiden Monster und hole meinen weißen Nachtdrachen aufs Feld. Zeig' dich, meine schöne Bestie!" Aus Sonnenstrahlen geboren, von der Spiegelung der Fensterscheiben geküsst, erhob sich die erhabene Kreatur. Die mit Diamanten besetzten Schuppen reflektierten die bunten Malereien aus allen Richtungen. Ein lautes Kreischen ließ das Glas vibrieren, als der Drache seine Flügel in Bewegung setzte und mit heftigen Schlägen einen Wind erzeugte, der Rins offenen Haare wie tausende von feine Bänder durch die Luft wirbelte. So eindrucksvoll jede Beschwörung bisher gewesen war; sobald die junge Frau ihren weißen Nachtdrachen rief, konnte kein anderes Monster dagegen halten. Rin hatte genug Übung darin, ihren Drachen in den Fokus zu stellen und diesmal hatte sie sich sogar selbst übertroffen.

"Von allen Monstern, die du aus deiner Sammlungen hättest auswählen können, musste es wieder der weiße Nachtdrache sein?"

"Enttäuscht?", fragte sie, während ihr Blick stolz auf das majestätische Geschöpf hängen blieb.

"Ein wenig", schmunzelte der junge Firmenchef, "du hättest gegen mich jede Karte einsetzen können. Dein Spiel gegen Wotan Arizu hat mir gezeigt, dass du keine Hemmungen hast, meine Monster in meiner Gegenwart zu beschwören."

"Ah, so ist das also", sie sah jetzt wieder zu Kaiba, "du hattest die Hoffnung, dass du sie zu Gesicht bekommen könntest."

"Die Karte wäre zumindest deine einzige Chance gewesen, gegen mich zu bestehen."

"Diese Karte", entgegnete Rin, "ist wirklich so mächtig. Vielleicht setze ich sie beim nächsten Mal ein. Wenn du unser Duell dann etwas ernster nehmen kannst."

Sie hatte ihn durchschaut. Er nahm dieses Duell nicht ernst. Nicht dass er Rin keine Duellfähigkeiten zusprechen würde. Kaiba nahm grundsätzlich die Duelle nicht ernst, wenn sie nicht gegen seinen ärgsten Kontrahenten waren. Dass sie jedoch so darauf reagieren würde. Dass sie sogar auf ihre mächtigste Karte verzichtete, nur weil er eine Niederlage für ausgeschlossen hielt-

"Einverstanden", sagte er, zu seiner eigenen Überraschung, "sollte es jemals ein nächstes Mal geben, werde ich mir mehr >Mühe< geben."

"Ich bin gespannt." Damit widmete sie sich wieder ihrem Drachen zu, der sich in Angriffsstellung begeben hatte. "Hochmut kommt vor dem Fall, Kaiba. Mal sehen wie dir ein direkter Angriff meines Nachtdrachen schmeckt." Sie streckte ihren linken Arm nach oben aus. "Weißer Nachtdrache, greif' seine Lebenspunkte direkt an: Diamantenblitzattacke!"

"Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Ich decke meine Fallenkarte auf: Körperdouble."

"Was ist das?!"

"Da ich mir schon denken konnte, dass du deinen Weißen beschwören würdest und dieser nun einmal gegen direkte Karteneffekte immun ist, habe ich diese nette Falle für dich vorbereitet: Körperdouble erschafft eine exakte Nachahmung deines Monsters - inklusive seiner speziellen Fähigkeiten." Eine Kopie des weißen Nachtdrachen baute sich vor Kaiba auf. Beide Monster entluden ihre Energie. Das Aufeinanderprallen dieser beiden Giganten löste eine Welle an Kraft aus, welche die Kirchenfenster zum Klirren brachte. Rin und Kaiba verlagerten das Gewicht auf ihre Beine, um nicht den Halt zu verlieren. Erst als beide Monster vernichtet waren und es viele kleine Diamanten von der Decke regnete, stellten sich die Duellanten wieder aufrecht hin.

"Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass du damit durchkommen könntest?", rief Seto in die diamantene Rauchwolke, die nur langsam verblasste.

"Nein", antwortete sein Gegenüber, noch immer von Rauch umgeben, "ich war nur neugierig, welche verdeckten Karten du gesetzt hattest."

"Wie-?!

Ein Funkeln trat aus den Schwaden. Ein einziger Luftzug und der Rauch war verschwunden. An dessen Stelle glänzte der weiße Nachtdrache. Groß und mächtig wie er war, streckte er seinen Kopf in Seto Kaibas Richtung aus.

"Als mein Weißer vernichtet wurde, habe ich die hier aktiviert: meine Fallenkarte Zeitmaschine. Sie hat meinen Nachtdrachen unversehrt zurück aufs Feld geholt. Zu guter Letzt spiele ich noch diese Karte verdeckt und beende meinen Zug."

"Sieh' dir dein Monster noch einmal ganz genau an, Rin." Denn Seto war jetzt am Zug.

"Ich spiele Topf der Gier. Wie ich hörte, soll sie deine Lieblingskarte sein, also brauche ich dir nicht zu erklären, was sie kann." Er nahm einfach zwei weitere Karten vom Stapel.

"Dieser Trottel Kaeji", Rin verleierte die Augen, "jeder, der diese Karte nicht in seinem Deck hat, ist einfach nur ein Riesenidiot!"

Wo sie recht hat-

Er sortierte die Karten und zeigte eine von ihnen vor. "Ich rufe meinen Galaxiedrachen." Nicht ganz so majestätisch wie sein Gegenüber erschien der Drache vor seinem mächtigen Bruder. Zweitausend Angriffspunkte waren für ein vier Sterne Monster beachtlich, doch seine wahre Stärke sollte sich erst im Kampf offenbaren. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Gegnern, welche der junge Firmenchef mit dieser Karte konfrontiert hatte, ließ sich Rin zu keinem abfälligen Kommentar herab. Obwohl ihr weißer Nachtdrache um ganze tausend Punkte stärker war, lag Skepsis in ihren Gesichtszügen. Diese war durchaus berechtigt.

"Sieht so aus als, kennst du die besondere Fähigkeit meines Galaxiedrachen."

"Nicht wirklich, aber ich bin mir sicher, dass du sie mir gleich verraten wirst."

"Ich lasse lieber die Karten für mich sprechen", erwiderte Kaiba, "und greife deinen weißen Nachtdrachen an!"

"Einfach so?", Rin blickte verduzt zwischen dem Drachen und Kaiba hin und her.

"Einfach so", bestätigte Kaiba amüsiert, "mein Galaxiedrache greift nur Monster vom Typ Drache an. Dein Weißer ist wie perfekt für einen Angriff geschaffen." Eine Blitzkugel trat aus dem Maul des Galaxiedrachen. Diese wuchs, je näher sie ihrem Ziel kam.

"Der Drache!", rief Rin und starrte zu der Lichtkugel, "seine Power hat sich erhöht."

"Sobald Galaxiedrache gegen ein Drachemonster kämpft, erhöht sich die Atk um tausend Punkte."

"Damit liegen unsere beiden Monster gleich auf!"

"Nicht, wenn ich die hier spiele."

"Nein!"

"Meine Zauberkarte Schrumpfen halbiert die Atk deines Monsters."

"Aber-"

"Oh doch", erwiderte Kaiba gelassen, "die zweite spezielle Fähigkeit meines Drachen: die Effekte seines Gegners sind während der Battlephase inaktiv."

Mit einem Knall wurde der weiße Nachtdrache besiegt - diesmal endgültig, ohne viel Aufsehen. Rins Anzeige ratterte um 1500 Punkte nach unten. Mit großen Augen sah sie zu dem Galaxiedrachen herüber.

Von solchen Monstern habe ich mehr als genug. Meine Kartensammlung übersteigt deine um Weiten, Yamamori. Du hast keine Chance, meine Strategie zu durchschauen.

"Ein nettes Monster", entgegnete Rin mit nicht so netter Stimme.

"Ich habe sie lange nicht mehr einsetzen können", sagte Kaiba und lächelte verschmitzt zu der jungen Frau, "in den letzten Jahren hatte es niemand mehr gewagt, sein Drachendeck gegen mich einzusetzen."

"Unverständlich", sie schüttelte den Kopf, nachdem sie ihren Punktestand von 2500 LP betrachtet hatte. "Sicher, du hast neben deinen weißen Drachen mit eiskaltem Blick noch ein paar andere Drachemonster, mit denen du dich gerne schmückst, aber als reiner Drache-Duellant würde ich dich nicht bezeichnen."

"Ich würde mich in gar keine Kategorie einordnen", erwiderte er, dass Rin nun ebenfalls lächeln musste.

"Ich schon…aber ich werde dir nicht verraten, in welche."

"Ganz schön frech", er hob eine Augenbraue, nicht sicher, ob die junge Frau nur bluffte oder tatsächlich eine Idee hatte, wie Kaiba zu schlagen wäre.

Rins Lächeln wurde daraufhin noch breiter. "Willst du mich etwa übers Knie legen?" Ihre Mimik, die Tonlage - alle schrie nach Provokation -sie kann es einfach nicht lassen. "Du solltest wissen, Kaiba, dass das bisher keiner geschafft hat. So leicht mache ich es dir nicht."

"Vorsicht", seine Augen blitzten gefährlich auf, "ich habe bisher jede Herausforderung angenommen."

"Darauf gehe ich jede Wette ein."

Er wusste, ihre Anspielungen waren ihrem Duellrausch geschuldet. Jenes Phänomen, dem viele erlagen, sobald das Duell begonnen hatte. Trotzdem hoffte ein winziger Teil in ihm, dass sie nicht einfach so daherredete, dass sie ihn wirklich anstacheln wollte.

Bevor er sich noch weiter in Zweideutigkeiten verstricken konnte, hatte sie ihren Zug begonnen. Seto konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf zu arbeiten begann. Sein Galaxiedrache war nicht so leicht zu besiegen. Zumindest nicht, wenn man wie Rin hauptsächlich mit Drachen arbeitete. Wie er seine junge Duellantin einschätzte, hatte sie zwei, drei andere Monster in ihrem Deck, doch die konnten seiner Kreatur nicht das Wasser reichen.

"Ich spiele eine Zauberkarte", Rin legte eine Karte auf die entsprechende Zone. "Doppelbeschwörung - damit setze ich zwei Monster in den verdeckten Verteidigungsmodus."

Rin ist in die Ecke gedrängt. Wie ich sie kenne, wird eines ihrer Monster Reese, die Eisherrin sein. Ihr Monster ließe sich von keines meiner Geschöpfe durch Kampf besiegen...

Sein Blick wanderte zu dem zweiten verdeckten Monster.

Sie weiß, dass ich ihre Karten kenne. Das andere Monster soll nur ihre Taktik verschleiern, damit ich nicht auf die Idee komme, ihr Monster durch eine Zauber- oder Fallenkarte zu zerstören. Netter Versuch, Rin. Dir sollte klar sein, dass ich ganz andere Wege habe, deine Monster zur Strecke zu bringen

Was er ihr nur allzu gerne demonstrieren wollte. Sobald Rin ihren Zug beendet hatte, fing Seto erst an, so richtig in Fahrt zu kommen. Sein Galaxiedrache hatte ihm genug gedient. In seiner Hand wartete bereits das nächste Monster, das es mit Rins Lebenspunkten aufnehmen wollte. "Ich opfere meinen Galaxiedrache, um meinen Cristalldrachen zu rufen." Waren die Diamantenschuppen des weißen Nachtdrachen bereits beeindruckend, bildete der blau-weiße Glanz seiner neuesten Bestie das Tüpfelchen auf dem i. Kreisend zog der Cristalldrache seine Bahnen, ließ grelle, kristallene Funken aus seinen Flügeln treten und hielt schließlich schwebend über Seto Kaibas Kopf inne. Der junge Firmenchef wollte seiner Duellantin schließlich in puncto Performance in nichts nachstehen. Und tatsächlich: Yamamori schien der Anblick seines Drachen zu gefallen. Ihre Augen sogen geradezu dessen Schönheit in sich auf.

"In Natura ein wirklich atemberaubender Anblick", gestand die junge Frau, die wohl noch etwas länger auf den Cristalldrachen gestarrt hätte, wenn da nicht die Kleinigkeit mit dem Duell gewesen wäre.

"Wenn dich diese Bestie schon überwältigt", sprach Kaiba und grinste schief, "dann schauen wir mal, wie dir das gefällt." Er zeigte eine weitere, mächtige Kreatur vor.

"Oh", ihre Seelenspiegel begannen noch stärker aufzublitzen, "der blauäugige alternative weiße Drache. Das Monster kann nur spezialbeschworen werden, in dem man-"

"In dem man das Original in seiner Hand vorzeigt", sprach Kaiba den Satz zu Ende und setzte das Gesagte sogleich in die Tat um. Eine Bestie, so stark wie dessen Namensvetter, baute sich neben dem Cristalldrachen auf. Rin stand einer Mauer aus mächtigen Drachen gegenüber, die mit einem synchronen Schrei den Duellschauplatz für sich beanspruchten.

"Fieses, kleines Monster", Rin sah zu dem alternativen Drachen herüber, der etwas blasser als der Echte schien.

"Ich brauche dir wohl nichts von seinen Spezialfähigkeiten erzählen."

"Er kann ein Monster auf der gegnerischen Seite zerstören - kann aber im Gegenzug nicht angreifen. Außerdem wird sein Name zu blauäugiger weiße Drache, solange sie auf dem Feld oder auf dem Friedhof liegt. Das erspart eine Menge Arbeit, wenn man drei weiße Drachen mit eiskaltem Blick miteinander verschmelzen will."

"Du bist gut informiert."

"Ich bin sogar bestens informiert. Dein Cristalldrache hat auch einen netten Bonus: Wenn er ein Monster von mir zerstört, kannst du ein Drachemonster der Stufe acht von deinem Deck auf die Hand nehmen. Fehlt nur noch die Fusionskarte. Aber wenn mich nicht alles täuscht, wirst du sie bereits gezogen haben." Sie nickte in seine Richtung. "Seitdem du vorhin Topf der Gier gespielt hast, habe ich dich ganz genau beobachtet. Bisher hast du keines der Karten gespielt, die du damals gezogen hattest."

"Selbst wenn du meine Karten erraten haben solltest", er schüttelte den Kopf, "du kannst nichts dagegen unternehmen…Zunächst zerstört mein alternativer Drache eines deiner Monster." Mit einem Knall zerstörte sich die Karte der Eisherrin.

Wusste ich's doch

Als nächstes war sein Cristalldrache an der Reihe. Unbesorgt ließ Kaiba das Monster angreifen. Gegen 2500Atk hatte kein normales Monster eine Chance und der junge Firmenchef bezweifelte, das Rin ein Flippmonster gesetzt hatte.

Nur noch eine Runde und das Duell ist beendet. Im nächsten Zug kann sie maximal ein Monster in die Verteidigungsposition legen; mein Alternativer wird es zerstören, während Cristalldrache ihre restlichen Lebenspunkte vernichtet

"Cristalldrache, greif' ihr verdecktes Monster!" Der Drache schlug mir den Flügeln, ließ den Wind so stark wüten, dass es Rins verdecktes Monster davon trug.

"Du hast soeben meine Falle aktiviert", rief sie, als der Sturm sich gelegt hatte.

"Eine Falle?"

"Ganz recht: sobald dein Cristalldrache meinen Klingenritter besiegt hatte, konnte ich die hier spielen: Endlich frei! Diese Karte wählt zwei Monster auf dem Spielfeld und befördert sie zurück in ihre Decks. Und da du du der einzige bist, der zwei Monster kontrolliert-" Die Projektionen seiner beiden Drachen lösten sich augenblicklich auf. Zurück blieben ein leeres Feld und ein etwas überrumpelter Seto Kaiba. Dass sie tatsächlich seine Monster verjagt hatte. Noch dazu auf so hinterhältige Weise. Ihre Aktionen lösten ein Gefühl in ihm aus. Es war nicht dieselbe Ekstase, wie er sie während der Duelle gegen Yugi Muto verspürte. Viel mehr lockte es jenes Empfinden an die Oberfläche, von dem er glaubte, es längst verloren zu haben.

"Du schindest bloß Zeit", entgegnete Kaiba, der seinen eigenen Worten nicht glauben konnte.

"Denkst du", lachte Rin auf, "ich lasse mich von meinen geliebten Drachen schlagen?! Ich zeige dir, was ich von deinen Plänen halte", sie knallte eine Zauberkarte auf die DuelDisc, "Kartenzerstörung!"

"Diese Karte-" Kaiba riss die Augen auf.

"Wir legen unsere gesamte Hand ab und ziehen jeweils die Karten, die wir verloren haben. Du dachtest doch nicht, dass ich dir in Seelenruhe dabei zusehe, wie du drei weiße Drachen zu einem ultimativen Monster vereinst?!"

Sie legten ihre Karten auf den Friedhof und begannen neu zu ziehen.

Dann waren eben seine blauäugigen weißen Drachen auf dem Friedhof! Es gab genug Möglichkeiten, seine Lieblingsgeschöpfe zurück zu holen.

Warte nur, Yamamori. Das wirst du mir büßen

Seine Augen konzentrierten sich auf die frisch gezogenen Karten.

Was…?!
 

Es geschah ohne Vorwarnung. Die Bilder begannen vor seinen Augen zu verschwimmen. Nur schwer ließen sich die Karten erkennen. Dann - ein Moment der Klarheit. Er sah sie direkt vor sich: da waren die Fallenkarte Verschwundener Wind und Kettenzauber, die Monster Unglückliche Jungfrau, Drache des Lichts und der Finsternis und Axt Drachonaut.

Aber…?!

Das Bild verschwand so schnell es gekommen war. Zurück blieb das, was der junge Firmenchef ursprünglich gezogen hatte. Seine Finger begannen zu zittern. Dies war definitiv kein Nebeneffekt seines Programms. Spürbar war der Puls an seinem Nacken. Er blendete alles um sich herum aus. Eine Weile starrte er einfach nur entgeistert auf seine Hand. Kaiba konnte es noch so oft leugnen - es käme immer wieder dasselbe Ergebnis heraus: er hatte durch ihre Augen gesehen. Waren es nur Bruchteile von Sekunden, hatte es genügt, den jungen Firmenchef aus der Fassung zu bringen.

Ich kann unmöglich ihre Gedanken gelesen haben…wenn das wahr ist, dann…ganz ruhig. Es gibt für alles eine logische Erklärung-

Nach einem tiefen Atemzug fand er seine Beherrschung wieder. Ihm wurde soeben eines bewusst: Rin. Noch war sie am Zug, hatte jedoch seit Minuten nichts mehr gesagt oder getan. Sein Blick ging auf die andere Seite des Feldes. Die junge Frau starrte auf ihre Karten. Sonst schien sie wie regungslos auf der Stelle zu stehen. Aus dieser Entfernung konnte er nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob sie noch atmete. Ihr bleicher Gesichtsausdruck brachte ihm Gewissheit.

"Warum machst du nicht weiter", seine Stimme war fest und klar. Laut genug, dass sie ihn gehört haben musste. Ihr Mund öffnete sich. Ohne zu dem jungen Firmenchef hinauf zu sehen, erwiderte sie: "Ich…ich kann nicht."

Kaiba ließ die Stirn in tiefe Falten schlagen. "Du hast es auch gesehen", entgegnete er so abgeklärt wie es ihm derzeit möglich war. Nun schnellte ihr Kopf nach oben. "Du...Ja, nur ganz kurz. Ich-"

"Schon gut", knurrte er, wobei sein Ärger nicht ihr galt. "Mika!" Er ließ das Programm herunterfahren, die Kulisse verschwand, der Raum kehrte zu seiner ursprünglichen Tristesse zurück. Inmitten des Raumes tauchte der virtuelle Kopf seiner KI auf. "Irgendetwas Neues?" Er war einfach hinausgestürmt. Im Kontrollraum angekommen beugte er sich zu dem Bildschirm herunter und tippte flink ein paar Zahlen- und Tastenkombinationen ein.

"Das System hat einen unautorisierten Login gemeldet."

"Seit wann?"

"Vor zwanzig Minuten erfolgte die Anmeldung."

Das hieß, während des gesamten Duells war Rins DuelDisc nicht nur virtuell eingeschaltet gewesen. Er war Zeuge gewesen; zu keinem Zeitpunkt hatte es eine Möglichkeit gegeben, sich unbemerkt in das System einzuloggen. Rin hatte während der virtuellen Session überhaupt keinen Zugriff auf ihre DuelDisc. Selbst wenn diese ständig um ihren Arm gelegen hatte, hätte sie diese zu keinem Zeitpunkt einschalten können.

"Prüfe die Befehlsfelder vor und während des Duells - vielleicht findet sich innerhalb des Programms eines Lücke, die wir übersehen haben." Seine Augen wanderten über den Bildschirm, verschlangen jedes noch so nichtige Detail.

"Kaiba?" Die weiche, leicht zittrige Stimme drang in sein Bewusstsein ein.

"Kaiba", jetzt wurde ihre Stimme fester. Seto drehte seinen Kopf. Neben ihm stand Rin. Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten. Noch immer zeichnete sich eine Blässe um ihre Wangen ab, die ihm gar nicht gefiel. Ihre Augen flimmerten aufgebracht, wobei sie die vielen aufeinander folgenden Zahlen widerspiegelten.

"Was war das?" Ihre simple Frage brachte ihn ins Straucheln. Sein eigentlicher Plan hatte vorgesehen, Rin so wenig wie möglich mit einzubeziehen. Dieser Plan war nun hinfällig. Ganz genau galt es jetzt abzuwägen, wie viel er ihr verraten sollte. Ihre ruhelosen Seelenspiegel ließen ihm nur wenig Raum für Überlegungen.

"Seto!" Sein Name aus ihrem Mund war wie ein Weckruf.

"Ich kann es dir nicht genau sagen", die Wahrheit ausgesprochen, kam er sich wie ein Narr vor.

"Ein Fehler im System-?"

"Nein", wenigstens diese Antwort konnte er mit Gewissheit geben. "Solid Vision ist nicht darauf ausgelegt, die Gedanken zweier Anwender miteinander zu verschmelzen. Selbst wenn eine Überlappung stattgefunden hätte, wäre das in den Aufzeichnungen vermerkt worden. Es ist also vollkommen ausgeschlossen."

"Also…haben wir jetzt neuerdings telepathische Kräfte oder was?!" Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, dabei sichtlich bemüht, ihren Sarkasmus im Zaum zu halten. Eine neue Charaktereigenschaft, die er an ihr feststellte - sie wurde sarkastisch, wenn sie nervös war.

"Keine Telepathie", entgegnete er trocken, "nur ein Informationsaustausch zwischen unseren DuelDisc's. Warum aber ausgerechnet jetzt und zu welchem Zweck, kann ich dir auch noch nicht sagen. Fest steht, dass dieses Phänomen im Zusammenhang zu deinen außergewöhnlichen Aktivitäten steht."

"Außergewöhnliche Aktivitäten", murmelte die junge Frau.

"So außergewöhnlich, dass sie mein Programm beeinflusst haben." Sie sah ihn einfach nur an, dass Kaiba nicht wusste, was in ihrem Kopf vorging. Also fuhr er einfach fort: "Scheinbar sind deine linken Gehirnströmungen, die du während einer Trainingssimulation anwendest, für das neue System von Nutzen. Als Gegenleistung hat es dich mit besonderen Features ausgestattet - wie zum Beispiel die Fähigkeit, selbstständig das System für sich zu nutzen…auch wenn dir das bis dato nicht klar gewesen ist."

"Aber", entgegnete sie, "was ist mit den anderen? Wenn du sie mit dem Programm arbeiten lassen würdest-"

"Das habe ich bereits." Er sah sie mit seinem eiskalten Blick an. "Ich habe sogar Yoshihiko Tabas DuelDisc so umprogrammiert, dass ihr beide theoretisch zu denselben Leistungen imstande wärd. Doch auf keinen reagiert das Programm so stark wie auf dich. Man könnte sagen, es hat dich auserwählt."

"Das System", sie schluckte, "du sagtest einmal, dass es mit deinem Gehirn verbunden sei."

Dass sie so schnell darauf komnen würde, überforderte ihn für einen Moment. Dabei hätte er es wissen müssen, war sie schließlich nicht auf den Kopf gefallen.

"Warum benötigt es dann meine Gehirn-" Sie hielt inne. Wirkte tief in Gedanken versunken. Deshalb übernahm er die Führung des Gesprächs: "Meine überragenden, logischen und analytischen Fähigkeiten mit deinem kreativen Teil des Gehirns scheinen eine Kombination zu sein, die das Programm für geeignet befindet."

"Dein Gehirn hat eine logische Entscheidung getroffen", sagte Rin, dass Kaiba sie entgeistert anstarrte. Ihre Augen blieben an seinen hängen. "Oh", langsam kehrte die Farbe in ihr Gesicht zurück, "habe ich gerade etwas Dummes gesagt?"

"Nein", raunte er, "meine KI hat damals fast dasselbe gesagt."

Ihre Gesichtszüge wurden weicher. Langsam schien sich die junge Frau zu beruhigen.

"Und wie geht es jetzt weiter? Ich meine…", sie fasste sich an den linken Unterarm, dass ihre Finger sich in den Armschmuck krallten, "was, wenn das jetzt häufiger passiert?"

"Ich denke", Kaiba schloss kurz die Augen, "solange unsere DuelDisc's nicht zur selben Zeit eingeschaltet sind, sollte es keine weiteren Zwischenfälle geben. Trotzdem werde ich Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, falls es sich nicht um einen einmaligen Vorfall handeln sollte."

Seine Augen sahen wieder zu den Datensätzen herüber. "Viel mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausrichten. Die gesammelten Daten reichen nicht aus, um diese Anomalie zu erklären oder dagegen vorgehen zu können. Dafür bräuchte ich schon eine Kopie deines Gehirns", das Letzte sagte er mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.

"Dann tu es doch." War ihre Reaktion darauf, dass Kaiba nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. In ihrem Blick lag jene Standfestigkeit, die keinen Raum für Scherze ließ.

"Weißt du eigentlich, was du da sagst?" Nachdem ihre Seelenspiegel einander prüfend betrachtet hatten, fand der junge Firmenchef allmählich die Sprache wieder. "Eine vollständige Kopie deines Gehirns, die mit dem System gekoppelt wurde, könnte schwerwiegende Folgen für dich haben!"

"Wie ich das sehe", erwiderte Rin und sprach dabei ganz ruhig, "ist ein Teil von mir bereits mit dem System verbunden. Ist es da nicht sinnvoller diesen Teil zu vervollständigen?"

"Sicher-"

"Na also", sie lächelte voller Überzeugung.

"Bist du dir der Tragweite wirklich bewusst?" Er konnte einfach nicht glauben, wie selbstverständlich sie ihm diesen Vorschlag unterbreitete. Diese Frau war doch wahnsinnig! Schließlich hatte sie bei der Sache mehr zu verlieren als er. Es war nicht ihr System, das außer Kontrolle geriet, nicht ihr Problem. Rin widersetzte sich all den Punkten, die dagegen sprachen. Ihre funkelnden Augen sagten alles.

Kaiba schüttelte lächelnd den Kopf. Diese Verrückte war seine Duellantin! Irgendwie schön zu wissen, dass es jemanden gab, der diesen Wahnsinn mit ihm teilte - auch wenn er sich dies nie eingestehen würde.

"Ich wiederhole mich noch einmal, Rin. So ein Vorhaben ist riskant. Es gibt keine Garantie, dass das System nicht sämtliche Informationen an sich reißt. Ich kann dir nicht mehr versichern, ob deine Privatsphäre geschützt bleibt."

"Ich glaube wohl kaum", entgegnete sie keck, "dass du dich dafür interessierst, wann ich meinen ersten Zahn verloren habe oder das erste Mal alleine zur Schule gegangen bin." Weil er sie nicht verstand, fügte sie kopfschüttelnd hinzu: "Du kennst mittlerweile meine dunkelsten Geheimnisse . Du kennst die Wahrheit über meinen Vater. Ich habe dir von dem unangenehmen Vorfall während meiner Schulzeit erzählt, und von meiner unfreiwilligen Kampfaktion gegen sechs potenzielle Vergewaltiger." Letzteres ließ ihn innerlich zusammenzucken.

Augenblick mal. Woher weiß sie, dass ich-

"Mach' dir keine Gedanken", sagte sie. Für einen Moment wusste er nicht, wovon sie sprach. Er war noch ganz durcheinander, dass er glaubte, sie spräche von der Hütte.

"Seit diesem peinlichen Verhör mit dir und deinem Ex-Social-Media-Experten weißt du doch quasi schon alles von mir…nur meine Gedanken - die möchte ich gerne weiterhin für mich behalten."

"Das will ich auch", entgegnete er und richtete sich auf. Die Entscheidung war gefallen. "Dann sollten wir keine Zeit verlieren. Es liegt jede Menge Arbeit vor uns."



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