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Spiel ohne Limit

von

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Sie konnte einfach nicht einschlafen. Nachdem der Himmel sich aufgeklärt hatte, war ein wundervoller, sichelförmiger Mond erschienen, der genau vor Rins Fenster schwebte. Aus dem Bett geklettert öffnete sie es und stieg auf den entsprechenden Sims. Windstill war es, und doch fröstelte der jungen Frau, die das letzte Duell einfach nicht vergessen konnte. Lumina hatte ihr noch geschrieben, sie solle sich mit einem Film ablenken lassen. Nachdem nur Liebesdramen, Science-Fiction-Streifen und ein Live-Duell auf dem Programm standen, hatte Rin es aufgegeben. Scheinbar gönnte ihr jemand da oben keine Ablenkung - die auch nur kurzweilig gewesen wäre. Wie könnte sie auch vergessen, nur knapp einem Hirntod entkommen zu sein? Natürlich speiste sie das Ganze nicht als Lappalie ab! Sie wusste selbst, wie knapp es gewesen sein musste, nachdem nur noch eine Runde über ihr Schicksal entschieden hatte; wenn Kaiba doch nicht Rins Karten gewusst hätte.

Ausgeschlossen

Dass er das hatte, davon war sie überzeugt. Da brauchte sie auch keine Aufnahme, die ihr das bestätigte. Sie traute ihm ein derart ausgefeiltes Gedächtnis und eine gute Kombinationsgabe zu. Es war schön, dass er ihr wohl vertraut hatte - wenn auch nur für diesen Moment.

Komm' schon, Rin. Er hat dir nicht vertraut, sondern einfach nur die Chance ergriffen, das Duell für sich zu entscheiden.

Gerne hätte sie sich das Ende des Duells einmal angesehen, doch es war auf sämtlichen Plattformen nicht auffindbar gewesen; es gab nicht einmal einen Artikel darüber. Dabei konnte sich Rin sehr gut vorstellen, wie Presse und Fernsehen sich um die Story gerissen hätten. Normalerweise nutzte die Werbeabteilung von DuelMonsters sämtliche Publicity, die sie kriegen konnte - und ein Viererduell, in dem Seto Kaiba involviert war, also der Mann, der seit dem ersten, ursprünglichen Battle-City-Turnier nicht mehr aktiv beteiligt gewesen war, konnte unmöglich die Medien kalt gelassen haben. Da stellte sich die Frage, wie es der junge Firmenchef geschafft hatte, das ganze Geschehen mundtot zu machen. Und - was noch viel wichtiger war - warum? Darüber grübelte sie schon den ganzen Abend. Warum sollte niemand darüber sprechen dürfen, wenn es doch laut den anderen so abgetan wurde, dass alles nur Show gewesen war? War es wegen Rin? Weil man bis dahin noch nicht wissen konnte, wie es um die junge Frau stand? Oder weil ihr damit selbst die Möglichkeit genommen wurde, darüber zu reden? Obwohl dies das Letzte wäre, worauf Rin Lust hätte - sich zu erklären. Im Grunde konnte es nur ein Vorteil für sie sein, wenn niemand außerhalb des Turniers darüber Bescheid wusste. Nur wollte es die junge Frau einfach nicht loslassen. Weil sich immer wieder eine weitere Möglichkeit ihr aufdrängte.

Nein, das ist Quatsch.

Rin zog die Beine zu sich heran, legte das Kinn auf die Knie und drehte den Kopf, dass sie nach draußen blickte. Es wäre schön gewesen, wenn dies ein normaler Sonntag mit einer normalen Verlosung gewesen wäre. Da konnte sie Mokuba schon verstehen. Wenn sie sich vorstellte, dass er seit seiner Kindheit mit diesem Wahnsinn zu kämpfen hatte, tat er ihr richtig leid. Es stimmte schon: kein Kind sollte mit so einer Realität konfrontiert werden.

Die Augen über die Spitze des Mondes wandernd schweiften ihre Gedanken zu den Turnieren der vergangenen Jahre ab. Wie das ungewöhnliche Viererduell in Battle-City, als sich Yugi Muto und Seto Kaiba zusammengetan hatten. Schon damals war es ihr seltsam vorgekommen, dass ausgerechnet die beiden ein Team gebildet hatten. Wer weiß, in was für ein Chaos sie hineingerutscht waren, dass zwei Feinde zusammen arbeiteten. Rin konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, was während des Duells passiert war. Wie alle anderen hatte sie nur dem Spiel mitgefiebert. Die junge Frau kam sich plötzlich sehr dumm vor. Dass sie so naiv gewesen sein konnte. Aber wer glaubte auch schon daran, dass Weltherrschaft und Apokalypse nicht nur leere Drohungen und Verkaufsstrategien waren, um - wie so oft betont wurde - das Herz der Karten aufleben zu lassen.

Sie schlang die Arme um die Beine, versuchte das Frösteln von ihrer Haut zu vertreiben. Natürlich könnte sie sich ins Bett legen und versuchen einzuschlafen. Es hätte nur nichts gebracht, denn das probierte sie bereits seit Stunden, und nachdem die Uhr unter dem Fernsehbildschirm Mitternacht angezeigt hatte, hatte sie es nicht mehr im Bett aushalten können. Zu viel Unruhe und Aufregung drückten sich aus den Tiefen ihres Innersten an die Oberfläche. Nicht nur wegen des Duells. Das wurde ihr immer bewusster, je länger sie auf ihre DuelDisc starrte, die sie aufs Fenstersims abgestellt hatte. Rin vermisste das Gefühl ihrer Waffe um ihr Handgelenk; wenn das virtuelle System sich einschaltete, sie von Wärme durchflutet wurde.

Wärme

Als sie das Bewusstsein verloren hatte, war es das einzige Empfinden, das noch existent gewesen war. Schön war's gewesen. Sie hatte sich sicher und beschützt gefühlt.

Wahrscheinlich nur eine Begleiterscheinung des Virus'

Wenn sie ihre DuelDisc ansah, stieg in ihr ein ähnliches Gefühl hoch. Kaum zu beschreiben für die junge Frau, drängte sich ihr das Bedürfnis auf, sie einfach um das Handgelenk zu legen. Wie ein Junkie, der sich nach dem nächsten Schuss sehnte. Rin schüttelte den Kopf. Es war einfach nur daneben. Nach allem, was passiert war, dachte sie nur daran, weiter zu machen.

Wie nach dieser seltsamen, virtuellen Session

Rin erinnerte sich, wie dieser Drang sie schon einmal beherrscht hatte. Das geschah wohl, wenn sie die DuelDisc länger nicht um den Arm hatte.

Lumina würde mich auslachen, wenn ich ihr davon erzähle und mich ein Leben lang >Holo-Suchti< oder ähnliches nennen...oder Kaiba die Schuld dafür geben. Dass er mir irgendein Mittel verabreicht hat, um mich von ihm abhängig zu machen-

Vielleicht hätte ihre Freundin gar nicht so unrecht damit, dass sie schon völlig in die DuelMonsters-Welt abgetaucht war. Es war doch Mokuba gewesen, der ihr erst neulich davon erzählt hatte - dass dies das wahre DuelMonsters wäre. Lumina würde ihr jedes weitere Duell ausreden wollen, wenn sie davon erfahren würde.

Sie seufzte, nahm die DuelDisc zur Hand und schloss das Fenster. Zurück in ihrem Krankenbett setzte sie das Gerät auf ihrem Schoß ab und entsandte stumme Signale, als könnte es ihr die Entscheidung abnehmen. Der Drang siegte, ihre Hand nahm die Disc, schob sie ums andere Handgelenk, dass sie sogleich einrastete. Eine leichte Handbewegung genügte und die DuelDisc fuhr aus. Das vertraute blaue Licht legte sich um ihren Arm, hüllte sie mit Wärme ein, dass sie lächeln musste. Seitdem der Arzt ihr diverse Kopfschmerztabletten verabreicht hatte und Rin brav eine nach der anderen geschluckt hatte, fühlte sie sich schon deutlich besser. Womöglich lag es auch an der Tatsache, dass man ihr versicherte, dass ihr Gehirn von dem Virus keinen Schaden genommen hatte. Diese Worte waren wie ein Befreiungsschlag gewesen. Der Chefarzt war es auch, der ihr versichert hatte, dass für die kommenden Duelle nichts im Wege stünde. Sehr zum Ärger ihrer besten Freundin, die auf Rins Nachricht weniger begeistert reagiert hatte. "Übertreib' es nicht wieder, Rin!", hatte in ihrer letzten Chat-Nachricht gestanden, gleich hinter dem Foto von Lumina und der Satinbettwäsche - in ihrer Wohnung. Die Schwarzhaarige hatte ein breites Lächeln und Rin freute sich, dass sie wieder ihr altes Zuhause hatten. Dafür würde sie Mokuba morgen noch danken. Rin gönnte es ihrer besten Freundin, dass sie endlich wieder Zuhause war, und auch die junge Frau konnte es kaum erwarten, morgen in ihre gewohnten vier Wände zurückkehren zu dürfen.
 

Einmal über das warme Metall gefasst ließ es sie endlich abschalten. Lieber sollte sie an die positiven Dinge denken. Zum Beispiel, dass ihre Freunde gekommen waren, weil sie sich um sie gesorgt hatten. Selbst Jonouchi, der ein schlechtes Gewissen gehabt hatte, dass Rin ihm mehrfach bestätigen musste, dass er sich nichts daraus machen sollte. Natürlich hatte Lumina die Chance genutzt, und Rin vorhin noch eine Nachricht zukommen lassen, in der sie betonte, dass sie sich schnellstmöglich mit ihm anfreunden sollte.

Die will doch nur an Ryuji Otogi herankommen. Von dem schwärmt sie schon seit der Mittelschule

Mit immer kleiner werdenden Augen legte sie ihr Smartphone auf den Beistelltisch ab. Sie atmete erleichtert, als endlich die Müdigkeit einsetzte. Den Körper zur Seite gedreht, dass die DuelDisc direkt vor ihrem Gesicht lag, schloss sie die Augen und war in wenigen Minuten eingeschlafen.
 

Es war wieder so ein seltsamer Traum, den sie nicht einzuordnen wusste genau wie der Letzte. Sie war von völliger Dunkelheit umgeben. Nur den jungem Mann vor sich sah sie klar und deutlich. Seto Kaibas jüngeres Ich hatte Rin in seine Arme geschlungen. Er hatte einen so festen Griff, der kein Entkommen zuließ. Sein Duft stieg ihr in die Nase - fast so wie damals als sie den echten Kaiba näher gekommen war, nur ohne das Aftershave. Der Gedanke war so klar, dass es sie schaudern ließ.

Die Art, wie er sie festhielt, hatte kaum etwas mit einer gewöhnlichen Umarmung gemein. Es war mehr so als wollte er sie mit seinen Armen zerquetschen. Ihre Knochen knackten, ein leichter Schmerz stellte sich ein, dass Rin sich mehrmals zu erinnern versuchte, ob man Schmerzen in Träumen spüren sollte.

Erinnere dich einfach an das letzte Mal

Diesmal hatte sie keine Angst zu sterben. Panik machte sich nicht breit - wenn, dann war ihr nur etwas mulmig, sonst nichts. Wie er sie so festhielt - wie ein Jäger seine Beute, bevor er sie auseinander nehmen würde. Aber sie wollte keine Beute sein. Sie war noch immer felsenfest davon überzeugt, dass sie nur träumte - egal, was ihr dieser Seto Kaiba weiszumachen versuchte. Nein, sie war Herr ihres Traumes, und weil sie sich dessen bewusst war, würde sie sich nicht von ihm beherrschen lassen. Sie wollte lieber selbst die Arme um ihn legen, denn das war es, dass sie seit einiger Zeit vermisste: einfach in jemandes starke Arme fallen - und wenn es Seto Kaiba in ihren Träumen wäre. Irgendwie traurig, wie sie feststellen musste. Noch dazu ihre eigene Schuld. Rin hätte sich nur auf Yamato einlassen müssen, schon hätte sie die Nähe, nach der sie sich seit einigen Jahren sehnte. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Behutsam bewegte sie die Arme, wie es ihr unter dem Klammergriff möglich war. Als ihre Hände auf seinem Rücken lagen, die Arme um den Körper geschlungen (dieser Kaiba war schmächtiger als sein gegenwärtiges Ich), hörte sie ihn scharf die Luft einziehen und einen undefinierbaren Laut ausstoßen. Sein Griff lockerte sich. Sie spürte, wie ihre Berührungen ihm Angst machten, dass er sie nicht kommen gesehen hatte.

Woher weiß ich das alles?

Auch Rin atmete tief ein, als seine Hände hinab wanderten und sich kurz vor ihrem Gesäß ineinander verhakten, dass sein metallener Koffer immer wieder ihr Hinterteil berührte. Ein kühler Lufthauch ließ sie aufsehen. Um sie herum begann eine Umgebung zu entstehen. Sie musste mehrmals blinzeln, bis sich die Bilder scharf einstellten. Abrupt hielt sie den Atem an, als sich hinter ihr ein Abgrund abzeichnete. Sie und Kaiba standen auf einer Erhöhung, die zu der Festung einer Burg oder eines Schlosses gehörte. Nur ein Schritt und beide würden mehrere Meter in die Tiefe stürzen. Bei Rin genügte es bloß, dass Kaiba sie losließe.

Wenn er mich nicht so festhalten würde, wäre ich längst zu Mus verarbeitet worden.

Ihr wurde schwindlig bei der Höhe. Es ließ sich nicht abstellen, dabei wusste sie doch, dass sie nur träumte und dass sie sich vor einem Sturz nicht fürchten brauchte. Aber warum schlotterten ihr dann die Knie?

"Warum sind wir hier?", hauchte sie. Sein anfänglicher, schneller Herzschlag hatte sich wieder beruhigt, dass sie sich ganz darauf konzentrierte.

"Weil ich keine andere Wahl hatte", antwortete er. Sie spürte seinen Blick über sich und sah hinauf. Wieder waren da diese ruhelosen Seelenspiegel, die vielleicht seinem Alter geschuldet waren.

Obwohl…ich kann mir nicht vorstellen, dass Kaiba jemals 'jung' gewesen sein soll.

"Kann ich", Rin versuchte seinen Blick zu ergründen, ihr wurde jedoch so heiß im Gesicht, dass sie sich wieder abwandte. Sie versuchte es mit dem Sprechen erneut: "Kann ich etwas für dich tun?"

"Fall' nicht wieder", entgegnete er ohne Umschweife, dass Rin die Augen aufriss, "ich kann dich da oben nicht festhalten."

"Da oben?" Aber Seto Kaiba gab ihr keine Antwort.

"Und du? Wirst du fallen?" Sein indigoblauer Mantel flatterte so heftig, das Rin einen Blick über seine Schultern warf: der Eingangsbereich, der von einer schweren doppelseitigen Flügeltür beschützt wurde, bestand aus eine Art Vorhof, wie sie manche Schlösser besaßen. Staub wurde aufgewirbelt. Sie hörte Hufgetrappel, dass sie unwillkürlich an Zigfrieds Streitwagen denken musste. Es fehlte lediglich das Schnauben von Pferden oder der Kampfschrei seiner Walküre. Dafür tauchte ein grelles Licht auf. Es hatte gewaltige Ähnlichkeit mit der Lichtblitzattacke des weißen Drachen mit eiskaltem Blick. Aber sie sah keines ihrer geliebten Kreaturen. Dafür erlosch das Licht. Die Szene wurde wieder freigemacht für die Lokalität, von der sie überzeugt war, sie schon einmal gesehen zu haben. Dabei ähnelte es keinem der Schlösser, das sie auf einer der Schulexkursionen besucht hatte. Anstatt sie weiter darüber nachdachte (sie würde ja doch nicht darauf kommen), legte sie den Kopf auf seine Brust ab. Sie war so unglaublich erschöpft - und erleichtert. Wovon, wusste sie nicht. Rin glaubte, dass es etwas mit diesem Seto Kaiba zu tun haben musste. Aber sie wollte sich jetzt nicht den Kopf darüber zerbrechen. Sie hätte es auch nicht gekonnt. Zu abgelenkt war sie von der Person vor sich. Dass er so nahe war, fühlte sich viel zu vertraut an. Und warum musste sie ihm auch so nahe kommen?

Na, weil es ein Traum ist, du Idiot!

Gerade weil es ein Traum war, begriff sie nicht, warum sie derart nervös wurde. Ganz zu schweigen von ihrem Kopf, der wohl bald zu dampfen anfinge.

Ach scheiß drauf. Das ist schließlich nicht der Echte. Der hätte mich schon längst über die Schultern geworfen, und in die nächste Ecke befördert. Darauf könnte ich wetten!

Über ihr hörte sie es schnaufen. Seto Kaiba lächelte, wenn seine Augen auch irgendwo in die Ferne blickten.

Ob er meine Gedanken lesen kann?... Und wenn schon. Das ist ein Traum, schon vergessen? Er ist, wie der Rest, aus meinen Gedanken, meiner Phantasie, entsprungen…warum auch immer es dieser jüngere Seto Kaiba sein muss. Den anderen kann ich mir bildlich viel besser vorstellen…jetzt denke ich schon total gequirlten Mist. Hör' auf, Rin!

"Ähm, sag' mal", nuschelte sie schließlich vor sich hin. Ihr brannte auf einmal eine ganze bestimmte Frage auf den Lippen.

"Wer bist du?" So offensichtlich es war, so unsicher war sie sich. Sie hörte ihn tief die Luft einatmen. "Wer ich bin", wiederholte er mit rauer Stimme. Dabei nahm er eine Hand von ihrem Rücken, ließ sie über ihr Kinn wandern. Dann hob er es an, beugte sich zu ihr herunter, dass sein Atem ihr Gesicht streifte.

"Ich bin…"



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