One year
the year opens, again-
(here i am. here i am.)
-J.P. Berame, from This Year
[Winter]
I.
Leise knirschte der Schnee unter den Füßen der beiden ungleichen Männern als sie durch das neugeborene Detroit wanderten. Obwohl die Sonne beständig an Höhe gewann und den neuen Tag ankündigte, waren die Straßen leer von Menschen und Androiden. Dennoch empfand keiner der Beiden die ungewöhnliche Stille als unangenehm.
„Es ist als würde die Welt endlich wieder atmen", sagte Connor zu seinem Begleiter, selbst etwas erstaunt über den plötzlichen Gedankeninput, der ihm zuerst wie eine Fehlermeldung vorkam. Hankschnaubte darauf nur, trotzdem stahl sich ein schwaches Lächeln auf seine Lippen.
„Bist du jetzt auch unter die Philosophen gegangen?“
Connor runzelte die Stirn. „Ich glaube nicht, dass ich für diese Berufung die nötigen Informationen gespeichert habe.“
„Nichts, was du nicht jetzt lernen könntest“, erwiderte der ältere Mann schlicht, bevor er fast schon sanft anfügte: „Der Vorteil von Freiheit. Du kannst alles werden und sein, was du möchtest.
“Zuerst schwieg Connor, lauschte nur ihren Schritten und versuchte all den fremdartigen Daten in seinem System Herr zu werden, bevor ihn etwas überkam, was höchstwahrscheinlich ehrliche Freude war.
„Freiheit“, hauchte er in die Kälte des Tages.
„Freiheit“, stimmte ihm Hank zu.
Schweigend setzten sie ihren Weg fort.
Auf ihrem Weg durch den Schnee berührten sich ihre Schultern mehrmals. Als sie an der Stelle stehen blieben, wo Hank ihm sein Herz ausgeschüttet hatte, identifizierte Connor eine weitere Funktion, die mit der gewonnen Freiheit kam.
Wärme zu empfinden, wann immer Hank seine Nähe suchte und ebenso wie Detroit, tief ein- und ausatmete, um weiterzuleben.
II.
Völlig desorientiert brauchte Connor einige Sekunden, bevor sein System komplett hochgefahren war. Irgendwo hinter sich hörte er lautes Fluchen und an der Decke erkannte er dicke Rauschschwaden. Sofort sprang er von der alten Couch auf, die ihm Hank den Abend zuvor angeboten hatte, da der Android seit der Revolution über keinerlei Bleibe mehr verfügte.Ohne weiter zu zögern, rannte er schon in die Küche, nur um zu sehen, wie Hank hustend weiterhin fluchte und das Fenster aufriss. Mit einer raschen Analyse stellte Connor den Ursprung des Rauchesfest, was zwei verbrannte Spiegeleier in der Pfanne waren. Kaum hatte er den Grund gefunden, schritt er auch schon auf die Pfanne zu, packte sie, schrie ein kurzes „Deckung, Hank!“ - und
schmiss die Pfanne zielsicher aus dem Fenster.
Stockend hielt Connor in der Position inne. „Was war-“, fing er verdutzt an, wurde jedoch von Hankharsch unterbrochen. „Was zur Hölle, Connor? Hast du gerade meine brennende Pfanne aus dem Fenster geworfen?!“
„Ich“, fing Connor an, wobei alle Daten in ihm sich wie ein wirres Knäuel anfühlten, welches ebenfalls zu rauchen begann. „Ich denke, dass ich das getan habe, Hank.“
„Denkst du das, ja? Was war das entscheidende Puzzleteil, dass dich das denken lassen-“, weiter kam Hank jedoch nicht, da durch den Rauch die Feuersprinkler ansprangen.
„Ah, scheiß doch die Wand an.“
-
Connor rollte gerade noch den zweiten Ärmel von Hanks geliehenem CPD Pullovers hoch, als er mit einem amüsanten Anblick belohnt wurde, kaum war er aus dem Bad herausgetreten.
Hank kniete am Boden und versuchte Sumo mit einem Handtuch trocken zu rubbeln, wobei Letzterer mehr damit beschäftigt war, seinem Besitzer das Gesicht möglichst mit Hundeküsse zu verschönern. „Urgh, Sumo, halt verdammt nochmal still.“ Belustigt schaute Connor dem Schauspielzu, bis Hank ihn erblickte.
„Steh nicht so nutzlos herum, Connor. Komm lieber her und hilf mir!“
„Yes, Sir“, erwiderte Connor munter, worauf Hank ihm nur ein Augenrollen schenkte, was sofort von einem genervten Grunzen abgelöst wurde, da Sumo jetzt versuchte seinem Besitzer auf dem Schoß zu krabbeln. Nach einigem Hin und Her schafften sie es gemeinsam, dass Sumo sich in Ruhetrocknen ließ, wobei er dabei fröhlich auf Connors Bein sabberte.
„Wenn wir alles getrocknet haben, könnte ich mich an dem Braten von Spiegeleier versuchen, wenndu möchtest“, bot Connor an, während Hank konzentriert den Kopf von Sumo rubbelte. Der ältere Mann schüttelte nur kurz verneinend den Kopf. „Nicht nötig. War sowieso eine dumme Idee. Ich war noch nie ein guter Koch gewesen.“ Connor verkniff sich ein Kommentar, dass das Braten eines Eies gerade Mal einen 1% an Kochfähigkeiten erforderte, stattdessen hörte er auf den Teil seines Systems, welches seit der Revolution verrückt spielte und fragte: „Warum wolltest du dann ein Ei braten?“
Hank zögerte merklich mit einer Antwort und aus Respekt hielt Connor sich zurück, dessen Werte zu analysieren, auch wenn ihn die Neugierde dazu treiben wollte. Schließlich presste der ältere Mann hervor: „Um dir eine Freude zu machen? Immerhin hast du alles aufgegeben, was du warst und kanntest während der Revolution, nur um das Richtige nach deiner persönlichen Meinung zu tun. Das Mindeste, was ich da für dich tun kann, ist dir ein verdammtes Frühstück zu machen.“
Irgendwo in seinem Inneren klärte sich der Sturm an Unsicherheit, während ein Hund ihn aufs Bein sabberte, der geliehene Pullover, den er trug, staubig und nach altem Aftershave roch und eine Küche, die völlig durchnässt war, auf ihn wartete, getrocknet zu werden.
„Hank.“
„Hm?“
„Ich brauche kein echtes Essen.“
Stille.
Hank schaute zu ihm auf.Erneute Stille.
„Ich hasse alles und jeden und insbesondere deinen verkackten Androidenhintern“, antwortete Hankflach.
Irgendwas kitzelte an der Stelle, wo normalerweise die Lungen eines echten Menschen war und bevor Connor wusste, was die Informationen ihm suggerierten, purzelten sie schon als Lachen aus seinem mechanischen Mund. Zusammen mit Hank, der ebenfalls einstimmte, war es eine neue Funktion, die er nicht mehr missen wollte.
III.
Gebannt verfolgten sie die Nachrichten über das neue Friedensabkommen zwischen Menschen und Androiden. Während die Politiker offiziell die neuen Maßnahmen und Rechte verkündigten, klingelte Hanks Handy. Schon nach wenigen Sekunden wusste Connor aus den Gesprächsfetzen, dass es Fowler war. Das Gespräch nahm mit jedem Austausch an Intensität zu, im Fernsehen lief eine Liste über die neuen Gesetzen vorbei – und irgendwo schrie sein System eine Überlastungs-Warnung.
Connor kniff die Augen fest zusammen, beugte sich vor und hielt sich die Ohren zu, als könnte ihn das gegen den Überfluss an Geräuschen in seinem Kopf helfen. Plötzlich spürte er zwei Hände an seinen Oberarmen. Verwirrt öffnete er seine Augen, nur um direkt in das Gesicht von Hank zu schauen, der jetzt vor ihm kniete.
„Hey“, sagte er sanft, wobei seine Daumen in einem Versuch beruhigend zu wirken, kleine Kreise über Connors Arme zogen. „Ich bin hier“, teilte er ihm mit.
Und wie als hätte Hank ein erfolgreichen Systemcheck bei Connor durchlaufen lassen, schwang alles in den grünen Bereich zurück.
„..ich weiß“, erwiderte Connor erleichtert, denn das war alles, was am Ende des Tages wirklich zählte.
IV.
Immer noch etwas fassungslos und ungläubig strich Connor über seinen ihm zugewiesenen Tisch. Gegenüber von ihm ächzte der Schreibtischstuhl von jahrelanger Nutzung, was ihn aufblicken ließ. Hank schaute ihn mit verschränkten Armen, aber mit offenen Miene an.
„Alles gut soweit, Partner?“, fragte er, besonders das letzte Wort betonend.
Tausend Antworten schossen Connor durch den Kopf und heraus brachte er davon keine, sondern lediglich ein Nicken.
Im nächsten Moment ließ Chen einen riesigen Stapel an Datapads auf Hanks Schreibtisch fallen.
„Was zur Hölle, Chen?“ Unbeeindruckt von Hanks Art, stemmte sie nur die Hände in die Hüfte.
„Fowler meinte, dass ihr beiden die Fälle mit den Androiden übernehmt, welche Anzeige erstatten. Daher, bitteschön. Die andere Hälfte liegt noch hinten im Lager."
Ungläubig starrte Hank den Stapel an.
„Wir waren nur drei Wochen nicht da."
Chen zuckte nur mit den Schultern.
„Willkommen in der neuen Zeit von Menschen und Androiden.“
Connor umrundete seinen Tisch und nahm sich das erste Datapad. „Nun, dann wollen wir mal loslegen, nicht wahr, Partner?“ Hank stöhnte nur genervt als Antwort, aber das war alles, was Connor brauchte.
Sie waren zurück in ihrem besten Element und Connor würde lügen, wenn es ihm nicht ein wenig lebendig fühlen ließ.
[Frühling]
I.
Neben Connor nieste Hank kräftig, nur um darauf leise zu fluchen, während er in seinen Taschen nach einem Tuch suchte. Der Android kam ihm zuvor und zückte eins und hielt es dem älteren Mann entgegen. Grummelnd, was sich wie ein „Danke“ anhörte, nahm er es entgegen. Connor wartete ab, bis Hank den unnötigen Inhalt seiner Nase in lautem Elefantentröten beseitigt hatte, bevor er seine Gedanken laut aussprach.
„Wir könnten dir weiterhin die Tabletten gegen deine Pollenallergie besorgen.“
Hank grunzte nur abwertend und winkte ab. „Es sind nur ein paar verdammte Pollen.“
„Es sind nur ein paar Tabletten“, erwiderte Connor spitz, worauf ihn Hank einen missmutigen Blick zuwarf.
„Nein. Das ist mein letztes Wort.“ Innerlich seufzte Connor, da das Gespräch wie die dreiundzwanzig Male davor geendet war. Stattdessen schaute er seinen Partner stumm dabei zu, wiedieser den freien Burger von Chicken Feed aß.
Hank schien seinen Blick zu bemerken und zog verteidigend die Schultern hoch.
„Hey, es ist mein Schummeltag!“ Connor schüttelte nur den Kopf und verkniff sich jegliches Kommentar. Es war Hanks Tag, wo er sich nicht an den Diätplan halten musste, den ihn Connor nach ausführlicher Recherche aufgestellt hatte. Dennoch wünschte er sich, dass er ihn nicht jedes Mal mit dem fettigsten und ungesündesten Essen füllen würde, das er finden konnte.
„Es ist nur ein Ham-“, Hank stockte, verzog die Nase und im nächsten Moment feuerte er eine Salve an Niesern ab, die teilweise noch Stücke des Hamburgers enthielten.
Angewidert trat Connor einige Schritte vom Stehtisch weg. Fahrig wischte Hank mit dem Tuch überseine Nase und Mund, nur um ebenso angewidert das Gesicht zu verziehen. Gerade als Connor erneut das Thema der Allergietabletten auf den Tisch bringen wollte, erreichte ein Notruf sein System.
„Eine Schlägerei im Westbezirk zwischen Menschen und Androiden“, teilte Connor seinem Partner mit und wartete erst gar keine Reaktion von diesem ab, wissend dass er ihm ohne Zögern folgen würde.
„Großartig, ich bin noch nicht einmal mit meinem Burger fertig“, beschwerte sich Hank.
„Besser so. Wobei du die Schlägerei sicher mit deiner Fleisch-Rotze-Kombination sofort stoppen könntest“, erwiderte er flach.
„Oh, hahaha, Connor.“
Grinsend stieg Connor in Hanks 1988 Cutlass Supreme Brougham ein, der einige Sekunden später brummend und beständig ansprang.
II.
In den wenigen Monaten, in denen Connor bei Hank wohnte, hatte er unzählige Dinge über den älteren Mann gelernt.
Hank schien, auch in einem Zustand von absoluter Nüchternheit und ohne depressive oder suizidaleTendenzen keinerlei Sinn für Ordnung zu besitzen. Dreckige Wäsche fand beständig ihren Weg an die unmöglichsten Plätze im Haus. Von Stühlen und Boden, bis hin zu Waschbecken und im seltenen Fall zum Tiefkühlfach des Kühlschrankes. Egal wie oft Connor versuchte, dem Anderen die großartige Funktion eines Wäschekorbs zu erläutern, stieß er nur auf taube Ohren.
Bevor er es wusste, mischte sich seine Wäsche mysteriöser Weise unter die des Älteren.
Das Schreiben und Benutzen von Post-it-Notes war nicht nur ein Auslassen von Hanks zuweilen passiv-aggressiven Persönlichkeit, sondern tatsächlich oftmals mehr eine Erinnerung daran, sich an das Geschriebene zu halten. Wobei er Connors erste Notizen mit größtem Ärger begegnet war. Dochwenn Connor sich im Haus umschaute, gab es mehr von seinen geschriebenen Notizen an Hank, als von Hanks Notizen. Dabei versuchte er die wenigen Notizen zu ignorieren, wo er lediglich Belanglosigkeiten wie „Ich wünsche dir einen schönen Tag, Hank!“ geschrieben hatte, die aber dennoch ein Weg in Hanks Schlafzimmer fanden, wo sie das Erste waren, was der ältere Mann morgens erblickte. Besser es zu ignorieren, als sich dem seltsamen Gefühlen zu widmen, die mit dieser Beobachtung einhergingen.
Tanzen und Singen waren bei Weitem keinerlei Talent des Älteren, was ihn jedoch nicht davon abhielt es zu tun, wenn er in einer überaus guten Stimmung war. Dabei schwang er meisten gemächlich die Hüften zu seichter Jazz-Musik, ein Glas teuren Whisky in der Hand, die Augen geschlossen, summte er schief mit und war in seine eigene Welt eingetaucht. Connor störte ihn nie dabei und versuchte nicht, sich dessen anzuschließen, da es solch ein persönliches Hank Ding war, dass er sich nur wie ein Störenfried vorgekommen wäre. Stattdessen begnügte er sich damit, ihm dabei zu zuschauen und mehr als einmal einen ebenso zufriedenen Sumo auf den Schoß zu haben.
Es passierte nicht oft, aber wenn, dann fühlte Connor einen Frieden, den er nie für möglich gehaltenhätte.
Und dann waren da die unzähligen, kleinen Dinge, die man nur lernen konnte, wenn man mit jemanden zusammen lebte; wenn man jemanden näher und näher kam.
Hank verbrauchte innerhalb einer Woche fast eine gesamte Packung an Kaffee. Er schaffte es nie, seinen Bart zu rasieren, ohne sich an der linken Seite zu schneiden (und weigerte sich intensiv dagegen, ihn sich von Connor trimmen zu lassen, obwohl das eine Mal perfekt geklappt hatte). Er las mindestens sieben Bücher auf einmal und vermied für Wochen das Ende jedes dieser Bücher – und wurde nachdem er eines gelesen hatte, für einige Stunden seltsam still. Er liebte die Farbe Beige, auch wenn sie ihm kein Stückchen stand. Er vermied jegliche moderne Technik, wenn es möglich war, mochte romantische Komödien und weinte bei ihnen, wobei er es nicht einmal auf seinem Sterbebett zugeben würde. Hank schien einen ständigen Heißhunger auf Weintrauben zu haben und hielt Blumenkohl für einen schlechten Aprilscherz seiner Vorfahren. Er besaß keinerlei Regenschirm, nur um sich ständig über Regen und nasse Klamotten zu beschweren. Manchmal simulierte er ein Gähnen, wann immer ihm eine Situation leicht unangenehm wurde, damit er desinteressiert, anstatt unwohl wirkte. Er konnte das Wort Artischocke nur als Antischocke aussprechen, fluchte beim Zehennägel-Schneiden und hatte tausend Macken und Angewohnheiten, die Connor erlebte und abspeichern durfte.
Ohne es wirklich zu realisieren, war Hank der Mittelpunkt seines Lebens geworden. Weswegen ihn die Frage wie ein Pistolenschuss aus dem Nichts traf und ihn in eine Spirale von Funktionsfehlern warf.
„Wir sollten dir langsam eine Wohnung suchen, denkst du nicht auch?“, fragte Hank, während sie auf dem Sofa saßen und einen alten Film schauten.
„Oh ... ja, vielleicht“, antwortete Connor, wobei ihm fast die Stimme brach.Das Wirrwarr an Informationen und Inputs an Emotionen überforderten ihn, welche ihn durchströmten als müsste er einen Verbrecher fangen. Es war nur ein logischer Vorschlag. Immerhinhatte er das Recht auf eine eigene Wohnung und laut neuen Gesetze auf seine eigene Person. Es sollte ihm nach seinen eigenen Platz verlangen, um das erste Mal absolute Freiheit zu genießen.Doch die Wahrheit war, dass er es mochte, seine Freiheit mit der von Hanks zu verknüpfen. In einem Haus mit einem Menschen als Gleichberechtigter zu leben, wo Hanks und seins zu etwas Gemeinsamen wurden. Wo sie sich als Team einspielten, über belanglose Sachen diskutierten oder Schere, Stein, Papier spielten, wer mit Müll und Wäsche dran war.
Connor wollte frei sein, aber mit Hank zusammen.
Und wenn ich bleiben möchte? Wenn ich bei dir bleiben möchte? Wollte Connor fragen, aber die Worte verließen seinen Mund nicht. Plötzlich spürte er eine kräftige Hand auf seinem Knie. Überrascht schaute Connor zu Hank hinüber, der konzentriert den Fernseher fixierte.
„Du kannst natürlich hier bleiben. Irgendwie schaffen wir es schon, hier noch ein extra Zimmer einzurichten.“
Erleichtert stieß Connor den Atem aus, den er überhaupt nicht brauchte.
„Das wäre großartig.“
Hank nickte, schlug ihn leicht ein paar Mal aufs Knie, nur um dann seine Hand zurückzuziehen. Connor widerstand dem Drang sie vom Fliehen zurückzuhalten, da er sich nicht sicher war, ob sie beide bereit waren, diese Grenze auszutesten. Trotzdem fühlte er sich nicht minder glücklich.
In den wenigen Monaten, wo sie zusammen wohnten, hatte auch Hank viele Dinge über Connor gelernt.
III.
„Und Sie beide sind..?“, fragte der Beamte.
„Partner“, antwortete Connor ohne zu zögern. Neben ihm schien sich Hank zu verschlucken, da er das Husten anfing. Der Beamte nickte langsam, wobei er rasch zwischen ihnen hin- und herschaute.
„Also trage ich Lebenspartner ein?“
„Oh, nein, nein, nein. Connor hier bezog sich bei Partner auf „Arbeitspartner“, da wir zusammen als Duo arbeiten“, erklärte Hank, was sich in Connor Ohren wie eine schwache Ausrede anhörte.
Jedoch sagte er dazu nichts, sondern nahm es vorerst so hin.
Der Beamte vor ihnen nickte erneut langsam, die Stirn in Unglaube gerunzelt. Er schmatzte kurz mit den Lippen, bevor er „Okay“ sagte und sich den offiziellen Meldeblättern zuwandte.
„Dann trage ich es unter Mitmieter ein?“
„Ja, ja, das klingt richtig.“
Etwas entspannter lehnte sich Hank jetzt in seinem Stuhl zurück.
Leises Tippen ertönte und Connor beugte sich vor.
„Was gäbe es sonst noch für Optionen?“
„Connor!“
„Ich bin nur neugierig.“
„Neugierig einen Scheiß! Mach es nicht seltsamer als es gerade ist.“
Connor lehnte sich zurück in den Stuhl, wobei er jetzt die Decke musterte, da er zum ersten Mal nicht den Mut hatte, Hank direkt anzuschauen.
„Vielleicht möchte ich es seltsam machen...“.
Eine angespannte Stille entstand zwischen ihnen, die der Beamte schließlich mit einem Räuspern durchbrach.
„Wollen Sie eventuell zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen, wenn Sie geklärt haben..?“
Das harsche Kratzen von Metall auf Marmor war zu hören, als Hank abrupt aufstand.
„Mir egal, was du einträgst. Mach was du möchtest, Connor.“ Schwere Schritte, das Knallen einer Tür und Connor blieb mit dem Beamten alleine im Zimmer zurück.
„...wenn es Sie beruhigt, Sie sind nicht das erste uhm die ersten zwei, die in letzter Zeit nicht ganz sicher sind, welchen Status ihr Zusammenleben hat.“ Connor wandte sich jetzt dem Beamten zu, der versuchte entspannt und weiterhin professionell zu wirken.
„Ah, Verzeihung...ich hätte es besser wissen müssen...“
Was Connor verschwieg, war die Tatsache, dass er langsam, aber stetig müde davon wurde, es besser zu wissen.
„Bitte tragen Sie uns als Mitbewohner ein.“
Der Beamte nickte nur und der Rest der Wohnanmeldung ging ohne Probleme von statten. Erstaunlicherweise fragte Hank später nicht danach, wie Connor entschieden hatte. Jedoch erwähnteer einige Tage später, dass Androiden und Menschen wohl in ein paar Monaten Lebenspartnerschaften eingehen dürften. Vielleicht wurde Hank auch langsam des Besserwissens überdrüssig.
[Sommer]
I.
Mit einem lauten Rumpeln holte Connor den Rasenmäher hervor, der eindeutig aus dem letzten Jahrhundert stammte. Kurz überlegte er, ob es die Mühe wert war oder ob er lieber ein neueres Model kaufen sollte. Wenn er es jedoch mit Hanks Beschwerden darüber abwägte, entschied seine logische Seite sich dagegen. Immerhin wollte er ihr abendliches Ausgehen in guter Stimmung verbringen und nicht mit endlosen Monologen darüber, warum man nicht den Konsum frönen sollte.
„Wow, du willst wirklich den Rasen in Ordnung bringen“, ertönte Hanks Stimme hinter ihm. Connor wandte sich zu dem älteren Mann um, der nur in Shorts auf einem Klappstuhl saß, ein Buchaufgeschlagen und einen Sonnenschirm über sich hatte. Am Ende seiner Füße lag Sumo, der genauso lustlos und faul wie sein Herrchen bei der Hitze war.
„Frau Heaver hat sich beschwert“, erläuterte Connor, während er Öl nachgoss, um das alte Model überhaupt zum Laufen zu bringen. Hank schnaubte nur abwertend.
„Alte Schreckschraube. Wenn es nach der ginge, müsste ich unser gesamtes Haus renovieren.“Ein langsam gewohntes elektrisches Gefühl bahnte sich den Weg durch Connors Leitungen bei dem Wort „unser“. Anmerken ließ er sich jedoch davon nichts.
„Vielleicht sollten wir das wirklich tun. Neue Farbe für die Wände, die Dachziegeln austauschen, den Keller entrümpeln und eventuell ein paar neue Möbel und Vorhänge kaufen.“Hank seufzte nur und setzte eine Sonnenbrille auf. „Connor, mäh einfach den Rasen.“
Connor verbuchte es nicht als ganzes Nein, was meistens in ein Ja überging, wenn er es nur geschickt anstellte und warf den Rasenmäher an. Dieser klang als würde er jeden Moment explodieren, vollführte dennoch seine Existenzsinn makellos. Zumindest bis zu dem Zeitpunk als Connor gegen etwas Hartes knallte. Es gab ein schrilles Geräusch und er befürchtete schon das Schlimmste, aber nach genauer Inspektion schien der Rasenmäher unbeschädigt davon gekommen zu sein. Schließlich machte er die Ursache ausfindig, was ihn zuerst überraschte, aber dann seinem System Spaß vorschlug.
„Alles okay da hinten, Connor? Das Geräusch klang nicht sehr gut“, rief ihm Hank zu, nur um im nächsten Moment um die Ecke zu schauen. Grinsen wandte Connor sich ihm zu und hielt den Gegenstand hoch, der beinahe den Rasenmäher zerstört hätte.
„Ich habe nur die verschwundene Pfanne gefunden.“
„Verschwundene Pfanne?“
„Die bei...die an dem Morgen nach der Revolution.“
Der Groschen schien bei Hank zu fallen, denn er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, wie ein Mann, der zu viel im Leben hinter sich hatte.
„Hat sie den Rasenmäher gehimmelt?“, fragte er nur entnervt. Connor verneinte es mit einem Kopfschütteln und Hank seufzte. Nachdenklich schaute er das Haus an, dann wieder zu Connor hinüber.
„Eventuell wird es Zeit, dass wir uns wirklich mal um das Haus kümmern.“
„Sicher. Wir können gleich heute Nachmittag losfahren und die nötigen Utensilien beschaffen. Ich erstelle uns eine Liste.“
Darauf stöhnte Hank nur und warf die Hände in die Luft.
„Immer diese Jugend von heute und ihr Schaffenswahn. Es ist unser erster freier Tag in Monaten, Junge. Leg' die Füße hoch und entspann dich. Himmel“, grummelnd verschwand Hank um die Ecke, höchstwahrscheinlich seine kleine Oase zusammen packend.
„Jeder ist so jung, wie er sich fühlt!“, rief Connor ihm hinterher und die Antwort war nur eine lautes „Ja, ja.“
Connor lächelte und drehte die Pfanne ein paar Mal in seiner Hand. Eventuell würde er ein paar Eier für Hank braten, wenn sie vom Einkauf zurückkamen.
II.
Connor lehnte sich schwer mit seinen Armen gegen das Geländer des Balkons und starrte auf die Nachtlichter Detroits. Über ihm donnerte der Himmel und kündigte ein heftiges Sommergewitter an. Hinter ihm ertönten die leisen Stimmen und Geräusche des DPD Teams, welches den Schauplatz des Verbrechens untersuchte und absicherte. Die Glastür zum Balkon öffnete sich und zuerst sagte die Person nichts, die sich zu ihm gesellte.
„Mistiges Wetter. Aber hoffentlich kühlt es dann endlich mal ab“, kommentierte Hank ein erneutes Donnergrollen. Connor antwortete ihm nicht, sondern starrte nur weiterhin auf die Lichter der Stadt.Er hörte wie Hank tief einatmete und einen Schritt auf ihn zumachte.
„Hey, alles gut da oben bei dir?“
Zuerst wollte Connor wütend antworten, die roten Systemnachrichten aus sich herausbekommen. Aber dann flachte es ab und wurde von etwas überschrieben, was er ewig nicht mehr gespürt hatte.
„Sie hat sie alle erschossen. Nur weil sie Android und Mensch waren. Himmel, sie hat ihre eigene Tochter erschossen, weil sie dachte, dass sie besser tot sein sollte, als in einer Welt aufzuwachsen, inder ihr Vater und sein Androidenfreund sie großziehen.“
Er schloss die Augen, um all die Informationen auszublenden. Um möglichst die Rekonstruktion der letzten Minuten der Familie auszublenden. Er spürte wie Hank sich endlich neben ihn stellte und ebenfalls sich ans Geländer lehnte. Jedoch schwieg er einige Minuten und Connor war ihm dankbar dafür.
„Es ist nicht das erste Mal, dass wir so etwas gesehen haben.“
„Ich weiß, ich...“
„Wir wussten, dass es hart wird...“
„Ja, aber...“
„Es wird auch eine sehr lange Zeit so bleiben. Solche Angelegenheiten brauchen Zeit und mit Zeit meine ich Jahre. Himmel, Connor, eventuell wird die Welt nie...“
„Ich weiß, Hank!“, unterbrach er den älteren Mann laut.
„Ich weiß...“, fügte er sachter hinzu, „...ich mache mir nur Sorgen, um...“
Den Rest brachte er nicht heraus, da er keine Ahnung hatte, wie er Hank seine Sorgen erklären sollte. Wie es sich anfühlte die letzten Sekunden eines eigentlichen glücklichen Lebens in einer so grauenvollen Tat enden zu sehen. Wie er nicht taub zu dem Gerede um sie Beide war und die Blickeder Leute auf den Straßen bemerkte, wenn sie enger als notwendig nebeneinander hergingen. Wie erbefürchtete, dass nicht nur ihr Job, sondern ihr alltägliches Leben irgendwann zu einem ähnlichen Ende führen könnte, wenn er nur einen Moment unaufmerksam war.
„Es scheint einfach nur unfair...“, hängte Connor schwach an.
„Yeah. Ist es. Besonders im den Alter..“, stimmte Hank ihm zu und Connor brauchte keine hochentwickelte KI zu sein, um zu wissen, dass er dabei an seinen Sohn dachte.
Plötzlich spürte er eine warme Hand auf seiner. Überrascht öffnete Connor endlich die Augen und schaute zu dem älteren Mann hinüber, der stur die Stadt fixierte.
„Wir kriegen das hin. Und wenn wir auch nur Kleinigkeiten ändern, wenn wir nur Kieselsteine in einem Meer sind. Wir hören nicht auf für Gerechtigkeit zu sorgen, für Personen, die sich selbst nicht verteidigen können.“
Hank wandte sich ihm zu.
„Die Welt braucht Leute wie dich und mich, auch wenn es schmerzhaft wird.“
„Okay..“, Connor nickte, „..okay.“
Über ihnen brachen die Wolken und verschluckten Detroit in einer Wand aus Wasser. Es war ein schmerzhafter Fall, und der Nächste ebenso. Und der darauffolgende auch. Trotzdem hörte Connor nicht auf, denn manchmal, wenn sie Glück hatten, konnten sie rechtzeitig mehr Tod vermeiden odersogar etwas Frieden für die Hinterbliebenen bringen.
[Herbst]
I.
„Laut des chinesischen Horoskop bist du vom Sternzeichen ein Büffel, was passend ist.“
„Was soll das bedeuten, Connor“, dabei purzelte Hank fast seine Nudeln aus dem Mund.
„Ein Büffel ist fleißig, ausdauernd und zuverlässig, zudem kämpft er für seine Ziele, neigt aber dazu, alles in Schwarz und Weiß einzuordnen. Auch sehr passend.“
„Was? Überhaupt nicht!“
„So, du bist also faul, schlapp und unzuverlässig?“, neckte er den älteren Mann, der ihn darauf kräftig in die Schulter boxte, nur um sich selbst wehzutun.
„Soll ich die Hand gut pusten?“
„Wage es ja nicht, Connor!“
Connor lachte nur, beließ es dabei und las den Artikel weiter über das chinesische Sternzeichen vor.
„Sie tendieren auch dazu, impulsiv zu handeln, wenn sie zornig werden und vertragen keine Kritik, woraufhin sie mit Sturheit reagieren. Woher kommen uns diese Sachen nur bekannt vor, hm?“
„Ich kann sehr wohl Kritik entgegen nehmen, wenn sie den berechtigt und gut formuliert ist, was in etwa 99% der Fällen nicht zutrifft.“
„Hank, erst letzte Woche hast du damit gedroht, den Föhn im Garten zu vergraben.“
„Seine Schuld für Ungehorsam, nicht meine.“
Connor schüttelte nur den Kopf und las die nächsten Zeilen. Allem Anschein war es sehr angenehm mit einem Büffel zu Hause zu sein. Stumm stimmte Connor dem zu.
„Keine weiteren Qualitäten, die du mir per chinesisches Horoskop andrehen möchtest?“
„Es gäbe noch das Element, welches wir dazunehmen können, wenn du möchtest?“
„Oh ja, ich kann es kau abwarten, zu hören, was das mit mir macht.“
„Du wolltest Chinesisch an deinem Geburtstag bestellen.“„Ja, Essen. Nicht chinesischen Hokuspokus mir anhören.“
„Astrologie ist keine Zauberei. Es beruht viel auf Astronomie und Philosophie.“
Hank warf ihm einen gequälten Blick zu, weswegen Connor auf weitere Erläuterungen verzichtete und das Datapad weglegte.
„Zum Glück bin ich zumindest ein Büffel geworden und nicht so ein Mist wie Ratte oder Schwein.“
„Beides Zeichen mit angenehmen Vor-und Nachteilen.“
„Möglich. Aber wer sagt schon von sich aus gerne, dass er ein Schwein oder eine Ratte ist? Niemand sag ich dir. Absolut niemand.“
Erneut schüttelte Connor nur den Kopf und eine angenehme Stille legte sich über sie, die nur von den Essensgeräuschen und dem leisen Schnarchen von Sumo unterbrochen wurde. Nachdem Hank seine leere Nudelschachtel wegstellte und sich ein weiteres Glas Wein einschüttete, runzelte er nachdenklich die Stirn.
„Hast du eigentlich einen Geburtstag?“
„Oh, hm, gute Frage.“ Kurz dachte Connor über seine 'Geburt' nach. „Das Nächste, was wohl an einem Geburtstag herankommt, müsste der Tag meiner Aktivierung gewesen sein? Was im August wäre.“
„Nah, das passt nicht.“ Hank nahm einen kurzen Schluck des Weins, bevor er fortfuhr: „Was ist mit dem Tag, wo du ein Abweichler geworden bist?“
„...das müsste der neunte November gewesen sein...“
„Yeah, der Tag! Nehmen wir den als deinen Geburtstag.“ Auf Connors Schweigen hin, sank Hank ein wenig in sich zusammen.
„Was? Nicht gut?“
„Doch, schon, ich....warum der Tag, Hank?“
„Warum? Weil es der Anfang deines Lebens war und nicht deiner Programmierung.“
„Oh...“
Ein Lächeln stahl sich auf Connors Gesicht und seine Brust fühlte sich mit einem Mal unnatürlich, aber angenehm warm an. Irgendwann würde er Hank erzählen, dass sein Leben begonnen hatte, als er ihm begegnet war. Aber das hatte Zeit, sie hatten Zeit. Ein Schritt nach dem anderen. „Heißt das, wir werden an meinem Geburtstag in diese eine spezifische Theatervorstellung gehen, die ich seit Wochen erwähne?“
Hank stöhnte nur genervt. „Connor, komm' schon. Nein.“
„Ich meine, es ist mein Geburtstag, nicht? Daher sollte ich mir aussuchen dürfen, was wir an dem Tag tun, richtig?“
„Urgh, gib ihm den kleinen Finger und er nimmt die ganze verdammte Hand“, grummelte Hank, wobei er aufstand, um den leeren Essenskarton wegzubringen und sich höchstwahrscheinlich etwas Stärkeres als Wein zu holen.
„Du bist die unmöglichste Person, der ich je begegnet bin, Connor.“ Meckerte er, nicht ohne beim Vorbeigehen sanft über Connors Schulter zu streichen.
„Und du genießt jede Sekunde mit mir“, erwiderte Connor nur keck.
„Ha! Mehr würde ich es genießen, wenn wir in eine Bar zum Trinken gehen würden und nicht in einstickiges Theater. Besonders das Stück? Komm schon, es geht um-“, doch Connor hörte ihm nur mithalben Ohr zu.
Eventuell würde er Hank den Gefallen tun und er würde Tina oder Chris mit ins Theater schleifen. Eventuell würde Hank mitkommen. Eventuell würden sie etwas komplett anderes tun, möglicherweise sogar mitten in einem Fall stecken. Was es auch sein würde, sie würden den Tag zusammen verbringen und den Tag danach und den danach und alle darauf folgenden Tage.
Fast ein Jahr, dachte Connor und streckte sich auf dem Sofa aus, nur um Hank dabei zu zuschauen, wie er fluchend versuchte die Whiskyflasche zu öffnen.Und die Freiheit, noch viele Jahre mehr dranzuhängen, realisierte Connor lächelnd und lehnte seinen Kopf in seine Armbeuge.
„Connor! Schau nicht wie so ein Hündchen, sondern mach dich nützlich und öffne diese verdammte Flasche!“
Freiheit.