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Wolfsherzen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Kapitel ist eine reine Therapiesitzung, in der Yuriy weder sich noch seiner Therapeutin irgendwas schenkt. Das nur als kleine Warnung, weil Dinge wie häusliche Gewalt verhandelt und die Töne stellenweise recht rau werden. Komplett anzeigen

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Aufprall

„Oh, Sie finden es anstrengend?“, schnappte Yuriy und fuhr sich durch die Haare. „Dann haben Sie ja den Bruchteil einer Idee, wie es mir geht, nachdem ich mich die ganze Zeit damit herumschlagen muss.“

Seine Therapeutin, Marina Fjodorowna, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie war eine große, massige Frau mit kurzen, eisengrauen Haaren und dunklen Augen, die als eine der ersten Frauen noch in der Sowjetunion zur Therapeutin ausgebildet worden war, auch wenn Yuriy immer das Gefühl gehabt hatte, dass sie sich schon vor langer Zeit von den beigebrachten Methoden verabschiedet hatte. Vor ihr hatte Yuriy vier Therapeuten und Therapeutinnen verschlissen, aber Marina Fjodorowna hatte weder Angst vor ihm, noch war sie überfordert oder gab unter ihm nach. Sie war ein Bollwerk, und gerade eben hasste er sie abgrundtief dafür.

Auch das ließ sie relativ unbeeindruckt, obwohl sie es deutlich in seinen Augen sehen musste. „Wir waren schon einmal an diesem Punkt, Yuriy Nikolajewitsch.“

„Patronyme gesetzlich vorzuschreiben ist ein Symptom für die Krankheit dieser Gesellschaft“, sagte Yuriy und ließ sich wieder in den Stuhl vor Marina Fjodorownas wuchtigem Schreibtisch fallen.

Seine Therapeutin nahm, was er ihr anbot. „Und wieso?“

„Was sagt es aus über mich oder meine Zugehörigkeit, den Namen eines Mannes zu tragen, der mich und meine Mutter geschlagen und sich jeden Tag betrunken hat, weil er es nicht mehr ausgehalten hat, nicht mehr wichtig zu sein? Wieso sollte ich mich in diese Linie der Abstammung stellen wollen?“, fauchte Yuriy. Die Härchen auf seinen Armen hatten sich aufgestellt. Er konnte spüren, konnte fühlen, wie er am Abgrund des schwarzen Lochs balancierte und die Angst ließ ihn noch wahnsinniger werden als sonst.

„Warum legen Sie ihn nicht ab und wählen einen neuen?“, fragte Marina Fjodorowna genauso scharf.

„Weil ich nicht kann!“

Seine Therapeutin zog eine Augenbraue hoch. „Es gibt entsprechende Formulare. Sicher, der Aufwand ist kein geringer, aber Sie sind eine Person des öffentlichen Interesses-“

„Vor einem Jahr vielleicht noch.“

„Unser Land gewährt Spitzensportlern größere Freiheiten als anderen und das wissen Sie auch. Und die Bürokratie - nun, immerhin ist es nicht mehr sowjetische Bürokratie.”

„Ich kann nicht“, wiederholte Yuriy und grub die Finger in sein rotes Haar, bevor er nach etwas griff und es durch die Gegend schleuderte. „Ich kann nicht, ich kann nichts ändern.“

„Das stimmt nicht, das ist es aber auch nicht“, sagte Marina Fjodorowna. „Warum führen Sie diesen Namen und nicht den Ihres Großvaters?“

„Hören Sie mir nicht zu? Weil ich nicht kann, Sie gottverdammte-“

„Hüten Sie Ihre Zunge, Yuriy Nikolajewitsch“, sagte Marina Fjodorowna hart, „und lassen Sie Ihre Haare - hier.“

Yuriy nahm den Stressball, den sie ihm reichte und schleuderte ihn quer durch das Büro, bis er gegen die Bürotür knallte und am Boden abrollte.

Einen Moment lang war es still, dann starrte Marina Fjodorowna ihn vielsagend an. „Geht es Ihnen jetzt besser?“

„Nein!“

Marina Fjodorowna verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann Ihnen noch einen geben. Vielleicht treffen Sie ja diesmal die Topfpflanze, ich hätte sowieso gerne eine Rechtfertigung für eine neue.“

„Ich bin nicht hier, um Ihre Einrichtung zu zerlegen“, zischte Yuriy.

„Nein“, sagte Marina Fjodorowna hart, „Sie sind hier, um sich selbst zu zerlegen und mich als Katalysator dafür zu benutzen. Aber momentan benehmen Sie sich wie eine Gazelle, die sich aus Angst vor dem Löwen nicht zum Wasserloch traut.“

„Ich bin keine Gazelle“, sagte Yuriy mehr zu sich selbst als zu ihr, „und ich habe keine Angst.“

„Beweisen Sie es mir“, sagte Marina Fjodorowna und neigte den Kopf. „Warum ändern Sie Ihr Patronym nicht, Yuriy Nikolajewitsch?“

Yuriy vergrub das Gesicht in den Händen. „Es ist nur ein Name. Das ist den ganzen bürokratischen Aufwand doch gar nicht wert.“

„Ein Name ist nie nur ein Name“, sagte Marina Fjodorowna und klang dabei fast gütig. „Warum färben Sie Ihre Haare nicht?“

Yuriy ließ die Hände sinken und starrte sie an. „Wie bitte?“

„Gut, bei Ihrem Patronym steht Ihnen vielleicht die Bürokratie im Weg.“ Sie neigte den Kopf und betrachtete ihn mit glitzernden Augen. „Aber wieso haben Sie nie Ihre Haare gefärbt?“

Yuriy starrte sie lange, lange an. Sein Mund war so trocken, dass er einen Moment lang glaubte, dass nur Staub herauskommen würde, wenn er ihn öffnete. Dann jedoch zischte er, den Körper bis zum Äußersten angespannt: „Wollen Sie mich verarschen?“

„Absolut nicht.“

„Ich weiß, worauf Sie hinauswollen“, sagte Yuriy und hielt sich erst im letzten Moment davon ab, die Faust auf den Tisch zu donnern. „Sie kommen sich sicher so clever vor! Ich färbe mir meine Haare nicht, weil ich an meiner Vergangenheit hänge. An dieser beschissenen Abstammung von zwei Leuten, die sich nur um sich selbst gekümmert haben. Weil ich nicht gerne loslasse, auch nicht die miesen Teile von meiner Identität. Das ist es doch, worauf Sie hinauswollen, oder nicht?“

„Ich habe nichts dergleichen gesagt, aber es ist interessant, wie Sie das sehen.“ Marina Fjodorownas Mundwinkel zuckten.

Yuriy erkannte, dass er ihr geradewegs in die Falle gegangen war und funkelte sie an. „Sie sind wirklich das Letzte.“

Seine Therapeutin erwiderte den Blick wachsam, aber ohne Angst oder Verletztheit. „Ich kann nichts dafür, wenn Sie manchmal cleverer sind, als Ihnen gut tut. Möchten Sie nicht doch noch etwas werfen?“

„Nein“, knurrte Yuriy aufgebracht, „hören Sie auf damit, mich aufzustacheln!“

„Ich bilde mir ein, dass ich dafür bezahlt werde.“

„Nicht dafür!“

„Wenn Sie nichts werfen und auch nicht Ihren Namen ändern wollen“, sagte Marina Fjodorowna ungerührt, „was wollen Sie dann?“

„Ich will gut sein“, murmelte Yuriy, ohne darüber nachzudenken und ohne die Hände sinken zu lassen. Sein Herz zog sich zusammen, verkrampfte sich, bis er das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. „Ich will glücklich sein. Ich will aufhören, wegen etwas durchzudrehen, das nicht mehr von Bedeutung ist.“

Einen Moment lang war es still. Dann hörte er, wie Marina Fjodorowna sich erhob, ehe sie zu ihm kam und eine Hand auf seine Schulter legte, wobei sein Zucken ignoriert wurde.

Gut sein ist harte Arbeit und Einstellung, nicht etwas Inhärentes“, sagte sie ruhig, „und Glück kommt und geht. Aber wir arbeiten daran. Sie arbeiten schon sehr lange sehr hart daran, und Sie haben gute Fortschritte gemacht.“

Nun sah Yuriy doch auf und hielt ihr wortlos die bandagierten Hände hin, um eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen.

Marina Fjodorowna schnalzte unbeeindruckt mit der Zunge und wanderte zum Samowar hinter ihrem Schreibtischstuhl. Sie füllte eine Tasse mit Schwarztee und reichte sie ihm über den Tisch hinweg, um sich dann wieder in ihren Schreibtischstuhl fallen zu lassen. „Das ist ein kurzfristiger Rückschritt, der allen passiert. Konzentrieren Sie sich darauf, dass Sie nötige Schritte unternommen haben, um davon wieder wegzukommen.“

Yuriy schnaubte.

„Sie holen sich die Kontrolle wieder zurück, Yuriy Nikolajewitsch. Deswegen sind Sie doch auch hier.“

„Wissen ist Macht“, murmelte Yuriy.

Marina Fjodorowna gab ein Geräusch von sich, das sowohl Zustimmung als auch Ablehnung sein konnte. Sie wartete, bis er einen Schluck getrunken hatte und sagte dann: “Wieso glauben Sie, dass der Weggang Ihrer Mutter nicht mehr von Bedeutung ist?”

„Er sollte nicht mehr von Bedeutung sein”, sagte Yuriy.

„Das sind zweierlei Paar Schuhe.”

Yuriy atmete tief durch. „Man kann nichts mehr dran ändern. Es ist lächerlich. Sie hat ihre Entscheidungen getroffen, mein Vater hat seine Entscheidung getroffen und ich habe die meinen getroffen.”

Marina Fjodorowna sah ihn eine Weile an und strich sich gedankenvoll über das Kinn. Dann sagte sie: „Sie wussten, dass Ihre Mutter versucht hat, Sie zu kontaktieren, nachdem die Abtei zusammengebrochen ist.“

Yuriy sagte nichts, sondern schlang die Hände fester um die Tasse.

Marina Fjodorowna beobachtete ihn, ohne zu blinzeln, dann fuhr sie fort: „Sie wussten das und wir haben lange genug besprochen, warum Sie sie damals nicht sehen wollten. Noch einmal: das war Ihr absolutes Recht und ich stimme Ihnen nach wie vor zu, dass es damals wichtigere Baustellen gab. Aber vor einem halben Jahr haben wir noch darüber diskutiert, ob Sie sie kontaktieren sollten. Zumindest hatten Sie den Wunsch danach geäußert. Oder etwa nicht?“

Yuriy schloss die Augen und schob das Gesicht tiefer in seinen Rollkragenpullover.

„Sie hätten jetzt die Gelegenheit gehabt, mit ihr zu reden“, fuhr Marina Fjodorowna erbarmungslos fort, „wieso haben Sie es nicht getan?“

„Ich war am Einkaufen“, sagte Yuriy sinnloserweise.

Marina Fjodorowna schnaubte. „Lügen Sie von mir aus mich an, aber nicht sich selbst.“

„Ich hätte mitten am Markt ihre Hand schütteln und sie anreden sollen?”, fragte Yuriy sarkastisch und imitierte eine betont freundliche Stimme: „Oh, hallo, Mutter, war der Kummer also nicht groß genug, um nicht wen Neuen zu finden und dich von ihm-”

„Sprechen Sie es ruhig aus”, sagte Marina Fjodorowna ruhig, „das hier ist ein Raum, in dem Sie alles sagen dürfen, egal wie hässlich es ist. Ich verurteile Sie nicht. Ich bin nur Ihr Katalysator, der Ihnen beim Entgiften hilft.”

„Es war das Mädchen“, sagte Yuriy. Er konnte sein eigenes Blut in den Ohren rauschen hören, als er langsam auszurutschen begann. Es war wie eine Lawine, die er nicht aufhalten konnte, aber beinahe, als ob er konnte, begann er schneller zu reden. „Sie hat die gleiche Haarfarbe wie ich, genau die gleiche, aber sie sieht aus wie ein Fuchs. Wie alt ist sie, vielleicht sieben? Acht?“

„Was empfinden Sie, wenn Sie an sie denken?“, fragte Marina Fjodorowna, die immer ruhiger wurde, je mehr er sich aufregte.

„Ich hasse sie“, wisperte Yuriy, weil es ohnehin schon egal war. Marina Fjodorowna kannte das schwarze Loch in ihm, das alles aufzufressen drohte, wenn er es nicht konstant in Schach hielt. Sie kannte seine Grausamkeit und seine Gleichgültigkeit, seine scharfen Kanten, die niemand jemals schleifen können würde, und sie kannte das Eis, das ewige Eis. „Ich will, dass sie nicht existiert - sie ist schwach. Ein Schwächling. Sie hätten sie sehen sollen, ein Ast im Wind. Ich hätte ihr mitten im Markt das Genick brechen können. Ich hätte sie mitnehmen und verkaufen können und man hätte sie nie wieder gefunden. Sie hätte auf der Straße nie überlebt und auch nicht in der Abtei. Volkov wäre mit ihr Schlitten gefahren.“

„Und dafür hassen Sie sie?“

„Nein“, sagte Yuriy und stellte die Tasse ab, bevor er sie mit seinen zitternden Fingern durch den Raum schleudern konnte. Die Wut brannte in ihm, brannte ihn aus, und er wollte deswegen am liebsten weinen.

Still, murmelte das Dämonenhirn, still. Wer weint, wird schneller gefunden.

Yuriy holte tief Luft. „Ich hasse sie, weil sie nicht stark sein muss.“

„Weil Ihre Mutter auf sie acht gibt“, sagte Marina Fjodorowna ruhig, „weil sie sie nicht verlassen hat.” Als Yuriy nickte, verschränkte sie die Finger und stützte ihren Kopf darauf, um einen Moment lang aus dem Fenster zu blicken. Stille, nur unterbrochen von dem Ticken der Standuhr. Draußen vor dem Fenster war Moskau und kümmerte sich nicht darum, was für Geister in alten Gebäuden und jungen Köpfen spukten.

Yuriy schloss die Augen. Dann wisperte er:„Ich will einfach nur wissen, was ich falsch gemacht habe.“

„Sie haben nichts falsch gemacht“, erwiderte Marina Fjodorowna sachte.

„Das kann nicht sein“, widersprach Yuriy, „irgendetwas muss ich falsch gemacht haben, sonst würde sie mich nicht so bestrafen. Sonst hätte sie mich nicht ausgetauscht. Sonst hätte sie mich nicht allein gelassen. Wir hätten ein Team sein sollen - das war der Pakt, wir hätten ein Team sein sollen, und stattdessen ist sie gegangen und hat mich ausgetauscht. Wenn ich nichts falsch gemacht hätte-“

Marina Fjodorowna wartete, ohne die Augen von ihm zu nehmen.

Yuriy holte tief Atem. Es tat weh. Die Worte brannten in seiner Lunge und auf seiner Zunge. Er wollte nicht aussprechen, was seit Jahren von ihm mitgeschleppt worden war. Alter Schmerz, so alt, dass er ihn tief, tief in seinen Knochen verborgen hatte. Ihn herauszuholen war anstrengend und fühlte sich an, als ob er sich vollkommen schutzlos jemandem vor die Füße warf, der ihn zerquetschen wollte. Instinktiv wollte er sich um diesen alten Schmerz, um diese Worte krümmen und sie in die Dunkelheit zurückstoßen, um sie zu beschützen, und sich selbst gleich mit dazu.

Marina Fjodorowna wartete, und es gab hier niemanden, der ihn verletzen konnte außer ihm selbst.

Yuriy schloss die Augen. Dann sagte er sehr leise und mit plötzlicher, vehementer Erschöpfung: „Wenn ich nichts falsch gemacht hätte, dann wäre ich doch genug gewesen.”

Er atmete durch die Stille, vergrub das Gesicht in seinem Ärmel und die Hände in seinen Haaren. Die Standuhr tickte unermüdlich vor sich hin. Draußen vor dem Fenster war Moskau, das sich immer schon keinen Deut drum geschert hatte, ob er lebte oder starb, und ob er dabei alleine durch musste oder nicht.

„Yuriy“, sagte Marina Fjodorowna nach einer Weile sachte, „es war nicht Ihre Schuld. Sie waren ein Kind. Verantwortung können nur Erwachsene übernehmen. Ihre Mutter war auch ein Opfer, aber das bedeutet nicht, dass sie sich nicht einer Verantwortung entzogen hat, die sie gehabt hätte, und es ist vollkommen normal und verständlich, dass es Ihnen wehtut. Verstehen Sie mich? Sie dürfen zulassen, dass es wehtut.“

„Warum hat sie mich nicht mitgenommen?“, fragte Yuriy und konnte sich selbst nicht zuhören, als er vollends in den Abgrund fiel und seine Stimme brach. „Ich verstehe, warum sie gegangen ist - aber warum hat sie mich nicht mitgenommen? Warum ist Platz für sie und für mich war keiner da? Wie feige ist das - wie schwach? Wie kann man einfach gehen und jemanden zurücklassen, wenn er einen braucht?“

Marina Fjodorowna sagte nichts. Aber sie stellte die Taschentuchbox vor ihn, stand auf und setzte sich neben ihn.

Sie berührte ihn nicht. Aber als er schließlich wieder aufblickte, teilten sie sich eine Zigarette in ihrem Büro mit Rauchverbot, und sie beobachteten durch das weit offene Fenster Moskau, das unermüdlich weiterlebte, der Zukunft entgegen trotz aller Geister, die nicht zur Ruhe kommen wollten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  WeißeWölfinLarka
2020-07-06T09:23:25+00:00 06.07.2020 11:23
[No! Ich fühl mich angesprochen! D: (Wegen des Vornamens der Therapeutin^^°)]

Dieses Kapitel ist stark. So stark und intensiv und mir fehlen die Worte, wie ergriffen es mich macht.
Da sind so viele Details, die mich schweratmend und mitfühlend zurücklassen.
Yuriys tiefsitzender Schmerz wird nicht erst deutlich dadurch, dass du es so verbalisierst, sondern an den Dingen die er sagt, bzw. nicht sagt.
Das Ende tut auch so viel. Die Therapeutin weiß sehr genau was sie tut und ihre Geduld ist erstaunlich.

Dieses Kapitel nimmt mich sehr mit (keine Sorge, auf die „gute Art“, wie ich immer sage). Der Inhalt ist beklemmend und fürchterlich und auf der einen Seite will ich Yuriys Mutter hassen, dass sie ihm diese Gefühle gibt, aber auf der anderen Seite kann ich sie nicht hassen, weil sie da ist, weil… Sina da ist… und diese Eifersucht Yuriys auf die kleine Schwester, das ist etwas sehr Eigenes, und es ist wichtig und richtig, dass er das in der Therapie thematisiert.

Von:  LittleLionHead
2020-03-22T08:13:17+00:00 22.03.2020 09:13
Ich liebe diese Szene. Die Wut, die Yuriy hier endlich nach außen trägt. Wie er es endlich ausspricht. Wie sie gemeinsam eine Zigarette rauchen. Dieses Kapitel ist so dunkel und trägt trotzdem Hoffnung in sich. <3
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-03-12T15:01:49+00:00 12.03.2020 16:01
Ich habe dieses Kapitel sehnsüchtig erwartet. Denn ich war mega gespannt auf das Therapeutengespräch. Zwar weiß ich selbst nicht warum, aber ich finde solche Gespräche wahnsinnig aufschlussreich. Leider sind meine Fähigkeiten solche ansatzweise zu führen verdammt mikrig.... TTxTT
Daher war ich wie gebannt.
Die Beschreibung der Therapeutin gefiel mir sehr gut. Ich konnte sie mir deutlich vorstellen und mir war sofort klar, dass sie sehr resolut sein musste.
Allein die Aussage "Seine Therapeutin nahm, was er ihr bot" sagt so viel über ihre Qualifikation (jenseits von Urkunden) aus. Sie vermittelt absolute Ruhe und auch wenn das einen auf die Palme bringen mag....ich glaube genau das ist es was Yuriy brauch.
Sehr geschickt entlockt sie ihm Dinge seiner selbst und ich muss sagen, dass mir das Herz geblutet hat.
Seine Aussage, dass er gut und glücklich sein will....ich hatte Tränen in den Augen.
Auch als er sich über "sein" Fuchsmädchen auslässt. Ich habe automatisch wieder zwischen den Zeilen gelesen..
Er mag es so ausgesprochen haben und oberflächlich auch so empfinden...doch es schwang (für mich) verdammt viel Neid mit.
Ich muss sogar gestehen, dass ich das gut fand. Zeigt es doch, dass er nicht nur die Waffe/Cyborg etc. ist, zu der/dem er gemacht wurde.

An dieser Stelle muss ich dich auch für deine bildhafte Gestaltung (wieder!?) loben.
Die Szene in der er sein Gesicht in den Ärmeln und seine Finger in den Haaren vergrub...für mich großes Kino.
Ich hatte das gefühl, dass er mir gegenüber sitzt und auch bei mir die Standuhr tickt. (Ich hab keine...nur ne normale Wanduhr..aber die tickt passenderweise auch sehr laut XD)

Yuriys Fragen weisen ebenfalls auf seine zerrüttelte Seele hin und auch wenn er kein Mitleid wollen würde...
Er tut mir so verdammt leid.
Antwort von:  Mitternachtsblick
21.03.2020 13:17
Ich find Therapeutengespräche auch echt schwierig und hab lang mit mir selber debattiert, ob ich das auf diese Weise aufziehen will, hab mich dann aber dafür entschieden, weil ich mir dachte, dass es eine Selbstkonfrontation absolut braucht und ein Therapeutengespräch, das Yuriy explizit ansucht, um dort mit sich selber kämpfen zu können, erschien mir als gute Option.
Man muss bei diesem Gespräch generell viel zwischen den Zeilen lesen, glaube ich, auch wenn Yuriy hier mehr und direkter ausspricht, was ihn quält, als in allen anderen Fanfics, die ich bisher auf Animexx gehauen hab. XD Dementsprechend: Neid auf Sinaida ist absolut da, Abandonment Issues in Hülle und Fülle, auch die Wut ist echt - aber eben nicht unbedingt auf Sinaida als Person, sondern als Konzept. (Und das weiß er, denke ich, spätestens nach dieser Therapiesession auch.)
Ich freu mich auch, dass die Gesten gut gewirkt haben. Die sind nicht unwichtig und ich lieb's einfach, was für eine aufmerksame Leserin du bist. <3
Von:  FreeWolf
2020-03-10T21:46:17+00:00 10.03.2020 22:46
Dieses Kapitel liest sich wie eine Abwärtsspirale, an deren Ende - ja, was eigentlich ist? Eine offensichtlich sehr tolle Therapeutin, die ganz haargenau die richtige für Yuriy ist, weil sie weiß, wann sie hart bleiben muss, wann sie ihn in seine Schranken weisen muss und wann sie sich neben ihn setzen und mit ihm eine Zigarette rauchen muss, weil er wieder einen der vielen Schritte auf seinem sehr sehr langen Weg gemacht hat. Das Ende des Kapitels hat ein positives Gefühl hinterlassen, auch wenn der Blick in Yuriys psychologische Abgründe mich sehr mitgenommen hat.
Aber first things first. Wie schon in den vorherigen Teilen fand ich das pacing wirklich gut gelungen. Ich habe beim Lesen das Gefühl langsam in Yuriys viele Schichten hineinzublicken. Wo er sich anfangs noch verweigert und durch seine Beschwerden über das Patronym auch irgendwo sich selbst noch einen Ausweg gibt (er hätte mit anderen eine lange Diskussion über den Status der Gesellschaft führen können), geht das in dem Moment nicht mehr, in dem er vor sich selbst zugibt, dass er nicht loslassen kann, weil er nun einmal an allem festhält, was er liebt und geliebt hat.
Du hast Yuriys äußerst zwiegespaltene Haltung gegenüber seinen Eltern unglaublich gut eingefangen - so, dass es mir das Herz so eng zusammenzieht wie Yuriys Geständnis, dass er "gut" sein wolle. Seine Therapeutin findet da übrigens auf sehr bewegende Art Worte für ihn. Ich mag es auch, dass sie wenige, aber signifikante Gesten tut: Sie hört zu, wird ruhiger, wenn er sich aufregt, und heiß, wann er ein Tätscheln auf die Schulter braucht.

Yuriys Abgründe, seine scharfen Kanten, wie du es formulierst, sind schmerzhaft, aber vor allem, weil sie zeigen, was eigentlich in ihm vorgeht: Seine Sehnsucht ist so menschlich wie verständlich und bricht mir gerade deshalb das Herz.

Ich habe jetzt sicher hundert Dinge vergessen, aber ich stelle nciht den Anspruch, eloquent Rückmeldung zu geben. Für mich war Yuriys Tiefpunkt das zweite Segment, dort hatte ich das Gefühl, Yuriys Aufprall zu beobachten. Hier bewegt er sich zwar noch nahe am Tiefpunkt, aber er bekommt schon wieder aufschwung, auch weil er sich Hilfe holt. Dieses vierte Segment fühlt sich für mich an wie der eigentliche psychologische Kern der Geschichte. Noch sind Boris und Kai ja noch nicht vorgekommen, aber ich bin sehr gespannt, wie sie Yuriy schlussendlich heimbringen werden. Ich freue mich schon darauf!
Antwort von:  Mitternachtsblick
21.03.2020 13:12
Hach, dieses Kapitel war für mich das schwerste von allen und deswegen atme ich erleichtert auf, wenn ich lese, dass es so angekommen ist, wie ich mir das vorgestellt habe. :D
Das Kapitel ist deswegen mit "Aufprall" betitelt, weil er sich hier halt tatsächlich sich selbst stellt und das ist mitunter das schmerzhafteste und angstmachendste, was es gibt. Da wollte ich ihm zumindest eine Therapeutin an die Seite stellen, die perfekt zu ihm passt und ihm so viel wie möglich auf dem Weg zu dieser Selbstkonfrontation abnehmen kann - die letzten Schritte muss sowieso er selbst machen, das weiß er aber auch. Er ist für mich so ein unapologetic character, der Dinge auch durchzieht, wenn er Angst davor hat, aber es ist immer was anderes, dieses Verhalten auf die Außenwelt anzuwenden, statt auf sich selber. Deswegen reagiert er auch so defensiv-verletzend an manchen Stellen, weil er zwar selber zum Angriff geblasen hat, sich trotzdem aber instinktiv vor der Attacke schützen will. Das Hirn ist manchmal dumm. :D Und er ist für mich halt auch ein Charakter, der sich sehr bewusst über seine guten und schlechten Taten/Vorzüge ist und da auch keine Entschuldigungen macht, was grundsätzlich ja eine gute Sache ist, aber halt nicht immer (und sicher auch zu mangelnder Nachsicht gegenüber anderen Leuten führen kann, die mehr Entschuldigungen für ihr Fehlverhalten vorbringen, aber ich schweife ab).


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