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Wenn einen die Vergangenheit einholt

von

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White Ninja

Grob und spartanisch war die Arena, in der sich sämtliche Bewerber bekämpften. An manchen Stellen war das kreisrunde Straßenstück, das durch mit Gewalt gebogenen Stahlträgern in Form gepresst worden war, aufgesprungen, oder brannte lichterloh. Das Bitumen schmolz einfach und verursachte einen strengen, beißenden Geruch. Das gefiel der Masse. Es war eine Abwechslung zum tristen Alltag, und dem Schock, der Verfolgung der Regierung ausgesetzt zu sein. Wer hier gewann, dem war ein Platz an Magnetos Seite, in dessen neuer Ordnung, sicher. Erik Lehnsherr, wie einer seiner Namen lautete, brauchte einen Leibwächter. Dieser musste zuverlässig, stark und loyal sein. In den Grubenkämpfen hoffte er einen solchen zu finden.
 

Der alte Mann stand tatsächlich selbst auf einer der Tribünen, die Arme vor der Brust verschränkt. Seinen Helm hatte er am Gürtel eingehakt, was einen Blick auf die grauen Haare und das faltige Gesicht erlaubte. Das Cape wurde von einer kühlen Brise aufgebläht und flatterte ein wenig hinter ihm. Die Tatsache, dass der Anführer der Bruderschaft, jener Mutanten, die sich nicht von ihrer „Krankheit“ heilen lassen wollten, selbst als Zuschauer aufgetaucht war, heizte die Menge nur noch mehr an.
 

Sie alle, einschließlich Erik selbst, hatten auch schon einen Favoriten gefunden. Dieser hatte sich als „White Ninja“ vorgestellt und trug eine Kluft passend zu diesem Spitznamen. Der schützende Stoff am athletischen Körper des jungen Mannes war schneeweiß. Seine Armschienen bestanden aus Bambusholz. Das Gesicht war, bis auf die grellweißen Augen, gänzlich von einer Maske bedeckt. Auf dem Rücken hatte er ein Schwert gegürtet, das aber noch nie zum Einsatz gekommen war.
 

Der White Ninja kämpfte seit Tagen ununterbrochen, ohne dabei Anzeichen von Müdigkeit oder Schwäche zu zeigen. Feuer, Eis, Luft, selbst Psychokinese hatte ihn nicht aufhalten können. Mühelos war er den Angriffen seiner Gegner ausgewichen, hatte sie mit Tricks aus der Reserve gelockt, oder sie gegeneinander ausgespielt. Am Ende war jeder durch beeindruckende Nahkampfähigkeiten außer Gefecht gesetzt worden, und zwar so, dass Magnetos Anhängerschaft nicht gewaltsam verkleinert wurde.
 

Er kämpfte ohne zu töten. In seinen Augen, die eine unendliche Kälte und Leere ausstrahlten, war aber zu lesen, dass er dazu durchaus bereit war. Ein Killer, der nachdachte, bevor er zuschlug, der Eriks Ressourcen schonte. Er war noch immer nicht dahintergekommen, welche Kräfte der junge Mann benutzte, nur über das Schwert hatte er etwas herausfinden können.
 

Das Metall, obwohl nie gezogen, war für Magneto spürbar. Er kannte diese fremdartige Substanz, das Gefühl, etwas von außerhalb dieser Welt zu fühlen. Adamantium. Woher der White Ninja diese Waffe hatte, würde sich schon bald herausstellen. Für Erik stand fest: Dieser und kein anderer. Er wollte noch einen letzten Test durchführen, bevor er seine Entscheidung bekanntgab.
 

„Schickt das Sonderkommando“, rief der Grauhaarige, ohne dabei eine Miene zu verziehen.
 

Ein Raunen ging durch die Menge, als eines der Gitter geöffnet wurde, aus denen die Herausforderer strömten. Sechs Personen in voller Montur, im Tarnlook, gut gepanzert, und mit Gewehren bewaffnet, stürmten herein. Ihre Munition bestand aus dem neuartigen Serum, welches die Mutationskräfte neutralisierte. Wenn der Junge auch noch das bewältigte, war er wahrlich jene Waffe, die Magneto suchte.
 

Der White Ninja schaltete gerade einen Gegner durch einen Griff an die Schulter aus. Wie eine Marionette, deren Fäden man durchschnitten hatte, fiel der Kontrahent zu Boden. Aus den Augenwinkeln heraus konnte der Favorit der Arena die neuen Gegner erkennen. Mit einem analysierenden Blick verschaffte er sich ein Bild, bevor er, wie der Blitz, losstürmte.
 

Ohne zu zögern eröffnete das Sonderkommando das Feuer. Sie hatten genügend Serum dabei, um eine kleine Armee auszuschalten. Die ersten Schüsse gingen ins Leere, prallten an den Mauern ab, oder blieben darin stecken. Es war unmöglich, den Weißgekleideten zu treffen. Hatten sie ihn ausgemacht, war er schon wieder woanders.
 

Als der Erste nachladen musste, vollführte er einen Salto, schlug ihm das Gewehr aus der Hand und trat ihm mit solcher Wucht gegen das Schienbein, dass dieses laut knackend brach. Der schreiende Mann wurde grob herumgerissen und bekam eine Ladung des Serums ab, das sein Teamkollege panisch auf sein Ziel abgefeuert hatte.
 

Dem nächsten Schuss wich der White Ninja durch einen Seitenschritt aus, rutschte zwischen den zwei nächsten Soldaten hindurch und riss sie dabei mit den Ellenbogen von den Füßen. Mit der rechten Hand formte er eine Kralle, und schlug dabei dem Fünften so gegen das Kinn samt Helm, dass dessen Kopf in den Nacken flog und das Visier in tausend Teile zerbrach.
 

Aus einer Tasche an seinem Gürtel zog der White Ninja zwei Shuriken, warf sie elegant in die Höhe, um sie dann in Richtung der zwei am Boden liegenden Männer zu schicken. Deren Gewehre wurden jeweils durchlöchert und waren somit nutzlos. Der letzte Gegner warf seine Waffe zu Boden und wich zurück.
 

„Das reicht“, waren Magnetos nächste Worte. Mit der rechten Hand verformte er den Untergrund der Tribüne, auf der er stand, so, dass dieser eine Scheibe bildete, auf dem er hinabschweben konnte. Nur mit großer Mühe und einem gewissen Maß an Selbstkontrolle war er in der Lage, seine Bewunderung zu verbergen. Der junge Mann war mindestens ein Klasse 4 Mutant, wie er selbst.
 

„Das war beeindruckend, junger Mann“, setzte Magneto an, zog dann aber die Augenbrauen in die Höhe, als ein weiter Shuriken an seinem linken Ohr vorbeiflog. Ein Blick nach hinten offenbarte ihm den letzten Soldaten, der röchelnd zu Boden sank. Der Wurfstern steckte in seinem Hals.
 

„Sie sollten Ihre Kämpfer besser auswählen, Sir. Der da hinten hat mit einer Pistole auf sie gezielt.“

Zum ersten Mal seit Beginn der Kämpfe hatte der Junge gesprochen. Seine Stimme war weich, sanft, fast schon melodisch.
 

„Vielleicht war auch das nur ein weiter Test?“ Magneto hob seine Mundwinkel ein wenig an. Er war wirklich zufrieden, ein bei ihm seltenes Gefühl.

„Dann hoffe ich, dass ich auch diesen bestanden habe?“

„Das hast du, mein Junge. Wie ist dein Name?“
 

Der White Ninja verbeugte sich demütig vor dem alten Mann. Dabei rutschten ihm einige Strähnen schwarzen Haares aus der Gewandung.

„Mein Name ist Liam, Sir.“
 

Magneto zog verwundet die Augenbrauen in die Höhe. Er hatte mit einem asiatisch anmutenden Namen gerechnet. In den vielen Jahren seines Lebens hatte er sich mit vielen Kulturen beschäftigt, und geglaubt, einige Muster erkennen zu können, die sein Gegenüber als Asiaten auswiesen. Nicht nur die Kleidung, sondern auch die Bewegungen erinnerten stark an die fernöstliche Kampfkultur.
 

„Ein kräftiger Name, Liam.“

„Meine Mutter hat mich so genannt.“

„Dein Vater?“

„Hat meine Mutter verlassen.“

„Ah ja. Eine Kämpfernatur also. Finde dich in einer halben Stunde in meinem Quartier ein, dann wird dir alles gezeigt werden.“

„Jawohl, Sir.“
 

Liam verbeugte sich erneut tief, bevor er aus der Arena ging. Etwas an seinem Blick beunruhigte Magneto ein wenig. Er kam ihm so vertraut vor.

„Mystique?“, fragte er in die Stille hinaus, die nach dem Abziehen des Jungen entstanden war.

„Ja?“, erschien die Blauhäutige neben ihm.

„Versuche alles über unseren Neuzugang herauszufinden was du kannst.“

„Natürlich.“
 

Nachdenklich starrte der Grauhaarige seinem neuen Leibwächter nach. Er fürchtete ihn nicht, hatte aber doch ein mulmiges Gefühl. „Liam“, echote es in seinem Kopf. Etwas in ihm regte sich dabei, konnte es aber nicht genau einordnen. Millionen von Menschen hießen wahrscheinlich Liam, doch dieser eine… Kopfschüttelnd schwebte er wieder nach oben, in Richtung Hauptquartier der Bruderschaft.



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