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In Pissgelb und Rosé

von

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Als sie die Augen aufschlug, empfingen sie rostrote Ziegelsteine, die im Halbdunkel fast schwarz zu sein schienen. Padma stöhnte, während sie sich aufsetzte. Ihr Kopf tat weh, die Welt schwankte und sie fühlte sich, als hätte sie sich vor Kurzem erbrochen.

Hatte sie sich erbrochen?

Padma versuchte, sich zu erinnern, doch da war nichts. Sie wusste noch, wie sie das Lagerhaus betreten hatte, entschlossen, einen Blick in die Kisten zu werfen, in deren Frachtpapieren das Wort «Tee» verzeichnet gewesen war. Sie erinnerte sich, wie sie die Nägel aus einer hellen, weißen Kiste gehext hatte, wusste, wie sich der Deckel unter ihren Fingern angefühlt hatte, als sie ihn angehoben hatte. Und dann — nichts.

Ratlos begann sie sich umzusehen. Rostrote Ziegelsteine hatte sie im Lagerhaus nicht bemerkt. War sie überhaupt noch dort?

Sie lauschte, konnte jedoch das gleichmäßige Rauschen der Themse nicht mehr hören, das sie auf ihre Erkundungstour begleitet hatte. Vielleicht hatte jemand die Tür geschlossen?

Unwillkürlich schob sie Hand in den Ärmel ihrer senfgelben Robe und suchte nach ihrem Zauberstab, doch nichts.

Sie schluckte. Etwas, das sie ob des widerlichen Geschmackes in ihrem Mund so gleich bereute. Vielleicht hatte sie den Stab fallen lassen, als sie gefallen war. Vorsichtig tastete sie umher. Der Boden war glatt und kalt, doch sie konnte kein Stück Holz erspüren.

Umständlich rappelte sie sich auf. Noch immer tanzten die Kisten vor ihren Augen, aber wenn sie ganz langsam und ruhig atmete, wurde es ein bisschen besser.

 

Vorsichtig machte sie einen Schritt, dann noch einen und so langsam begann sie ihrem Gleichgewichtssinn wieder zu vertrauen. Die Welt um sie herum wurde ruhiger. Ihr Magen hörte auf zu rebellieren. Leise schlich Padma um eine Kiste herum und erstarrte.

 

Da vor ihr, im Halbdunkel. Das war — Padma presste sich die Hand vor den Mund, um ihr entsetztes Keuchen zu unterdrücken — ein Phönix. Dicke, dunkle Ketten drückten das Tier auf den Boden. Sein leuchtend orangerotes Federkleid wirkte stumpf und fahl. Glanzlose Augen richteten sich auf sie. Ein Schnabel bewegte sich, doch es erklang kein Krächzen.

Padma schluckte. Wer hatte das dem armen Tier nur angetan? Zögerlich machte sie einen Schritt auf den Phönix zu, dann noch einen und schließlich konnte sie vorsichtig die Fingerspitzen durch die farblosen Federn gleiten lassen.

«Keine Angst», flüsterte sie, obwohl ihr ihr eigenes Herz bis zum Halse schlug, «Ich hole uns hier irgendwie raus.» Vorsichtig glitten ihre Finger zu den Ketten und zogen daran, doch sie waren stabil. Hätte sie ihren Zauberstab gehabt, sie hätte sie einfach sprengen können, doch so bildeten sie ein unüberwindliches Hindernis. Hart und kalt umschlossen sie die Flügel des armen Tieres, seinen Hals, seine Füße ...

Nein, ohne Magie war es unmöglich, ihn da herauszubekommen. Sie musste ihren Zauberstab in die Finger bekommen.

 

Vorsichtig löste sich Padma von dem Vogel. «Ich hole Hilfe», flüsterte sie ihm zu, dann schlich sie weiter in die Dunkelheit hinein.

 

Ein wenig hilflos lief sie zwischen den Kisten und Kartons herum, doch mit jedem Schritt, den sie machte, wurde ihr bewusster, dass sie nicht auf ihren Zauberstab hoffen konnte. Wenn sie ihn wirklich hier irgendwo verloren hatte, dann konnte er überall sein. Vielleicht war er hinter eine Kiste gerollt, vielleicht lag er irgendwo in einem schmalen Durchgang zwischen den Gütern, aber ganz egal, wie es wirklich war: Sie hatte ein Problem.

Irgendjemand hatte den Phönix hier angekettet. Und möglicherweise hatte dieser Jemand sie auch an den Kisten erwischt. Und wenn dem so war, dann würde er sicher wiederkommen. Sie musste einen Ausgang finden.

 

Unwillkürlich glitt ihr Blick zur Decke hinauf. Die schmalen Fenster dort verrieten ihr, dass es mitten in der Nacht war. Vielleicht war deshalb niemand hier. Vielleicht würde sich mit dem ersten Sonnenstrahl die Tür der Halle öffnen und dann — Merlin wusste, was dann geschehen würde.

Oder vielleicht — Padma japste tonlos — vielleicht war sie hier auch gar nicht so allein, wie sie zunächst gedacht hatte. Vielleicht bewachten die Verantwortlichen ja den Ausgang. Sie würde den Ausgang bewachen, hätte sie hier illegalerweise einen Phönix versteckt.

Aber wenn das stimmte, dann hieß das, dass sie unmöglich durch die Tür verschwinden konnte. Sie würde ihren Gegenspielern höchstens in die Arme laufen. Stumm ließ sie sich hinter eine Kiste sinken.

«Denk Padma, denk. Es muss einen Weg hier raus geben», flüsterte sie sich selber zu.

Die Fenster schloss sie schon einmal aus. Die lagen viel zu hoch für sie. Die Tür selbst stellte auch keine Möglichkeit mehr da. Vielleicht sollte sie doch zu dem Phönix zurückkehren und versuchen, irgendwie seine Ketten aufzubekommen. Oder aber ... Ein hauchdünnes Lächeln glitt über ihre Lippen. Vielleicht hatte sie gerade die rettende Idee.



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