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The Monster inside my Veins

von

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Ein wahrer Egoist

3 Tage später

 

Liebe. Schmerz. Trauer. Angst. All das und noch viel mehr fühlte Rye, als er nach und nach aus seinem Schlaf erwachte. Dieser Traum war anders als seine vorherigen gewesen. Seltsamer. Er wollte ihn noch nicht sofort wieder verdrängen. Doch die Szenen in seinem Kopf verblassten viel zu schnell und er konnte keinen Zusammenhang mehr erkennen. Schließlich wurde ihm bewusst, dass es egal war. Er konnte den Traum wie immer einfach vergessen, weil alles, was darin vorgekommen war, schon lange keine Bedeutung mehr hatte. Dennoch ließ sich das unwohle, fast unerträgliche Gefühl nicht vertreiben. Ihm war so kalt. Die Kälte fraß ihn nahezu von Innen auf, zusammen mit der Dunkelheit, die ihn umhüllte. Er konnte die Augen nicht länger geschlossen halten. Blinzelnd versuchte er sich an die Helligkeit des Raumes zu gewöhnen, bevor er die schlichten Farben seines Schlafzimmers erkannte. Alles war in Ordnung. Keine Kälte. Keine Dunkelheit. Er war nicht allein. Es gab keinen Grund sich von diesen Gefühlen länger quälen zu lassen. Der Traum war vorbei. Auch wenn ein paar Fragmente noch immer nicht verschwunden waren. Um sich abzulenken, fixierte Rye seine Sinne auf die unmittelbare Umgebung. Das erste, was er hörte, war ein warmer, gleichmäßiger Herzschlag, welcher sofort beruhigend auf ihn wirkte. Instinktiv drehte er sich um und erblickte folglich den einzigen Menschen, für den es sich lohnte jeden Morgen aufzuwachen. Verträumt schaute er in das stechend grüne Augenpaar seines Geliebten, welches ihn ebenso musterte. Gin saß neben ihm auf der Bettkante und sagte kein Wort. Rye glaubte, so etwas wie Besorgnis in seinem Gesicht zu erkennen.

„Guten Morgen.“, sprach er nach einer Weile mit fester Stimme. Rye schenkte ihm ein Lächeln und erwiderte leise: „Guten Morgen, Liebster.“

Warum ist er schon wach? Hab ich ihn geweckt?“, ging es ihm durch den Kopf, während er sich aufsetzte. Gins Gesichtsausdruck bereitete ihm allmählich Sorgen. War irgendwas passiert, als er geschlafen hatte? Oder hatte er selbst etwas getan? Die Chancen dafür waren leider sehr hoch. Im Schlaf war er unberechenbar, da er währenddessen seine Handlungen nicht kontrollieren konnte. Genau aus diesem Grund war es eigentlich ein Fehler sich mit Gin ein Bett zu teilen. Doch er konnte nicht anders…

„Hast du wieder schlecht geträumt?“, fragte der Silberhaarige plötzlich und traf somit direkt ins Schwarze. Rye konnte sich schon denken, woran dieser das gemerkt hatte.

„Ja, aber das ist doch nichts Neues. Du musst dir darüber keine Gedanken machen.“, spielte er es herunter. Gin sollte endlich aufhören sich für sein Wohlergehen zu interessieren. Das interessierte schließlich niemanden, nicht einmal Rye selbst.

„Entschuldige, falls du meinetwegen aufgewacht bist.“, fügte dieser noch hinzu, um die sich ausbreitende Stille zu unterbrechen. Es war ihm unangenehm, dass er Gin womöglich jedes Mal wieder aus dem Schlaf riss. Nur wegen dieser verdammten Alpträume, die ihn wohl nie in Ruhe lassen würden, bis er sich ihnen nicht gestellt hatte. Aber das wollte er nicht. Genauso wenig, wie er es nicht wollte, die Nacht ohne seinen Geliebten zu verbringen, welcher ihn nun verständnislos anstarrte und den Schlaf dringender benötigte als er selbst.

„Nein, schon gut.“ Ein leichtes Lächeln umzuckte Gins Mundwinkel, bevor er offenbarte: „Dir beim Reden zuzuhören ist ohnehin viel interessanter.“

Es schien ihn sowohl zu amüsieren, als auch in Sorge zu versetzen. Rye wollte eigentlich nicht wissen, worüber er im Schlaf gesprochen hatte. Jedoch konnte er es nicht ertragen, dass sich Gin seinetwegen sorgte, auch wenn ihm das gleichzeitig viel bedeutete. Denn die Zeit, wo er dem Silberhaarigen noch egal gewesen war, war noch um einiges unerträglicher gewesen, wenn auch sicherer für sie beide.

Rye entwich ein Seufzen, während er versuchte sich aufzusetzen. Er strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und fragte im ironischen Tonfall: „Und, weißt du deswegen jetzt mehr über mich?“

„Leider nicht.“, gab Gin zu. Er senkte nachdenklich den Blick. „Das Meiste hab ich nicht verstanden. Aber du hast sehr unglücklich geklungen. Du sagtest, dass du die Natur vermisst und weit weg willst…“

Rye sah ihm an, dass er damit kaum etwas anfangen konnte. Zugegebenermaßen konnte er damit selbst nichts anfangen. Er wusste nicht einmal, von welchem Ort er weit weg hätte gehen wollen. Vielleicht handelte es sich um einen Ort, der was mit Eclipse zu tun hatte? Plötzlich drängten sich ein paar der Traumfragmente erneut in seine Gedanken. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte das Gesicht einer Person vor seinem inneren Auge auf…

Gin…?“ Rye war sich nicht sicher. Doch wer sollte es sonst sein? Kurz darauf hallten ein paar der Worte, welche die Person zu ihm gesagt hatte, in seinem Kopf wider. Aber er konnte nach wie vor keinen Zusammenhang erkennen.

„Kann sein… Ich weiß nicht… Ich glaube, du warst auch da.“, antwortete er abwesend, woraufhin Gin verdutzt die Stirn in Falten legte.

„Ich?“, hakte er ungläubig nach. Rye nickte zögerlich.

„Du hast irgendwas von Kaninchen gelabert…“ So ausgesprochen machte es tatsächlich noch weniger Sinn, weshalb es ihn nicht überraschte, dass Gin ein Lachen unterdrücken musste. Aber irgendeine Bedeutung musste der Traum haben. Und die Person, die darin vorgekommen war…

„Das klingt nicht wirklich nach mir.“ Gin versuchte ernst zu bleiben, doch es gelang ihm nicht die Belustigung in seiner Stimme zu verbergen. Rye hingegen ignorierte die Antwort und verengte missbilligend die Augen, als er begann tiefer in die verbliebenen Fragmente seines Traums einzutauchen. Ein Teil von ihm wollte wissen, ob diese Person wirklich Gin gewesen war. Doch der andere Teil schrie ihm zu, dass es das Beste wäre, nicht weiter darüber nachzudenken. Doch diesmal fiel es ihm schwer, sich für einen Teil zu entscheiden. Eine Welle unzähliger Gefühle übermannte ihn und vermischten sich zu einem widerstreitenden Durcheinander, welches ihm stechende Schmerzen durch seinen Körper sandte. Auf einmal war ihm nach Weinen zumute, doch zugleich verspürte er den Drang, jemanden auf der Stelle in Stücke reißen zu wollen.

Vergiss es einfach…“, ermahnte er sich in Gedanken. Er musste sich sofort von dem Traum losreißen. Das war das einzig Richtige. Er schüttelte den Kopf und vertrieb alle Fragmente restlos aus seinem Gedächtnis. Nie wieder würde er zulassen, dass die Erinnerungen ihn überrumpelten.

„Mach dir nichts draus, Träume ergeben meistens sowieso keinen Sinn.“, sprach er seinen letzten Gedanken aus und hoffte, dass Gin es dabei belassen würde. Dessen Miene nach zu urteilen schien er weiter nachbohren zu wollen, schwieg jedoch trotz allem und warf ihm lediglich einen verwirrten Blick zu. Rye würde es gern selbst verstehen. Die unzähligen Gefühle, die ihn innerlich plagten, wollten einfach nicht verschwinden. Er fühlte sich hin und her gerissen, und je länger er Gin in die Augen schaute, umso mehr kam es ihm vor, als würden ihn all diese Gefühle einholen und Besitz von ihm ergreifen.

„Ich hoffe, du konntest trotz allem besser schlafen als ich.“ Vielleicht würden Worte ihn ein wenig ablenken. Allmählich konnte er nicht mehr unterscheiden, ob es noch der Traum war, der dieses Chaos an Gefühlen in ihm auslöste oder ob es an Gin lag.

„Einigermaßen.“, erwiderte dieser wortkarg.

„Wenn du wieder allein schlafen willst, sag es ruhig…“ Rye senkte betrübt den Blick. So genau wusste er gar nicht, warum sie seit fast einer Woche jede Nacht nebeneinander schliefen. Er hatte nie um Erlaubnis gefragt. Und Gin hatte ihn nie weggeschickt.

„Und was tust du dann?“, wollte er wissen. Rye zuckte mit den Schultern.

„Ich werd die Zeit schon irgendwie rum kriegen...“ Bevor er Gin begegnet war, hatte das eigentlich nicht sonderlich gut funktioniert. Jede Nacht war eine endlose Qual gewesen. Ein Kampf gegen das Monster in seinem Inneren, welchen er immer wieder verloren hatte. Dennoch wären schlaflose Nächte erträglicher, als ohne Gin zu schlafen.

Im Augenwinkel konnte Rye sehen, wie sich Gin scheinbar eine Antwort überlegte. Er machte nicht den Eindruck, als würde ihm der Vorschlag gefallen, was den Schwarzhaarigen überraschte.

„Es macht mir aber nichts aus.“, sagte er schließlich. Rye durchströmte eine Welle der Erleichterung.

„Sicher…?“, hakte er vorsichtig nach.

„Ja.“

Unbändige Liebe breitete sich in Rye aus und vertrieb alle Sorgen und Ängste. Dieses Wort machte ihn glücklicher, als alles andere es je könnte.

Vielleicht hält er es ebenso nicht lange ohne mich aus…“ , hoffte er in Gedanken. Ob Gin ihm das jemals so offen sagen würde? Rye wollte es zu gern von ihm hören.

„Gut, ich halte es nämlich keine Sekunde ohne dich aus.“, gestand er mit dem Ziel, dass sein Geliebter es auch zugeben würde. Aber dessen Augen weiteten sich nur und Rye konnte erkennen, wie sich eine leichte Röte in Gins Wangen schlich und er anschließend den Blick abwandte. Der Schwarzhaarige schmunzelte über diese beschämte Reaktion. Offenbar hatte er Gin in Verlegenheit gebracht und aus unerklärlichen Gründen beschlich ihn das Bedürfnis ihn weiter zu necken. So sehr er sich Worte von Gin wünschte, musste er sich eingestehen, dass solche verlockenden Reaktionen auch einen gewissen Reiz hatten.

Möglichst geräuschlos rutschte Rye näher an seinen Geliebten heran und griff vorsichtig nach dessen Hand. Kaum hatten seine kalten Finger die warme Haut berührt, zuckte Gin zusammen und sein Blick schoss unmittelbar zurück zu Rye, welcher sich davon jedoch nicht aus dem Konzept bringen ließ. Er führte Gins Hand zu seinem Mund und platzierte an verschiedenen Stellen ein paar federleichte Küsse, während er dem Silberhaarigen dabei fest in die Augen schaute. Innerlich triumphierend nahm er dabei wahr, wie sich Gins Puls unter seinen Lippen erhöhte und die Röte in seinen Wangen noch intensiver wurde.

Ohne zu zögern zog Rye ihn an sich, um einen richtigen Kuss zu beginnen. Er schlang seine Arme um Gins Körper und fuhr mit seinen Händen durch die seidenweichen, silbernen Strähnen. Woher diese plötzliche Sehnsucht kam, die sich mit seinem Verlangen vermischte und ihm das Gefühl gab, als sei er ewig von Gin getrennt gewesen, wusste er nicht. Immer stärker presste er seine Lippen gegen die des Silberhaarigen und öffnete seinen Mund, um an ihnen zu saugen und sie mit seiner Zunge zu liebkosen. Von Gin erklang nur ein leises, wohliges Stöhnen, während er sich dem Kuss voll und ganz hinzugeben schien.

Es beruhigte Rye ein wenig, dass er inzwischen geübt darin war, seine Selbstbeherrschung zumindest bei einem Kuss aufrecht erhalten zu können. Jedoch bedeutete das nicht, dass er nachlässig werden durfte. Eine falsche Bewegung und der einzige Sinn seiner Existenz wäre für immer fort. Doch auch wenn er diesen Gedanken stets im Hinterkopf behielt, brachten ihn die Gefühle, die gerade in ihm tobten, dazu, weniger auf Gins Sicherheit zu achten. Rye konnte nur noch an seine Liebe zu ihm denken. Alles andere spielte plötzlich überhaupt keine Rolle mehr. Am Rande registrierte er, wie Gin leicht benebelt nach Luft schnappte, nachdem er sich von ihm gelöst hatte.

„Ich liebe dich…“, hauchte Rye und schmiegte anschließend seinen Kopf in Gins Halsbeuge. „So sehr…“

Er war sich sicher, dass es niemanden auf der Welt gab, der Gin noch mehr lieben konnte als er es tat. Am liebsten würde er die drei Worte immer wieder sagen, jedoch bezweifelte er, dass er sie je ein einziges Mal von Gin zurück bekommen würde. Was müsste er alles dafür tun, um ihn dazu zu bringen?

Rye atmete tief ein und versuchte das Feuer zu ignorieren, welches daraufhin in seiner Kehle ausbrach. Gins Duft war einfach so schmerzhaft verlockend, dass Rye es beinahe als masochistisch bezeichnen würde, dass er sich selbst auf diese Weise quälte. Er presste seine Lippen auf die zarte, warme Haut, sodass er spüren konnte, wie Gin das Blut prickelnd durch die Adern schoss. Dessen Atem schien sich ebenso zu beschleunigen, doch da Rye keinen Widerstand oder ähnliches wahrnehmen konnte, machte er einfach weiter. Er ließ eine seiner Hände von Gins Rücken nach vorn wandern und schob leicht dessen Pullover nach oben, um mit seinen Fingern über die wohlgeformten Bauchmuskeln streichen zu können. Dass Gin so leise aufgestanden und zurückgekehrt war, dass er es nicht bemerkt hatte, machte Rye deutlich, wie tief er in seinem Albtraum gefangen gewesen sein musste.

Er hat einfach an der Bettkante gesessen und über mich gewacht, bis ich den Alptraum verlassen und zu ihm zurückkehren konnte… Bei diesem Gedanken erwärmte sich Ryes totes Herz. Auch wenn Gin das wahrscheinlich nur getan hatte, um ihm beim Reden zuhören zu können. In gewisser Weise war dem Schwarzhaarigen das schon peinlich, allerdings hatte er seinen Geliebten selbst schon etliche Male beim Schlafen beobachtet, weshalb er niemals etwas dagegen sagen würde. Es war privat. Doch vor Gin würde er selbst sein tiefstes Geheimnis offenbaren, wenn dieser dafür bei ihm blieb.

Im nächsten Moment wurde Rye aus dem Dunst der Leidenschaft gerissen, als Gin plötzlich seine Hand einfing und ihn kurz darauf von sich weg schob.

Was ist los…?“ Rye starrte ihn verwirrt mit großen Augen an. Gins Wangen waren immer noch leicht gerötet, doch in seinem Gesichtsausdruck konnte der Schwarzhaarige keinen Hinweis auf den Grund der unerwarteten Zurückweisung finden.

Hab ich was falsch gemacht?“, fragte er sich im Stillen. Aber natürlich. Der Fehler musste bei ihm liegen. So war es immer. „Vielleicht mochte er es nicht…“

Im Bruchteil einer Sekunde schossen diese Gedanken durch seinen Kopf, doch ihm blieb nichts weiter übrig als darauf zu warten, dass Gin ihm mitteilte, was genau nicht gepasst hatte.

„Entschuldige, aber es ist früh am Morgen… und du bringst ohnehin nicht zu Ende, was du anfängst… das macht mich so langsam fertig.“, erklärte sein Geliebter nach einer Weile leise.

„Wie meinst du das?“, wollte Rye wissen. Er verstand nicht von welchem Ende die Rede war. Auf einmal bekam er die Befürchtung, dass sich sein Geliebter mit dieser Aussage vielleicht auf ihre gemeinsame Nacht vor drei Tagen bezog.

„Egal… vergiss es.“, entgegnete Gin jedoch seufzend. Scheinbar wollte er das Thema damit beenden. Noch bevor Rye etwas sagen konnte, erhob sich der Silberhaarige bereits vom Bett und wandte sich von ihm ab.

Sofort schnellte Rye vor und schaffte es noch Gins Handgelenk zu ergreifen, um ihn aufzuhalten.

„Nein.“, meinte er streng, während er seinen Geliebten zurück aufs Bett zog. Beide starrten sich einen Moment lang schweigend an, wobei Rye glaubte, einen Funken Verbitterung in dem Ausdruck von Gins Augen erkennen zu können. Oder er bildete sich das nur ein, weil ihm inzwischen zu viele Sorgen im Kopf herumschwirrten. Leider wusste er nicht, ob Gin mit seiner Aussage wirklich auf die Nacht im Hotel hinausgewollt hatte oder etwas anderes meinte. Doch es gab einen einfachen Weg, das schnell herauszufinden.

„Du bist noch sauer, oder? Wegen dem Hotel.“, beschloss er direkt zu fragen. Schon seit dieser Nacht plagte ihn ein unwohles Gefühl, welches er nicht loswurde. Er hatte sich das nicht anmerken lassen, da er sowieso nicht mehr darüber reden wollte. Zwar war er in jener Nacht nach seiner Jagd zu Gin zurückgekehrt und sie hatten das Hotel am nächsten Morgen gemeinsam verlassen, jedoch machte er sich seitdem Vorwürfe für die mehr oder weniger ruinierte Nacht. Er könnte es verstehen, wenn Gin deshalb sauer auf ihn oder zumindest enttäuscht war. Denn auch wenn dieser seine Gefühle noch nie mit Worten ausgedrückt hatte, so wusste Rye, wie sehr sein Geliebter körperlich nach ihm verlangte. Etwas nicht zu bekommen, was man unbedingt haben wollte, konnte einen wirklich irgendwann fertig machen…

„Nein. Das war ich nie. Und das weißt du.“, antwortete Gin tonlos. Irgendwie konnte Rye ihm das nicht glauben. Sein Verhalten wies definitiv darauf hin, das ihn etwas störte und unzufrieden machte. Wenn es nicht wegen dem Hotel war, dann hatte es einen anderen Grund. Jedoch würde Rye kein anderer einfallen.

„Das klang aber eben anders…“, wandte er ein.

„Weil du immer nur das hörst, was du hören willst.“

Rye stockte der Atem. Mit solch einer Antwort hatte er nicht gerechnet. Die plötzliche Kälte in Gins Tonlage sorgte dafür, dass ihm ein Schauer über den Rücken kroch. Es verletzte ihn zutiefst. Die vorherige Wärme und Sicherheit waren komplett zerstört. Könnte es stimmen? Machte er sich vielleicht zu viele Sorgen und interpretierte deshalb vieles falsch, um diese Sorgen rechtfertigen zu können? Rye wusste es nicht. Fürs Erste beschloss er, den Vorwurf abzustreiten, auch wenn ihm dabei überhaupt nicht wohl war.

„Das tue ich nicht.“

„Doch. Du versetzt dich nie in meine Lage. Was das alles in mir auslöst ist dir nicht wichtig, solange du deinen eigenen Prinzipien treu bleiben kannst.“, warf Gin ihm vor, woraufhin den Schwarzhaarigen ein weiterer Schock durchfuhr. Warum glaubte er das? Wie konnte er glauben, dass er ihm in irgendeiner Weise nicht wichtig war? Ohne lange über seine Antwort nachzudenken, platzte es ungehalten aus Rye heraus: „Das stimmt nicht! Du bist mir wichtiger als alles andere! Es vergeht keine Minute in der ich nicht an dein Wohlergehen denke. Ich möchte dich doch nur glücklich machen…“ Bei dem letzten Satz wurde seine Stimme nach und nach leiser. Gin wirkte nicht so, als würde ihn das überzeugen.

„Das kannst du aber nicht, wenn du nicht bereit bist, auch Risiken einzugehen.“, sagte er, während er die Arme verschränkte. Wann sich Gin aus seinem Griff befreit hatte, war Rye nicht bewusst.

„Solange es dich nicht in Gefahr bringt bin ich zu jedem Risiko bereit.“, versuchte er seinem Geliebten irgendwie entgegen zu kommen, auch wenn ihn das Gefühl beschlich, dass diese Risiken sehr wohl mit Gefahren für Gin verbunden waren. Dieser verdrehte nun genervt die Augen, bevor er erwiderte: „Und genau da liegt das Problem.“

„Wie?“

„Wir leben in einer gefährlichen Welt und noch dazu bin ich Teil einer Organisation die auf gefährlichen Geschäften aufbaut. Du kannst mich nicht vor allem beschützten, noch sollst du das. Auch wenn du das nicht gerne hörst: Ich kann auf mich selbst aufpassen! Also leg endlich deine verdammte Beschützer-Masche ab!“

Rye versuchte ruhig zu bleiben, doch die Worte durchbohrten ihn wie ein glühender Speer. Sie erschütterten ihn förmlich. Er presste die Lippen zusammen und ballte die Hände unbewusst zu Fäusten. Das ging nicht. Vollkommen unmöglich. Es war seine Pflicht, Gin zu beschützen. Wie könnte er je damit aufhören und zulassen, dass ihm etwas zustieß? Allein der Gedanke daran sorgte dafür, dass Rye fast den Boden unter den Füßen verlor. Ohne Gin wollte und konnte er nicht existieren. Niemals.

Jemanden, den man mehr als alles andere auf dieser Welt liebt, muss man beschützen.“, war er der festen Überzeugung. „Du hast mir seit wir uns kennen oft genug bewiesen, dass du eben nicht auf dich aufpassen kannst und zu viele unnötige Risiken eingehst.“, erklärte er sich verzweifelt.

„Das sagt der Richtige. Wer von uns stürzt sich bei den Missionen immer kopflos und unvorbereitet in das Geschehen?“ Gin zeigte noch immer keinerlei Einsicht. Zwar lag er damit richtig, jedoch war es ein Fehler, sie beide miteinander zu vergleichen. Er schien zu vergessen, dass es keine Rolle spielte, wenn sich Rye einfach Hals über Kopf in Gefahren stürzte. Schließlich gab es nichts, was ihn töten oder verletzen konnte.

„Das ist was anderes.“, meinte der Schwarzhaarige aus diesem Grund.

„Verstehe. Du darfst das natürlich, aber ich nicht. Und was ist mit meinen Sorgen? Was ist mit den Befürchtungen und Ängsten, die ich habe? Was ist mit dem, was ich mir wünsche?“, wollte Gin wissen.

Es tat weh, ihn so reden zu hören. Er klang verzweifelt, aber auch ein wenig gekränkt. So hatte Rye ihn noch nie erlebt.

„Ich werde alles, was dich bedrückt und belastet beseitigen.“, schwor er mit schneidender Stimme. Gin sah ihn für einen Moment mit geweiteten Augen an, bevor er den Blick abwandte und dabei jegliche Emotionen aus seinem Gesicht wichen.

„Du wirst mich aber nie komplett befriedigen. Zumindest nicht körperlich.“, sagte er leise.

Leider musste sich Rye eingestehen, dass Gin damit recht hatte. Wie gern würde er ihm widersprechen und das Gegenteil beweisen. Doch er konnte nur schweigen.

„Siehst du. Ich muss mich wohl an den Gedanken gewöhnen, mir jemand anderen zu suchen, der die Bedürfnisse befriedigt, die du entfachst und anschließend ignorierst.“, redete Gin nach ein paar Sekunden weiter. Die Worte lösten augenblicklich eine gewaltige Menge an Zorn in Rye aus, welche kurzerhand alles andere überlagerte. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Tief in seiner Brust vernahm er ein wütendes Knurren, während sich ein unaufhaltsamer Schmerz in seinem Körper ausbreitete. Völlig außer sich und ohne über seine Handlungen nachzudenken, krallte er seine Hände in Gins Schulter und drückte ihn auf das Bett.

Nein!“, stieß er hervor. „Das lasse ich nicht zu…! Du gehörst mir!“

Nach diesen Worten blieb es still. Nur Ryes hastiger Atem erfüllte den Raum. Er bereute sein Verhalten bereits in der nächsten Sekunde wieder. Doch es war zu spät und egal, wie sehr er sich innerlich dafür verfluchte: Die Wut verschwand nicht und hatte ihn noch vollständig unter Kontrolle. Er konnte nicht mal seine festen Griffe von Gins Schultern lösen, geschweige denn seine Gesichtszüge entspannen. Ihm fiel auf, dass sein ganzer Körper zitterte und sein Sichtfeld rot wurde. Dass sein Geliebter, welchen er unerbittlich unter sich gefangen hielt, ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, als könnte er nicht wahrhaben, was gerade passierte, half nicht die Situation zu entschärfen.

„Rye…“, wich es Gin atemlos über die Lippen. Seine Stimme erreichte den Schwarzhaarigen nicht sofort. Nur langsam drang sie zu ihm durch, woraufhin er begann zu realisieren, dass er dem Monster fast erlaubt hatte, die Kontrolle zu übernehmen. Die Wut in seinem Inneren veränderte sich. Wurde noch stärker und richtete sich auf ein neues Ziel. Sie galt nicht mehr Gins vorherigen Worten, sondern Rye selbst. Wie hatte er das bloß tun können? Was war in ihn gefahren? Er war vor Schock wie gelähmt. Angst breitete sich in ihm aus. Angst, dass Gin ihn nun hasste. Doch ein Anzeichen dafür fand Rye überraschenderweise nicht in dessen Miene. Im Gegenteil. Aus unerklärlichen Gründen musste er gerade an einen dieser Momente zurückdenken, in denen er mit Gin allein gewesen war und er am liebsten alles mit ihm gemacht hätte, was er wollte. Gerade sah der Silberhaarige ihn so an, als würde er genau das wollen. Als würde es ihm gefallen, ihm schutzlos ausgeliefert zu sein. War das nur eine Einbildung? Es musste so sein. Gin würde niemals…

Plötzlich unterbrach ein vibrierendes Geräusch die Stille. Rye folgte Gins Blick zu einer der Nachtschränke neben dem Bett, worauf sich ein Smartphone befand. Zwar handelte es sich wahrscheinlich bloß um eine SMS, da das Vibrieren sofort wieder verstummte, jedoch beschloss Rye die Gelegenheit zu nutzen, um wieder von Gin herunterzusteigen und sich zurückzuziehen. Er konnte ihm vor Reue nicht mehr in die Augen schauen. Nicht mehr mit ihm in einem Raum sein.

Rye schlug den direkten Weg ins Wohnzimmer ein. Obwohl er längst mit dem Gedanken spielte, die Wohnung komplett zu verlassen. Aber irgendwie wollte er das nicht. Verzweifelt ließ er sich auf das Sofa fallen und zog die Beine zu sich ran, um den Kopf auf den Knien abzustützen.

Ich bin so ein selbstsüchtiger Vollidiot…“, beschimpfte er sich selbst, auch wenn er es eigentlich verdient hätte, dass Gin ihm jetzt noch weitaus schlimmere Beleidigungen an den Kopf knallte. Mit angehaltenem Atem lauschte Rye, was sein Geliebter gerade tat. Er hörte Schritte. Sie waren langsam, wirkten unsicher, doch kamen immer näher. Überrascht schaute der Schwarzhaarige in Richtung Tür.

 

Gin blieb im Türrahmen stehen und ließ seinen Blick auf Rye ruhen. Er fühlte sich ein wenig unbehaglich. Nach dem Beantworten der SMS vom Boss, hatte er gedanklich abgewogen, ob es eine gute Idee wäre seinem Partner zu folgen. Irgendwie fühlte er sich zu einer Entschuldigung gezwungen. Das vorhin hätte er nicht sagen dürfen. Auch wenn er es nicht ernst gemeint hatte, war es absehbar gewesen, wie Rye darauf reagieren würde. Dabei hatte er ihn lediglich dazu bringen wollen, an seiner Einstellung zu arbeiten, damit er derjenige sein könnte, der seine Bedürfnisse befriedigte. Und niemand anderes. Natürlich waren seine Worte völliger Unsinn gewesen und es entsetzte Gin schon ein bisschen, dass Rye wirklich gedacht hatte, er würde ihn einfach ersetzen. Schließlich gab es niemanden auf der Welt, der die Bedürfnisse, die Rye in ihm auslöste, befriedigen könnte. Niemand wäre je dazu in der Lage. Er wollte nur Rye. Nur für ihn hatte er Gefühle. Aber Gin wusste nicht, wie er ihm das sagen sollte. Jetzt schien ohnehin nicht der richtige Moment dafür zu sein…. Oder vielleicht doch?

Wenn er wirklich sehr schlecht gelaunt ist, könnte ich ihn so vielleicht aufheitern… aber ich hab noch nie…“ Nervosität kam in ihm auf. Und Rye die ganze Zeit wortlos anzustarren, trug nur dazu bei, dass sich dieses Gefühl sehr schnell verstärkte.

„Es tut mir leid. Das vorhin sollte eigentlich nur ein Scherz sein, um dich etwas zu motivieren. Ich hätte wissen müssen, dass du es ernst nehmen würdest…“, begann er mit fester Stimme, um die Nervosität zu verbergen. Er überlegte, ob er Rye näherkommen sollte, doch seine Füße waren wie festgefroren und bewegten sich keinen Schritt.

„Natürlich. So bin ich nun mal. Ich höre immer nur das, was ich hören will.“, entgegnete Rye im beleidigten Tonfall mit denselben Worten, die Gin vorhin verwendet hatte. Dieser wünschte sich nun, sie wieder zurücknehmen zu können. Auch wenn er eigentlich der Meinung war, im Recht gewesen zu sein. Ryes eigenwillige Interpretationen und dessen Beschützerinstinkt gingen ihm wirklich so langsam gegen den Strich. Das hatte er ihm schon lange klarmachen wollen, jedoch hielt er es für besser, vorerst nicht wieder darauf zurückzukommen. Zumal Rye an seiner Einstellung sowieso nichts ändern und weiterhin den Beschützer spielen würde.

„Es tut mir leid.“, wiederholte Gin, diesmal lauter. „Ich wollte nicht-“

„Hör auf.“, schnitt Rye ihm aufbrausend das Wort ab. „Du musst dich für nichts entschuldigen. Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld… Ich nehme nie Rücksicht auf deine Bedürfnisse… mache dich unglücklich… wenn du mich irgendwann verlässt, dann-“

„Das werde ich aber nicht.“ Gin fiel ihm ebenso ins Wort, um ihn daran zu hindern, noch mehr von diesem Unsinn zu erzählen. Mittlerweile konnte er es sich nicht mehr vorstellen sein Leben ohne Rye fortzuführen. Vor ein paar Monaten hätte Gin wahrscheinlich darüber gelacht und sich gewünscht diesen Kerl endlich loswerden zu können. Obwohl das vielleicht auch nicht ganz der Wahrheit entsprach und Rye zugegebenermaßen von Anfang an - wenn es auch schwer einzugestehen war - sein Interesse geweckt hatte. Aber nun war es zweifellos zu spät. Rye bedeutete ihm etwas, womöglich sogar viel mehr als er sollte, und durch ihn hatte sich inzwischen so viel in seinem Leben verändert, dass Gin eine Welt ohne ihn einsam und eintönig vorkommen würde. Er könnte sie nicht ertragen.

„Ach ja? Woher willst du wissen, wie lange du es noch mit mir aushältst? Ich bin ein Monster. Meine Gefühle für dich sind viel zu stark ausgeprägt. Sie sind unmenschlich. Sogar meine Liebe zu dir kann in manchen Momenten eher zu Besessenheit werden… Und das Schlimme daran ist, dass du mich nicht einmal verlassen könntest, weil ich das nicht zulassen würde.“, redete Rye im hysterischen Tonfall, wobei der Schmerz in seiner Stimme fast greifbar war. Am liebsten würde Gin ihn ordentlich zurechtweisen, wenn es dadurch nicht schlimmer werden würde. Immer wieder rückte sich Rye in ein schlechtes Licht und sagte so viele verletzende Dinge über sich selbst, die schlichtweg falsch waren. Begriff er denn nicht, wie einzigartig und wundervoll er war? Warum musste er sich immer als Monster betiteln?

„Und das ist in Ordnung für mich.“, erwiderte Gin. Mehr musste er dazu nicht sagen. Es war in Ordnung, dass Rye kein Mensch war und seine Gefühle zu stark ausgeprägt waren. Es war in Ordnung, dass er ihn nicht gehen lassen würde. Schließlich wollte Gin das auch nicht. Egal, wie anstrengend und nervig sein Partner manchmal sein konnte, er würde ihn keinesfalls sich selbst überlassen.

Rye blickte ihn überrascht an. Er schien die Worte nicht erfassen zu können und hatte wahrscheinlich eine andere Antwort erwartet.

„Was…?“ Seine Stimme klang zum Glück wieder ruhiger. Gin gelang es endlich, seine Beine dazu zu zwingen, sich wieder von der Stelle zu rühren. Er ging langsam auf Rye zu, während er überlegte, wie er sich erklären sollte, um den Schwarzhaarigen von seinen Sorgen und Befürchtungen zu befreien. Dessen Augen wurden bei jedem Schritt groß und größer, sodass Gin glaubte, sich in dem atemberaubend schönen, grünen Funkeln zu verlieren. Auf diese Weise fiel es ihm ein wenig leichter, die folgenden Worte auszusprechen: „Es ist in Ordnung, weil… ich dich liebe.“

Zuerst schaute Rye ihn nur verwirrt an, doch als er sich den Worten bewusst wurde, fingen seine Augen vor Freude an zu leuchten. Gin blieb bei diesem Anblick beinahe das Herz stehen. Wie konnte jemand nur solch eine Schönheit ausstrahlen? Besonders wenn Rye glücklich war, schien er nahezu einem Engel zu gleichen. Aber niemals einem Monster. Kaum zu glauben, dass er wirklich existierte und ihm gerade so nah war, dass er ihn einfach berühren konnte. Gin legte langsam seine Hand auf Ryes Wange und strich mit seinen Fingern über die weiße, makellose Haut.

„Ich gehöre dir.“, flüsterte er seinem Geliebten ins Ohr, um ihm auch die letzten Sorgen endgültig auszutreiben und damit er sich keine Vorwürfe mehr für sein besitzergreifendes Verhalten machte. Gin versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass die Worte, die er noch nie zuvor verwendet hatte, ein unwohles Gefühl in ihm auslösten und sein Herz ihm bis in die Fingerspitzen schlug. Auch wenn Rye das wahrscheinlich sowieso gerade sehr deutlich spüren müsste. Ein Lächeln erschien auf dessen Lippen, was den Silberhaarigen sowohl beruhigte als auch auf unerklärliche Weise faszinierte. Der schönste Engel auf Erden schenkte ihm ein Lächeln und er konnte sich nicht erklären, womit er solch ein Glück verdient hatte. Er umfasste Ryes Gesicht mit beiden Händen und versprach: „Und ich werde dich nicht verlassen, verstanden? Bitte mach dir darüber keine Gedanken mehr.“

Rye wirkte, als würden ihm jeden Moment ein paar Tränen aus den Augen treten, wenn er weinen könnte. Doch es lag auch etwas Entschuldigendes in seinem weichen Blick. Er schien die Realität gerade ebenso anzuzweifeln und war noch nicht in der Lage zu antworten.

Auf einmal schlangen sich zwei Arme blitzschnell um seinen Körper, sodass Gin fast gar nicht wahrnahm, wie Rye ihn zu sich auf das Sofa zog. Der Silberhaarige blinzelte ein paar Mal desorientiert und realisierte erst, als er Rye wieder direkt in die Augen sah, dass er sich auf ihm befand und er kurz darauf noch fester an den kühlen, steinernen Körper gezogen wurde. Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss und sich seine Hände in Ryes Hemd verkrampften. Kalte Finger legten sich in seinen Nacken und drückten seinen Kopf nach vorn, sodass Rye ihm einen Kuss geben konnte. Mit einem aufkeimenden Kribbeln im Bauch kostete Gin begierig von den schneekalten Lippen, während Ryes andere Hand sanft durch seine Haare strich und schließlich auf seinem Kopf verweilte.

„Danke… Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir deine Liebe bedeutet. Ich verspreche, dass ich mir keine Sorgen mehr machen werde. Entschuldige, dass ich an deinen Gefühlen gezweifelt habe.“, sprach Rye mit weicher Stimme, bevor er einen leichten Kuss auf Gins Stirn platzierte. Der Silberhaarige schaute ihn sehnsüchtig an. Ryes Augen waren so klar und tief, dass es beinahe unmöglich war, den Blick von ihnen abzuwenden. Gin tat es nur widerwillig, als Ryes Hand seinen Kopf vorsichtig zu sich an die Brust zog und sanft seinen Haaransatz streichelte. Ihm fielen fast automatisch die Augen zu und plötzlich verspürte er das Bedürfnis einfach einzuschlafen, obwohl er eigentlich gar nicht müde war. Gerade jetzt merkte Gin deutlich, wie sehr sich Rye von einem Menschen unterschied. Da war kein gleichmäßig schlagendes Herz, und auch keine Wärme, die ihn einhüllte. Nur Kälte und das Gefühl, als würde sein Kopf auf einem harten Stein liegen. Umso seltsamer war es, dass sich Gin dennoch auf eine unerklärliche Weise wohl fühlte. Er könnte für immer in dieser Position liegen bleiben. So nah bei Rye…

„Du, sag mal…“, hörte er plötzlich dessen Stimme über sich, „Von wem war eigentlich die SMS vorhin?“

Gin hob den Kopf und blickte in Ryes neugierigen Gesichtsausdruck.

„Vom Boss.“, meinte er kühl, woraufhin sich die Augen des Schwarzhaarigen sofort verengten.

„Und was wollte er?“, bohrte er weiter. Gin wusste nicht, ob er die Frage beantworten sollte. Eigentlich ging der Inhalt der SMS Rye nichts an und es betraf ihn auch nicht. Aber er würde es ohnehin nicht vor ihm geheim halten können. Schon aus dem Grund nicht, weil Rye kaum noch von seiner Seite wich.

„Ach, nur eine Erinnerung an diese Veranstaltung in zwei Tagen. Ist nicht weiter wichtig.“ Gin verriet so wenig wie möglich und formulierte es so, dass Rye hoffentlich nicht weiter nachfragen würde. Natürlich half das nicht.

„Was für eine Veranstaltung?“

Gin stieß ein Seufzen aus.

„Die findet traditionell einmal im Jahr statt. Es ist nur so eine Art feierliches Treffen zwischen ein paar unserer langjährigen Geschäftspartner… Der Boss legt viel Wert darauf, die Beziehungen zu ihnen zu pflegen, wenn sie von Nutzen für die Organisation sind. Im Endeffekt sind das alles nur kleine Fische, die glauben mit ihrem Familiennamen großes Geld machen zu können. Die meisten von denen sind sowieso nur neidisch und wollen versuchen ihren Machteinfluss zu erweitern, indem sie sich einschmeicheln. Mir geht das ziemlich auf die Nerven…“, erzählte er in gelangweilter Tonlage. Eigentlich interessierte ihn die Veranstaltung überhaupt nicht und hätte Vater ihn nicht dran erinnert, hätte er es womöglich vergessen.

„Und du musst da auch hin?“, wollte Rye wissen.

„Ja, schon…“ Leider. Gin hasste es, unter so vielen Menschen zu sein. Aber er konnte sich nicht widersetzen. Es war zum einen seine Pflicht jedes Jahr dort anwesend sein und zum anderen wollte er unbedingt Vaters Erwartungen erfüllen.

Rye schien nebenher über irgendwas nachzudenken und zu keinem Ergebnis zu gelangen. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst, was Gin vermuten ließ, dass er ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit nur ungern allein auf diese Veranstaltung gehen lassen würde.

„Willst du etwa auch mitkommen?“, fragte er neckend, woraufhin sich Rye sofort durchschaut zu fühlen schien und ihn aufgelöst anschaute. Doch er wirkte auch, als sei er sich noch unschlüssig.

„Also ich… ich weiß nicht. Wird der Alte auch anwesend sein?“, fragte er. Gin warf ihm umgehend einen bösen Blick zu, welchem Rye beschämt versuchte auszuweichen. Scheinbar war ihm der Ausdruck nur aus Versehen über die Lippen gerutscht. Jedoch beschloss Gin, nicht weiter darauf einzugehen, da Vater schon weitaus schlimmere Bezeichnungen für Rye verwendet hatte und dieses feindselige Verhältnis blöderweise auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Natürlich.“ In seiner Stimme schwang dennoch ein beleidigter Unterton. „Er muss dort schließlich wie jedes Jahr eine Konferenz leiten. Wie du sicher schon mitbekommen hast, meidet er sonst immer die Öffentlichkeit und man bekommt ihn nie zu Gesicht. Das schafft allerdings nicht gerade eine vertrauensvolle Basis zu unseren Geschäftspartnern… Deshalb hat er beschlossen, einmal im Jahr eine Ausnahme zu machen. Die Gästeliste ist ohnehin streng eingegrenzt. Nur die Geschäftsleiter selbst und deren Familienmitglieder dürfen kommen.“ Gin wusste ehrlich gesagt nicht, zu welcher Sorte der Gäste er sich zählen sollte. Wohl zu den engsten Vertrauten, auch wenn ihn das in Wahrheit unglücklich machte. Sehr unglücklich. Aber mehr war er nicht… Niemals…

 

Sei gefälligst still! Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich nicht dein Vater bin?! Deine Eltern sind tot! Und du dankst mir meine Gütigkeit mit solch einem respektlosen, sturköpfigen Verhalten? Kannst du nicht ein einziges Mal auf mich hören? Du hast diesen Raum zum letzten Mal betreten! Verschwinde!“ Vaters wütendes Gesicht verschwamm durch die Tränen, die Gin in die Augen traten und kurz darauf unaufhörlich seine Wangen hinunterliefen. Er wischte sie weg und presste die Lippen zusammen. Warum nur? Warum war Vater so kaltherzig? Warum wandte er ständig den Blick ab? Hasste er ihn etwa? Dabei bemühte er sich doch so sehr, alles richtig zu machen. Er war kein respektloses, sturköpfiges Kind. Das stimmte nicht. Warum konnte Vater nicht…

Jin.“ Gin hob den Blick und schaute in Tante Sharons sorgenvollen Gesichtsausdruck. Sie griff vorsichtig nach seinem Handgelenk, doch Gin zog die Hand sofort wieder weg und rannte aus Vaters Arbeitszimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen…

 

„Mit anderen Worten: Ich befinde mich nicht auf der Gästeliste.“ Ryes Stimme riss Gin unverhofft aus seinen Erinnerungen, die er am liebsten restlos ausradieren wollte. Warum dachte er ausgerechnet jetzt wieder daran zurück? Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Schon seltsam, dass etwas, was schon so lange in der Vergangenheit lag, noch so weh tun konnte, als sei es gestern passiert.

„Du hast ihn doch sowieso schon getroffen.“ Er hätte fast vergessen Rye zu antworten. So gesehen spielte es eigentlich keine Rolle, ob dieser zu der Veranstaltung kommen würde oder nicht. Aber Vater würde ihn definitiv nicht dabei haben wollen.

Er stellt sich immer so unbeholfen an, wenn zu viele Menschen anwesend sind… Allerdings wäre es wenigstens nicht so langweilig, wenn er auch da wäre…“, wog Gin gedanklich ab. Rye würde bestimmt für etwas Abwechselung auf dieser ermüdenden Veranstaltung sorgen, jedoch müsste er sich ordentlich benehmen und der Silberhaarige bezweifelte, dass sein Partner das konnte.

„Wenn der A-… Boss mich dort sieht, hat mit Sicherheit mein letztes Stündlein geschlagen.“, erwiderte Rye scherzhaft. Sein Glück, dass er ein unzerstörbarer Vampir war. Gin musste schmunzeln.

„Wenn du dich geschickt anstellst, wird er vielleicht nicht merken, dass du da bist.“, riet er dem Schwarzhaarigen, auch wenn das so gut wie ausgeschlossen war. Dem Boss entging nie etwas und meistens analysierte er jeden der Gäste genau, was natürlich auf seine übervorsichtige, misstrauische Art zurückzuführen war. Manchmal fragte sich Gin, ob Vater schon immer so gewesen war. So abgeneigt von der Öffentlichkeit. Als Kind hatte er nie mitbekommen, dass Vater seine altgewohnten vier Wände im Hauptgebäude der Organisation je verlassen hatte. Das tat er eigentlich nur, wenn es absolut notwendig war. Früher hatte er oft so gewirkt, als hätte ihn irgendwas gequält. Er war so oft wütend gewesen. Doch Gin hatte immer zu viel Angst gehabt, um nach dem Grund zu fragen. Auch weil er geglaubt hatte, dass er ein Teil des Grunds gewesen war. Inzwischen war es nicht mehr so. Die Zeiten hatten sich glücklicherweise geändert, nachdem Vater ihn endlich als vollwertiges Mitglied der Organisation anerkannt hatte.

„Versuchst du gerade mich zu überzeugen?“ Rye lächelte ihn amüsiert an und strich ihm ein paar Strähnen hinters Ohr. Dessen bildschöner Anblick, gemischt mit den Erinnerungen, in denen Gin nun schon zum zweiten Mal versunken war, gaben ihm nahezu das Gefühl, abgetrennt von der Realität zu sein.

Schulterzuckend erwiderte er: „Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht willst. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn ich allein gehe.“

„Du machst Witze, oder? Dich im Anzug zu sehen, lass ich mir nicht entgehen.“, schoss Rye zurück, woraufhin Gin unbewusst errötete. Jedoch fiel ihm plötzlich wieder etwas ein, was er total vergessen hatte…

„Ah… Moment, ich schulde dir ja noch einen Anzug.“ Rye bemerkte es ebenso. Ihm schien sein Missgeschick immer noch peinlich zu sein, was der Silberhaarige an seiner Tonlage hören konnte.

„Schon gut, ich kann mir schnell einen neuen kaufen.“, spielte er es daher herunter, doch das schien Rye wie erwartet nicht akzeptieren zu wollen.

„Ich hab dir doch gesagt, dass ich das machen werde.“

„Und ich habe dir gesagt, dass das nicht nötig ist.“, widersprach Gin. Beide starrten sich mit einem provokanten Blick in den Augen an, wobei Rye nach einer Weile die Lippen nachdenklich nach vorn schob.

„Können wir uns vielleicht darauf einigen, dass wir dir gemeinsam einen neuen kaufen gehen?“, schlug er begleitet von einem Seufzen vor. Gin rollte mit den Augen. Natürlich würde Rye ihm diesen Kompromiss nicht anbieten, wenn er nicht bereits einen Plan im Hinterkopf hätte. Der Silberhaarige setzte sich auf und entgegnete leicht mürrisch: „Wenn du unbedingt drauf bestehst.“

Er hätte ohnehin nichts an Ryes Entscheidung ändern können. Dieser erhob sich nun ebenso und nachdem er Gin einen kurzen Kuss auf die Wange gegeben hatte, meinte er in belustigter Tonlage: „Ja, tue ich. Schließlich möchte ich mir sicher sein, dass du auf der Veranstaltung einen Anzug tragen wirst, der deine Schönheit noch mehr zur Geltung bringt.“

Gin verzog unbeeindruckt das Gesicht.

„Übertreib‘s nicht.“, warnte er, bevor er Rye allein auf dem Sofa zurück ließ. Als er dem Schwarzhaarigen den Rücken zukehrte, hörte er, wie dieser anfing leise zu lachen.

 

Die Zeit verging wie im Fluge. Es war schon spät am Nachmittag, als Gin und Rye ihren Einkaufsbummel beendeten, welcher sich nur so sehr in die Länge gezogen hatte, weil der Schwarzhaarige ewig zu keiner Entscheidung gekommen war, welcher Anzug am besten zu Gin passte. Dessen Meinung hatte er dabei kaum beachtet, weshalb sie sich nie wirklich einig geworden waren. Selbst die Verkäuferin, die zuvor freundlicherweise ihre Hilfe angeboten hatte, war irgendwann in Verzweiflung geraten. Doch Ryes Erscheinung und seine höfliche, sanfte Art hatten sie scheinbar dazu gebracht bis zum bitteren Ende durchzuhalten. Nebenbei hatte sie auch noch versucht ihm ebenso einen Anzug aufzuschwatzen, was Gin ziemlich auf die Nerven gegangen war. Zwar konnte er ihr Motiv schon ein wenig nachvollziehen - denn ein Anzug ließ Rye zugegebenermaßen noch unwiderstehlicher aussehen, als er es ohnehin schon war - aber dieser Anblick stand ihr definitiv nicht zu. Zum Glück hatte Rye auch jedes Mal abgelehnt und sich kaum für sie interessiert. Stattdessen hatte er nur Augen für den Silberhaarigen gehabt, welchem es nach kurzer Zeit unangenehm geworden war, so von seinem Geliebten analysiert zu werden. Gin hatte ihm deutlich angesehen, wie sehr er sich daran ergötzt hatte, ihn in so vielen verschiedenen Anzügen zu sehen. Nicht selten hatte ein Kompliment oder ein zweideutiger Kommentar Gin in Verlegenheit gebracht, wobei es ihm noch immer ein Rätsel war, warum Rye es so sehr gefiel, wenn er einen Anzug trug. Gin war der Meinung, dass solche Teile ihm überhaupt nicht standen. Doch sein Partner schien das Ganze wahrscheinlich aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, vielleicht aus dem Grund, weil er ihn so sehr liebte. Am Ende hatte Rye natürlich wie vermutet nicht zugelassen, dass Gin den Anzug selbst bezahlte. Seit er seinen Willen bekommen hatte, strahlte er förmlich vor Freude und der Silberhaarige musste aufpassen sich nicht von dieser übertrieben guten Laune mitreißen zu lassen. Aber ihm war es letztlich egal, solange Rye glücklich war. Alles andere war nicht wichtig und er wollte sich nicht unnötig über solche kleinen Dinge aufregen. Eigentlich war er sogar froh darüber, dass Rye ihn begleitet hatte. In solchen Momenten wurde Gin immer mehr bewusst, wie viel es ihm in Wirklichkeit bedeutete, dass Rye nicht von seiner Seite wich. War dieser nicht in der Nähe, fühlte er sich, als würde ein Teil von ihm fehlen. Ein Teil, ohne den er nicht leben konnte. Gin wusste nicht, wie es Rye in so kurzer Zeit gelungen war, einen sicheren, festen Platz in seinem Herzen zu erobern. Doch es gab etwas, dass er mit Sicherheit sagen konnte: Rye war es als Einziger gelungen, die bittere Kälte in seinem Herzen zu vertreiben, welche ihn schon fast sein ganzes Leben lang begleitet hatte. Er musste diesen Vampir wohl sehr lieben. Jedoch war ihm das viel zu spät klar geworden, da solche Gefühle ihm immer fremd gewesen waren. Selbst jetzt waren sie ihm noch nicht vollständig vertraut. Aber hoffentlich bald.

Vor ein paar Minuten hatte Rye den Silberhaarigen allein auf einer Bank zurückgelassen, um ihm trotz Ablehnung etwas zu trinken zu kaufen. Gin lehnte sich zurück und starrte nach oben zu der gläsernen Decke, durch welche man den dämmernden Abendhimmel wegen der Spiegelung der Einkaufshalle nur schwer erkennen konnte. Es war wirklich schon sehr spät und mittlerweile wollte er einfach bloß noch nach Hause. Solche Ausflüge ermüdeten ihn, besonders, weil hier zu viele Menschen herumliefen, denen man schlecht aus dem Weg gehen konnte. Deshalb bevorzugte er es das Meiste im Internet zu bestellen. Viel bequemer und vor allem weniger zeitaufwendig.

Gin hielt sich die Hand vor den Mund, als er gähnen musste. Kurz darauf spürte er eine warme Berührung an seiner Wange, die ihn vor Schreck zurückweichen ließ.

„Bist du etwa schon so erschöpft?“, hörte er Ryes amüsierte Stimme neben sich. Als er sich zu ihm drehte, erblickte er einen hellbraunen, dampfenden Kaffeebecher.

„Hier, bitte.“ Rye lächelte ihn an.

„Danke.“ Gin nahm das Getränk entgegen, woraufhin sich der Schwarzhaarige zu ihm auf die Bank setzte und seinen Blick durch das Getümmel schweifen ließ.

„Es ist ganz schön voll geworden.“, meinte er dann, was Gin mit einem schlichten Nicken erwiderte. Der Kaffee war noch zu heiß, sodass er sich beim ersten Schluck die Zunge leicht verbrannte. Rye bemerkte es nicht, da er gerade dabei war sein Smartphone aus seiner Jackentasche zu kramen. Als er auf den Bildschirm schaute, bildete sich nach kurzer Zeit ein breites Lächeln in seinem Gesicht. Er wirkte beinahe wie ein Hals über Kopf verliebter Teenager, der soeben eine SMS von seinem Schwarm bekommen hatte. Nur dass es sich offensichtlich um etwas anderes handeln musste. Gin verengte skeptisch die Augen.

„Ist was?“, fragte er, während er versuchte unauffällig einen Blick auf das Smartphone zu werfen. Vergebens. Rye steckte es sofort wieder weg und sah ihn überrascht an.

„Nein, nichts.“, entgegnete er mit einer Unschuldsmiene, die dem Silberhaarigen noch verdächtiger vorkam. Doch er konnte nicht weiter nachhaken, da sein Partner sofort das Thema wechselte: „Nur damit du es weißt, das war vorhin kein Scherz. Ich werde dich wirklich zu dieser Veranstaltung begleiten.“

„Meinetwegen, du kennst ja die Regeln. Verhalt‘ dich normal und stell keinen Unsinn an.“ Gin fühlte sich, als würde er ein Kleinkind belehren. Demzufolge war Ryes darauffolgende, beleidigte Tonlage nicht verwunderlich.

„Hab mal ein bisschen mehr Vertrauen in mich. Ich kann mich benehmen.“

Fast hätte Gin gelacht.

Ich bin doch derjenige, der dir mehr vertraut als du dir selbst.“, dachte er, auch wenn sich das auf ein anderes Thema bezog, welches er jetzt nicht nochmal ansprechen wollte. Stattdessen sagte er: „Ich wollte dich nur vorwarnen. Du weißt, dass der Boss nur darauf wartet, dass dir ein Fehler unterläuft und er dich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit genau im Auge behalten wird. Am besten, du lässt dich gar nicht erst vor ihm blicken.“

„Ist das denn überhaupt möglich?“ Rye klang, als würde er stark daran zweifeln. Gin trank einen Schluck von seinem Kaffee und gestand anschließend in belustigter Tonlage: „Wenn ich ehrlich sein soll, nein.“

Rye stieß ein frustriertes Seufzen aus.

„Ich werd das schon irgendwie hinbekommen.“, meinte er dennoch fest von sich überzeugt. Gin beschloss ihm zu glauben, war insgeheim aber gespannt wie sich Rye anstellen würde, wenn es soweit war. Leider würde er ihn nicht den ganzen Abend beaufsichtigen können, geschweige denn für eine längere Zeit in seiner Nähe bleiben können. Wie üblich würde Vater ihn die meiste Zeit über beanspruchen. Und dann war da auch noch die Konferenz, an welcher Rye definitiv nicht teilnehmen durfte.

Dieser erhob sich nun wieder von der Bank und sah mit einem amüsierten Ausdruck in den Augen auf Gin herab.

„Fühlst du dich in der Lage den Weg nach Hause zu bewältigen oder soll ich dich tragen?“, fragte er und unterdrückte nebenher ein Lachen.

Gin warf ihm einen finsteren Blick zu und stand auf.

„Soll ich dir den Kaffee ins Gesicht schütten?“ Er ließ es wie eine Drohung klingen, was Rye aber keinesfalls einschüchterte.

„Ich finde, er erfüllt seinen Zweck mehr, wenn du ihn trinkst.“, erwiderte er gelassen, während er sich in Bewegung setzte und Gin ihm missmutig folgte.

„Find‘ ich nicht.“ Beide gingen in Richtung des Ausgangs, wobei der Silberhaarige den Kaffee auf dem Weg dorthin in einem Zug leer trank und den Becher in den nächsten Mülleimer warf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2022-03-14T10:10:10+00:00 14.03.2022 11:10
Na wenigstens kabbeln sich die beiden wieder…


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