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The Monster inside my Veins

von

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Beweis

Überrascht starrte Gin auf den von der Polizei längst gesicherten Tatort.

„Das ging ja doch ziemlich schnell...“ Es war gerade mal 7:00 Uhr morgens. Nach diesem seltsamen Traum hatte der Silberhaarige die ganze Nacht kein Auge zu bekommen, weshalb er zeitig aufgestanden war und daraufhin die Wohnung verlassen hatte. Zudem war seine Neugierde, ob sich sein Verdacht bestätigte, einfach zu groß gewesen, um noch länger zu warten. Obwohl er fast daran gezweifelt hatte, dass sich die Leichen noch am selben Ort befinden würden. Rye hätte sie immerhin auch woanders verstecken oder entsorgen können. Mit zuversichtlicher Stimmung trat Gin bis an das Absperrband heran und ließ seinen Blick durch die Menge an Polizisten und Leuten von der Spurensicherung schweifen. Ohne Cognac würde er den Tatort nicht betreten dürfen. Glücklicherweise entdeckte Gin ihn nach kurzer Zeit. Der Ältere schien gerade ein Gespräch mit einem seiner Untergebenen zu führen und sah dabei ziemlich verärgert aus. Während sich Cognac im nächsten Moment kopfschüttelnd umdrehte, geriet Gin in sein Blickfeld. Verwundert ging er auf diesen zu.

„Was ist los? Ich habe den Boss doch noch gar nicht benachrichtigt und es wurden auch noch keine Informationen über den Mordfall irgendwo veröffentlicht...“, sprach Cognac den Jüngeren nachdenklich mit leiser Stimme an. Er konnte sich offensichtlich nicht erklären, wie Gin so schnell von der Tat erfahren konnte. Doch das musste er auch nicht unbedingt wissen. Als Cognac dem Silberhaarigen auf die Schulter fasste, um ihn in eine stille Ecke zu schieben, bewegte dieser sich jedoch nicht von der Stelle. Bevor Cognac fragen konnte, kam Gin ihm zuvor: „Es sind drei Leichen, nicht wahr?“

Der alte Mann sah ihn erstaunt an und fragte: „Woher weißt du das?“

Gin antwortete ihm nicht und stellte stattdessen eine neue Frage: „Konntet ihr schon die Identitäten der Opfer ermitteln?“

Cognac zog die Augenbrauen zusammen. Scheinbar konnte er Gins vorwegnehmende Verhaltensweise nicht ganz deuten, weshalb er einige Sekunden brauchte, um die Frage zu beantworten.

„Nein.“, erwiderte er schlicht. Doch die nächste Frage verwirrte ihn nur noch mehr.

„Würdest du mir die Leichen zeigen? Ich bin mir sicher, dass ich euch diesbezüglich helfen kann.“

„Sag nicht, du hast etwas damit zu tun.“, sprach Cognac seine Befürchtung aus. Gin blieb allerdings still. Nach einem Seufzen willigte der Ältere schließlich ein.

„Na gut, von mir aus. Aber ich bezweifle, dass du da noch was erkennen kannst.“, meinte er und zog währenddessen das Absperrband nach oben, damit beide Männer drunter durch gehen konnten.

Gin folgte Cognac schweigend. Dessen Aussage ließ ihn ahnen, was er gleich zu sehen bekommen würde. Und das wollte er auch sehen. Den endgültigen Beweis für Ryes Taten, welcher nur noch wenige Schritte entfernt war. Und mit jedem Schritt steigerte sich die heimliche Vorfreude in Gin. Doch diese löste sich im nächsten Moment in Luft auf, als er mit Cognac am Ende der Gasse angekommen war, in welcher er am Abend zuvor noch von Sigma und dessen Handlangern bedroht wurde.

Da war überall Blut, das sogar bis hoch an die Wände gespritzt war. Auf dem Boden lagen einige blutgetränkte Stofffetzen, Knochenteile und sogar Eingeweide verteilt. Es war nicht mehr zu erkennen, was davon mal zu wem gehört hatte. Auch an den zugerichteten Leichnamen konnte nichts mehr festgestellt werden, was auf die Identität der Opfer hinwies. Bei diesem Anblick stockte Gin der Atem. Es zu vermuten und letztlich bestätigt zu bekommen waren zwei völlig andere Dinge, wie er jetzt sprachlos feststellen musste. Die Vorstellung, dass Rye das gestern Abend zustande gebracht haben sollte, jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken. Trotzdem machte ihn eine Sache stutzig: Wieso war von dem vielen Blut nichts an Ryes Klamotten zu sehen gewesen? Gewechselt hatte er sie jedenfalls nicht, denn das wäre Gin sofort aufgefallen. Obwohl er im Wagen überwiegend auf Ryes Stimmung geachtet hatte, anstatt die Kleidung des Schwarzhaarigen genauestens zu analysieren.

„Er war so wütend, als er zurückgekommen ist...“, erinnerte sich Gin. Doch das komplette Ausmaß dieser Wut befand sich erst in diesem Moment direkt vor seinen Augen.

„Sie haben es schließlich verdient…“, hallte Ryes Satz abermals in seinem Kopf wider. Nur dass Gin die Worte jetzt anders deutete, was er lieber hätte lassen sollen. Er dachte daran, wie sich Rye Sigma gestern gegenüber verhalten und wie er mit ihm gesprochen hatte. Seinetwegen. Doch das konnte nicht der Grund gewesen sein. Unbeabsichtigt versank er in eine Gedankenspirale: „Was hat ihn so wütend gemacht, dass er sie gleich wortwörtlich zerfetzen musste? Er kannte Sigma nur von dem Meeting, sodass er doch gar keinen persönlichen Groll gegen ihn hegen konnte... Etwa nur, weil Sigma mich-… das ist doch lächerlich!“

„Alles in Ordnung?“, riss Cognacs verunsicherte Stimme Gin plötzlich aus seinen Gedanken. Er ignorierte die Frage und verriet trocken: „Das sind Sigma und zwei seiner Leute.“

Nebenbei bemerkte er, wie sich einige Puzzleteile in seinem Kopf zusammenfügten. Es war seltsam nun ohne Zweifel zu wissen, dass Rye der berüchtigte Täter dieser rätselhaften Mordserie war, deren Opfer alle auf eine so unmenschliche Art getötet wurden, dass sie mit Tierangriffen verglichen wurden. Aber vielleicht war dieser Vergleich berechtigt. Ein Mensch war Rye immerhin auf keinen Fall. Doch die Alternative wollte sich Gin einfach nicht eingestehen. Es gab keine Vampire.

Mit langsamen Schritten entfernte er sich rückwärts von den Leichnamen, woraufhin er von Cognac in einem besorgten Tonfall gefragt wurde: „Was hast du denn so plötzlich?“

„Entschuldige, mir ist da gerade was eingefallen.“, log er. Ohne auf eine Reaktion des Älteren zu warten, drehte er sich weg und ging im Schnellschritt davon. Er ignorierte die verwirrten Blicke der Beamten auf sich und verließ den Tatort. Mehr gab es dort nicht zu sehen, was weiter von Belang wäre. Er hatte das, was er wollte: Den entscheidenden Beweis, um Rye konfrontieren zu können. Es war höchste Zeit dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen und alle nötigen Vorkehrungen zu treffen.

Gin überlegte, wie er Rye am besten zur Rede stellen konnte und ob er vielleicht vorher den Boss kontaktieren sollte. Aber es bestand keine Garantie, dass dieser ihm überhaupt glauben würde.

„Wenn ich ihm mit Vampiren ankomme, denkt er, ich hab den Verstand verloren...“

Ein ironisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Naja, vielleicht hab ich das inzwischen wirklich.“
 

Am Abend in der Scarlet Lounge
 

Gedankenversunken nippte Gin an seinem Mojito-Cocktail. Bisher hatte er sich noch für keinen Weg entscheiden können, um mit Rye in Kontakt zu treten. Irgendwie hatte ihn immer ein mulmiges Gefühl beschlichen, als er versucht hatte, dem Schwarzhaarigen eine SMS zu schreiben, geschweige denn, ihn anzurufen. Nach seinem schroffen Auftritt gestern Abend würde das wahrscheinlich nur komisch rüberkommen und könnte möglicherweise Ryes Misstrauen wecken. Aber ein bisschen interessierte es Gin schon, was in Rye vorgegangen war, als er das Restaurant verlassen hatte. Sonst schien sein Partner sehr empfindlich und leicht zu provozieren zu sein. Doch gestern war keine Reaktion von diesem erfolgt. Rye hatte nicht einmal versucht, ihn nochmal aufzuhalten.

„Ob er sauer ist? Nicht, dass er mir doch noch auflauert und mich umbringt.“, dachte Gin scherzhaft, obwohl das eigentlich gar nicht mal so unwahrscheinlich war.

„Wenn er das wirklich vorhat, bin ich ja vorbereitet...“ Zwar hatte er vorhin aus dem Labor eine gefüllte Spritze mit Curare mitgehen lassen, fragte sich aber dennoch, ob er somit ausreichend vorbereitet war. Herausfinden wollte er das allerdings nicht unbedingt und einsetzten würde er die Substanz auch nur im Notfall.

Als Gin einen weiteren Schluck von seinem Cocktail nehmen wollte, bemerkte er, dass dieser schon wieder leer war. Das war bereits sein Dritter gewesen. Genervt schaute er sich nach einem Kellner um, wobei sein Blick jedoch verdutzt beim Eingang hängen blieb, durch welchen kein geringerer als Rye gerade die Bar betrat.

„Was will er hier? Ist er mit jemandem verabredet?“, schoss es Gin sogleich durch den Kopf. Eine Verabredung hielt er für unsinnig, da Rye bisher nie einen kontaktfreudigen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Die einzigen Personen, mit denen der Schwarzhaarige allgemein zu tun gehabt hatte, waren Vermouth und er gewesen. Und da Erstere verschwunden war, blieb nur noch er übrig. Jedoch schien Rye ihn diesmal nicht zu beachten. Bis jetzt. Aufgewühlt wandte Gin den Blick ab, als sich Ryes smaragdgrünes Augenpaar auf ihn richtete. Während Gin auf die Tischplatte starrte, konnte er förmlich spüren, wie Rye hinter ihm vorbeiging und ihm dabei ein Schauer über den Rücken lief. Für einen winzigen Moment hoffte Gin, dass sich sein Partner zu ihm gesellen würde. Doch sobald sich der Silberhaarige dieser aufkeimenden Hoffnung bewusst wurde, erstickte er sie sofort wieder. Zumal sich die Hoffnung nicht erfüllte, denn Rye ging ein paar Tische weiter und setzte sich zu einem fast vollen Tisch dazu. Die Mitglieder, die sich dort bereits befanden, kannte Gin alle nicht. Er saß immerhin sonst allein hier und vermied überflüssige, neue Bekanntschaften. Rye saß mit dem Gesicht zu Gin gewandt, sodass dieser es nicht wagte ihn genauer zu betrachten, um festzustellen, ob Rye ihn beobachtete oder sich einfach nur mit dem Gegenüber unterhielt. Oder beides.

„Was soll das denn…“ Diese scheinbar offene Art kannte Gin von seinem Partner gar nicht, der gerade wie ein Wasserfall zu reden schien. Und weil er diese Art nicht kannte, glaubte er, dass Rye irgendwelche Hintergedanken haben musste.

„Aber welche…“ Dass der Schwarzhaarige vielleicht hierher gekommen war, um ihn heimlich beobachten zu können, kam jedenfalls nicht in Frage. Rye hätte schließlich nicht wissen können, dass sich Gin hier aufhielt. Da stutzte dieser plötzlich.

„Und wenn er es doch wusste?“, kam es ihm in den Sinn. Es war tatsächlich schon öfters vorgekommen, dass er von Rye gefunden wurde, ohne dass er sich den Grund dafür hätte erklären können. Und immer, wenn er nachgefragt hatte, war Rye wie üblich ausgewichen.

„Okay, gestern hat er zugegeben mir gefolgt zu sein…“, gestand sich Gin ein. Doch genau das war der Knackpunkt. Jetzt schien es Sinn zu ergeben.

„Kann es vielleicht sein, dass er mir fast immer folgt?“, fragte er sich. Das würde auch erklären, warum er an manchen Tagen so ein komisches Gefühl verspürt hatte, von jemandem beschattet worden zu sein. Besonders an dem einen Tag, wo er zu Fuß nach Hause gelaufen war.

„Ich fahr dich nach Hause, wohin sonst?“, erinnerte er sich an das, was Rye ihm gestern im Auto auf die Frage geantwortet hatte, wohin er fahren wollte. Daraufhin hatte Gin behauptet, Rye wüsste nicht, wo er wohnen würde. Doch in diesem Augenblick erkannte der Silberhaarige, dass er damit falsch gelegen hatte.

„Er weiß, wo ich wohne… weil er mir gefolgt ist.“, sprach er die unangenehme Erkenntnis in seinen Gedanken aus. Auch wenn es dafür keine Bestätigung gab. Er konnte sich irren. Allerdings flüsterte ihm ein vertrautes Gefühl zu, dass dem nicht so war. Rye verhielt sich in seiner Nähe immer sehr merkwürdig, vor allem anhänglich. Insofern, dass alles, was er sagte oder tat darauf hinwies, dass er auf eine bizarre Weise an Gin interessiert war.

„Zumindest scheint er sehr auf mich fixiert zu sein…“, wurde diesem klar, während er den Schwarzhaarigen unbewusst musterte, welcher inzwischen verstummt war und dem Gespräch am Tisch nur noch mit halbem Ohr zuhörte. Wenn überhaupt. Wieder wandte sich Gin ab, um Ryes eindringlichem Blick zu entkommen. Er musste an etwas anderes denken, was nicht ganz so leicht war.

„Und wenn diese Eclipse-Organisation, aus der Rye stammt, auch Nachahmer sind und sie versucht haben, diese Vampirrasse wieder auferstehen zu lassen? Und ihnen das sogar gelungen ist? Ist Rye wirklich geflohen oder hat er andere Ziele? Vielleicht hat er ja einen bestimmten Auftrag bekommen...“, ging es ihm stattdessen durch den Kopf. Dabei stellte er fest, dass es ihm immer noch schwer fiel, einzuschätzen, wie gefährlich Rye in Wirklichkeit vielleicht sein könnte. Er wusste ebenso wenig, welche Ziele dieser verfolgte und ob eins davon war, ihn früher oder später umzubringen. Womöglich würde sich Rye spätestens dafür entscheiden, wenn Gin ihn mit seinem Verdacht konfrontiert hatte. Und das würde heute noch geschehen.

„Vielleicht gibt es einen Grund, wieso er mich nicht tötet. Wenn ich Glück habe, könnte ihn der gleiche Grund auch diesmal davon abhalten.“, hoffte Gin. Auch wenn die Chance, dass er recht hatte, nicht sonderlich hoch war. Aber man konnte ja nie wissen. Viel wichtiger war erst mal, wie er Rye von hier weg locken konnte. Falls der Verdacht, dass dieser ihn sowieso meistens überall hin folgte, stimmte, konnte er sich das jetzt zu Nutze machen. Er bräuchte also nichts weiter tun, als einfach zu gehen und Rye würde ihm von allein hinterhergelaufen kommen.

„Ein Versuch ist es wert. Wenn es nicht funktioniert, muss ich ihn halt doch hinbestellen.“, dachte Gin entschlossen und stand anschließend mit einem Ruck auf. So, dass Rye es auch wirklich mitbekam. Wie erwartet schaute der Schwarzhaarige ihn immer noch prüfend an, als er seinen Blick zu ihm schweifen ließ. Gin setzte ein herausforderndes Lächeln auf und sah seinem Partner dabei fest in die Augen. Eine unausgesprochene Einladung, ihm zu folgen. Mehr oder weniger. Rye wusste schließlich nicht, dass er dahintergekommen war.

Im nächsten Moment kehrte Gin ihm den Rücken zu, schob den Stuhl an den Tisch und verließ gezielten Schrittes die Bar, ohne sich nochmal umzudrehen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass Rye ihm folgen würde.
 

Gin begab sich zum Fahrstuhl und fuhr hinunter in die Tiefgarage, wo er seinen Porsche geparkt hatte. Er ging langsam zwischen den Autos entlang, bis er seinen Oldtimer erreicht hatte. Direkt gegenüber stand glücklicherweise Ryes Chevrolet. Somit war die Chance höher, dass der Schwarzhaarige ihm damit folgen würde.

Gin stieg in den Wagen und knallte die Fahrertür hinter sich zu. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn jedoch noch nicht herum. Stattdessen zündete er sich genüsslich eine Zigarette an und wartete einen kurzen Moment. Sein Blick war ununterbrochen an die Fahrstuhltüren geheftet, welche sich zu seiner Überraschung nach wenigen Minuten zu öffnen begannen.

„Du scheinst es mir wirklich leicht machen zu wollen…“, dachte Gin abfällig, als er sah, wie ein gewisser schwarzhaariger Mann mit Strickmütze und Trenchcoat-Mantel aus dem Fahrstuhl trat. Gin verspürte umgehend das Gefühl eines kleinen Erfolges. Mit einem selbstsicheren Lächeln auf den Lippen richtete er den Blick nach vorn, startete den Motor und fuhr in einem gemächlichen Tempo aus der Tiefgarage.
 

Draußen dämmerte es schon. Viel Verkehr herrschte dennoch, was Gin heute ausnahmsweise nicht sehr störte. Er hatte es schließlich auch nicht eilig. Immerhin wollte er sichergehen, dass es Rye leicht fallen würde, ihm hinterher zu fahren. Wie erwartet konnte Gin im Rückspiegel erkennen, wie sich der Chevy hinter ihm in dieselbe Spur einordnete. Zwischen ihnen befanden sich vier weitere Autos, die Gin genügten, um so tun zu können, als würde ihm nichts auffallen. An einer roten Ampel hielt er an und nutzte die zusätzliche Zeit, um sich einen passenden Zielort zu überlegen. Es musste möglichst abgelegen sein, um sich ungestört in Ruhe unterhalten zu können. Allerdings durfte es auch nicht zu abgelegen sein, sodass man zur Not noch in einer in der Nähe liegenden Menschenmasse fliehen konnte. Anders ausgedrückt: Ein Ort, wo es Rye nicht möglich sein würde, unauffällig einen Mord zu begehen.

„Obwohl es fraglich ist, ob er sich wirklich dran hindern lassen würde. Wohl kaum. Wenn er sich dafür entscheidet, wird Flucht sowieso nicht mehr möglich sein. Er wäre viel zu schnell.“, wurde es Gin bewusst, während die Ampel wieder umschaltete und er erneut losfuhr. Irgendwie hatte er fast vergessen, wie dumm und lebensmüde diese Aktion hier gerade war. Sonst war er noch nie so leichtsinnig gewesen und er konnte sich nicht erklären, warum er es ausgerechnet heute trotzdem war. Etwas tief in seinem Inneren hielt wohl insgeheim immer noch daran fest, dass Rye ihm nichts tun würde. Unter keinen Umständen. Und solange er daran glaubte, wenn auch nur ein bisschen, konnte er unbekümmert weiterfahren.

Gin gab zuerst vor, dieselbe Strecke wie immer zu fahren. Doch kurz bevor er seine Wohnung erreicht hatte, schlug er eine andere Route ein. Hin und wieder vergewisserte er sich unauffällig im Rückspiegel, ob der Chevy noch hinter ihm war. Erst als er sich diesbezüglich sicher war, bog er in die nächste Straße ein. Er fing an Hauptstraßen zu meiden und benutzte stattdessen Schleichwege. Solange, bis er der Meinung war, eine geeignete Stelle gefunden zu haben. Dort parkte er am Straßenrand und stieg aus.

Die schmale, unbelebte Straße, in die er ging, entpuppte sich als Sackgasse, da sie von einem hohen Drahtzaun von der dahinterliegenden Hauptstraße abgetrennt wurde. Unsicher warf Gin den Blick über die Schulter und konnte noch erhaschen, wie hinter der Ecke ein Lichtstrahl am Boden, der von Autoscheinwerfern erzeugt wurde, erlosch. Dem Anschein nach war es zum Umkehren bereits zu spät. Gin blieb regungslos stehen und lauschte. Er beobachtete durch den Zaun, wie alle paar Sekunden ein Auto vorbeifuhr. Doch sonst tat sich nichts. Der Besitzer des vermeintlich fremden Autos, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit hinter der Ecke im sicheren Schatten verbarg, hatte wohl nicht vor, sich von selbst zu zeigen.

Gin atmete tief durch. Er nutzte den kleinen Moment, um sich zu sammeln, bevor er sich entschlossen umdrehte und mit fester Stimme begann: „Du brauchst dich nicht zu verstecken.“

Danach wartete er auf eine Reaktion, die jedoch nicht erfolgte. Es blieb still. Scheinbar genügte diese Anmerkung noch nicht, weshalb er in gleicher Tonlage hinzufügte: „Ich weiß, dass du mir gefolgt bist. Denn das tust du immer. Nicht wahr, Rye?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2021-11-08T20:44:37+00:00 08.11.2021 21:44
😳😳😳😳😳…. Und du hörst jetzt auf?!?! Wieso? Warum?!!! 😱😱😱😱
Gemein🥺
Das Kapitel kommt mir soo kurz vor. Lies sich einfach so… wegatmen. ➡️ Ist also ein Kompliment an deine Schreibkunst 😉
Antwort von:  ginakai
09.11.2021 19:45
Weil es gerade so spannend war 🤭😂 dafür kommt nächste Woche ein längeres Kapitel 😊
Dankeschön 😁


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