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The Monster inside my Veins

von

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Verschwunden

3 Tage später
 

Gereizt verließ Gin das Büro seines Bosses und musste sich dabei beherrschen, nicht die Tür hinter sich zuzuknallen. Jetzt lagen seine Nerven endgültig blank. Immer wenn er dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, machte Vermouth ihm wie üblich einen Strich durch die Rechnung. Dieses Mal war sie dafür nicht mal anwesend. Diese Abwesenheit war auch der Grund für das Gespräch mit seinem Vorgesetzten gewesen. Seit drei Tagen war es um Vermouth herum ziemlich still geworden. Sie war sozusagen unauffindbar, auch wenn Gin das nicht sonderlich interessierte. Immerhin kam das regelmäßig vor. Jedoch wohl mit dem Unterschied, dass sie dem Boss vorher eine Nachricht hinterließ. Bisher hatte sie aber nicht mal auf dessen Nachrichten geantwortet oder gar ein Lebenszeichen von sich hören lassen.

Schließlich wurde der Silberhaarige trotz vieler Widersprüche damit beauftragt, nach Vermouth zu suchen. Völlig übertrieben und überflüssig. Der Boss tat so, als wären bereits mehrere Wochen vergangen. Vielleicht hatte diese Trulla sich auch einfach nur in irgendein Love-Hotel zurückgezogen. Mit einem ihrer dutzenden Liebhaber.

„Oder mit Rye. Von dem hab ich die letzten Tage auch nichts mehr gehört.“, fiel Gin auf. Er blieb stehen und drückte die Pfeiltaste an der Wand, um den Fahrstuhl zu holen.

„Wieso habe ich das Gefühl, dass er spurlos verschwinden würde, wenn nicht immer jemand auf ihn aufpasst...“, überlegte er und war zugleich überrascht, dass ihm so ein Gedanke überhaupt in den Sinn kam. Im nächsten Moment öffneten sich die Fahrstuhltüren. Gin stieg ein und drückte die Taste zum Erdgeschoss.

„In letzter Zeit verstehe ich Vater einfach nicht. Erst halst er mir diese Mordserie auf und jetzt soll ich auch noch nach Vermouth suchen. Er weiß ganz genau, dass ich mit Ersterem genug beschäftigt bin!“, beschwerte er sich weiter. Und die billige Begründung, dass er Vermouth mit am besten kannte, war noch lange kein nachvollziehbarer Grund, gerade ihn zu der Suche zu verdonnern. Des Weiteren war dem Silberhaarigen unklar, weshalb der Boss am Ende des Gesprächs versucht hatte, ihn bezüglich der Mordserie zu beruhigen.

„Was die Mordserie betrifft, sei unbesorgt. Ich habe so ein Gefühl, dass sich das bald von selbst klären wird.“, erinnerte sich Gin an die rätselhaften Worte seines Vorgesetzten. Danach hatte er gefragt: „Sag nicht, du weißt, wer dahinter steckt?“

„Nicht direkt, aber ich habe da eine Vermutung. Konzentrier‘ dich jetzt lieber erst mal auf Vermouth.“

„Und wenn das vielleicht ohnehin zusammenhängt?“

„Wir wollen es nicht hoffen.“

Das wäre Gin ehrlich gesagt lieber gewesen. Eine offiziell tote Vermouth konnte immerhin nicht weiter in der Weltgeschichte herumrennen. Es ärgerte ihn, dass der Boss ihm seine Vermutung nicht verraten hatte. Allmählich glaubte er, dass es den älteren Mann amüsierte, ihn derart unter Stress zu setzen.

Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, wartete davor bereits eine Person, über deren Begegnung Gin gerade irgendwie froh war. Cognac war momentan wirklich der Einzige, mit dem er sich noch normal unterhalten konnte. Außerdem hoffte er, nach einem Gespräch mit ihm bei der Mordserie vielleicht einen Schritt weiterzukommen.

„Gibt es was Neues?“, fragte Gin tonlos und stieg aus dem Fahrstuhl. Zum Glück ließ der alte Mann sich auf ein kurzes Gespräch ein.

„Nur das Übliche. Wir konnten die Identitäten der beiden getöteten Mitglieder ermitteln, was aufgrund ihres Zustandes leider etwas gedauert hat. Einer von ihnen besaß einen Codenamen. Scotch. Der Andere war nur ein Handlanger. Nicht weiter von Belang.“, berichtete er kühl. Die Identitäten der Opfer waren Gin nicht sonderlich wichtig. Dem Täter war das immerhin auch gleichgültig. Wichtiger waren die Tathergänge und die Spuren, die an den Tatorten zurückgelassen worden waren.

„Verstehe, der Codename sagt mir nichts.“ Von einem Scotch hatte Gin wirklich noch nie etwas gehört. Was wohl unter anderem daran lag, dass er überwiegend allein arbeitete. Jedoch wollte er den Älteren noch etwas fragen, was ihm gestern kurz vor dem Schlafengehen aufgefallen war: „Eine Sache noch: Du sagtest, dass die Körper der Opfer meistens blutleer sind?“

„Richtig.“ Cognac nickte bestätigend.

„Und welche Blutmenge ist ungefähr immer an den Tatorten zurückgeblieben?“, stellte Gin seine eigentliche Frage. Cognacs Miene blieb unverändert.

„Ich weiß, worauf du hinauswillst. Je nach Körpergewicht besitzt ein Mensch durchschnittlich fünf Liter Blut. Wenn die Körper aber blutleer sind und das Blut am Tatort die fehlende Menge nicht ausgleicht, dann fragt man sich...“

„...wo das restliche Blut ist.“, beendete der Silberhaarige den Satz seines Gegenübers. Daraufhin starrten sie sich an, als würden sie im Gesicht des jeweils anderen eine Antwort auf diese mysteriöse Frage finden. Letztlich konnte es sich keiner von ihnen erklären. Es war aussichtslos.

„Und wenn der Täter das Blut selbst entwendet oder… zu sich nimmt?“, äußerte Gin nach einer Weile vorsichtig einen Verdacht. Ein Ausdruck der Verwunderung glitt über Cognacs Gesicht, bevor er fragte: „Dann sollen wir jetzt also nach einer Art Vampir fahnden?“

Beide fingen an zu lachen. Dieser Gedanke an das Unmögliche war wirklich albern. Aber in einem Fantasy-Roman wäre das wahrscheinlich die Lösung.

„Einen Menschen könnte man dann immerhin ausschließen.“, meinte Cognac. Er versuchte, wieder möglichst ernst zu klingen.

„Wer weiß, kranke Menschen gibt es genug auf der Welt und jeder einzelne von ihnen ist unberechenbar.“ Das sagte Gin nur, um von der Möglichkeit, dass es sich vielleicht doch um Tiermorde handelte, abzulenken. Denn er selbst hielt das immer noch für unwahrscheinlich. Allerdings, welcher Mensch würde bitte…

„Diesem Menschen sollte es dann wegen des Eisenüberschusses aber ziemlich dreckig gehen.“, entgegnete Cognac scherzhaft.

„Ich weiß...“, kam es mürrisch vom Silberhaarigen. „Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Tier oder was auch immer… Also dass… Ach, das Ganze macht mich wahnsinnig!“, fauchte er anschließend überfordert. Sein Gegenüber senkte verlegen den Kopf und musste sich offensichtlich ein Lachen verkneifen.

Auch, wenn er ebenso im Dunkeln tappte. Danach sah er Gin verständnisvoll an, klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „Ich weiß, dass du es momentan nicht leicht hast… schließlich wurdest du ja auch mit den Ermittlungen beauftragt. Ich werde dich natürlich unterstützen und dir helfen, wo ich kann.“

Gin zwang sich ein leichtes Lächeln auf. Trotz der Tatsache, dass ihm das langsam alles zu viel wurde. Beinahe verzweifelt scherzte er: „Du kannst nicht zufällig auch eine verschwundene Vermouth wieder auftreiben?“

„Du weißt doch, wie sie ist. Sie taucht schon von allein wieder auf. Wolltest du etwas Wichtiges von ihr?“, erkundigte Cognac sich unbekümmert. Auch ihm war ein plötzliches Verschwinden von Vermouth nicht neu.

„Nein, aber der Boss will, dass ich nach ihr suche.“, maulte Gin. Ein Seufzen entwich ihm.

„Nun ja, der momentanen Lage nach kann ich es verstehen, dass er schnell besorgt ist.“, erwiderte der Ältere und als er bemerkte, dass Gin diese Antwort nicht sonderlich aufheiterte, schlug er vor: „Fang doch erst mal einfach an. Mit wem hatte sie zuletzt Kontakt? Frag denjenigen, vielleicht weiß die Person etwas.“

„Rye hatte sie glaube abends mit zu sich genommen.“ Gin brauchte nicht lange überlegen. Innerlich fluchte er, dass er schon wieder bei Rye gelandet war. In letzter Zeit schlich sich dieser Blödmann immer häufiger in seine Gedanken. Besonders lebhaft war die Erinnerung an ihre erste Begegnung, als der Schwarzhaarige ihn wie versessen angestarrt hatte. Oder dessen beschämtes Schweigen in der Bar vor drei Tagen. Oder die abfällige, zugleich bedachte Art, wie Rye mit ihm redete. Oder…

„Rye? Etwa der Neuling?“

Gin überhörte beinahe Cognacs fragende Stimme. Er nickte aufgewühlt und hakte nach: „Du hast schon von ihm gehört?“

„Es spricht sich eben schnell rum.“, erklärte der Ältere. „Gesehen hab ich ihn allerdings noch nicht. Du musst ihn mir demnächst unbedingt mal vorstellen.“

„Glaub mir, da verpasst du nichts.“, entgegnete der Silberhaarige tonlos und zweifelte daran, dass er Rye überhaupt irgendjemanden vorstellen wollte. Nicht, bevor er selbst aus ihm schlau geworden war. Immerhin hatte er jetzt einen Anlass, seinem Partner ein paar Fragen zu stellen.
 

Eine viertel Stunde später lehnte Gin in der Tiefgarage an seinem Porsche und starrte nachdenklich auf das Display seines Smartphones. Ryes Nummer hatte er bereits gewählt. Er musste nur noch auf die Anruftaste drücken, wobei es nicht einfach war, sein Zögern für diese kurze Fingerbewegung zu überwinden. Einerseits war es vielleicht klug Cognacs Ratschlag zu befolgen und Rye zuerst ein paar Fragen über Vermouth zu stellen, um bei der Suche nach ihr zumindest einen Anfang zu haben. Andererseits war sich Gin nicht sicher, ob er diesen Kerl jetzt überhaupt sehen wollte. Oder auch nur dessen Stimme zu hören, welche teils seltsam beruhigend aber auch manchmal nervig klang. Hinzu kam, dass die Fragen nach Vermouth nicht die Einzigen in seinem Kopf waren, auf die er gern Antworten wollte.

Die Zahlenkombination auf seinem Display hatte der Silberhaarige mittlerweile so lange mit verengten Augen fokussiert, dass er sie unbeabsichtigt schon fast auswendig kannte. Begleitet von einem genervten Stöhnen sprang Gin letztlich über seinen Schatten und rief seinen Partner an.

Während er dem gleichmäßigen Tuten an seinem Ohr lauschte, zog er hoffend die Möglichkeit in Betracht, dass Rye gar nicht ran gehen würde. Jedoch löste sich dieser Funken Hoffnung in Luft auf, als eine seidenweiche Stimme am anderen Ende der Leitung sich meldete: „Sieh an, das ist das erste Mal, dass du mich anrufst. Oder hast du dich verwählt?“

Natürlich konnte dieser überhebliche Kerl das Telefonat nicht mit einem einfachen ‚Hallo?‘ oder ‚Was ist?‘ beginnen, das wäre ja zu einfach und nicht provozierend genug. Entschlossen, nicht darauf einzugehen, fragte Gin ohne Umschweife: „Wo bist du gerade?“

Dabei versuchte er zu vermeiden, dass Neugierde in seiner Stimme mitschwang.

„In meiner Wohnung, warum?“

Mit dieser normalen Antwort hatte Gin nicht gerechnet. Auch war er etwas überrascht, dass sich der Schwarzhaarige dort aufhielt. Er hatte ihn an anderen, spannenderen Orten vermutet.

„Macht es dir was aus, wenn ich spontan vorbeikomme?“ Obwohl das eigentlich eine einfache Frage war, beschlich Gin ein unangenehmes Gefühl, während er sie stellte. Als würde er gewisse, falsche Absichten damit verfolgen. Wenn er daran dachte, dass Vermouth womöglich Ryes letzter Besuch gewesen war und wie das mit hoher Wahrscheinlichkeit geendet hatte, wurde ihm noch unwohler.

„Warum?“, wiederholte sein Gesprächspartner jedoch unerwartet abweisend. Gin zögerte kurz und schloss seine Finger fester um sein Smartphone.

„Ich würde dir gern… ein paar Fragen stellen.“, verriet er schließlich, ein wenig verärgert über den unsicheren Unterton in seiner Stimme.

„Dann frag.“

Wieder nur eine knappe Antwort, die Gin erneut aus irgendeinem Grund nicht zufrieden stellte. Es klang so kalt. Desinteressiert. So überhaupt nicht, wie er es sonst von Rye gewohnt war. Auf diese Weise würde er bestimmt nicht in dessen Wohnung gelangen.

„Persönlich meinte ich. Nicht während des Telefonats.“, erwiderte er tonlos. Danach folgte eine Stille, in welcher Gin zu sehen glaubte, wie sich ein breites Lächeln auf Ryes Lippen bildete. Immerhin bekam er diesmal eine längere Antwort: „Verstehe, die Fragen sind also so wichtig, dass du mich unbedingt dabei sehen musst.“

Ryes Stimme klang belustigt, so dass sich die Aussage in Gins Ohren komplett falsch anhörte. Natürlich war das Absicht gewesen. Aber einen wahren Kern hatte die Aussage dennoch. Es stimmte tatsächlich, dass Gin den Schwarzhaarigen dabei lieber sehen wollte. Um dessen Gesichtszüge während des Gesprächs genaustens analysieren zu können. So ließ sich leichter erkennen, ob Ryes Antworten der Wahrheit entsprachen oder nicht. Denn Stimmen konnte man leicht verstellen, doch nicht jeder war geübt darin auch seine Gesichtsausdrücke dementsprechend anzupassen oder die ganze Zeit ein Pokerface beizubehalten.

Dass es seinem Partner an schauspielerischen Fähigkeiten mangelte, hatte Gin bereits am Abend des Meetings bemerkt. Er würde ihn nicht täuschen können.

„Also, darf ich?“, hakte er nochmals nach.

„Gern. Wenn du meine Adresse kennst?“, schoss Rye freundlich zurück. Natürlich war das nicht der Fall. Bis vor kurzem hatte es Gin ja nicht mal interessiert.

„Nein, die wäre?“, fragte er so kurz wie möglich. Nachdem Rye ihm die Adresse genannt hatte, gab er Bescheid: „Ich brauche ungefähr 20 Minuten. Bis gleich.“

„Okay, bis gleich.“, verabschiedete sich der Schwarzhaarige, woraufhin Gin das Telefonat beendete. Er stieg in seinen Porsche, zündete den Motor und fuhr los. Ryes Wohnung befand sich im Bezirk Minato, wohin er nicht lange brauchen würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2021-08-28T20:46:39+00:00 28.08.2021 22:46
Oha, es wird heißer… 😄
Was wohl dort passieren wird?

Ich finde es erstaunlich, was du aus einem eigentlich so „belanglosen“ Zwischenstück gemacht hast. Schließlich passiert hier ja eigentlich nichts und trotzdem verschlingt man jeden Satz förmlich.
Ich hibble mich dann mal zum nächsten Kapitel. 😋
Antwort von:  ginakai
29.08.2021 14:09
Heißer, aber auch gefährlicher 😂

Leider kann ja nicht in jedem Kapitel was spannendes passieren xD aber freut mich, dass ich es scheinbar doch gut hinbekommen hab und es dir gefallen hat 😊


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