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The Monster inside my Veins

von

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Ein neuer Partner

Am Abend begab sich Rye wie vereinbart zu der Bar mit dem Namen ‚Scarlet Lounge‘. Er hatte sich zuvor am Nachmittag auf die Schnelle ein Smartphone besorgt. Selbstverständlich gestohlen, von irgend so einer Tussi, die ihm am Bahnhof über den Weg gelaufen war. Bei dem Gedränge hatte sie das ohnehin nicht bemerkt und inzwischen stellte er sich geschickt genug an, verschiedene Gegenstände von anderen unbemerkt zu entwenden. Alles Übungssache. Auch wenn er es nur getan hatte, weil er kein Geld für solch ein unnützes Gerät verschwenden wollte. Bisher hatte er nie eins benötigt, denn Freunde oder Bekannte gab es in seinem Leben nicht. Warum sollte er auch mit irgendwelchen Menschen Freundschaften schließen? Er würde sie früher oder später sowieso umbringen, jedoch nicht aus böser Absicht.

Als Rye in den Fahrstuhl stieg, hatte er noch drei Minuten bis zur ausgemachten Zeit. Er würde genau pünktlich sein. Ein bisschen unwohl war ihm schon, als er den Knopf für die vorletzte Etage drückte.

„Eigentlich will ich doch niemanden kennenlernen...“, dachte er, während er sich an das Gespräch mit Vermouth zurückerinnerte. Er hielt es für besser, sich von möglichst vielen Mitgliedern dieser Organisation zu distanzieren. Insofern es nicht notwendig war, mit jemanden zusammenzuarbeiten. Andererseits waren seiner Meinung nach die Einzelgänger immer am auffälligsten. Vielleicht sollte er sich doch lieber anpassen und ein paar Bekanntschaften machen.

Im nächsten Moment öffneten sich die Fahrstuhltüren. Der Schwarzhaarige ging den breiten, verdunkelten Flur entlang und betrachtete dabei den roten Teppich unter seinen Füßen. Von weitem konnte man eine leise Melodie hören, welcher er einfach folgte. Es klang wie ein ruhiger Jazz-Song. Jazz hörte er besonders gern, da er meistens eine entspannte Stimmung erzeugte. Und so wurde seine anfängliche Anspannung doch vertrieben.

Als er um die Ecke bog, erblickte er schließlich einen Eingang, welcher sich hinter einem roten Vorhang verbarg. Ebenso rot war das darüberliegende, leuchtende Schild mit der Aufschrift ‚Scarlet Lounge‘.

Mit gezielten Schritten ging Rye auf den Eingang zu und schob mit einer einfachen Geste den Vorhang beiseite. Während er den Raum betrat, wurde die Musik lauter und die Luft wärmer. Darauffolgend musste er feststellen, dass die Bar ihren Namen zurecht trug. Sowohl die Theke als auch andere Tische und Stühle waren aus einem glänzend roten Material angefertigt. Die Rosen auf den Tischen und die rot leuchtenden Lampen an der Decke erzeugten eine romantische Atmosphäre. Im hinteren Bereich befand sich auch eine rot gepolsterte Couch, auf welcher es sich zwei Personen bequem machten und sich eine Zigarette genehmigten. Generell war die Bar ziemlich belebt. Nicht überfüllt, aber auch nicht so gut wie leer. Gerade, als Rye die Menschen genauer mustern wollte, hörte er plötzlich seinen Namen: „Rye, hier drüben!“

Aus dieser Richtung entdeckte er Vermouth allein an einem Tisch, welche ihn zu sich herüberwinkte. Daraufhin gesellte er sich zu der Blondhaarigen und setzte sich auf den freien Platz gegenüber.

Vor ihr stand ein halbleeres Cocktailglas mit einer Zitronenscheibe drin. Daneben lag eine Karte, auf welcher viele alkoholische Getränke aufgelistet waren. Sie steckte sich eine Slim Zigarette an, pustete genüsslich den Qualm aus und begann: „Schön, dass du hergefunden hast. Und dann auch noch so pünktlich.“

Die Blonde warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.

„Hast du dich um ein Handy gekümmert?“, wollte sie dann wissen, woraufhin Rye das Smartphone aus seiner Jackentasche kramte.

„Erledigt.“, meinte er unbetont.

„Erledigt ist es erst, wenn ich deine Nummer habe, um dich zu kontaktieren.“, korrigierte sie ihn mit einem schelmischen Lächeln und nahm ebenso ihr Handy hervor. Als Rye ihr die Nummer gegeben hatte, steckten beide ihre Geräte wieder zurück in die Tasche.

„Ich fasse mich kurz: Du brauchst einen Partner.“, offenbarte Vermouth nach einer Weile den Grund für das Treffen, da sie Rye die vielen Fragen förmlich aus dem Gesicht ablesen konnte. Dieser schaute jetzt verdutzt.

„Ich brauche keinen.“, widersprach er, um zu vermeiden, dass seine schlimmste Vermutung wahr wurde. Er wollte wirklich keinen Partner. Der würde mit Sicherheit nur Probleme bereiten und ihm zur Last fallen.

„Bedaure, aber der Boss will, dass du vorerst noch unter Beobachtung bleibst. Außerdem würde es dir helfen, dich besser einzuleben und zurechtzufinden.“, erklärte Vermouth und versuchte offensichtlich nun, ihn zu überzeugen. Aber das funktionierte nicht so einfach.

„Das kann ich doch auch allein. Ich bin eben-“

„Sei doch nicht gleich so abweisend.“, fiel die Frau ihm jedoch ins Wort und fügte hinzu: „Du hast dich doch noch gar nicht richtig umgesehen, vielleicht ist ja doch jemand für dich dabei.“

Daraufhin runzelte Rye ungläubig die Stirn.

„Du meinst, ich darf mir einfach jemanden aussuchen? Egal wen?“, wollte er sichergehen, ihre Aussage auch richtig aufgefasst zu haben.

„Vorausgesetzt, du entscheidest dich. Sonst teile ich dir jemanden zu.“, erwiderte sie in einer leicht hämischen Tonlage, die Rye verriet, dass er die Wahl wohl besser selbst treffen sollte.

„Aber ich kenne hier keinen und es gehört sich nicht, nach dem Aussehen zu beurteilen.“, versuchte er es dennoch weiter hinauszuzögern und fand dabei innerlich, dass diese Ausrede wirklich albern klang. Das erwartete Lachen folgte keine Sekunde später.

„Nun, frag mich einfach. Ich kenne jeden in dieser Bar.“, bot Vermouth ihm danach an. Rye versuchte das aufkommende Schamgefühl zu ersticken und lenkte sich ab, indem er seinen Blick durch die Bar schweifen ließ und verschiedene Mitglieder in den Fokus nahm.

„Gut, dann erzähl mir doch etwas über die beiden dort hinten.“, forderte er und deutete auf die beiden Personen, welche nach wie vor auf der Couch saßen. Ein älterer Mann mit runder Brille und eine rothaarige Frau, deren linkes Auge ein Schmetterlings-Tattoo zierte.

Rye bemerkte, wie sich Vermouths Blick leicht verfinsterte, bis sich wieder ein Lächeln auf ihren Lippen bildete und sie begann: „Der Mann heißt Korn. Ein wirklich ruhiger Geselle, der sich mehr seinen Teil denkt, als er ausspricht. Daher kann man ihn schlecht einschätzen. Er ist meistens mit der Frau neben ihm zusammen, Chianti. Sie ist eher das totale Gegenteil von ihm. Wenn du nach ihrer Nase tanzt, ist sie nett zu dir. Aber wenn du etwas tust, was ihr so gar nicht in den Kragen passt, kann sie richtig biestig werden… Sehr süß, wie sie sich dann immer aufregt und jeden anfaucht. Jedenfalls, die zwei sind gute Scharfschützen. Vielleicht kannst du sie ja fragen, ob sie mal mit dir in der Trainingshalle schießen üben.“

„Oder ich übe allein.“, erwiderte Rye nur desinteressiert. Der Frau entwich ein Seufzen. Das könnte schwierig werden.

„Du solltest lernen Teamarbeit zu schätzen. Das hat viele Vorteile.“, belehrte sie in ernster Tonlage, während sie sich in der Bar umsah. Da gerieten zwei Männer an der Theke in ihr Blickfeld.

„Wie wär‘s mit den Beiden? Ihr müsstet ungefähr im gleichen Alter sein. Der Blonde trägt den Codenamen Bourbon und der junge Mann neben ihm heißt Scotch. Bourbon ist-“

„Nicht mein Geschmack.“, unterbrach Rye sie gelangweilt. Er fühlte sich wie ein Außenseiter in der Grundschule, der gerade auf der Suche nach neuen Freunden war. Und diese Freunde brauchte er nicht mal. Ein weiteres Mal ließ er selbst seinen Blick durch die Bar schweifen, in der Hoffnung eine Person wäre interessant genug für ihn. Doch er fand keine. Da Vermouth schwieg, hatte sie es wohl inzwischen aufgegeben und wartete nun auf seine Entscheidung, die er wahrscheinlich nie fällen würde. In seinen Augen sah jeder gleich aus. Egal welche Eigenschaften oder Fähigkeiten die Menschen in dieser Bar hier vielleicht besaßen, sie waren für ihn allesamt gleichwertig. Letztlich floss immer dasselbe Blut in ihren Adern. Und es schmeckte immer gleich. Doch daran sollte der Schwarzhaarige jetzt besser nicht denken.

Plötzlich weiteten sich seine Augen. Eine neue Person betrat gerade die Bar. Er betrachtete den schwarz gekleideten Mann mit den langen, silberglänzenden Haaren und fühlte sich dabei für einen kurzen Moment wie vom Blitz getroffen.

„Wer ist das…?“, fragte er mit leiser Stimme, als seine Benommenheit allmählich nachließ. Dennoch wendete er seine Augen nicht ab und beobachtete, wie der Mann sich an einen freien Tisch setzte und den Kellner zu sich rüberwinkte.

Vermouth hingegen fand, dass Ryes veränderte Tonlage sehr verräterisch klang und sich selbst seine Ausstrahlung schlagartig verändert hatte. Er konnte sein Interesse nicht vor ihr verbergen.

„Das ist Gin.“, meinte sie nach ein paar Sekunden trocken und fügte zynisch hinzu: „Ein unerträglicher, kaltherziger Mensch. Er ist gefühlt immer mies gelaunt und weist fast jeden in seiner Umgebung ab, außer natürlich bei Missionen. Aber da nur nicht, weil es sein muss. Sonst interessiert er sich für niemanden, also verschwende nicht deine Zeit.“

„Das hatte ich nicht vor.“, erwiderte Rye daraufhin schmunzelnd und drehte sich wieder um. Er versuchte das Bild des Mannes wieder aus seinen Kopf zu vertreiben. Dann konnte er so tun, als hätte er ihn niemals hier hereinkommen sehen. Aber schon nach einem kurzen Moment wanderte sein Blick erneut zu dem Silberhaarigen.

Er begann dessen Gesichtszüge genau zu analysieren, versuchte nebenbei die Farbe seiner Augen zu erkennen, was ihm leider durch das abgedunkelte Licht im Raum nicht gelang. Musterte dann die Lippen, welche gerade mit dem flüssigen Inhalt seines bestellten Getränks in Berührung kamen. Als der Mann das Getränk wieder auf dem Tisch abstellte, glaubte Rye, ihre Blicke würden sich treffen. Oder war das nur Einbildung? Obwohl sich die Augen des Mannes zu verengen schienen, so wirkte dessen Gesichtsausdruck immer noch emotionslos. Ryes Augen wiederum richteten sich auf den Hals, der von einem lila Rollkragen verdeckt wurde. Der Gedanke, dass sich darunter seine Halsschlagader befand, war seltsam erregend. Kurz fragte der Schwarzhaarige sich, wie das Blut von diesem Mann wohl schmecken würde. Er bemerkte nicht, wie er seine eigenen Lippen dabei befeuchtete. Die Vorstellung ließ ihn ein hungriges Verlangen im Magen verspüren.

„Gin Schätzchen! Kommst du bitte mal kurz?“, riss Vermouths rufende Stimme Rye plötzlich aus seiner Trance. Er erstarrte, als sich der silberhaarige Mann nach einem genervten Augenrollen von seinem Platz erhob.

„Hey, warte mal, nein!“, zischte Rye aufgewühlt zu der Blonden, die allerdings nur ein breites Grinsen aufsetzte und sich offensichtlich ein Lachen verkneifen musste.

Aber um die Flucht zu ergreifen, war es zu spät, denn der Mann mit dem Codenamen Gin hatte sich längst neben ihn auf den freien Stuhl gesetzt.

„Was willst du?“, fragte er die Blonde sogleich genervt. Er hatte eine tiefe, raue Stimme, wie Rye feststellte. Sie passte gut zu ihm. Jetzt konnte er auch endlich die Farbe von Gins Augen erkennen, welche einen dunklen Grünton besaßen, wie seine eigenen. Der Silberhaarige fuhr sich mit einer Hand durch seinen Pony, während Vermouth ihm in einem aufdringlichen Ton antwortete: „Ich wollte dir nur jemanden vorstellen!“

Sie deutete mit dem Finger auf ihren Gegenüber und fügte hinzu: „Das ist Rye, er ist seit heute ein Teil unserer Organisation.“

Rye schwieg und biss sich leicht auf die Unterlippe. Obwohl er etwas sagen wollte, so entwich ihm kein Wort aus dem Mund. Also wartete er auf Gins Antwort.

„Und?“, kam es von diesem allerdings nur unbeeindruckt. Der Schwarzhaarige unterdrücke ein Seufzen. Schlechtes Karma, die einzige Person in dieser Bar, die sein Interesse geweckt hatte, interessierte sich wiederum nicht für ihn. Doch das würde er sich gewiss nicht bieten lassen, weshalb er bereits anfing mit unkeuschen Gedanken zu spielen. Er musste sich ein hämisches Grinsen verkneifen.

„Später, wenn er die Bar verlässt, dann werde ich-“

„Und ich hab noch eine Neuigkeit für dich, du wirst ab heute zukünftig mit ihm zusammenarbeiten.“, unterbrach Vermouths freudige Stimme plötzlich seinen Gedanken, worüber er ein wenig erleichtert war. Danach winkte sie den Kellner zum Tisch herüber, um jeweils für jeden ein Getränk zu bestellen, wobei es sich um drei Metaxa Ouzos handelte.

„Warum? Seh ich so aus, als würde ich meine Zeit mit irgendwelchen unerfahrenen Anfängern verschwenden? Wieso hat er überhaupt schon einen Codenamen?“, spottete Gin derweil und sah Rye mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck an.

„Was für ein freches Mundwerk er doch hat...“, dachte dieser scherzhaft mit einem Lächeln auf den Lippen. Schließlich entschied er sich dazu, seinem Schweigen ein Ende zu bereiten und sich etwas vorzubeugen.

„Ob ich so unerfahren bin, wie du behauptest, wird sich zeigen. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass wir beide hervorragend miteinander auskommen werden.“ Er versteckte den Sarkasmus in seiner Tonlage nicht und sah dem Silberhaarigen dabei fest in die Augen. Doch eine bissige Antwort, mit der er jetzt gerechnet hatte, kam nie. Stattdessen bildete sich ebenso ein Grinsen in dem Gesicht vor ihm, bevor Gin erwiderte: „Das werden wir ja sehen.“

Rye konnte die Zufriedenheit in dessen Tonlage nicht deuten. Kurz darauf kam auch schon der Kellner mit den bestellten Getränken zurück und stellte diese auf dem Tisch ab. Nach einem kurzen Nicken verschwand er wieder.

„Ich seh schon, ihr zwei werdet euch gut verstehen.“, kommentierte Vermouth gelassen das kurze Gespräch der beiden Männer und nahm gelassen einen Schluck von ihrem Ouzo. „Darauf solltet ihr anstoßen.“, fügte sie danach ironisch hinzu.

Ryes Blick wanderte unsicher zu seinem Glas. Er konnte das nicht trinken. Aber seine Unsicherheit deutete Gin anscheinend als Ekel, welchen er sich offensichtlich zu Nutze machen wollte, um den Schwarzhaarigen eins auszuwischen.

„Du hast recht.“, stimmte er Vermouth deshalb ausnahmsweise zu und erhob sein Glas. Rye starrte ihn nur mit großen Augen an.

Er überlegte, was er am besten tun sollte. Den Inhalt zu trinken war fatal. Andererseits konnte er seinem zukünftigen Partner diesen Erfolg nicht gönnen. Zudem, was würde das für ein seltsames Bild auf ihn werfen, wenn ein Mann seines Alters keinen Alkohol anrührte? Aber er wollte die Folgen dennoch nicht auf sich nehmen.

„Vielleicht funktioniert es ja diesmal...“, versuchte er sich gedanklich zu überzeugen, obwohl er das selbst nicht im geringsten glaubte. Doch seine Hand schloss sich längst um das Glas.

„Auf gute Zusammenarbeit, Rye.“, sprach Gin daraufhin ruhig und trank den Inhalt seines Glases in einem Zug leer. Als wäre es nur Wasser. Für einen Rückzieher war es jetzt allerdings wirklich zu spät, ohne dass es auffällig wirken würde. Also blieb nur noch: Zusammenreißen, Augen zu und durch. Daran sterben konnte er sowieso nicht.

„Auf gute Zusammenarbeit...“, wiederholte Rye die Aussage des Silberhaarigen murmelnd und kippte sich den Ouzo in den Rachen. Kurz darauf versuchte er sich zu sammeln. Es schmeckte scheußlich, wie fast alles andere, was er in letzter Zeit probiert hatte. Gedanklich zählte Rye die Sekunden. Es würde keine Minute dauern. Und gleich darauf übermannte ihn die erwartete Übelkeit.

Mit einem Ruck erhob sich der Schwarzhaarige von seinem Stuhl, ignorierte die verwirrten Blicke der beiden anderen und stürmte aus der Bar. Keine Zeit, um noch nach einer Toilette zu suchen. Er musste schnellstens verschwinden, bevor die Lage noch peinlicher enden würde, als sie es ohnehin schon war.
 

„Was war das denn...“, fragte Gin ungläubig mit gehobener Augenbraue.

„Das war wirklich mehr als lächerlich.“ Zwar hatte er bemerkt, dass der Neue offensichtlich keinen Alkohol mochte, doch dass er gleich so reagieren würde…

„Keine Ahnung, er verträgt wohl nichts.“ Vermouth zuckte mit den Schultern, während sie sich eine neue Zigarette ansteckte und gelassen ihre Beine verschränkte.

„Aber das war doch gar nichts...“, dachte Gin spöttisch, sprach es jedoch nicht aus, da er nicht weiter darüber reden wollte. Denn so wirklich interessierte ihn dieser Rye nicht. Außer, dass irgendetwas mit dem Kerl nicht stimmte. Schon allein wie er ihn vorhin angestarrt hatte und das ohne dabei auch nur ein einziges Mal zu blinzeln.

„Und warum soll jetzt ausgerechnet ich mit ihm zusammenarbeiten?“, beschwerte sich Gin dann erneut, als wenn das etwas an dem Entschluss ändern würde.

„Naja, er hat sich geweigert einen Partner zu wählen und als er dich so angesehen hat, erschien es mir, dass er bei dir seine Meinung ändern würde.“, erklärte die Blonde, was Gin aber keineswegs nachvollziehen konnte. Seit wann ließ man sich hier von irgendwelchen Anfängern an der Nase herumführen?

„Und da bist du so gnädig und lässt ihn einfach frei entscheiden? Er hat sich gar nicht erst zu weigern!“, fauchte er sie an, doch an Vermouth rauschte die Beschwerde vorbei. Stattdessen lachte sie.

„Du bist doch nur beleidigt, weil ich ihn dir aufgehalst habe. Aber das steht jetzt nicht zur Debatte. Ich habe das ganz bewusst so eingefädelt, weil du zumindest auch ein Auge für Details hast und aufmerksamer bist als so manch anderer hier. Der Boss will, dass Rye vorerst unter Beobachtung bleibt. Falls dir nichts Verdächtiges auffällt, wird eure Zusammenarbeit auch nicht lange anhalten, versprochen.“, wies sie daraufhin ihren Gegenüber zurecht, welcher dann für ein paar Sekunden schwieg. Er ließ sich das Ganze nochmals durch den Kopf gehen, bis ein Verdacht in ihm aufkam.

„Sag mal, wie oft hab ich dir gesagt, du sollst aufhören irgendwelche Leute von der Straße aufzusammeln?“, fragte er in ernster Tonlage, woraufhin die Frau ihn überrascht anschaute.

„Woher weißt du das?“

„Ich wusste es nicht, aber ich kenn‘ dich und hab einfach ins Blaue hinein geraten.“, erwiderte Gin. Immerhin hatte die Blonde das bereits öfters getan und meistens war das nicht gut ausgegangen. Die Menschen von der Gosse waren schließlich nicht ohne Grund dort gelandet.

„Aber bei ihm ist es anders.“, behauptete Vermouth im nächsten Moment schlicht.

„Inwiefern?“, hakte Gin nach.

Vermouth schloss kurz die Augen, bis sie das Bild innerlich wieder vor sich hatte. Wie sie Rye in der verlassenen Gasse begegnet war, oder besser gesagt: das Häufchen Elend neben einem Müllcontainer gefunden hatte. Dann meinte sie: „Als er da so allein gesessen und mich angesehen hat, habe ich so ein seltsames Gefühl verspürt. Ich kann es nicht beschreiben, doch ich war mir in diesem Augenblick sicher, dass er etwas Besonderes an sich haben muss.“

Gin wollte sich übergeben. Diese Frau und ihre Instinkte waren unberechenbar. Er verstand überhaupt nicht, was an diesem Typen so besonders sein sollte. Zumal ein gutes Aussehen für Vermouth ohnehin den größten Wert hatte, also wird‘s das wohl gewesen sein.

„Hat er wie ein Welpe zweimal geblinzelt und dann konntest du einfach nicht widerstehen?“, fragte er deshalb ironisch, woraufhin sie ihn leicht beleidigt ansah.

„Nein, so war das nicht.“, erwiderte sie und fügte nach kurzer Überlegung hinzu: „Wobei ich sagen muss, dass seine Augen wirklich-“

„Ja ja, hab‘s kapiert. Gib mir lieber ein paar nützlichere Informationen über ihn.“, unterbrach der Silberhaarige die Frau jedoch gereizt und wechselte zu seiner altgewohnten Befehlstonlage. Nicht wissend, dass er nur enttäuscht werden würde.

„Da gibt es nichts.“, lautete nämlich die schlichte Antwort von Vermouth. Gin runzelte ungläubig die Stirn.

„Gar nichts?“, wollte er sich versichern. Die Blonde nickte.

„Er leidet womöglich unter Gedächtnisverlust, denn er konnte mir weder seinen Namen noch irgendetwas anderes über sich erzählen. Das habe ich dem Boss bereits weitergeleitet.“, antwortete sie dann. Gin entwich ein Seufzen. Das Ganze musste doch ein schlechter Scherz sein. Gerade, als er gedanklich anfing sich aufzuregen, wechselte Vermouth zum Glück das Thema.

„Wo ich den Boss gerade erwähne… Er sagte mir, dass du dich morgen im Laufe des Tages mal sehen lassen sollst. Es gibt wohl was Wichtiges zu besprechen.“, gab sie ihm Bescheid.

„Es hat aber nichts mit dem Neuen zu tun?“, fragte er daraufhin und hoffte, dass dem nicht so war. Wenn Vater ihn jetzt auch noch damit zuquatschen würde, lägen seine Nerven endgültig blank.

„Ich denke nicht. In letzter Zeit wirkt er so abgelenkt, als ob ihn etwas sehr beschäftigt.“ Vermouth erinnerte sich an die Zeitungen im Büro ihres Vorgesetzten. Vielleicht waren es die Mordfälle, um die er sich solche Gedanken machte.

„Hmh, okay. Ich rede morgen mal mit ihm.“, entgegnete Gin. Wenige Sekunden später erhob er sich von seinem Platz. Es war schon recht spät und allmählich brummte ihm der Schädel. Er wollte einfach nur noch ins Bett und die Begegnung mit diesem Rye am besten wieder vergessen.

„Schon so früh?“, neckte ihn Vermouth daraufhin mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen. Stimmt, sonst blieb er eigentlich länger hier. Aber sonst war er es auch gewohnt, hier seine Ruhe zu haben, die ihm heute geraubt worden war.

„Ich bin müde. Amüsier‘ dich noch prächtig.“ Mit diesen Worten kehrte er der Blondhaarigen den Rücken zu, welche allerdings noch rief: „Ich schicke dir nachher seine Nummer, damit du ihn morgen anrufen kannst.“

„Wie auch immer...“, dachte Gin augenrollend und winkte die Aussage mit einer einfachen Geste ab, bevor er im Schnellschritt die Bar verließ und sich auf den Weg zu seiner Wohnung machte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2021-06-01T18:48:26+00:00 01.06.2021 20:48
Jajaja, gluckgluckgluck... meeeehr 😁.
Sehr gut, schöne Dialoge, dieses schroffe, abwertende... gut getroffen.
Bin gespannt auf welche Art von Mission du die beiden zuerst schickst. Oder stolpert Gin gleich aufdecken nach Hauseweg über einen hilflosen Akai?

Schönen Abend noch!
Rike
Antwort von:  ginakai
02.06.2021 19:02
Danke für dein Kommentar 😄
Ein paar Missionen (wenn man es so bezeichnen kann xD) hab ich mir ausgedacht für die beiden. Aber es ist eher so, dass Akai auf dem nach Hauseweg über etwas anderes stolpern wird 😉 mehr verrate ich aber noch nicht 😂

Liebe Grüße


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