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Noch einmal mit Gefühl

[Itachi x Ino | Sasuke x Sakura | modern AU]
von

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Szenenwechsel


 

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Konoha, Japan; 15 Jahre zuvor
 

»Naruto.«

Sasuke trat an den Tisch seines Freundes und sah mit verschränkten Armen auf ihn hinab. Wie üblich war sein Blick gleichgültig, fast schon herablassend. Naruto wusste es besser, oder schien sich zumindest davon nicht irritieren zu lassen. Seit zwei Jahren spielten sie zusammen im Fußballverein ihrer Mittelschule und pendelten seitdem in rasanter Geschwindigkeit von Kontrahenten zu Freunden und wieder zurück. Es war eine eigenartige Dynamik, die Sakura noch nie verstanden hatte, so sehr sie es auch versucht hatte. Musste ein Männerding sein. Neidisch war sie dennoch.

Naruto verschränkte die Arme hinterm Kopf und schaukelte mit dem Sessel nach hinten, um bequem zu Sasuke aufsehen zu können. »Jup?«

»Mach keinen Aufstand, egal was ich dir jetzt sage.«

Reflexartig sah Sakura auf und kaschierte die neugierige Geste mit einem nachdenklichen Blick aus dem Fenster. Zur Glaubwürdigkeit ihrer Aktion, die sowieso keiner der beiden wahrgenommen hatte, tippte sie mit dem Fingernagel auf das Lehrbuch, über dem sie brütete. Biologie war nicht das Uninteressanteste für eine Mittagspause, vor allem da Hinata krank war und Ino schwänzte, und sie nichts Besseres zu tun gehabt hatte. Bis Sasuke ihre Aufmerksamkeit unbewusst auf sich gezogen hatte.

»Ich mach nie Aufstände«, behauptete Naruto. Sasuke war nur einen Seufzer vom Augenrollen entfernt.

»Dann brich deine stolze Tradition nicht. Ich ziehe weg.«

»Waaa–« Naruto stockte, öffnete seinen Mund ein paar Mal, aber nichts kam heraus. Neben ihm war Sakura erstarrt, ihr Blick wieder auf das Lehrbuch gerichtet, ohne dass sie eine einzige Zeile sah. »Wieso? Wann?«

»Mein Vater verlegt das Hauptquartier unserer Firma. Offenbar ist Konoha ein zu kleiner Standort. Wir wollen expandieren, aber das Einzugsgebiet würde unseren Bedarf an Mitarbeitern nicht decken. Oder so.«

»Das ist mir egal! Wie zum Henker sollen wir das Winter Kokuritsu gewinnen? Ich kann die nicht allein zum Sieg führen!« Aufgeregt sprang Naruto in den Stand. »Wie, Sasuke?! Erst hauen Neji und Lee in die Oberschule ab und jetzt lässt du uns auch im Regen stehen!«

»Ihr findet schon einen Ersatz für mich. Keinen annähernd so genialen, aber möglicherweise kannst du … Shino oder … Shikamaru überreden …«

Sakura hatte genug gehört. Tränen der Enttäuschung standen in ihren Augen. Mit einer viel zu kraftvollen Geste klappte sie das Buch und eilte nach draußen, bevor sie zu weinen beginnen konnte. Sasuke sah ihr nicht einmal nach. Hatte er noch nie und würde er auch nie. Letzten Sommer noch hatte sie sich vorgenommen, ihn dieses Schuljahr endlich für sich zu gewinnen.

Nichts da.

Auf der Mädchentoilette verkroch sie sich in die hinterste Kabine und barg ihr Gesicht in die Hände. Mit ihren vierzehn Jahren war sie noch so naiv, sich dieses dämliche Ziel zu setzen, auf das sie gar keinen Einfluss hatte. Die Realisation traf sie hart; sie war kindisch, töricht und lächerlich. Nicht einmal einen Blick wert.

Und sie würde Sasuke niemals wiedersehen.

 
 


 

—Tokio, Japan; Gegenwart

 

Als Ino am Set ankam, war sie wenig beeindruckt. Nicht, dass nicht alles sehr professionell wirkte. Sie war nur allgemein nicht in der Stimmung, nach ihrem Disput mit den Schöpfern des Dramas irgendetwas Positives einzugestehen. Heute war die große Begrüßung vor dem offiziellen Drehbeginn und sie war eine Minute zu spät, dafür mit frischem Kaffee bewaffnet.

Mabuchi hatte einen anderen Termin und war das Risiko eingegangen, lediglich ihren Assistenten zu schicken, um ihre schwierigste Klientin in Zaum zu halten. Dabei hatte Ino sich fest vorgenommen, brav zu sein. Also stand sie nun hier, inmitten von Kabeln und Scheinwerfern, und wurde vom Regisseur in Empfang genommen.

»Yamanaka-san! Es freut mich sehr, dass Sie hier sind. Hatten Sie eine gute Anreise? Ja, wunderbar. Kommen Sie nur, sehen Sie sich um. Dort drüben stehen Ihre Kollegen, Sie möchten sie bestimmt kennenlernen.«

»Natürlich«, meinte Ino halb ehrlich. Viel Zeit zum Umsehen hatte sie nicht. Das Set war auch wenig spektakulär. Blue River spielte vorwiegend in einer Schule, einem Einfamilienhaus und einem Krankenhaus. Die Szenerie war entsprechend realistisch gestaltet und fast schon langweilig für jemanden, der bereits in Wüsten und den Highlands gedreht hatte. Vielleicht führte der Regisseur sie deswegen so schnell daran vorbei und hin zu den anderen Schauspielern, die am Rand eines Esszimmersets standen.

»Yamanaka Ino-san«, rief die junge Frau in der Mitte und verbeugte sich so quirlig und unsauber, dass es sogar Ino auffiel. »Seit ich gehört hab, dass du meine große Schwester spielst, fiebere ich dem Dreh entgegen! Dein Auftritt damals im Schultheater als Dämonenprinzessin hat mich erst zur Schauspielerei gebracht!«

Ino kramte tief in ihrer Erinnerung. Nada. »Und du bist …?«

»Kazamatsuri Moegi, aber mein Künstlername ist Kazuri Moegi. Nenn mich einfach Moegi. Wir waren in derselben Mittelschule. Ich hätte niemals gedacht, dass du nach Japan zurückkommst und ich die Gelegenheit habe, mit dir zu spielen!«

»Das habe ich auch nicht, aber hier sind wir«, gab Ino zurück. Es klang weniger missmutig als es hätte können, und das hatte sie schon genügend Kraft gekostet. Moegi konnte nichts für die Oberflächlichkeit der Produktion, die anderen Schauspieler ebenso wenig. Ino lächelte.

Die Vorstellungsrunde der Kernbesetzung war nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Neben Ino gab es zwei weitere ausgebildete Schauspieler, der Rest waren Oberschüler ohne Erfahrung und aufsteigende Sänger, die ein Sprungbrett brauchten. Wenigstens war das Essen einigermaßen genießbar, während der Drehplan ausgehändigt und effiziente Eröffnungsreden geschwungen wurden. Die Zeit war knapp, das Budget eng bemessen und alle Szenen mussten in nur vier Wochen im Kasten sein. Drehtage von bis zu sechzehn Stunden waren anberaumt, Überstunden exklusive.

Inos Drehplan war in Ordnung, sie würde für die meisten Szenen in der ersten und letzten Woche benötigt werden. Ihr Text war nicht schwer, der schauspielerische Anspruch durchschnittlich. Weinen konnte sie seit Jahren auf Knopfdruck und mehr emotionale Expression wurde von ihrer Figur nicht erwartet. Ihre Kollegen schienen auch nett genug zu sein, vor allem Moegis enthusiastische Energie war fast schon entzückend. Es erinnerte Ino erinnerte an den Start ihrer Karriere. Ihren eigenen Optimismus, die Pläne, Ziele, Hoffnungen.

Ino beneidete sie. Als Moegi sie mit einem Funkeln in den Augen fragte, ob sie sie zum Bahnhof begleiten durfte, konnte Ino nicht ablehnen.

Die erste Hälfte des Weges sprach Moegi über die anstehenden Drehtage, in der zweiten teilte sie endlich Neuigkeiten aus Konoha mit – Uzumaki Naruto war der beliebteste Bürgermeister seit zwei Jahrzehnten, die lokale Oberschule war um eine Basketballhalle erweitert worden, letztes Jahr hatte ein neues Restaurant eröffnet. Mit den wenigsten Informatinen wusste Ino etwas anzufangen. Sie war seit zehn Jahren nicht mehr in Konoha gewesen, hatte genauso lange nicht mehr mit ihrer Mutter oder ihren ehemaligen Freunden Kontakt gehabt. Konoha war damals.

Dennoch war es eine nette Gelegenheit, Klatsch aufzuschnappen. Über Sai wusste Moegi nichts, dafür hatten ihre Eltern ihr am Telefon erzählt, dass Shikamarus Vater seit Wochen auf der Couch schlief und Chōji einen kleinen Bauernhof am Stadtrand gekauft hatte. Sie hätte auch gerne noch erfahren, wann der Geburtstermin für Hinatas zweites Kind anstand, doch eine Gruppe Oberschülerinnen unterbrach die Ausführungen. Eine von ihnen schrie auf, rannte auf Ino zu und hielt ihr einen Notizblock samt Kugelschreiber entgegen.

»Sie sind Yamanaka Ino-san! Würden Sie mir bitte ein Autogramm geben?«

Ihre drei Freundinnen, vorhin noch verwirrt, gaben einen begeisterten Laut von sich und kramten ebenfalls Schreibutensilien heraus. Unterschriften wurden gegeben, Fotos gemacht, und der kleine Tumult erregte die Aufmerksamkeit anderer Passanten. Bald standen gut zwei Dutzend Menschen um sie herum, verlangten Selfies mit den beiden Schauspielerinnen und weitere Autogramme.

»Wow!«, machte Moegi tief beeindruckt, nachdem sich der kleine Schwarm aufgelöst hatte. »Du bist wirklich unglaublich berühmt.«

Ino schüttelte den Kopf. »FOMO, sonst nichts. Eine holt sich ein Autogramm, zwanzig andere haben Angst, irgendetwas zu verpassen. Ich wette zweitausend Yen, dass niemand von denen hat auch nur einen meiner Filme gesehen.«

»Ach, dann haben sie jetzt wenigstens einen Grund, sich einen davon anzusehen! Welchen würdest du denn empfehlen?«

Eine ernsthafte Frage, mit der Ino nicht gerechnet hatte. Die Antwort darauf war zu voluminös für diesen Abend. Ihr Zug kam in fünf Minuten und Moegi musste in die andere Richtung. »Ein andermal. Wir werden bestimmt noch viele Gelegenheiten haben, uns über Filme zu unterhalten. Kleiner Tipp am Rande«, sagte Ino, als sie bereits die Stiegen zu ihrem Bahnsteig hinabstieg. »Üb das Drehbuch nicht zu viel, sonst wirkt es nur mehr einstudiert. Die nehmen selten das erste Take, also experimentiert direkt beim Dreh ein wenig rum.«

»Danke!«, rief Moegi ihr nach.

Sie würde den Rat nicht beherzigen. Die wenigsten jungen Schauspieler taten das. Zu groß war die Angst vor einem Blackout, vor einer Blamage vor der gesamten Besetzung. Ino hatte den Fehler auch gemacht, mehr als einmal. Ihre erste Szene hatte vierzehn Takes gebraucht, bis sie bereit gewesen war, von dem abzulassen, was sie im Spiegel bis zur Perfektion geübt hatte. Es war eine harte Lektion gewesen; dass Schauspielern mehr war als Worte in Tonfällen mit passender Gestik zu sagen.

Und es war alles umsonst. Sie bezweifelte, dass der Regisseur ihre Interpretation der großen Schwester wertschätzte. So wenig Takes als möglich. Effizienz. Bleib am Drehbuch, probier nicht rum.

Der Fahrtwind des einfahrenden Zuges ließ Ino ihren den Mantel enger um sich schlingen. Das Inneren war fast leer, sodass sie fast keinen Platz fand, von dem aus ihr Spiegelbild ihr nicht allzu enttäuscht entgegenstarrte.

Was zum Teufel machte sie hier?
 


 

»Was zum Teufel hat dieser Mensch vor?«

Raunend ließ Sasuke sich in seinen Bürosessel sinken und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Es war lang geworden. Keine Zeit für Frisörtermine. Sakura meckerte seit Monaten darüber.

Alibihalber blätterte Sasuke die Zeitschrift durch, die er sich gestern aus den Firmenarchiven besorgt hatte. Es war die einzige Literaturquelle in diesem verfluchten Gebäude, die etwas von Malaysia und Leiterplatten erwähnte, allerdings nicht im selben Artikel.

Ein vertrauter Ton kündigte eine neue E-Mail an, ein Blinzeln später schob sich eine Vorschau davon auf seinen Bildschirm. Ein weiterer Testbericht der Datenbank, er wollte die Details gar nicht wissen. Und er hatte keine Zeit dafür.

Ehe eine weitere Mail ihn stören konnte, stand er auf und eilte zielgerichtet zum Aufzug. Über die Jahre hatte Sasuke gelernt, dass kein Uchiha jemals angesprochen wurde, wenn er nur stramm genug durch die Gänge schritt. Auch diesmal grüßten die paar entgegenkommenden Angestellten lediglich höflich und wünschten ihm einen schönen Feierabend. Daran war gar nicht zu denken. Der Aufzug brachte ihn acht Stockwerke höher.

Wer zum ersten Mal die UCHIHA Corp. betrat, konnte sich leicht verirren. Der Grundriss des einundzwanzig Stockwerke hohen Gebäudes war klassisch L-förmig und zeichnete sich von außen durch den geschmackvollen Vorplatz aus, den seine Mutter vor Jahren entworfen hatte. Die Innengestaltung war weniger eingängig. Es gab eine Unendlichkeit an Zwischengängen, Verbindungstüren, Abkürzungen und Aufgängen, über die man sein Ziel entweder schneller erreichte oder dreimal so lange brauchte. Während seines Praktikums hatte Sasuke sich ständig verlaufen. Mittlerweile konnte er blind durch die meisten Etagen laufen.

Die Stockwerke achtzehn bis zwanzig waren weitgehend der Geschäftsführung vorbehalten und zeichneten sich durch grauen Teppichboden und holzvertäfelte Wände aus. Im Vergleich zu den Stockwerken darunter, hatten die Büros und Besprechungsräume hier kaum Glas. Neugierige Mitarbeiter konnten zwar jederzeit ungehindert nach oben kommen, jedoch wurden wichtige Unterredungen oder Geschäftstermine in Räumen mit minimaler Durchsicht abgehalten.

Itachis Büro folgte diesem Prinzip, darüber hinaus beinhaltete es einen Vorraum, in dem seine Assistentin pflichtbewusst unliebsame Besucher abwehrte. Es war eine undankbare wie meist einfache Aufgabe. Kaum jemand, der abgewimmelt werden konnte, wagte, Itachi mit irgendetwas zu behelligen. Die Tür zum Vorraum war noch geöffnet, schwaches Licht schien in den Gang hinaus. Sasuke verlangsamte seine Schritte. Ehe er auf sich aufmerksam machen konnte, hob Itachis Assistentin den Blick von einem Aktenordner.

»Guten Abend, Sasuke-san«, grüßte sie. Sie waren auf Vornamenbasis, seit so viele Uchiha-samas in der UCHIHA Corp. für Verwirrung gesorgt hatten und Sasuke ohnehin nur nach einer Ausrede gesucht hatte, nicht derart demütig adressiert zu werden. Er war weder sein Vater noch sein ach so genialer Bruder.

»Reina-san. Sie arbeiten ja noch.«

Sie verzog die Lippen zu einem ermutigenden Lächeln und klemmte ein metallenes Lesezeichen an die Stelle des Ausdrucks, an der sie unterbrochen worden war. »Sie auch«, entgegnete sie und stand auf. »Kann ich etwas für Sie tun? Ich nehme an, Sie wissen, dass Uchiha-sama sich auf Geschäftsreise befindet.«

»Ja«, antwortete Sasuke. Er war aus einem Impuls heraus aufgesprungen, nun stand er hier und versuchte mit sich selbst auszumachen, wie er sein Anliegen vorbringen konnte, ohne Argwohn zu erregen.

Jahrelang hatte Itachi eine Litanei an unzureichenden Assistenten verheizt, bevor er in Shirogane Reina gefunden hatte, was er als unentbehrlich bezeichnete. Sie war höflich, diszipliniert, eigenständig, und vor allem klug. Jede verdächtige Anfrage würde sofort an ihren Vorgesetzten gehen. Weiter zu zögern würde ihn allerdings auch nur suspekter machen.

»Ich habe mich nur gefragt, wie viele Ressourcen Itachi aktuell übrighat. Ich weiß, dass er an der Umstrukturierung unserer Vertriebsabteilung und am Rollout unserer Software im Iran beteiligt ist. Er soll mir bei synCOM helfen, aber ich möchte mir gerne von einer verlässlichen Quelle die Bestätigung abholen, dass er auch wirklich die Kapazitäten dafür hat. Sie wissen ja, wie er ist.«

Genau genommen hatte Itachi ihm eine derartige Hilfe niemals offen angeboten, aber das Szenario war glaubwürdig genug. Itachi war weithin bekannt für seinen Hang, sich einzumischen, obwohl er tausend andere Dinge zu tun hatte. Reina kannte seine Überstunden. Ohne zu überlegen sagte sie, »Die Meetings zur Unternehmensstrategie sind übernächste Woche, anderweitig sind keine großen Projekte geplant, an denen Uchiha-samas aktive Mitarbeit gefordert ist. Er hat mich vor seiner Abreise auch gebeten, den Terminkalender für die nächsten zehn Tage freizuhalten. Ich gehe davon aus, dass er seine Ressourcen bereits für Sie eingeplant hat.«

»Hat er?«

»Moment, lassen Sie mich nur etwas …« Sie beugte sich nach unten zu ihrem Computer und tippte darauf herum, bis sie fand, was sie suchte. »Ja. Ich habe vorletzte Woche einige Dokumente aufbereitet, das waren Projektunterlagen von synCOM. Er sollte sich also schon eingearbeitet haben.«

»Welche Projektunterlagen waren das?«

Die Frage schien sie stutzig zu machen. Hinter ihrer eckigen Brille wog sie ab, wie viel sie ihm sagen durfte. Es war sein Projekt, insofern hatte sie keine Chance, etwas zu verschweigen. »Die meisten finanziellen Aufstellungen. Projektpläne, Aufwandsschätzungen, Personalkosten. Entschuldigen Sie, Sasuke-san, ich war der Meinung, Sie hätten ihm diese Unterlagen gegeben?«

»Ach ja, richtig«, log er aalglatt und schüttelte den Kopf, als sei es ihm eben erst wieder eingefallen. Selten war er so froh gewesen, seine Emotionen hinter der Fassade seiner Gelassenheit derart gut verstecken zu können. »Das war diese eine E-Mail, die zu groß zum Verschicken war. Ich musste extra mit einem USB-Stick hochkommen. Danke, Reina-san, Sie haben mir sehr weitergeholfen. Schönen Abend noch, bleiben Sie nicht mehr zu lange.«

»Sie aber auch nicht«, meinte sie tadelnd.

Sasuke beeilte sich nach draußen. Diesmal nahm er die Treppen anstatt dem Aufzug. Er war zu aufgeregt, um still zu stehen. Natürlich war Reina der Meinung, er hätte Itachi die Unterlagen gegeben. Die Firmenprozesse sahen vor, dass derartige Dokumente nur durch den Projektleiter kommuniziert werden durften. Darüber hinaus machte es keinen Sinn, dass Itachi sie heimlich anforderte. Sasuke präsentierte diesen administrativen Kostenkram bei jedem Statusmeeting. Jeder im Aufsichtsrat kannte die Zahlen, sie waren kein Geheimnis.

Was zum Teufel führte Itachi im Schilde?

Es fiel Sasuke schwer, sich wieder in seinen Sessel zu pflastern und jedes Dokument aufzurufen, das auch nur irgendetwas mit synCOMs Kosten und Zeitaufwänden zu tun hatte. Sakuras Anruf ließ er in die Mailbox gehen, auch ihren zweiten und dritten. Nach dem vierten schrieb er eine kurze Textnachricht und stellte sein Smartphone lautlos.

Wenn Itachi die Zahlen gegen ihn verwenden wollte, musste Sasuke jede Ziffer auswendig kennen, für jeden Mehraufwand ein solides Argument haben. Er würde sich nicht ausmanövrieren lassen. Von niemandem.

Schon gar nicht von Itachi.

 
 


 

»Vielen Dank für Ihren Besuch, Uchiha-sama«, sagte ein kleiner, rundlicher Mann mit schütterem Haar. Auf der Werksführung hatte sein teurer Anzug einen kleinen Ölfleck abbekommen, weil er zu Demonstrationszwecken einer Maschine zu nahe gekommen war.

Nach der Führung wusste Itachi nun sehr viel über die Herstellung von Leiterplatten. Er wusste auch, dass die malaysische Fabrik, von der ihn nach einer weitschweifigen Verabschiedung durch den Besitzer ein Fahrer abholte, nicht als Lieferant der UCHIHA Corp. infrage kam. Die vorhandene Infrastruktur würde das Bestellvolumen nicht bedienen können. Itachi hatte das von Anfang an gewusst. Er war auch gar nicht hier, um potenzielle Vertragspartner zu begutachten. Er war hier, weil der Flug von Kuala Lumpur nach Singapur eine Stunde dauerte und niemand wissen durfte, dass er etwas dort zu erledigen hatte.

Die Zeit vor dem Abflug nutzte er, um mit dem bescheidenen WLAN des Flughafens noch einmal alle Unterlagen durchzugehen, die er in den letzten Wochen gesammelt hatte. Bei dieser Sache durfte er unter keinen Umständen Fehler machen. Nicht einen.

synCOMs Aufwände machten Sinn. Mehrfach und mehrmals war Itachi jede einzelne Zeile durchgegangen und fand auch jetzt nichts Merkwürdiges. Die Personalkosten entsprachen den verzeichneten Stunden, die Ausgaben für neue Hardware waren im Rahmen des Marktwertes, die Marketingkosten für das UI-Design waren etwas hoch, aber die Agentur, die Sasuke dafür beschäftigt hatte, war bekannt für ihre Preise. Das alles war von CEO und COO abgesegnet worden. Itachi konnte sich an den Tag erinnern, an dem er und Fugaku ihr OK gegeben hatten. Das alles verstand er.

Was er nicht verstand, waren die Kosten für diverse Beraterfirmen, die in keinem Projektplan aufschienen und von Sasuke in keinem Statusmeeting erwähnt worden waren. Dennoch waren sie offiziell auf das Projektbudget verbucht und flossen in unregelmäßigen Zahlungen nach außen. Vier Millionen Yen hier, sieben Millionen Yen dort, alles fein säuberlich aufgenommen und mit Belegen archiviert.

Itachi hätte verstanden, wenn sein Bruder sich externe Hilfe geholt hätte. Die Konzeptionsphase war schwierig gewesen, die Umsetzung lief alles andere als glatt, und im Spannungsfeld mit dem Aufsichtsrat, die ihn so gerne scheitern sehen wollten, war eine objektive Partei nicht die schlechteste Idee. Aber wieso diese Heimlichtuerei? Wozu hatte Sasuke diese Buchungen so tief versteckt, dass kein Uchiha sie jemals finden würde? Selbst Itachi war nur durch Zufall darauf gestoßen, weil die Buchhaltung seiner Assistentin unabsichtlich die falschen Zahlen geschickt hatte und sie den Irrtum erst bemerkt hatte, als die Unstimmigkeiten bereits aufgefallen waren.

Darum stieg Itachi in den Flieger, schlug eine Stunde Flugzeit mit dem Vorschreiben von E-Mails tot, und nannte dem erstbesten Taxifahrer die erste merkwürdige Rechnungsadresse. Sein Fahrer war ein komischer Kauz mit einem Barrett über der Glatze, der weder Englisch noch Japanisch sprach. Am Ende der vierzigminütigen Fahrt war Itachi sich nicht sicher, ob er einer Einladung zu einer Tasse Teh Tarik zugestimmt hatte, oder einer arrangierten Ehe mit seiner jüngsten Tochter. Ohne näher nachzufragen, wies Itachi ihn mit einem großen Geldschein an, im Halteverbot zu warten, während er das Firmengebäude betrat, das an der Adresse emporragte.

Im Inneren begrüßten ihn ein weitläufiges Foyer, hochglänzende Marmorfliesen und schwere Ledermöbel im Wartebereich. Eine Dame mittleren Alters fing ihn ab, fragte in perfektem Englisch nach seinem Anliegen und versuchte ihn höflich abzuwimmeln, als er verlangte, zu dem Adresszusatz gebracht zu werden, auf den die erste seiner merkwürdigen Rechnungen lief. Fast zehn Minuten lang diskutierten sie, bis sie ihren Vorgesetzten zu Hilfe holte und dieser seinen Vorgesetzten und Itachi schließlich in ein Nebenzimmer geführt wurde, wo mehrere Reihen Briefkästen an einer langen Wand angebracht waren.

Wie vermutet.

Auch die nächsten Adressen verliefen ähnlich. Edle Eingangsbereiche, Briefkästen im Hintergrund. Immer wurde Auskunft verweigert, bei einer Firm hatte Itachi sogar dreitausend Dollar in die Hand nehmen müssen, um mit eigenen Augen bestätigt zu bekommen, was er längst wusste.

Keine der Beraterfirmen, die Sasuke angeblich engagiert hatte, existierte. Zumindest nicht unter der angegebenen Rechnungsadresse. Itachi wäre stark verwundert, wenn sein naiver kleiner Bruder auch nur das Geringste davon wusste. Jemand missbrauchte seinen Namen und sein Projekt.

Etwas lief im Hintergrund der UCHIHA Corp. Und Itachi würde herausfinden, was.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Anna_Asakura
2019-05-21T08:54:50+00:00 21.05.2019 10:54
Hey,
also, ich hab deine FF gerade für mich entdeckt, und muss wirklich sagen, dass ich begeistert bin. Hab alle vorhandenen Kapitel mit einem Male verschlungen, und war ganz enttäuscht, als ich am Ende angelangt war.
Die Story ist spannend und dein Schreibstil perfektioniert das ganze unglaublich gut.
Auch die Rückblenden finde ich durchaus gelungen. Nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Ich liebe auch Ino, und wie du ihre Entwicklung bisher präsentiert hast - selbiges gilt für Sakura. Da ich auch ein großer Freund von Dramen bin, erhoffe ich mir natürlich hier und da noch etwas Spannung zwischen Sasuke und Sakura. ;) Ino x Itachi ist eine neue Welt für mich, aber auch darauf bin ich äußerst gespannt, da du alles bisher so glaubhaft rüberbringen konntest.
Trotzdem, wirklich großes Lob an dich. Ich hoffe die folgenden Kapitel erscheinen schön schnell, denn ich kann's kaum, erwarten weiterzulesen. :)
Antwort von:  4FIVE
26.05.2019 14:27
Hallo Anna_Asakura,
vielen Dank für dein großartiges Lob! ItaIno ist auch eine neue Welt für mich, daher weiß ich selbst noch nicht, wie genau das Pairing wird. Es bleibt spannend für uns alle!
Updates sind bisweilen jeden Sonntag geplant.

LG
4FIVE
Von:  Anniehop
2019-05-20T07:56:33+00:00 20.05.2019 09:56
Hi, ich hab gerade die Geschichte entdeckt und finde sie wirklich super. Dein Schreibstil ist flüssig, nicht zu viele und nicht zu wenig Details, man merkt das du dir die Story gut überlegt hast und das du jeden Charakter mit guten und schlechten Seiten zum Leben erweckst. Besonders gut gefällt mir Ino und wie du sie als gescheitert darstellst, aber sie dennoch nicht aufgeben will. Zumindest noch nicht. Ich werde auf jedenfall auch die nächsten Kapitel fleißig lesen und auch einmal in deine anderen Geschichten reinschauen.
Von:  Annasche
2019-05-20T05:57:50+00:00 20.05.2019 07:57
Na was braut sich denn da zusammen? Immer diese Machenschaften bei den Uchihas... Wieder schön geschrieben... Verleitet dazu immer weiter lesen zu wollen!
Dann freu ich mich aufs nächste Kapitel!
Von:  Kleines-Engelschen
2019-05-19T20:36:58+00:00 19.05.2019 22:36
ein tolles kapitel. super geschrieben! freue mich auf das nächste

greetz


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