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Kein Ausweg - Wenn dir nicht einmal mehr die Sterne leuchten

Winterwichteln 2018
von

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Ein heller Schrei durchbrach die Nacht und ließ die Ruhe enden. Melina O'Sullivan schreckte aus einem Traum auf, der sie über Wochen hinweg heimsuchte. Schweiß rann ihr über den Rücken, pappte ihr das blonde Haar strähnig an die Stirn.

Ihr Blick suchte das kleine Zimmer ab, doch war noch alles an Ort und Stelle.

Das hastige Getrappel von nackten Füßen, die über den Laminatboden hetzten, erregte ihre Aufmerksamkeit. Melina wappnete sich bereits für den sorgenvollen Blick, den man ihr binnen weniger Sekunden zuteilwerden ließ. Sie wandte den Kopf zur Zimmertür und wurde nicht enttäuscht. Unaufgefordert wurde sich Zutritt zu ihrem Reich verschafft.

»Lina – ich kann nicht mehr. Das muss aufhören!« Im Schein des Flurlämpchens erhob sich Everly Hughes. Mitbewohnerin, beste Freundin, treue Seele. Der Atem ging ihr schwer, doch der Blick, aus ihren blauen Augen heraus, war nicht, wie vermutet, von Sorge durchsetzt. Kummer zierte das Gesicht der brünetten New Yorkerin.

»Hast du die Tabletten genommen?« Everlys Stimme war leise, selbst noch, als sie sich langsam in den Raum drängte, um auf dem großen Bett Melinas einen Platz zu finden.

Melina jedoch schüttelte den Kopf.

»Die machen nicht abhängig« Everly versuchte sich an einem schwachen Lächeln. »Ich weiß, dass dir das die größte Sorge bereitet.«

»Ist mir bekannt«, antwortete Melina mit Schwäche in der Stimme, die ihr bis auf die Knochen nachhallte. Doch sie war eiligst darum bemüht, ihrer Freundin die beängstigende Situation zu erleichtern. So nahm die junge Frau all ihren Mut zusammen, und versuchte sich an Zuversicht. »Und wer, außer dir, käme so günstig an Pillen heran?«

Everly schnaubte knapp. »Die sind auf Naturbasis, keine Chemie.«

»Sagte die Chemikerin«, dass sich Melina diesem kleinen Scherz bediente, ließ den Puls der jungen Frau allmählich in gemäßigten Takten schlagen.

Schweigen legte sich über sie, keine sprach ein Wort. Nach einer Weile jedoch, und dem tiefen Ringen nach Atem Melinas, sah sich Everly in der Pflicht, die Stille zu durchbrechen. »Wo war es dieses Mal?«
 

Nach einer ausgiebigen Dusche, und neuer Bekleidung, schlurfte Melina ins Wohnzimmer, wo bereits das neue Nachtlager auf sie wartete. Den Dank für die Fürsorge, und das Mühen Everlys, wusste sie kaum in Worte zu fassen.

Dass diese die wirren und verwirrenden Abende und Nächte ertrug, ohne zu urteilen, oder zu tadeln, ließ Melina nicht selten das Herz schwer werden.

»Mach dir keinen Kopf, Lina«, hatte sie ihr gesagt. »Dafür sind Freunde doch da!«

Langsam trat Melina auf das Sofa zu, während Everly, die Beine im Schneidersitz verknotet, im Sessel daneben verharrte und an dem süßlichen Getränk nippte, dessen Dämpfe sich kräuselnd zur Zimmerdecke erhoben.

»Du musst morgen früh raus, geh' ins Bett.«, orderte Melina, doch die Mitbewohnerin schüttelte widerstrebend den Kopf.

»Erst, wenn ich die heiße Schokolade ausgetrunken habe.«, gebot Everly ihr.

Ein Schnalzen der Zunge folgte, ehe Melina unter die Daunendecke kroch. »Dein Allheilmittel, ich weiß. Aber du hast heute schon genug für mich getan, Evie.«

»Ich weiß«, das Grinsen auf ihren Lippen, zauberte Everly Grübchen in die Wangen. »Ich bleibe, bis ich damit fertig bin und sicher sein kann, dass du ohne Vorkommnisse wieder eingeschlafen bist!«

Jenen Worten wusste Melina nichts mehr hinzuzufügen. Sie gab nach und tat, als fiele ihr das Aufbleiben schwer.

Ihre Augen mochten geschlossen sein, doch die Gedanken jagten sie noch immer.
 

Das Knacken der verspannten Schultern ließ Melina leise aufstöhnen. Gern hätte sie sich wieder in ihr Bett zurückgezogen, denn die alte Couch war ihr mehr als unangenehm, doch da Kissen, Laken und Decke benetzt von ihrem Albtraum waren, blieb ihr keine andere Option, als mit dem Sofa vorliebzunehmen.

Everly war bereits auf den Beinen und die Begrüßung fiel recht knapp aus, da diese auf dem Sprung schien.

»Tut mir leid, aber du weißt ja -«, verkündete sie hastig, langte nach Mantel und Schal. »Ich bin heute Abend wieder da, und mach dir keine Gedanken mehr!«

Mit diesen Worten verließ Everly die Wohnung und hetzte, wie an jedem Arbeitstag, in Richtung U-Bahn davon. Ein tiefer Seufzer verließ Melinas Lippen. Auch für sie wurde es allmählich Zeit, sich wieder auf den Ernst des Lebens vorzubereiten. Und der verhieß hektisches Treiben in der New Yorker Vorweihnachtszeit.

Als sie vor einem dreiviertel Jahr die Stelle bei Macy's, in der Schmuckabteilung, antrat, hätte ihr doch bewusst sein müssen, dass die Arbeit, in einem der größten Warenhäuser der Welt, mit allerlei Stress und anderen Unannehmlichkeiten behaftet war. Doch bisher hatte sie sich tapfer geschlagen, bekam gutes Geld und hatte neue Gesichter zu ihren Bekanntschaften hinzugefügt.

Sowie Melina die morgendliche Routine beendet hatte, überprüfte sie nochmals ihr Antlitz im Badezimmerspiegel. Der Versuch, die dunklen Ringe unter den verquollenen Augen zu kaschieren, war ihr wider Erwarten geglückt. Everly wäre ihr sicherlich nicht böse, dass ein paar Tropfen der teuren Foundation den Weg in ihr Gesicht fanden. Da sie nur selten Make-up benutzte, war das Gefühl, das die Schminke auf ihrer Haut hinterließ, maskenhaft, beinahe unangenehm.

Doch es half nichts!

Tief zog Melina die Luft in ihre Lungen und wandte sich von dem Abbild ab. Der Weg führte sie in die Küche, wo der Rest des bereits abgekühlten Café au lait darauf wartete, in aller Eile hinuntergestürzt zu werden.

Melinas Blick wanderte zur Uhr, die über die Spüle angebracht war und erschrak. Ein lautstarker Fluch verließ ihre Lippen, während sie ebenso nach Mantel und Tasche griff, um mit flinken Schritten das Haus zu verlassen.
 

Gerade, als ihre Finger die Klinke umschlossen und sich die Tür nur einen spaltbreit öffnete, erschrak sie.

»Sind Sie Melina O'Sullivan?« In ihr Blickfeld schoben sich zwei Polizeibeamte.

Mit offenem Mund starrte Melina zu den Männern auf, kaum fähig, zu atmen, geschweige denn, einen geraden Satz herauszubringen. Einzig ein schwaches Nicken gelang ihr.

»Miss O'Sullivan, wir sind Detective Williams und Archer, vom New Yorker Police Department, und wir hätten ein paar Fragen an Sie. Können wir hereinkommen?« Cord Williams, der das Wort an sie gerichtet hatte, hielt ihr Marke und Ausweis entgegen, während der andere Beamte die Vorstellung nur schweigend abnickte.

Der Mund wurde ihr trocken, doch Melina tat einen Schritt zurück und ließ die Polizisten eintreten. Der Gedanke, ob die Wohnung ein ordentliches, aufgeräumtes Erscheinungsbild bereithielt, stellte sich ihr nicht. Der Schock, dass die örtliche Polizei vor ihrer Tür stand, ließ sie starr verharren.

Wo war Everly, wenn man sie brauchte?! – Doch Hilfe konnte Melina nun nicht mehr erwarten.

Zittrig rang sie nach Luft und spürte den musternden Blick des jungen Polizisten auf sich ruhen. Cord Williams schien kaum älter als sie, und hatte offenbar Praxiserfahrung nötig, weshalb man ihm den mürrisch und prüfend dreinblickenden Archer zur Seite stellte.

»Miss O'Sullivan -« Ein Zucken durchfuhr sie, beim Klang des eigenen Namens. Irritiert blinzelte Melina, schluckte die Angst herunter. »Keine Sorge, wir haben nur ein paar Fragen«, erinnerte sie Detective Williams und trat an ihr vorbei.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2019-02-14T16:02:28+00:00 14.02.2019 17:02
Gott, ich kann Melina so gut verstehen. Ich hätte genauso doof geguckt, wenn plötzlich die Polizei vor meiner Tür stehen würde. Ich könnte in meine Hütte gar niemanden unangekündigt reinlassen. Hier sieht es meistens nicht sehr audienzfähig aus. XD

Die Charaktere werden in diesem ersten Kapitel bereits sehr schön ausgearbeitet. Man erfährt, wer sie sind und was sie so mit ihrem Leben anfangen. Man bekommt eine gute Vorstellung von ihrem Alltag und ihrem Verhältnis zueinander. Es hätte aber nicht geschadet, sie auch optisch etwas zu umschreiben. :)

Interessanterweise finde ich hier Archer sofort interessant, obwohl er noch kein Wort gesagt hat und nicht viel mehr tut als dazusein. XD Wahrscheinlich liebe ich einfach mürrische Charas.
Antwort von: irish_shamrock
17.02.2019 12:44
So ist das, mit den "unangekündigten" Besuchen :')

Ellenlange Beschreibungen von Charakteren langweilen mich häufig und vorallem dann, wenn jeder einzelne Körperteil, jeder Makel (wenn überhaupt vorhanden) bis aufs Letzte "ausgereizt" wird. Natürlich hätte ich schreiben können, dass die eine Pickel hat, die andere eine schiefe Nase ect.pp, aber für mich, als Leser|in wird/ist es oftmals uninteressant. Und dieses ständige "Haarfarbe hier - Augenfarbe da" oder solch seltsame Umschreibungen wie "Gott, er/sie/es war so schön, so atemberaubend, dass man sterben möchte" - auch hier liegt "Schönheit" im Auge des Betrachters (lese gerade mal wieder Bis(s)-Teil 1, - der Stil ist toll, aber dieses ständige Geplärre, wie hübsch und "tränen-in-die-augen-treibend" Edward oder seine "unmenschlich-schönen" "Geschwister" doch seien, geht mir nach den ersten 30 Seiten schon wieder auf den Keks.
Also nimm es mir bitte nicht allzu übel, wenn ich auf detaillierte Beschreibungen des Äußeren der Charaktere verzichte :') ...
So bleibt nämlich noch Platz für die eigene Fantasie bzw. Vorstellungskraft.

Danke für deinen Kommentar :3
Antwort von: Futuhiro
17.02.2019 13:46
Man muss sie ja nicht bis auf letzte Haar beschreiben. Das fände ich auch ein wenig überladen. Aber zumindest ein grober Anhaltspunkt, ob die betreffende Person sehr groß oder sehr klein ist, oder dick oder dünn, oder ob die Haare sehr kurz oder sehr lang sind, kann schonmal helfen, die Fantasie zumindest in die richtige Richtung zu lenken. :)


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