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Schwarzrot - Dunkelheit kann man nicht färben

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
hier kommt die erste Warnung xD
Ich habe dieses Kapitel noch nicht auf +18 gesetzt, da ich fand, dass es sich noch an der Grenze hält. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass bereits perverse Andeutungen folgen werden, und schon eine gewisse Gewalt vorhanden ist. Ich weiß noch nicht, ob ich das nächste Kapitel mit einer Altersbeschränkung versehen werde, aber bis dahin fehlt nicht mehr viel :D
Ansonsten, viel Spaß beim folgenden Kapitel :) auch wenn die Situation für Akai nicht so spaßig verlaufen wird Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich möchte auch bei diesem Kapitel eine Vorwarnung nicht auslassen. Es folgen ein paar unschöne Ausdrücke und Anspielungen, also lesen auf eigene Gefahr :D
Die folgenden Kapitel werde ich auf +18 setzen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Da Animexx meine Altersbeschränkungen entfernt, warne ich stattdessen noch einmal vor:
Das folgende Kapitel enthält eventuell verstörende Inhalte und sexuelle Andeutungen. Komplett anzeigen

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Rum ist tot

Er wartete in seinem Büro. Wartete. Auf Neuigkeiten. Von einer ganz bestimmten Frau, der er soeben befohlen hatte, sich mit ihm zu treffen. Denn von Rum, der ihm eigentlich antworten sollte, bekam er seit ein paar Tagen nur nichtssagende und ausweichende Antworten.

Daher hatte er sich gezwungen gesehen, Vermouth Informationen über Rum‘s Vorhaben besorgen zu lassen. Die hatte sich jedoch gleich von Rum einspannen lassen. Sie meinte, nur wenn sie die Rolle spielt, die Rum von ihr verlangt, könnte sie genaueres darüber erfahren, was er plante. Sie hatte ihm vor ein paar Stunden berichtet, dass sie sich von einem Nachrichtensender interviewen lassen sollte. Dass Rum ihr sogar vorschreiben wollte, was sie zu sagen hatte.

Die Nachrichten hatte er seit dem genauestens verfolgt. Selbst jetzt war der Nachrichtensender neben ihm noch eingeschaltet, wenn auch auf stumm. Der Hausbrand war vor einer Stunde erfolgreich gelöscht worden und er hatte noch immer keine Informationen darüber, aus welchem Grund Rum es überhaupt in die Luft gejagt hatte.

Die Minuten verstrichen und seine Stimmung sank. Noch war Vermouth nicht zu spät. Es dauerte eine Zeit von dem Ort des Geschehens hier her zu kommen. Doch er hasste es im Ungewissen zu sein.
 

Ohne anzuklopfen, öffnete Vermouth die Tür zu seinem Büro und betrat es ohne Umschweife. Ihr war bewusst, wie sehr der Boss Verspätung hasste und wäre sie nicht durch ihre Verkleidung einen Moment vom Sicherheitspersonal aufgehalten worden, hätte sie es auch noch vor der vereinbarten Zeit geschafft. So war sie auf die Minute genau da.

Was auch der einzige Grund war, aus dem sie das Anklopfen unterließ. Denn die Uhr lief ab und sie galt erst als anwesend, wenn sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
 

"Entschuldige bitte," sagte sie umgehend und obwohl Ausreden und Vorgeplänkel dem Boss nie wichtig waren, fügte sie noch hinzu: "Es ist eben doch ein langer Weg direkt hierher zu kommen."
 

"Was hast du herausbekommen?"

"Direkt ohne Umschweife auf den Punkt.", dachte Vermouth. "Er wundert sich nicht mal über mein Aussehen, warum achte ich sonst nur immer so darauf wenn ich herkomme?"

Sie seufzte. "Er ist eben mein…"

"Vermouth!" Dieses eine Wort genügte um sie an den Grund zu erinnern, aus dem sie herbestellt worden war.
 

Doch bevor sie ihren Bericht erstattete, zog sie sich die Maske der Frau mit leichten Brandwunden und einigen Altersfältchen vom Gesicht, die sie für Rum gespielt hatte. Sie löste ihre Haare und schüttelte den Kopf, damit sie ihr wieder locker über die Schultern fielen und begann erst dann ihre Erklärung.

"Ich bin mir nicht sicher, was genau Rum vorhat. Er hat sich geweigert mir irgendetwas zu verraten, das mehr als nur mit meiner Rolle zu tun hat. Aber ich weiß jetzt, warum er das Haus in die Luft gejagt hat. Er wollte jemanden fangen."

Es erfolgte keinerlei Reaktion von dem Mann vor ihr, also war sich Vermouth nicht sicher, ob er bereits davon wusste, es geahnt oder vorher vollkommen im Dunkeln getappt hatte. Aber das war bei ihm immer so, weshalb sie einfach weiter ihren Bericht erstattete.
 

„Als er mir die Anweisung gegeben hat, dass ich diese Frau spielen soll, hat er mir ein altes Foto von ihr in ihren 20er Jahren gezeigt. Außer ihr war keiner darauf abgebildet und der Hintergrund war ein einfaches, schlichtes weiß wie bei allen Fotografen.", berichtete sie zunächst ihre Beobachtungen. Jedes Detail konnte wichtig sein und wenn sie ihm nicht von Anfang an alles berichtete, würde er sie nur mit Fragen löchern, die ihr unangenehm werden würden.

"Er meinte ein aktuelleres Foto gäbe es nicht und ich solle mir selbst ausdenken, wie diese Frau aussehen würde, wenn sie ca. 20-30 Jahre älter wäre und gerade zum zweiten Mal aus einem brennenden Haus gerettet wird. Außerdem meinte er, ich soll beim Interview angeben, dass mein Mann in dem Feuer damals in unserem Haus in Mulang umgekommen wäre und nur der Keller noch stünde. Gerade auf den Keller schien er irgendwie Wert zu legen."
 

"Also hat es mit dem Keller eines abgebrannten Hauses im Bezirk Mulang zu tun," sprach er die Schlussfolgerung aus, die auch Vermouth schon hatte.

Sie nickte daher und fuhr fort: "Außerdem sollte ich nach einem Kind Ausschau halten, dass seine Mama suchen und mich für diese halten würde."

Jetzt wurde sie von dem Mann mit einem seltsamen Ton in der Stimme unterbrochen: "Ein Kind?"

"Ja. Seltsam nicht wahr? Wenn sie wirklich 40-50 Jahre alt ist, müsste ihr Kind doch mindestens 20 sein. Aber er hat darauf bestanden und als ich mehr Informationen über dieses Kind haben wollte, meinte er nur, dass er mich aus der Entfernung beobachten würde und ich das Kind nur so lange festhalten müsste, bis er es abholen kam. Ich sollte es auf keinen Fall entkommen lassen."

"Wer war dieses Kind?", fragte der Mann mit finsterem Gesichtsausdruck. Vermouth‘s Antwort bestand nur aus drei Buchstaben. Sie hatte sich noch nie so davor gefürchtet wie jetzt, diese auszusprechen: "Gin."
 

"Was?" Der Boss stützte seine Hände auf dem Tisch ab und stand auf.

"Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, da er sich seltsam verhalten hat, wie ein zwölfjähriges Kind eben, das seine Mutter verzweifelt gesucht hat, aber dem Aussehen nach war es eindeutig Gin.... als Zwölfjähriger."

"Wie?"

Obwohl er nur ein Wort sprach, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie schluckte. "Ich weiß es nicht," gab sie ehrlich an. "Als ich gesehen habe, wie er die Reporterin nach mir gefragt hat, bin ich einfach auf ihn zu und hab ihn an der Schulter gepackt. Sobald er sich umgedreht hat ist er mir einfach in die Arme gesprungen und …"

"Und was?", wiederholte er das letzte Wort der Frau, wütend darüber, sie überhaupt erneut auffordern zu müssen weiter zu reden.

"...er hat geweint. Vor Freude seine Mutter zu sehen."

"Verstehe.", war die einfache, kurze Antwort. Eigentlich hätte Vermouth ausnahmsweise mal mehr erwartet, doch ihr Boss schien nicht mal eine Miene zu verziehen. Für ihn waren lange Antworten verschwendete Zeit, die man stattdessen auch fürs Nachdenken verwenden könnte. Oder in dieser Situation besser gesagt: Es sollte.
 

Dem Boss war bewusst, dass Vermouth ihm wahrscheinlich auch nicht mehr verraten konnte. Diesmal war sie die falsche Adresse für ausreichend Informationen.

"Du kannst nun gehen.", entließ er daraufhin die immer noch wartende Frau, welche nach einem Nicken das Büro verließ.
 

Kaum war sie weg, griff der Mann zum Telefon rechts neben sich und nahm den Hörer in die Hand, während er eine ganz bestimmte Nummer wählte.

"Ich bin's.", begann er als am anderen Ende der Leitung jemand abnahm. Ohne diese Person zu Wort kommen lassen zu müssen, sagte er ihr die Adresse der abgebrannten Villa in Mulang an. "Du wirst dich auf der Stelle dorthin begeben und mir Bericht erstatten.", befahl er, worauf eine tiefe Stimme am Hörer mit "Ja." bestätigte.

"Und sei vorsichtig.", erinnerte der Boss die Person daraufhin. Man konnte nie vorsichtig genug sein und wer wusste schon, was Rum ausgeheckt hatte und inwieweit das gut gegangen war.

"Das werde ich.", versicherte der Mann am anderen Ende der Leitung mit fester Tonlage.

"In Ordnung. Ich zähle auf dich, Arrak.", sprach er den Namen des treuen Organisationsmitgliedes aus, bevor er auflegte.
 

Ein Seufzen entwich dem älteren Mann. Ihm gefiel dieser Alleingang von Rum überhaupt nicht. Besonders, weil gerade er seine treueste Adresse war.
 

Zwar wurde der Boss von Rum informiert, dass Gin beseitigt werden sollte, doch weiter hatte er bislang darüber nichts erfahren. Außer, dass man seine Leiche nicht gefunden hatte. Doch aus eigener Erfahrung und mit der eben erhaltenen Information von Vermouth konnte er eins und eins zusammenzählen. Jetzt wurde ihm auch klar wie und auf welche Weise Rum Gin hatte beseitigen lassen wollen. "Dabei hab ich ihm noch gesagt, er soll die Finger von dem Zeug lassen...", dachte er in Bezug auf das APTX. Denn Rum hatte nicht die geringste Ahnung, wozu dieses Mittel überhaupt diente und was es anrichten konnte.
 

Der Boss drehte sich noch einmal zum Fernseher. Das Bild von diesem verriet ihm jedoch auch nichts Neues mehr, weshalb er nach der Fernbedienung krallte und den Fernseher einfach ausschaltete. Danach musste er noch über zwei Stunden in Ungeduld verbringen, ehe sich sein beauftragtes Mitglied wieder bei ihm meldete. Dessen Bericht war jedoch nicht erfreulich.
 

Er nahm den Anruf an, welchen er sehnlichst erwartet hatte.

"Ich bedaure Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Rum ist tot.", lautete daraufhin die kurze Information.

"Habe verstanden." Der Boss beendete das Telefonat.

Es bringt mich um

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die Suche

Am späten Abend des gleichen Tages verweilte er immer noch in seinem Büro. Abgesehen von den unruhigen Nächten und den Sorgen, die zu Schlaflosigkeit führten, sind in den letzten zwei Monaten viele Dinge passiert. Dinge, bei denen es sich meist nur um Schwierigkeiten handelte. Rum's plötzlicher Tod war eindeutig ein Problem. Doch so sehr der Boss nach Antworten suchte, er fand sich letztlich nur immer im Dunkeln wieder.
 

Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach die Stille. Es gab nur eine Person, die er zu dieser späten Stunde noch erwartet hatte. Seit er ihm beauftragt hatte, wollte er täglich einen Bericht erhalten. Auch wenn die Neuigkeiten meist nicht erfreulich waren. "Herein.", sprach er. Die Tür öffnete sich.

"Guten Abend." Mit einer abendlichen Begrüßung betrat Arrak das Büro seines Bosses.

"Was gibt es Neues?" Dieser kam ohne langer Vorrede direkt auf den Punkt.
 

Arrak setzte einen bedauernden Gesichtsausdruck auf. Das bedeutete nichts Gutes. "Nichts, keine Spur.", begann er in Bezug auf das immer noch verschwundene Organisationsmitglied Gin - oder besser gesagt: das ehemalige Organisationsmitglied. Es war eine Tatsache, die sich nicht mehr ändern ließ, dass Gin nun ein Verräter war.

"Ob er immer noch ein Kind ist?", fragte der Boss sich gedanklich.

Doch wenn dem so wäre, wie hatte er es dann geschafft Rum zu entkommen?

"Ohne fremder Hilfe mit Sicherheit nicht."

Aber wer hat ihm geholfen?

Jede Schlussfolgerung brachte eine neue Frage mit sich, die wiederum unerklärlich blieb. Beinahe wie ein Teufelskreislauf.

Ein Seufzen entwich ihm.
 

"Es ist zudem außerordentlich schwer geworden, die Neuen richtig auszubilden. Rum war-"

"Sehe ich da etwa Schwäche in deinen Augen?" Arrak wurde von seinem Vorgesetzten unterbrochen. Solche überflüssigen Klagen wollte dieser nicht hören.

"Gewiss nicht. Ich versuche Sie nur über die aktuelle Lage zu informieren, die allerdings nicht gut aussieht." Das was beide Männer bereits wussten, sprach Arrak trotzdem noch einmal aus.

Die Augen seines Bosses verengten sich. "Dessen bin ich mir bewusst.", meinte er tonlos und erhob sich von seinem Stuhl. "Wenn Gin nicht so schnell wie möglich gefunden und beseitigt wird, könnte das ein großes Problem für uns werden.", setzte er fort während er mit den Händen auf dem Rücken durch das Zimmer streifte. Er sprach eher zu sich selbst, dennoch wurde ihm umgehend geantwortet:

"Es könnte das Ende bedeuten.", erwiderte Arrak trocken.

"Hah." Ein Lächeln zierte das faltige Gesicht seines Bosses. "Ich hatte zwar hohe Erwartungen auf ihn gesetzt, doch so weit wird er es nicht schaffen.", fügte er hinzu. Er war sich seiner Aussage ziemlich sicher. Für ihn war Gin einer der besten und vor allem loyalsten Mitglieder gewesen. Auf den ersten Eindruck hatte er wie das ideale Werkzeug gewirkt. Kaltblütig, sadistisch, skrupellos, geschmückt mit einem Verstand, der scharf wie die Klinge eines Messers arbeitete. Er hatte jeden Auftrag problemlos ohne Widerworte erledigt. Egal wer es gewesen war - er konnte sie alle töten.

"Umso mehr wird es mich freuen, in dein totes Gesicht zu sehen...", sprach der Boss zum silberhaarigen Mörder in Gedanken. Er sah dabei die Reflexion seines bösartigen Gesichtsausdruckes im Fenster, vor welchem er nun stand.
 

"Es wäre einfacher, wenn wir zumindest ein paar Anhaltspunkte im Keller gefunden hätten.", unterbrach Arrak's raue Stimme die Stille.

Es stimmte, dass im Keller keinerlei Hinweise auf den Mörder der beiden Organisationsmitglieder zurückgeblieben waren. Nicht einmal das FBI hatte etwas gefunden. Alle Spuren wurden wohlbedacht beseitigt. "Das passt zu ihm.", wieder landete er mit seiner Vermutung bei Gin.

"Im Keller gab es drei Blutlachen. Zwei davon entstanden durch Rum's Kopfwunde und dem Lungenschuss von Wodka. Die Dritte…"

"Konnten wir nicht ermitteln.", beendete Arrak die Aussage seines Bosses. Auch ihn interessierte es, wer dort scheinbar noch im Keller schwer verletzt wurde. "Die Kugel in Wodkas Lunge konnte man einer .44 AutoMag Pistole zuordnen. Rum besaß so eine Waffe, nicht wahr?", überlegte Arrak laut und wiederholte somit seine Aussage, die er schon vor zwei Monaten, wenige Tage nach dem Ereignis, in einem Bericht verpackt hatte. Sein Vorgesetzter nickte. "Rum hätte ihn niemals getötet.", meinte dieser dann zweifellos.

"Aber hätte Gin es?", entgegnete Arrak mit einer Frage. Beide Männer verneinten diese gedanklich. Der Boss wusste, dass Wodka nicht nur einfach Gins Partner gewesen war. Da hatte definitiv eine tiefere Verbindung bestanden.
 

Da kam dem älteren Mann plötzlich ein Gedanke.

"Ich möchte, dass du mir Wodkas Akte aus dem Archiv holst. Sofort.", befahl er kurz darauf. Arrak schien überrascht über die plötzliche Entscheidung, doch er tat was ihm aufgetragen wurde.
 

Nach 15 Minuten war er vom Archiv zurück und drückte seinem Boss die Personalakte vom verstorbenen Wodka in die Hände.

Der ältere Mann blätterte einen Moment und überflog die einzelnen Seiten mit Informationen.

"Dürfte ich erfahren, was Sie vorhaben?", erkundigte sich Arrak vorsichtig.

Sein Gegenüber grinste. "Wir müssen da noch etwas aufräumen.", sagte er. Das Mitglied wusste, was damit gemeint war.

"Du wirst mit ein paar Anderen Wodkas ehemalige Wohnung durchsuchen. Wenn du dort etwas findest, was weiterhelfen könnte, bring es unverzüglich zu mir. Ob etwas unbrauchbar sein könnte entscheide ich. Wenn du das erledigt hast, wirst du dort aufräumen.", erteilte der Boss Arrak einen neuen Befehl und betonte dabei das letzte Wort. Nebenbei schrieb er mit einem Kugelschreiber die Adresse von Wodkas Wohnung auf ein kleines Papier. Da Gins Wohnung bereits schon vor langer Zeit durchsucht wurde, war dies noch eine weitere Möglichkeit. "Und du wirst das sofort morgen erledigen. Wahrscheinlich wird es längst aufgefallen sein, dass seit zwei Monaten dort niemand mehr die Miete zahlt. Jeder Tag ist wichtig.", fügte er streng hinzu und drückte Arrak den Zettel in die Hand.

"Natürlich. Ich werde mich Morgen früh sofort darum kümmern." Er bestätigte den neuen Auftrag mit einem Lächeln.

"Einen angenehmen Abend noch.", mit diesen Worten verabschiedete Arrak sich und ging aus dem Büro. Sein Boss nickte ab.

Zufrieden setzte er sich wieder hin, während er genüsslich seine Hände aneinander faltete. Auf seinem Gesicht bildete sich ein Grinsen, von dem man nicht genau sagen konnte, was es aussagte. Sei es nun Verrücktheit, Bosheit, oder pure Belustigung.

Der Raum, in dem er sich befand schien dunkler und kälter zu wirken, als wäre seine reine Aura dazu imstande.

Leise lachte er vor sich hin.

"Nicht mehr lang...", sprach er gedanklich zu sich selbst.

Die Zeit schien still, für den Boss gab es in diesem Moment nur eine Sache, die Wichtigkeit verlangte. Sein Grinsen wurde breiter.

"Nicht mehr lange, Gin. Du kannst dich nicht ewig vor uns verstecken, aber mal sehen, ob du gegen Arrak ankommst… Dieses Mal sind wir dir einen Schritt voraus.", flüsterte er sich in der Dunkelheit selbst zu und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch, der sich dabei bildete, schien den Raum zu verschlingen und der Boss verschwand in diesen Nebel der Kälte.
 


 

Der nächste Morgen
 

Wie der Boss es befohlen hatte, suchte Arrak frühs mit zwei anderen Mitgliedern, ohne Codenamen, die Wohnung des verstorbenen Wodkas auf. Nach außen hin wirkte diese still, klein und vor allem unauffällig. Die Wohnungen daneben standen bereits seit langer Zeit leer, die Nachbarn schienen schon vor einiger Zeit ausgezogen zu sein. Da es noch sehr früh war, sah man auch sonst keine Menschenseele herumlaufen.
 

Als Arrak die Lage gecheckt hatte, stieg er mit den anderen beiden aus einen schwarzen PKW aus. Sie näherten sich der Wohnung von Wodka, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit und vollkommen normal. Einer der beiden niederen Mitglieder brach ohne Mühe das Schloss der Wohnungstür auf. Die drei traten herein.

Arrak staunte nicht schlecht, es hatte sich nichts verändert. Insofern - es wirkte, als würde hier immer noch jemand leben. Ein paar Schuhe lagen quer durcheinander vor der Eingangstür, der Abwasch war noch nicht erledigt. Eine längst vertrocknete Kaffeetasse befand sich auf einem rundlichen Tisch, auf welchem zudem ein voller Aschenbecher stand. Der Stuhl war auch nicht richtig an den Tisch geschoben. Im Großen und Ganzen deutete das alles auf einen eher unordentlichen Charakter hin.

Doch das hatte Arrak nicht zu interessieren, denn er hatte einen Auftrag zu erledigen. Er stellte einen Koffer, den er bei sich trug, vorsichtig auf dem Tisch ab. "Durchsucht sämtliche Zimmer. Alles, was Hinweise geben oder brauchbar sein könnte, sofort zu mir.", befahl Arrak streng. Die zwei Begleitpersonen nickten. "Und dass ihr ja keinen Quadratmillimeter überseht. Achtet vor allem auf Unterlagen.", fügte das hohe Mitglied hinzu, bevor er sich selbst auf die Suche nach Hinweisen von Gins Verbleib machte. Es gab auch nicht wirklich viel zu durchsuchen, denn viel Platz war hier in der Wohnung nicht und es gab nur wenig Räume.
 

Arrak fuhr mit seinen Fingern über einige, staubbedeckte Bücher, die wiederum recht ordentlich in einem Regal eingeordnet waren. "Hat er die denn auch wirklich gelesen?", dachte er dabei spöttisch. Angemerkt hatte man es dem stämmigen Brillenträger immerhin nicht, dass er viel gelesen hatte. Arrak nahm sich ein Buch nach dem anderen aus dem Regal und durchblätterte sie. Außer, dass sie wie neu gekauft aussahen, fand er darin nichts weiter. Neben dem Regal befand sich das Telefon, bei welchem eine Taste rot aufleuchtete. Scheinbar wurden ein paar Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.

Arrak ließ die Nachrichten durchlaufen und hörte aufmerksam zu. Wieder ein Schuss ins Leere. Zuletzt war es immer nur die gleiche Stimme gewesen. Eine alte, kratzige Männerstimme, welche sich darüber beschwerte, wieso das mit der Bezahlung der Miete denn so lange dauern würde. Arrak lachte leicht. Wenn sie hier fertig waren, würde keine Mietzahlung mehr von Nöten sein. Es wäre nicht mal etwas übrig, für was man überhaupt noch Miete zahlen müsste.
 

Sie suchten noch eine Weile, jedoch erfolglos. Erst als Arrak sich zuletzt den Computer vornehmen wollte, stieg wieder Hoffnung in ihm auf. Es war für ihn kein Problem, die Passwortsperre zu umgehen und Zugriff auf die Daten zu erhalten.

Zuerst prüfte er das Postfach, die E-Mails darin waren alle schon älter, meistens unbeantwortet. Sonst könnte man glauben, der Computer würde einen gewöhnlichen Menschen gehören, der wie alle anderen normal seinen Alltag nachginge. Denn wie es schien, waren auf dem Rechner keine wichtigen Daten vorhanden. "Das gibt's doch nicht...", dachte Arrak schlecht gelaunt und durchsuchte zuletzt noch ein paar Dokumente. Da blitzten seine Augen auf. Endlich fand er etwas Brauchbares.

"Haben Sie etwas gefunden?", fragte einer der beiden anderen Mitglieder, welchem die Freude in Arraks Gesicht nicht entgangen war.

"Das sieht aus wie ein Mietvertrag," begann dieser, "aber nicht für diese Wohnung." Er setzte ein breites Grinsen auf. Da es auch einen Drucker gab, zögerte er nicht und druckte das Dokument sofort aus. Daraufhin faltete er das Blatt Papier und steckte es in seine innere Jackentasche.

"Sonst nichts?", wollte er sich bei seinen beiden Kollegen versichern, welche nur den Kopf schüttelten. Arrak zuckte mit den Schultern. "Da kann man nichts machen.", meinte er. Immerhin müsste er jetzt sowieso nicht mehr mit leeren Händen bei seinem Boss auftauchen. "Räumt hier auf.", befahl er, während sich sein Blick auf den Koffer richtete. "Danach ziehen wir ab."

"Jawohl.", antworteten die beiden anderen im Chor.
 

Er ging schon mal vor zum PKW, mit welchem sie angekommen waren. Es dauerte nicht lange, bis seine Kollegen die mitgebrachten Bomben gut platziert hatten und dann ebenso zurück zum Wagen gingen.

Als die Wohnung schließlich in tausende Teile explodierte und daraufhin Feuer fing, waren die drei Mitglieder bereits nicht mehr annähernd in der Nähe. Was nun passieren würde, war Arrak egal. Jegliche Spuren waren beseitigt.
 

Eine Stunde später
 

Arrak hatte sich bemüht, seinem Boss so schnell wie möglich Bericht erstatten zu können und ihm das gefundene Dokument zu überreichen.

Wie immer klopfte er zuerst an der Tür dessen Büros und wartete, bis er schließlich herein gebeten wurde.

"Du warst schnell.", begann sein Boss, von ihm abgewandt, ohne ihn zu begrüßen. Der ältere Mann stand mit den Händen hinterm Rücken vor dem Fenster. "Aber warst du auch erfolgreich?" Er drehte sich um. Arraks Blick verriet ihm, dass er zumindest nicht vollkommen enttäuscht werden würde.

"Kann man so sagen.", meinte Arrak. Er zog das gefaltete Blatt aus seiner Jackentasche und übergab es seinem Vorgesetzten, welcher einen leicht neugierig wirkenden Blick aufsetzte. Solange der Boss sich das Dokument sorgfältig durchlas, herrschte Stille.

"Ein Mietvertrag?" Sein Blick schweifte wieder zu Arrak.

"Wie es scheint, hat der Kerl noch eine zweite Wohnung.", erklärte dieser daraufhin.

"Ach ist das so?", die Mundwinkel des Bosses zuckten kurz. Er machte einen zufriedenen Eindruck.

"Das wäre doch ein ideales Versteck, finden Sie nicht?" Jetzt umspielte auch Arraks Lippen ein Lächeln. Zwar konnte er nicht genau wissen, was es mit dieser Zweitwohnung auf sich hatte und ob Gin überhaupt davon wusste, doch die Möglichkeit bestand und diese Hoffnung blieb fürs Erste.

"In der Tat.", antwortete sein Vorgesetzter tonlos.

Die Angst, dich sterben zu sehen

Gin öffnete die Augen. Irgendetwas hatte ihn geweckt.

Er überlegte, ob er vielleicht nachsehen sollte. Oder ob das nur Zeitverschwendung wäre, wenn es nur pure Einbildung gewesen war. Doch gerade, als er sich wieder zum weiterschlafen zur Seite drehen wollte, war noch etwas anderes seltsam. Die Bettseite neben ihm war leer.

Erschrocken richtete Gin sich auf. “Es ist mitten in der Nacht, also wo...“ Sein Blick wanderte zum angrenzenden Bad. Die Tür stand sperrangelweit offen und der kleine Raum war mit tiefer Dunkelheit gefüllt.

Plötzlich ertönte ein Poltern, was aus einem anderen Raum des Hauses kam. Gin senkte seinen Blick nochmal zu der leeren Bettseite neben sich, als ihm auf einmal ein großer Blutfleck am Kopfkissen von Shuichi auffiel. Der Silberhaarige hätte schwören können, dass der Fleck davor noch nicht da gewesen war. Er schluckte. Kurz darauf bemerkte er weitere, kleinere Blutflecke auf der Decke des Agenten, welche aus dem Bett führten. Gin warf einen Blick neben dem Bett und erblickte weitere Bluttropfen auf dem Boden. Er stieg von Shuichis Bettseite aus dem Bett aus. Eine rot leuchtende Blutspur führte um das Bett in Richtung der geschlossenen Schlafzimmertür.

Allmählich bekam Gin es mit der Angst zu tun. Mit langsamen Schritten näherte er sich der Tür. Auf der Türklinke befanden sich blutige Fingerabdrücke. Zögernd öffnete er die Tür und lehnte sich erstmals nur heraus, um einen Blick in den Flur zu werfen. Es war stockfinster. Nur die Blutspur am Boden leuchtete weiter den Gang entlang, bis sie in der Küche verschwand. „Shuichi?", wollte Gin sich vergewissern, doch ihm wurde nicht geantwortet. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als der Blutspur zu folgen. Vorsichtig setzte er einen Schritt nach dem anderen. Warum er dabei versuchte, so leise wie möglich zu sein, wusste er selbst nicht. Er fühlte sich, als würde sich ein düsterer Schauer über ihn ausbreiten, welcher ihn im nächsten Moment verschlingen könnte.

Die Tür zur Küche stand weit offen. Nach einem tiefen Atemzug sah er in den Raum. Was er dann erblickte, ließ ihn erstarren und seinen Herzschlag aussetzen. Shuichi lag regungslos in der Mitte des Raumes. Der Boden war voller Blut, welches von seiner Kopfwunde stammte. Ein tiefes Loch durchbohrte das rechte Auge des Agenten. Sein Gesicht strahlte zweifellos den Tod aus.

„Shu-..ichi...“ Gin bekam fast keine Luft mehr. Er streckte seine bereits zitternde Hand nach dem toten Körper seines Liebhabers aus und ließ sich daraufhin vor ihm kniend zu Boden fallen. „Hey...wach auf...“, flehte er mit heiserer Stimme und rüttelte Shuichi an den Schultern, doch dessen unschuldiges, erkaltetes Gesicht verzog keine einzige Miene mehr.

Der Schock ließ Gin‘s Körper vor Schmerz beben. Er rüttelte seinen Geliebten schneller, hastiger, als habe er längst die Kontrolle über seine Hände verloren. Er hörte sich selbst unentwegt schreien, bis irgendwann seine Stimme in seinem eigenen Echo unterging…
 

Gin schreckte auf. Sein keuchender, lauter Atem füllte den Raum. Er fasste sich mit den Händen an seine schweißgebadete Stirn und krümmte seinen Körper zusammen. Er versuchte krampfhaft, seinen Zustand wieder zu normalisieren.

“Beruhig dich...“, wiederholte er mehrmals in Gedanken. Er brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass er nur geträumt hatte. Als er allerdings gerade wieder zu Atem gekommen war, durchfuhr ihn der nächste Stich. Sein Geliebter war wirklich verschwunden.

„Shuichi!!!“, schrie er fassungslos und sprang sofort aus dem Bett. Er rannte völlig unbeherrscht zur Tür und riss diese auf. Als er raus stürmen wollte, fiel er plötzlich den Mann, den er gerade suchen wollte, in die Arme.

„G-Gin...“, kam es von Shuichi überrascht, während er auf seinen verängstigten Liebhaber herabsah.
 

Doch dieser antwortete nicht und krallte sich einfach panisch an den Schwarzhaarigen. "Ich bin ja da...", versuchte Akai ihn zu beruhigen, doch scheinbar half das nicht wirklich. Gins Hände krallten sich nur noch fester.

Darum legte er die Arme um den zitternden Silberhaarigen und führte ihn langsam zum Bett.

"Hatte er wieder einen Albtraum?", überlegte er dabei. "Die sind doch in letzter Zeit immer seltener vorgekommen... hat es ihn so sehr erschreckt, dass ich schon aufgestanden bin?"

Vorsichtig brachte Akai Gin dazu, sich mit ihm auf das Bett zu setzten. Dann ließ er seine Hände über Gins Rücken nach oben gleiten und umfasste dessen Gesicht, um es zu sich zu drehen.

Besorgt erkannte der Agent, dass die Angst noch immer nicht aus dessen Augen verschwunden war. "Was hat ihn so sehr verängstigt, dass es ihm selbst jetzt nicht gelingt seine unberührbare Fassade aufrecht zu erhalten?", wunderte er sich, bevor er direkt fragte:

"Was ist los?"
 

Bei dieser Frage wollte Gin am liebsten den Kopf wegdrehen und nicht antworten. Obwohl er Shuichi nicht anlügen wollte, wollte er genauso wenig aussprechen, was er soeben geträumt hatte. Denn irgendwie rief ihm das Kind zu, dass es real werden würde, spräche er es aus.

Doch Shuichi gab nicht nach. Unerbittlich hielt er Gins Kopf in Position. "Sag es mir." Gins Blick wanderte über Akais Gesicht und blieb wie so oft an dem geschädigten Auge hängen. Er schwieg weiterhin, schloss aber die Augen. Er wollte das jetzt nicht sehen. Es war seine Schuld. Alles seine Schuld…

"Sieh mich an!", verlangte Shuichi von ihm, doch er versuchte es zu ignorieren. Selbst als sich ihre Lippen trafen und er auf diese verführerische Weise gefragt wurde, ging er zwar beinah verzweifelt auf den Kuss ein, weigerte sich aber dennoch die Augen zu öffnen. Langsam lösten sich ihre Lippen voneinander und er konnte Akais Atem an seinem Ohr spüren, als ihn dieser bat: "Bitte, sag mir was los ist."

Die angedeutete Hilflosigkeit sandte Gin einen Schauer über den Rücken und bevor er sich versah, verließen die Worte seinen Mund. "Ich habe Angst davor, dich sterben zu sehen."
 

Nach diesen Worten starrten die beiden sich kurz schweigend an, bis Shuichi ein leichtes Lächeln aufsetzte. Gin wusste längst nicht mehr, ob der Agent sich wirklich keine Sorgen machte oder ob er einfach nur lächelte, um ihn zu beruhigen. Es fiel ihm schwer dieses Lächeln zu deuten.

"Das brauchst du nicht. So schnell werde ich schon nicht sterben.", erwiderte Shuichi ruhig. Da erinnerte der Silberhaarige sich automatisch an damals zurück. Diesen Satz hatte er definitiv schon einmal gehört - und beide Männer wussten zu gut, wie das ausgegangen war.

"Es ist nicht leicht, das zu glauben." Gin vermied es, sich das betreffende Ereignis und die Szenen, welche ihn täglich verfolgten, wieder zurück ins Gedächtnis zu rufen. Wenn er könnte, würde er sie einfach ausradieren. Schwer bemüht sich wieder zu entspannen, ließ er sich in die Arme seines Geliebten sinken und legte seinen Kopf auf dessen Schultern. Kaum einen Moment später bemerkte er, wie zwei warme Hände liebevoll über seinen Rücken strichen.
 

"Wenn du dir solche Sorgen darüber machst, dann sollten wir vielleicht...irgendwo anders hingehen.", schlug Akai vor. Gin spitzte die Ohren, doch empfand dann den Vorschlag vorerst undenkbar. "Sagtest du nicht, dass du nicht einfach von der Bildfläche verschwinden kannst?", erinnerte er den Agenten an das Gespräch vor zwei Tagen. Würden sie einfach woanders hin verschwinden, wäre das erst recht auffällig.

"Ich sagte, das könnte ich vorher klären...wenn du mich lässt.", antwortete Akai. Gin sagte nichts dazu und erwiderte mit einem leichten Kopfschütteln, woraufhin seinem Geliebten nur ein Seufzen entwich. "Du kannst mich nicht für immer hier einsperren.", sprach dieser letztlich die für Gin schmerzhafte Wahrheit aus. Denn am liebsten würde er genau das tun - oder zumindest an einem Ort, wo sein Liebhaber sicher und keiner Gefahr ausgesetzt wäre.

"Ich weiß.", entgegnete er leise und schloss die Augen, bis Akai erneut anfing zu sprechen:

"Wir reden darüber nochmal.", bestimmte er. Gin musste sich eingestehen, dass der Schwarzhaarige damit wohl oder übel recht hatte und sie das wahrscheinlich in der Tat noch tun würden.
 

Plötzlich spürte Gin, wie er aufgerichtet wurde. Etwas verwirrt sah er Shuichi an. "Komm mit.", bat ihn dieser dann, während er sich vom Bett erhob und ihn an der Hand mit sich aus dem Raum führte.

"Was ist?", fragte der Silberhaarige leicht neugierig. Doch ihm wurde nicht geantwortet. Im Flur, vor dem Kleiderhaken, blieb er mit Shuichi stehen. Gin verstand immer noch nicht, was das werden sollte.

"Augen zu.", befahl sein Liebster nur in einem freundlichen Ton. Stutzig sah Gin ihn an. Die Tatsache, dass sich hinter ihnen die Tür in die Freiheit befand, ermutigte den sonst aufmerksamen Mörder nicht sonderlich.

"Schau nicht so, ich renn dir schon nicht davon.", sagte Shuichi, als hätte er die Gedanken seines Gegenübers gelesen. Er strich kurz über dessen Wange.

"Okay...", sprach Gin mehr zu sich selbst und überwand sich schließlich die Augen zu schließen. Danach hörte er nur das Rascheln eines Stoffes. Im nächsten Moment wurde seine Hand ergriffen. Er spürte die weiche Hand seines Geliebten an seinen Fingern, bevor ihm etwas Kaltes, rundliches an einen der Finger gesteckt wurde. "Etwa..." Er riss die Augen auf und starrte auf seine Hand, an welcher sich nun ein silberner Ring befand. Seine Augen wurden groß. "Woher hast du...", begann er überrascht, während ihm auf einmal warm ums Herz wurde.

"Damit du weißt, dass du zu mir gehörst.", meinte sein Geliebter, ohne auf die angefangene Frage einzugehen. Röte schoss ihm ins Gesicht. "Ich hab ihn mit den Rosen zusammen gekauft, dir aber nichts gesagt und den richtigen Moment abgewartet.", erklärte der Agent danach, bevor er noch mit sanfter Stimme hinzufügte: "Ich liebe dich."

Da musste Gin plötzlich mit den Tränen ankämpfen. Wie gelähmt starrte er seinen Gegenüber an, während ihm im nächsten Moment dann doch eine Träne über die Wange lief. "So viel Liebe habe ich gar nicht verdient...", sprach er seinen Gedanken leise aus. Ihm war, als würde er sich immer wieder aufs Neue in diesen Mann verlieben, welcher voller Überraschungen steckte und es immer wieder schaffte, ihn auf die verschiedensten Arten um den Verstand zu bringen. Ein Mensch voller Liebe und Warmherzigkeit, wie Gin es noch nie zuvor in seinem Leben erlebt hatte.
 

"Dir kann man gar nicht genug Liebe schenken.", verbesserte Akai Gins Satz für sich selbst und lächelte zufrieden.

"A-Aber...ich kann dir nichts zurückgeben...", entgegnete der Silberhaarige mit zittriger Stimme. Dabei überlegte er schon, wie er sich dafür erkenntlich zeigen könnte.

"Du gibst mir schon genug.", antwortete der Agent glücklich und umfasste dabei Gins Wangen. Daraufhin begann er einen leidenschaftlichen Kuss.
 


 

Zur gleichen Zeit, nicht allzu weit entfernt:
 

Arrak näherte sich ruhigen Schrittes der Straße, in der sich das Haus befand, zu dem sie ein paar Mietunterlagen bei Wodka gefunden hatten. Zur Sicherheit hatte er etwas weiter entfernt geparkt. Für den Fall, dass sich Gin wirklich dort aufhielt, sollte dieser keinen Anlass haben, Verdacht zu schöpfen. Er hatte sich auch von Vermouth verkleiden lassen. Sicher war sicher.

Als er in die Straße einbog sah er eine Reihe kleiner Häuser. Sie waren direkt aneinander gebaut und hatten alle ein kleines Stückchen Rasen vor dem Eingangsbereich. Die Briefkästen waren an der Straße, doch jede Tür hatte noch einen kleinen Schlitz für Zeitungen. Vor den meisten Häusern standen Mülltonnen. Scheinbar waren sie heute geleert worden.

Arrak betrachtete die Hausnummern. Das gesuchte Haus befand sich wohl mittendrin. Während er weiter ging zählte er leise durch. Bei der gesuchten Hausnummer stand keine Mülltonne. Doch das musste nichts bedeuten. Als er auf Höhe des Eingangs war, blieb Arrak stehen und tat, als durchsuche er seine Taschen nach seinem Handy. Sein Blick war jedoch auf den Eingangsbereich und den Briefkasten gerichtet. Es lagen keine Zeitungen vor der Tür, noch war der Briefkasten überfüllt.

Entweder gab es jemanden, der hier regelmäßig vorbeischaute, oder alle Post die hier her kam, wurde an eine andere Adresse weitergeleitet.

Abgesehen von der Sonntagszeitung, die hier kostenfrei verteilt wurde, würde nur die vorbeigebracht werden, die auch bestellt wurde. Und da die Zeitungen direkt durch den Schlitz auf den Flur der Wohnung geworfen wurde, konnte er von außen keine Schlussfolgerungen darauf ziehen, ob jemand hier lebte oder nicht.
 

Er zog sein Handy schließlich aus einer Tasche, tippte ein paar Mal darauf herum und steckte es dann wieder ein.

Aus den Fenstern des Hauses, die zur Straße gerichtet waren, schien ihn keiner zu beobachten. Gerade als er sich dazu entschließen wollte, das Risiko einzugehen, direkt zu der Tür zu gehen, öffnete sich eine Tür auf der gegenüberliegenden Straßenseite und eine Frau kam heraus, die wohl ihre Mülltonne hereinholen wollte.

Da sie ihn jedoch direkt ansah, beschloss Arrak zu ihr zu gehen und sie anzusprechen. Sie wirkte wie eine dieser Frauen, die Tratsch und Klatsch liebten und daher mehr von ihren Nachbarn wussten, als diesen lieb war.

"Guten Tag," begrüßte er sie.

"Guten Tag," kam es leicht misstrauisch, aber vor allem neugierig zurück.

"Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie aufhalten sollte, aber ein Freund von mir hat hier einmal gewohnt. Ich habe leider schon länger keinen Kontakt mehr mit ihm und war gerade in der Nähe. Es ist schon ein paar Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen haben und ich weiß nicht, ob er noch hier wohnt. Er könnte in der Zeit auch geheiratet haben, deswegen kann es sein, dass sich sein Nachname geändert hat.",

"Oh, ich wohne schon mein ganzes Leben hier. Wen suchen Sie denn?"

Innerlich lächelte Arrak. "Perfekt." "Sein alter Name war …"


 

Eine halbe Stunde später wusste Arrak nicht nur, dass seit ein paar Wochen jemand in dem zuvor leerstehenden Haus zu wohnen schien, sondern auch, dass diese Person vermutlich etwas verbarg. Nur einmal hatte die Frau sein schönes Gesicht sehen können, als er vor der Tür rauchen war.

Er war wohl recht hochgewachsen und war von einer Aura umgeben, die dafür sorgte, dass ihm jeder lieber aus dem Weg ging. Das war der einzige Grund, aus dem sie noch nicht geklingelt und sich vorgestellt hatte. "Denn die Nachbarschaftsgemeinschaft ist mir sehr wichtig," hatte sie betont.

Der Mann ging meistens mit einem Hut oder einer übergezogenen Kapuze aus dem Haus und hielt den Blick gesenkt. Zu Beginn war er noch viel unterwegs gewesen, doch die letzten Wochen war er viel im Haus geblieben. Nur hin und wieder verließ er die Wohnung um einkaufen zu gehen. Sie konnte Arrak sogar die Läden nennen, die der Mann besuchte, da sie die Einkaufstüten erkannte.

Damit nicht eindeutig war, für wen er sich interessierte, ließ Arrak auch das Gerede über die anderen Bewohner der Straße über sich ergehen, bevor er sich verabschiedete und meinte, dass sein Bekannter wohl umgezogen sein müsste.

Zufrieden ging er zurück zu seinem Auto. Das war erfolgreicher gewesen als gedacht. Er könnte zwar noch die Läden aufsuchen, in die der mysteriöse Mann regelmäßig ging, doch das könnte dafür sorgen, dass Gin auf ihn aufmerksam wurde. Denn er war davon überzeugt, dass es sich wirklich um Gin handelte.

Im Auto teilte er dem Boss schnell das Ergebnis seiner Erkundigung mit und machte sich dann daran, den morgigen Tag zu planen.

Gefunden und genommen

Am nächsten Morgen

 

Akai ging durch den Flur, um die Morgenzeitung aufzuheben, welche durch den Türschlitz geworfen worden war. In letzter Zeit las er sie häufiger, denn es gab immerhin sonst kaum Möglichkeiten noch etwas von der Außenwelt in Erfahrung zu bringen.

Der Agent klemmte sich die Zeitung unter den Arm und begab sich zur Küche, wo er sie gleich lesen würde. Kaum hatte er die Papiersammlung auf dem Tisch abgelegt, wollte er gerade Gin wecken. Doch das brauchte er nicht mehr zu tun.

"Du bist ja schon wach.", meinte er zuerst in einem überraschten Tonfall, da es sonst schwer war, den Silberhaarigen überhaupt aus dem Bett zu bekommen. "Guten Morgen.", begrüßte er diesen dann liebevoll mit einem federleichten Kuss auf die Wange. Gin erwiderte nur ein Gähnen, bevor er doch noch "Morgen..." halb verschlafen murmelte.

Akai ließ es mit einem Grinsen unkommentiert, während sein Geliebter langsam zum bereits gedeckten Tisch ging und sich auf den Stuhl plumpsen ließ. Am heutigen Morgen gab es Haferbrei zum Frühstück - nicht gerade eins von Gin's Lieblingsgerichten. Er pustete.

"Tut mir leid, aber langsam ist es knapp und der Kühlschrank sieht auch nicht wirklich voll aus.", entschuldigte sich Akai und setzte sich ebenso, als er den unzufriedenen Gesichtsausdruck des Silberhaarigen bemerkte.

"Dann muss ich wohl wieder einkaufen gehen.", entgegnete dieser leicht genervt.

"Ich könnte das doch stattdessen tun.", bot der Agent sich daraufhin an, um vielleicht diesmal die Chance zu bekommen, mal wieder nach draußen gehen zu können. Aber wie schon erwartet, wurde er was das betraf enttäuscht. Gin verneinte mit einem Kopfschütteln.

"Ich mach das, muss sowieso noch woanders hin.", erklärte er.

"Ach so? Wohin?", fragte Akai neugierig, nahm sich gleichzeitig die Zeitung und begann ein wenig die Artikel zu überfliegen. Was ihn nicht auf Anhieb interessierte, las er auch nicht.

"Tja...", tat Gin geheimnisvoll und grinste. Gerade als Akai etwas sagen wollte, entdeckte er plötzlich einen interessanten Artikel:

 

‚Wohnung im Haido-Bezirk durch Explosion niedergebrannt - Täter unbekannt'

 

Der Schwarzhaarige las den Artikel sorgfältig durch. Das Ereignis war vor zwei Tagen. Angeblich sei der Wohnungsbesitzer bisher unauffindbar.

"Könnte es sein..." Akai runzelte die Stirn, versuchte den Gedanken aber wieder zu verwerfen. "Das wäre ein dummer Zufall..." Ihm entging dabei fast Gin's Frage:

"Ist was?"

Akai sah auf. "Nein, überhaupt nichts. Nur der übliche Kram.", verheimlichte er, was er eben gelesen hatte. Er glaubte, dass sein Geliebter da wieder zu viel rein interpretieren würde. Besonders, weil es offensichtlich war, dass dieser sich die letzten Tage damit quälte. Er wollte ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten.

"Er sollte das alles endlich vergessen und..." Der Agent fuhr seinen Gedanken, oder eher seinen Wunsch, nicht fort. Er legte mit einer unauffälligen Geste die Zeitung beiseite.

"Konntest du heute besser schlafen?", fragte er gleich danach, um abzulenken.

"Ja, konnte ich.", lautete die kurze Antwort von Gin.

"Wenn ich bei dir im Bett bleiben soll, bis du aufwachst, dann sag es ruhig.", meinte Akai, im Glauben, dass so vielleicht weitere Alpträume vermieden werden könnten.

"Schon gut. Ich denke, es wird nicht mehr vorkommen.", lehnte der Silberhaarige in Bezug auf den letzten Alptraum ab und vertrieb schnell wieder die wiederkehrenden Erinnerungen an diesen.

 

Etwas später verabschiedete sich Gin von Akai und verließ die Wohnung. Der Einkauf, den er geplant hatte, würde etwas länger dauern und da er diesmal nicht übereilt aufbrach, dachte er auch daran, die Tür abzuschließen. Für den Silberhaarigen war es eine Vorsichtsmaßnahme, die ihm einfach noch wichtig war.

Dem Agenten sandte es jedoch wie immer einen Stich durch die Brust. Immer wenn Gin vergessen hatte abzuschließen, war er der Meinung gewesen, er würde ihm endlich vertrauen. Doch jedes Mal, wenn er dann erkannte, dass es nur ein "Versehen" war und der Schlüssel beim nächsten mal wieder im Schloss herumgedreht wurde, musste er erneut gegen den Schmerz ankämpfen.

 

Sich darüber den Kopf zu zerbrechen würde jedoch auch nichts bringen, also beobachtete Akai einfach aus dem Küchenfenster, wie Gin die Straße entlanglief und schließlich aus seinem Blickfeld verschwand.

 

Als er seinen Blick durch die Küche wandern ließ, entdeckte er wieder die Zeitung. Gin hatte den Artikel noch nicht gelesen. Zwar kam es nur selten vor, dass Gin die Zeitung las, doch wenn er Akais Interesse an einem Artikel bemerkte, bestand er in der Regel darauf, ihn auch zu lesen.

"Aber den sollte er noch nicht lesen..." Er selbst las den Artikel aber erneut durch und prägte sich die Einzelheiten ein. Gerade als er damit fertig war, zog ein Kleintransporter auf der Straße seine Aufmerksamkeit auf sich.

Die Straße vor dem Haus war meist ruhig und nur hin und wieder fuhr ein Auto vorbei. Der Transporter hingegen schien von einer Elektrofirma zu sein und fuhr langsamer als gewöhnlich.

"Vermutlich hat er irgendeinen Auftrag hier und sucht die Hausnummer," dachte der Agent und wollte sich gerade vom Fenster abwenden, als ihn sein Instinkt davon abhielt.

Irgendetwas stimmte mit dem Transporter nicht, auch wenn er nicht sagen konnte, was das war.

 

Als der Transporter genau vor ihrem Haus hielt, fingen Akais Alarmglocken an zu läuten. Er hatte niemandem gesagt, wo er sich befand. Sein Handy war vermutlich auch ausgeschaltet, seit Gin ihn entführt hatte. Der erfahrene Mörder würde nie einen solchen Anfängerfehler machen und das Risiko eingehen, durch die Standortbestimmung gefunden zu werden.

Dann blieb nur noch... "Die Organisation!", wurde Akai mit Schrecken bewusst, als er die Männer sah, die den Kleintransporter verließen.

"Hat Gin sie hergeschickt?" Er schüttelte energisch den Kopf. "Nein, das würde er nicht tun. Wozu auch? Sie müssen irgendeinen Hinweis auf diese Wohnung hier gefunden haben..." Akai dachte an den Wohnungsbrand. Vielleicht wäre es doch besser gewesen Gin den Artikel zu zeigen.

 

Viel Zeit zum Bedauern hatte der Agent allerdings nicht. Die als Elektroniker getarnten Männer machten sich bereits am Schloss zu schaffen. Er musste jetzt schnell handeln.

Obwohl es zuvor noch geschmerzt hatte, war der Agent jetzt froh über die zusätzlichen Sekunden, die er gewann, weil abgeschlossen war.

Entkommen konnte er vermutlich nicht mehr. Es waren zwar nur ein paar Leute, doch er kannte sich hier in der Gegend nicht aus und die Organisation machte immer gründliche Erkundigungen, bevor etwas ausgeführt wurde.

Er war sich nicht sicher, ob sie von ihm wussten. Doch neben den Männern, die gerade vor der Tür standen, konnte er auch im Transporter Bewegungen erkennen, die darauf schließen ließen, dass sich dort noch weitere Personen befanden, die den Wagen aber nicht verließen, um keinen Verdacht zu erregen. Sie waren also auf jeden Fall darauf vorbereitet, Gin hier anzutreffen.

 

 

Akai faltete die Zeitung so zusammen, wie sie geliefert wurde. Mit dem Unterschied, dass einem der Artikel mit dem Brand sofort ins Auge stechen würde, nahm man sie in die Hand. Er verließ die Küche und legte die zusammengefaltete Zeitung so in den Flur, als ob sie nur durch den Türschlitz geworfen und beim Öffnen der Tür zur Seite geschoben worden wäre. Sie sollte den Männern nicht auffallen. Aber wenn Gin zurückkam, würde er hoffentlich bemerken, dass Akai diese Zeitung eigentlich schon gelesen hatte.

Im Anschluss versuchte Akai sich ins Schlafzimmer zu begeben. Dort könnte er sich vielleicht etwas verbarrikadieren und weiter Zeit schinden. Doch kaum hatte er sich in die Richtung gedreht, hörte er wie sich das Schloss mit einem "Klack" öffnete und wirbelte herum. Zum Schlafzimmer würde er es nicht mehr schaffen.

Kaum öffnete sich die Tür, erblickte er schon die ersten Pistolen mit Schalldämpfer. Da Akai selbst keine Waffe besaß - dafür hatte Gin gesorgt - blieben ihm nur seine Nahkampfkünste. Und die setzte er ohne zu zögern ein. Dem Ersten trat er in der Absicht, ihn zu entwaffnen, gegen die Hand, doch leider gelang es dem Typen dennoch, seine Waffe festzuhalten.

 

Direkt darauf musste der Agent zurückweichen, da die Männer hinter dem Ersten anfingen, auf ihn zu schießen. Er konnte den Kugeln ausweichen, da er ständig in Bewegung blieb. Doch als er wieder in einen Nahkampf verwickelt wurde, gelang es ihm nicht mehr alle Männer im Blick zu behalten und kurz darauf spürte er einen Streifschuss am rechten Oberarm.

Innerlich fluchend biss er die Zähne zusammen und ignorierte den Schmerz, doch als er einem weiteren, auf ihn gerichteten Schuss, auswich, bekam er einen schweren Schlag gegen die rechte Gesichtshälfte ab. Seine Lippe platzte auf und er schmeckte Blut. Während er zurücktaumelte und gegen die kurze Benommenheit ankämpfte, war ihm klar, dass er den Kampf verloren hatte.

Auch wenn er die Männer früher ohne Probleme hätte besiegen können, standen die Chancen jetzt ganz anders. Er war noch nicht auf den Kampf mit seinem eingeschränkten Sichtfeld vorbereitet.

 

Mittlerweile war er im Flur soweit zurückgewichen, dass die Tür zum Schlafzimmer direkt neben ihm war. Jetzt hieß es alles oder nichts. Da reinzukommen und die Angreifer gleichzeitig auszusperren, war seine einzige Möglichkeit, die Situation noch zum Besseren zu wenden.

 

Er startete einen Scheinangriff und als sein Gegner auswich, hastete er zur Schlafzimmertür. Doch als er sie zuschlagen wollte, klemmte sich der Lauf einer Pistole dazwischen und verhinderte, dass er sie komplett schließen konnte. Bevor er auch nur versuchen konnte etwas gegen das Hindernis zu unternehmen, flog eine Kugel durch die Tür hindurch, knapp an seinen Händen vorbei, mit denen er die Tür schließen wollte.

Ihm blieb keine andere Wahl als aufzugeben. Er hörte auf, gegen die Tür zu drücken und ging in Kampfstellung. Vielleicht konnte er wenigstens noch ein oder zwei Männer erledigten, wenn sie, durch den plötzlich fehlenden Widerstand, in den Raum stolperten.

 

Zu seinem Pech stolperte jedoch niemand in den Raum und die Männer nutzten stattdessen den neuen Platz, um ihn zu umzingeln.

Doch so schnell gab der Agent nicht auf. Die Tür befand sich direkt vor ihm, vielleicht würde es ihm gelingen, sich da durch zu schlagen…

Er wartete nicht ab, bis die Umzingelung komplett war, sondern griff an, sobald er eine Gelegenheit entdeckte. Doch in dem Moment hörte er, wie ein weiterer Schuss auf seiner rechten Seite abgeschossen wurde. Der Schuss nutze seinen Schwachpunkt genauestens aus. Akai spürte wie die Kugel durch seinen Oberschenkel ging und das Bein unter ihm nachgab. Im nächsten Moment stürzten sich mehrere Männer auf ihn, drückten ihn zu Boden und drehten ihm die Arme auf den Rücken.

 

Stille kehrte ein. Nach dem Kampf mussten alle erst mal wieder zu Atem kommen. Akais Kopf wurde von einer Hand an seinem Hinterkopf fest auf den Boden gedrückt.

Auch der Agent schnappte keuchend nach Luft. Er zwang seine Atmung aber dazu, sich schneller zu beruhigen, damit er wenigstens lauschen konnte, was im Raum geschah. Denn sein Kopf wurde mit der linken Seite nach unten gehalten. Ob aus Zufall oder Absicht war egal.

Das Ergebnis war das gleiche: Er konnte nichts von dem sehen, was im Raum geschah.

 

Nach einer Weile hörte er, wie ein paar der Männer den Raum verließen. Kurze Zeit später kamen sie zurück und jemand sagte:

"Es befindet sich wirklich niemand weiter im Haus. Es scheint aber ein Mantel mit Hut, sowie ein Paar Schuhe zu fehlen.",

"Tch," erklang eine andere Stimme. "Dann haben wir ihn wohl gerade verpasst.",

"Sollen wir uns hier auf die Lauer legen und ihn abfangen?", fragte die erste Stimme.

"Nein, nach dem Auftritt unseres unerwarteten Mitspielers hier," Akai ging einfach mal davon aus, dass von ihm die Rede war, "haben wir zu viele Spuren hinterlassen, die ihn misstrauisch machen werden. Er würde uns eher entkommen und wir müssten die Suche ganz von neuem beginnen."

"Was machen wir dann?", ein Hauch von Unsicherheit schlich sich in die erste Stimme.

Einen Moment herrschte Ruhe. Er konnte hören, wie sich ihm Schritte näherten und kurz darauf sah er einen schwarzen, glänzenden Schuh vor sich. Zu gern hätte Akai auch den Mann gesehen, dem dieser Schuh gehörte und der offensichtlich der Anführer dieser Mission war.

Doch er konnte sich nicht bewegen.

"Wir haben ja diesen Bonus hier gefunden," meinte der Anführer und hockte sich vor dem Schwarzhaarigen hin. "Shuichi Akai... wahrlich eine Überraschung. Sag mir... wie lange arbeitest du schon mit Gin zusammen?"

Obwohl sich nichts in der Stimme des Mannes verändert hatte, lief Akai ein kalter Schauer über den Rücken.

"Dieser Typ ist gefährlich!", schoss es ihm durch den Kopf.

"Wer sagt, dass ich mit ihm zusammenarbeite? Vielleicht bin ich ja nur sein Gefangener," beantwortete er die Frage.

"Oh? Ein Gefangener also? Das könnte natürlich einiges erklären... aber ich glaube nicht, dass du ein einfacher Gefangener bist. Ich frage mich... wer hat hier wen unter seiner Kontrolle gehabt?"

 

"Er ist verdammt gefährlich!" Bevor Akai antworten konnte, richtete sich der Mann, dessen Gesicht er noch immer nicht sehen konnte, auf und befahl den anderen:

"Gebt ihm das Mittel. Wir nehmen ihn mit." Unmittelbar darauf spürte der Agent einen Stich am Hals und wie ihm etwas mit der Spritze verabreicht wurde. Sein Körper wurde langsam schlaff und Müdigkeit ließ seine Augenlider immer schwerer werden. Eine Weile versuchte er noch dagegen anzukämpfen, doch es war sinnlos. Kaum eine Minute später wurde alles um ihn herum schwarz.

 

Arrak grinste zufrieden, als die Wirkung des Mittels eingesetzt hatte und der Schwarzhaarige sich nun nicht mehr regte.

"Schafft ihn in den Laderaum, unauffällig.", befahl er und betonte das letzte Wort. So lange seine Handlanger damit beschäftigt waren, den betäubten Agenten aus der Wohnung zu schaffen, nutzte Arrak die Gelegenheit und sah sich nochmals um. Die Zeit war knapp.

 

Das hohe Mitglied ließ seinen Blick durch das Schlafzimmer schweifen. Das Bett war groß genug für mehr als eine Person, und es wirkte in der Tat so, als hätten dort zwei Personen ihren Platz zum Schlafen gefunden. Arrak trat näher an das Bett heran.

Die Matratze war auf beiden Seiten etwas eingedrückt, zudem gab es auch jeweils zwei nebeneinander liegende Kopfkissen.

Neben dem Bett befand sich ein Nachttisch mit einer Schublade. Arrak sah auch dort hinein. Auf dem ersten Blick schien dort nur Krempel drin zu liegen, doch da fiel ihm doch etwas interessantes ins Auge. Er nahm eine Kondom-Verpackung aus der Schublade heraus und musterte sie. Er stellte dabei fest, dass der Inhalt fast verbraucht worden war.

"Höchst interessant...", dachte er lächelnd, während er die Verpackung wieder zurücklegte und die Schublade schloss. Sein Blick wanderte wieder zu Shuichi Akai, welcher gerade von seinen Kollegen in eine Kiste verfrachtet wurde. Diese war gerade mal so groß, dass eine gekrümmte Person darin Platz fand. Aber das genügte auch, denn um die unbequeme Position, die der Agent darin haben würde, kümmerte er sich nicht im Geringsten. Im Gegenteil, es freute ihn sogar ein wenig.

 

Als die Kiste fest verschlossen war, trugen zwei Männer sie zum Transporter.

Arrak ging derweil zuletzt in die Küche. Der Tisch war noch nicht abgeräumt und es schien offensichtlich, dass dort vor nicht allzu langer Zeit zwei Personen zusammen gefrühstückt haben.

"Für eine Gefangenschaft wirkt das alles aber viel zu harmonisch..." Arrak musste leicht lachen und dachte an die unglaubwürdige Lüge des Agenten zurück. "Verarschen kann er wen anders...", sprach er noch hämisch in Gedanken, bevor er ein Handy auf die Kommode im Flur platzierte. Gewiss war dieses nicht sein eigenes.

"Ich bin mir sicher, wir hören sehr bald voneinander, mein lieber Gin...", murmelte Arrak zu sich selbst und fuhr gedanklich fort:

"Denn du willst doch bestimmt deinen geliebten Freund so schnell wie möglich wieder zurückhaben..."

Daraufhin schloss er mit einem übel gesinnten Gesichtsausdruck die Haustür und begab sich zu seinen Kollegen zum Transporter. Einer von ihnen war gerade dabei, die Tür zum Laderaum fest zu verschließen. Sie stiegen wieder in den Wagen und fuhren davon.

Verschwunden

Mit mieser Stimmung war Gin auf dem Rückweg zu seiner Wohnung. Einkaufen war schon lange nicht mehr so stressig gewesen. Er hatte nie damit gerechnet, länger als sonst wegzubleiben.

"Alles nur wegen diesem Weib vor mir an der Kasse!", schimpfte er gedanklich. Als er nämlich zuvor bezahlen wollte, hatten die Kassiererin und eine ältere Kundin ewig mit dessen Kreditkarte herumgefummelt, welche dann letztlich doch nicht funktionierte. Danach musste sie unbedingt noch mit Kleingeld bezahlen, was auch eine halbe Ewigkeit dauerte...

Gin seufzte. Aber er konnte sich mit etwas anderem aufheitern. Denn vor dem Einkaufen hatte er noch bei einem Juwelier Halt gemacht, um seinem Geliebten auch einen schönen Ring zu kaufen. Schon der Gedanke daran, dass Shuichi zu Hause auf ihn wartete und das Gesicht von diesem, welches er machen würde, wenn er das Geschenk erhielt, vertrieben Gins schlechte Laune sofort wieder.

Mit wiederkehrender, glücklicher Stimmung überquerte der Silberhaarige die letzte Straße und kam schließlich nach wenigen Minuten an seinem Haus an. Dort stellte er kurz die Einkäufe vor der Haustür ab, um den Schlüssel aus seiner Jackentasche zu holen. Zu seinem Erschrecken musste er aber feststellen, dass die Tür nicht mehr verschlossen war.

"Shuichi!" Am liebsten wäre er direkt in die Wohnung gestürmt, doch sein früheres Training verhinderte dies. So schnell wie möglich überprüfte er die Umgebung. Abgesehen von ein paar kleinen Kratzern am Schloss, fiel ihm jedoch nichts auf.

Er lauschte.

Doch das Einzige was er hörte, war sein eigener Atem.

Nach ein paar Minuten öffnete er langsam die Tür. Erst fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf. Sobald sich seine Augen jedoch an das schwächere Licht im Flur gewöhnt hatten, bemerkte er die Tropfen auf dem Boden.

"NEIN!" Sein Körper fing an zu zittern und Bilder seines Traumes tauchten vor seinen Augen auf.

"Das... ist bestimmt nicht von Shuichi... Er... ist ein hervorragender Kämpfer," versuchte er sich zu beruhigen, doch dann bemerkte er die vielen Schusslöcher im Boden und an der Wand.

"Das war mehr als nur eine Person," wurde dem erfahrenen Mörder klar. Seine über Jahre geschärften Sinne und antrainierten Reflexe kontrollierten seine nächsten Handlungen.

 

Das Haus war weiterhin still. Außer seinem Atem und den leisen Schritten, konnte er nichts hören. Dennoch ließ er seine Deckung nicht sinken, während er der Blutspur folgte. Unterwegs legte er leise die Tüte mit den Einkäufen ab und zog seine Beretta. Vor der Schlafzimmertür hielt er inne und lauschte erneut. "Nichts zu hören."

Die Tür hatte ebenso Schusslöcher und war leicht geöffnet. Vorsichtig schob er sie weiter auf, rechnete damit, dass gleich jemand hinter der Tür hervorspringen würde, doch alles blieb ruhig. Sobald sich Gin sicher war, dass der Raum leer war, fiel sein Blick wieder auf die Blutspur.

Als er den großen Blutfleck fast in der Mitte des Raumes sah, krampfte sich sein Magen zusammen. Erneut blitzte ein Bild in seinem Kopf auf, wie Shuichi tot am Boden lag…

Der Silberhaarige schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben. "Er ist nicht hier, also lebt er noch."

 

Er zwang sich dazu, nicht in die Knie zu gehen und nach Spuren zu suchen, dass das Blut nicht von Shuichi war, denn die Chancen standen schlecht. Würde er seinem Bedürfnis nachgeben, würde er vielleicht die Kraft verlieren wieder aufzustehen.

Er ließ seinen Blick stattdessen weiter durch das Zimmer wandern. Als er die Rückseite der Tür sah, stockte ihm der Atem. Langsam ging er näher, doch das Blut, das gegen diese Seite der Tür geschmiert war, verschwand nicht.

"Shuichi…"

Er fuhr vorsichtig mit den Fingern über das getrocknete Blut.

"Ich hätte nicht so lange wegbleiben dürfen... Er hat mir vertraut und ich…"

Erneut schüttelte Gin den Kopf. Selbstvorwürfe würden Shuichi auch nicht helfen. Das FBI würde ihn nie verletzten, also blieb nur die Organisation übrig. Er ballte die Hand zur Faust.

"Sie haben mich ausfindig gemacht. Ich war zu lange hier. Es hätte mir klar sein müssen, dass sie es rausfinden. Allein die Tatsache, dass es so lange gedauert hat ist ein Wunder. Ich war zu sehr abgelenkt von Akai! Ich hätte schon viel früher den Standort wechseln müssen!" Wütend auf sich selbst und überzeugt, den gleichen Fehler nicht mehr zu wiederholen, steckte Gin seine Beretta ein und verließ das Schlafzimmer. Er musste sofort einen neuen Unterschlupf finden und... Ein kurzes aufblitzen an seinem Finger, als er nach den Einkaufstüten griff, unterbrach seinen Gedankengang. Shuichis Ring.

"Nein... Ich kann ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Sie haben ihn nicht getötet, sonst wäre seine ... Leiche... noch hier." Es war unerwartet schwer, dieses Wort in Zusammenhang mit seinem Geliebten zu bringen.

Er hob die Tüte mit den Einkäufen auf und begab sich dann in die Küche.

"Es muss schon eine Weile her sein, dass sie hier waren. Das Blut ist bereits getrocknet. Es muss einen Grund geben, warum sie nicht hier gewartet haben. Glauben sie, dass ich bereits weg bin? Nein, das ergibt keinen Sinn. Aber vielleicht dachten sie, dass Shuichi die Person ist, die hier lebt? Warum haben sie dann nicht ihre Spuren beseitigt? War noch nicht genug Zeit dafür?"

 

Gin seufzte. Das entsprach nicht wirklich seiner Ausbildung. Würde eine Person, auf die sie es abgesehen hatten, verschwinden, beauftragte er jemanden, der auf dem Gebiet spezialisiert war. Manchmal suchte er selbst noch nach Hinweisen, diese gab er jedoch weiter und forschte nie selbst.

"Wie soll ich herausfinden, wo sie ihn hingebracht haben? Haben sie den Boss informiert? Oder es geheim gehalten? Wer war damit beauftragt, mich hier festzunehmen?" Die Fragen in Gins Kopf überschlugen sich. Nur für die wenigsten kannte er einen Weg, um Antworten zu erhalten und für noch weniger war es ihm möglich, diesen Weg umzusetzen. Die Mittel der Organisation standen ihm nicht zur Verfügung. Er konnte auch nicht mal eben kurz den Boss benachrichtigen.

 

Ratlos taumelte er zurück in den Flur. Er wusste einfach nicht, wie er jetzt vorgehen sollte. Schließlich dominierten seine Gefühle für Shuichi seinen Verstand und er ließ sich an der Wand zu Boden sinken. Er vergrub die Hände in seinem Gesicht.

Kurz darauf spürte er die Nässe an seinen Fingern entlanglaufen, welche aus seinen Augen stammte.

"Wie konnte ich so unvorsichtig sein... Verzeih mir...", sprach er zu seinem Geliebten in Gedanken. Das letztere wiederholte er einige Male.

Was wäre, wenn er das, was er am meisten auf dieser Welt liebte, nun für immer verloren hatte? Das einzige, was die Dunkelheit um ihn vertreiben konnte, das einzige Licht in seinem Leben…

"Mein Gejammer wird die Situation auch nicht rückgängig machen...", begann er irgendwann sich gedanklich wieder zurechtzuweisen. "Das bin nicht ich.", versuchte er sich einzugestehen. Er nahm langsam seine Hände aus dem Gesicht. Da geriet plötzlich etwas Entscheidendes in sein Blickfeld. Hinter der Tür lag doch tatsächlich eine sorgfältig gefaltete Morgenzeitung.

"Shuichi hat sie doch aber schon...", begann Gin seinen Gedankengang, doch jetzt wurde es ihm klar.

 

Sofort richtete er sich auf und griff nach der Zeitung. Der obere Artikel stach ihm sofort ins Auge, welcher über eine niedergebrannte Wohnung in Haido berichtete.

"Wodkas Wohnung!", erkannte er sofort und begann daraufhin den Artikel zu lesen. Doch mit jedem Satz vermischte sich nur mehr Trauer mit aufkommender Wut.

"Dieser Idiot!", fluchte er in Bezug auf den Agenten, welcher doch vorhin einfach... "Wieso hat er mir den Bericht nicht gezeigt?!" Gin konnte es sich nicht erklären, dabei hatte er noch nachgefragt, ob irgendetwas sei. Shuichi hatte es ihm mit Absicht verheimlicht.

"Und jetzt siehst du, in was für eine Lage es dich gebracht hat..." Es verfolgte ihn gerade regelrecht, dieses 'Tut mir leid', was sein Geliebter jetzt wohl sagen würde, wenn er denn noch da wäre.

Die Zeitung entglitt Gins Händen und sie fiel auf dem Boden, auf welchem kurz darauf ein paar weitere Tränen landeten. Der Silberhaarige war sich sicher, dass wenn er von dem Artikel gewusst hätte, noch Zeit gewesen wäre zu fliehen und er so hätte Shuichis Entführung verhindern können.

 

Ein Vibrieren unterbrach auf einmal die Stille in der Luft.

Erschrocken richtete sich Gins Blick zu der Kommode vor sich. Dort lag ein Handy.

Stutzig betrachtete er das Teil und stellte dabei fest, dass es weder sein eigenes Handy noch das von Shuichi war.

"Hat einer von ihnen es vergessen?" Gin schüttelte hastig den Kopf. "So blöd sind die nicht."

Er nahm das Handy erst mal nur in die Hand. Eine kleine Lampe leuchtete an der oberen Ecke auf, das Zeichen für eine neue Benachrichtigung.

"Also war es Absicht?" Schon fragte Gin sich, ob man dieses Ding vielleicht orten könnte und so herausfinden könnte wann er es benutzt, oder vielleicht ist es anderweitig manipuliert worden. Sein rational denkender Teil befahl ihm das Handy einfach zurückzulegen und so schnell wie möglich zu verschwinden, da es sich um eine Falle handeln könnte.

Doch der andere Teil, nämlich seine Gefühle für Shuichi, wiesen ihn darauf hin, dass dies vielleicht die einzige Möglichkeit sei, Kontakt mit den Entführern aufzunehmen und so herauszufinden, wo sie den Agenten hingebracht haben.

"Oder ob er noch lebt...", fügte Gin hinzu. Seine Hand begann zu zittern und noch immer traute er sich einfach nicht, sich die Nachricht auf dem Handy anzusehen. Er glaubte, dessen Inhalt würde ihn so oder so nicht erfreuen…

Aber wie von allein drückte sein Finger auf dem Home-Button. Das Display leuchtete auf. Es war keine Sperre vorhanden und man konnte problemlos auf die Daten zugreifen.

So überwand Gin sich auch, die Nachricht aufzurufen, welche eben von einer unterdrückten Nummer gesendet worden war…
 

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Hallo Gin,

Wir haben uns erlaubt dich spontan zu besuchen, aber du warst leider nicht zu Hause und stattdessen haben wir jemand anderen dort gefunden. Da haben wir ihn soeben mal mitgenommen, ich hoffe, das macht dir nichts aus.

[Bild]

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Gin glitt das Handy aus den schlaffen Fingern. Es zu befürchten und es bestätigt zu bekommen, waren zwei ganz andere Dinge, wie er jetzt feststellen musste. Zum ersten mal in seinem Leben hatte Gin Angst um das Leben einer anderen Person. Er fürchtete um Shuichis Leben.

 

Déjà-vu

Akai verspürte ein kurzes Gefühl von Déjà-vu, als er langsam wieder zu Bewusstsein kam. Obwohl sein Körper noch betäubt war und er dank den Nachwirkungen des Betäubungsmittels keinen Muskel rühren konnte, spürte er, dass er an einen Stuhl gefesselt war.

Er konnte hören, wie jemand Anweisungen gab und seine Position verändert wurde, doch er konnte nichts dagegen tun. Es gelang ihm nicht mal, sein Auge zu öffnen. Doch die Stimmen lösten die anfängliche Illusion auf, dass er noch bei Gin war. Dass er die letzten Wochen nur geträumt hatte und in Wirklichkeit noch immer an den Stuhl gefesselt darauf wartete, wie sich der Mörder entschied.
 

Nach und nach konnte sich der Agent besser auf seine Umgebung konzentrieren. Sein Körper gehorchte ihm noch immer nicht, aber er konnte die Stimmen jetzt verstehen, die ihn umgaben. Besonders eine befehlende, männliche Stimme drängte sich in den Vordergrund. "Nein! ... macht... sein!", obwohl er nur Bruchteile der Unterhaltung verstand, konnte er erkennen, dass diese Person unzufrieden und wütend schien.

"Geht einfach! Ihr seid mir hier sowieso nur im Weg!"

Daraufhin hörte Akai wie eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, woraufhin Stille herrschte. Einen Moment lang glaubte er allein zu sein, doch dann hörte er ein leichtes Kichern, gefolgt von den Worten:

"Mal sehen wie gut du dich als Gejagter anstellst, Gin." Dem Agenten lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Ihm war längst klar, in welcher Situation er sich befand, und konnte erahnen, dass ihm eine weit aus schlimmere - und vermutlich auch längere - Folter als bei Gin bevorstand, - immerhin hatte der Silberhaarige nie sein ganzes Können angewendet - doch trotz seiner eigenen Lage konnte Akai nicht anders, als an Gin zu denken.

"Pass auf dich auf, Geliebter."
 

"Oh! Ist das Schneewittchen endlich auch aufgewacht!", sprach der Mann, welchen Akai längst als denjenigen erkannt hatte, der den Überfall der Wohnung geleitet hatte.

"Hör schon auf einen auf bewusstlos zu spielen, ich weiß, dass du wach bist!"

Akais Kopf wurde an den Nackenhaaren ergriffen und gewaltsam zurückgerissen. Der Agent unterdrückte jede Reaktion auf den Schmerz und öffnete blinzelnd seine Augen. Nur langsam gewöhnte sich seine Pupille an das grelle Licht in dem weiß gefliesten Raum und so dauerte es einen Moment, bis er das auf ihn herabblickende Gesicht des Mannes erkennen konnte.

"Na also, geht doch!", meinte dieser daraufhin, ließ aber Akais Haare nicht los. Beinah wie besessen betrachtete er das Gesicht des Agenten, wobei sein Blick immer wieder zu dem verletzten Auge wanderte. "Weißt du... ich fand deine Augen hatten schon immer etwas besonderes aber das hat einen ganz neuen Reiz."

Akai sah, wie die Zunge des ihm unbekannten Mannes über dessen Lippen fuhr. Wehren konnte er sich aufgrund der Fesseln nicht und eine Antwort wurde von dem Klebeband über seinem Mund verhindert.
 

Der Agent konnte nur in das Gesicht über ihm sehen und sich die Details einprägen. Er vergaß die Gesichter seiner Feinde nie, doch diesem Typen war er noch nie begegnet. Breite Augenbrauen spannten sich über tief gelegene, ockerfarbene Augen und die kurzen braunen Haare umrahmten ein kantiges, fast quadratisches Gesicht.
 

Endlich ließ der Unbekannte ihn los und Akai erlangte so zumindest die Bewegungsfreiheit seines Kopf wieder. Der Mann ging zu einem Tisch in der Nähe, auf dem mehrere Kabel und Elektroden lagen und beschäftigte sich mit ihnen, während er einfach weiter redete.

"Du kannst dir bestimmt denken, wo du hier bist und warum du hier bist. Es gibt ein paar Dinge, die ich von dir wissen will. Aber bevor ich dich von dem Klebeband befreie, müssen wir dich noch ein klein wenig... sagen wir vorbereiten." Mit einem breiten Grinsen im Gesicht drehte er sich zu dem Schwarzhaarigen um. Er hielt etwas in den Händen, doch erkennen konnte Akai es nicht, da sich der Typ schneller auf ihn zubewegte und seine Hände außerhalb von Akais Sichtfeld brachte, als er ihm mit seinem Auge folgen konnte.

Erst direkt vor dem Agenten blieb der Braunhaarige stehen. Er lehnte sich vor, legte etwas auf dem Schoß des Agenten ab und näherte sich ihm noch weiter. Am Liebsten wäre Akai zurückgewichen, doch dies würde in den Augen seines Foltermeisters einer Schwäche gleich kommen, die er ausnutzen würde, also zwang er sich dazu, den Kopf weiterhin gerade zu halten und nicht zurückzuschrecken, als ihm ins Ohr geflüstert wurde: "Ich mag dein neues Auge wirklich. Du musst mir nachher unbedingt erzählen, wie du dazu gekommen bist."
 

Plötzlich spürte Akai eine Hand an seinem Hals, die sanft, schon fast zärtlich, genau über die empfindlichen Stellen strich und tiefer wanderte. Knopf für Knopf wurde sein Hemd geöffnet. Als alle offen waren, legte sich eine warme, mit Schwielen besetzte Hand auf seine Brust, genau über dem Herzen.

Der Schwarzhaarige kämpfte darum die Ruhe zu bewahren.

"Alles was dieser Mistkerl tut, zielt nur darauf ab, mich zu schwächen. Mich für die folgende Befragung labil zu machen. Ich darf mich davon nicht beeinflussen lassen..." Doch obwohl er sich das selbst wieder und wieder vorsagte, starrte er den Braunhaarigen wütend an, als sich dieser weit genug entfernte, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

"Aber, aber mein Schöner," meinte dieser in einem beinah beschwichtigenden Tonfall. "Was bist du denn so aufgeregt, dass dir dein Herz gleich aus der Brust zu springen scheint? Wir haben doch noch nicht einmal angefangen."

Leise lachend entfernte sich Akais Peiniger wieder und nahm eine Tube vom Tisch. Während er sie öffnete und den durchsichtigen Inhalt auf ein paar seiner Finger verteilte, erklärte er seinem Gefangenen:

"Das altbekannte Frage-Antwort-Spiel ist etwas in die Jahre gekommen und auch wenn der Lügendetektortest ein wenig Pepp in die ganze Sache gebracht hat, wurde es doch recht schnell ausgedroschen, findest du nicht?"

Er näherte sich wieder dem Agenten und verteilte die gelartige Substanz langsam auf Akais Brust, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

"Dennoch hasse ich es bei Befragungen angelogen zu werden, daher nutze ich Lügendetektoren echt gern," beteuerte der Mann. "Darum habe ich mir die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft zu Nutze gemacht und etwas ganz neues erfunden: Den Gedanken-Bestrafungs-Detektor!" Er hob beide Hände in die Luft, als wäre er der Erstplatzierte in irgendeinem Rennen.

Akai interessierte dessen Selbstgespräch hingegen kaum. Er fragte sich viel mehr, was da gerade auf seiner Brust verteilt worden war.
 

Dem Braunhaarigen entging Akais fehlende Begeisterung natürlich nicht, tat es aber einfach mit einem Schulterzucken ab. "Okay, das ist etwas übertrieben. Genaugenommen habe ich nur einen Elektroschocker mit einem der modernsten Lügendetektoren kombiniert." Ein Elektron, wie es auch bei EKGs verwendet wird, wurde vor Akais Auge gehalten.

"Ein paar von den Dingern an den richtigen Stellen..." Akai spürte, wie ihm an verschiedenen Stellen auf der Brust etwas angeklebt wurde, "...und schon können wir eine Menge Spaß miteinander haben," meinte der Typ fröhlich. "Wobei es natürlich von deiner Kooperation abhängt, wie viel Spaß genau."

Akais Peiniger verteilte noch mehr dieses Gels, das vermutlich die Übertragung verstärken sollte, auf seinen Fingern und verließ dann Akais Sichtfeld. Kurz darauf spürte er etwas an seinen Haaren, doch als er den Kopf automatisch davon wegziehen wollte, krallte sich eine Hand fest in seinen Hals. "Schön still halten...", wurde ihm ins Ohr geflüstert.
 

Mit ruhigen, kreisenden Bewegungen, wurde auch an bestimmten Stellen von Akais Kopf Gel verteilt und kurz darauf Elektroden angeklebt. Dabei erklärte ihm der Typ ausführlich wie schwierig es war, die richtige Position am Kopf zu bestimmen und was alles schiefgehen konnte. Die Hand um seinen Hals löste sich kein einziges Mal.

Als Akais Peiniger endlich zufrieden schien, wurde Akais Hals aus der Umklammerung entlassen. Mit geübten Fingern befestigte der Braunhaarige die Kabel an den Elektroden.

"Nur damit wir uns sicher sein können, dass auch wirklich alles funktioniert, machen wir einen kleinen Probedurchlauf, ja? Ich muss ja immerhin wissen, ob die Stromstärke richtig eingestellt ist. Ich drücke nur kurz auf den Knopf hier und dann bekommst du einen kleinen Vorgeschmack auf das, was dich erwartet, solltest du mich bei unserem folgenden Gespräch belügen. Ach und wie unaufmerksam von mir! Ich habe mich ja noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Arrak," beendete der Braunhaarige lächelnd und drückte auf den Schalter in seiner Hand.

Wahrheit oder Lüge?

Akais Körper zuckte und verkrampfte sich, kämpfte gegen die Fesseln an und konnte sich doch nicht befreien. Er schrie und doch kam kaum ein Stöhnen über seine geknebelten Lippen. Seine Finger krallten sich in die Stuhllehnen, an die sie gefesselt waren. Tränen traten ihm in die Augen und liefen dem Schwarzhaarigen die Wangen herab, als es genauso plötzlich aufhörte, wie es begann.

Mit bebender Brust versuchte sein Körper wieder Sauerstoff in die Lungenflügel zu pumpen, doch sein ganzer Körper zitterte und erholte sich nur langsam von dem Schock.
 

Arrak beobachtete die Vorgänge zufrieden. Mit dem Schalter in seiner Hand konnte er die Elektroschocks jederzeit und so lange er wollte auslösen. Dies beeinträchtigte aber das empfindliche Gerät, welches die Hirnströme las, weshalb er den Schalter nur betätigte, wenn dieser empfindliche Teil ausgeschaltet war.

Bei der Kombination der Geräte, die er sich ausgedacht hatte, schalteten sich die Geräte selbstständig ein und aus, wenn ein Stromschlag erfolgte und nahmen dadurch keinen Schaden.
 

Sobald sich die Atmung des Agenten etwas beruhigt hatte, riss Arrak dessen Kopf hoch und entfernte das Klebeband mit einem Ruck. Böse blitzte ihn das grüne Auge an, während das andere wie entrückt wirkte, mit dem vielen, von kleinen, roten Äderchen durchzogenem, Weiß. Er konnte fühlen, wie sich jedes Mal, wenn er in dieses Auge sah, etwas zwischen seinen Beinen regte. Er leckte sich erneut kurz über die Lippen. Nur zu gerne würde er wissen, wie es sich anfühlen würde, dieses Auge zu berühren... "Später," schwor er sich. "Dafür ist später noch Zeit."
 

Er drehte sich von dem Agenten weg und zog einen Stuhl für sich selbst heran, den er gegenüber von dem Schwarzhaarigen aufstellte.

"Du weißt, wie es abläuft, also lass uns loslegen," sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen, von welchem er wusste, dass es seinen Gefangenen einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Er aktivierte die Geräte und ließ sich dem totgeglaubten Agenten gegenüber, auf den soeben aufgestellten Stuhl sinken.
 

Da Akai nun wieder die Gelegenheit zum Reden hatte, wären ihm schon beinahe ein paar falsche Worte, oder gar Kraftausdrücke, über die Lippen gewichen. Doch er konnte sich noch zurückhalten und schweigen. Denn er wusste, eine falsche Bewegung, ein Satz und auch schon ein falscher Gedanke würde direkt im nächsten Moment mit einer Bestrafung erfolgen. Er wollte so einen Stromschlag wie eben so schnell nicht noch einmal spüren, aber sein Gefühl verriet ihm irgendwie genau das Gegenteil.

"Kein. Falscher. Gedanke.", befahl der Agent sich kurz und versuchte seinen Kopf von allmöglichen, überflüssigen Gedanken zu befreien, um klar denken zu können.

Kaum war ihm das so einigermaßen gelungen, begann sein Gegenüber auch schon wieder zu sprechen:

"Ich würde dir raten einfach ehrlich zu sein, dann hast du vielleicht auch ein bisschen Spaß."

Diese Worte waren fast provozierend genug, um wieder zu einem falschen Kommentar anzusetzen. Doch Akai konnte sich beherrschen. Er tat einfach so, als hätte er den Typen nicht gehört und ignorierte alles weitere.
 

Arrak verschränkte inzwischen die Beine und nahm eine gemütlichere Sitzhaltung auf dem Stuhl ein, bevor er seine erste Frage stellte:

"Fangen wir doch einfach an - und ich wiederhole dabei einfach meine Frage, die ich dir schon gestellt habe, bevor du hier aufgewacht bist:

Wie lange arbeitest du schon mit Gin zusammen?"

Akai antwortete kaum eine Sekunde später.

"Ich war sein Gefangener.", meinte er.

Dieselbe Frage, gleiche Antwort. Noch nicht schwer einen dieser unerträglichen Schläge zu vermeiden.

Sein Peiniger hingegen lachte leicht. "Hältst dich wohl für ganz schlau, was?", dass der Agent bewusst versuchte, es sich leichter zu machen, bemerkte er sofort. Doch da hatte dieser die Rechnung ohne ihn gemacht.

"Ich wusste ja gar nicht, dass sich ein Gefangener ein Bett mit seinem Entführer teilt, wie erklärst du mir das?" Und schon hatte er direkt ins Schwarze getroffen.
 

Akais Augen weiteten sich. "Hat er etwa-" Der Gedanke wurde durch einen Stromschlag unterbrochen. Zwar nicht ganz so heftig wie der Erste, doch auch der sorgte dafür, dass ihm ein qualvoller Schrei entwich und seine Muskeln sich verkrampften.

Es dauerte nur einen kurzen Moment an, doch es reichte, um ihn anschließend nach Luft schnappen zu lassen. Er sah in das amüsierte Gesicht seines Gegenübers.
 

"Und da haben wir schon die erste Lüge, warum hörst du nicht einfach auf mich?", sprach Arrak belustigt, ohne eine Antwort zu erwarten, denn er stellte sogleich die nächste Frage:

"Wie intensiv war eure Beziehung zueinander also? Hast du ihm geholfen? Ich habe zwar schon gehört, dass Gin ganz vernarrt in dich war, allerdings auf eine andere Art und Weise.",

"Er wollte meine Hilfe nicht.", lautete die Antwort seines Opfers. Dass das mehr oder weniger wirklich die Wahrheit war, wusste Arrak natürlich nicht. Er zog eine Augenbraue nach oben und war überrascht, dass keine Reaktion vom Gerät erfolgte.

"Und wie war es dir dann möglich, doch in seiner Nähe zu sein?", stellte er einfach seine nächste Frage.

"Ich lass mich eben nicht abweisen." Wieder erfolgte die Antwort schnell.

"Zu schnell. Aber warum ist er so siegessicher?", dachte Arrak unzufrieden, dass der Lügendetektor wieder nicht reagierte. Aber er hatte nicht vor aufzugeben, da ihm bereits klar war, dass Gin die Schwachstelle des Agenten war und man nur den richtigen Punkt treffen musste.

"Ich bekomme die Wahrheit schon noch raus," schwor sich Arrak im Stillen. "Es ist nur eine Frage der Zeit."

"Gin war noch nie der Typ, der Aufdringlichkeit zu schätzen wusste. Wie hast du ihn überzeugt?", stellte er daher die nächste Frage.

Doch Akai sah den Braunhaarigen einfach nur an und schwieg.

"Wie du willst, dann stelle ich eben mal ein paar Theorien auf...", meinte Arrak und tat unbeeindruckt, behielt den Agenten jedoch genauestens im Auge. Selbst wenn die Technik versagen sollte - wovon er noch nicht überzeugt war - würden ihm kleinste Reaktionen verraten, wenn er richtig lag.

"Es könnte sein, dass du mitbekommen hast, dass Gin beseitigt werden soll und daher beschlossen hast, deine Tarnung aufzugeben, vielleicht in der Hoffnung, Gin würde dich nicht mehr verfolgen..." Keine Reaktion. Weder von dem Gerät, noch von Akai. "...Aber das ergibt recht wenig Sinn, so unvorsichtig wärst du nicht... aber vielleicht bist du ihm ja zufällig begegnet. Rum wird...." Ein Zucken von Akais Lippen, gefolgt von einem Schrei, befriedigte den Foltermeister. "Na also, geht doch."

Lächelnd verlangte er: "Woran hast du gerade gedacht?"

"Geht dich ein-" Der restliche Satz ging in einem weiteren Schrei unter. Keuchend schnappte Akai nach Luft.

"So kommen wir nicht weiter, du musst schon die Wahrheit erzählen," hörte er Arrak sagen.

"Woran?", fragte sich der Schwarzhaarige währenddessen. "Woran erkennt dieses Gerät, wann es reagieren muss?" Tränen ließen seine Sicht verschwimmen und er biss die Zähne fest zusammen, um weiterhin zu schweigen.
 

"Sturköpfig, was? Aber das wirst du nicht lange durchhalten. Wie viele Stromschläge kannst du wohl noch schweigen? Einen? Drei? Wenn du die nächste Frage nicht beantwortest, entscheide ich mich vielleicht dazu, die Dauer der einzelnen Sequenzen zu erhöhen," drohte Arrak. "Wie bist du Gin begegnet?"

Widerstrebend fügte Akai sich. Er musste zugeben, dass eine Erhöhung der Dauer der Stromschläge, ihn viel zu schnell an seine Grenze bringen würde. Dann könnte er nicht garantieren, die wichtigen Informationen zurückhalten zu können.

"Zufällig... in einer... Seitenstraße...", beantwortete der Agent die Frage, während er noch versuchte, seine Atmung wieder zu beruhigen.

"Genauer!", verlangte Arrak.

Kurz schloss Akai sein Auge, bevor er sich die Worte zurechtlegte und... der Stromschlag traf ihn unerwartet und diesmal dauerte es länger, bis sich Akai genug davon erholt hatte, um weiterreden zu können.

"Du lernst es nicht, was?", wurde ihm vorgeworfen, doch gleichzeitig bemerkte der Agent die Zufriedenheit in der Stimme seines Peinigers.

"Er liebt es, andere Leiden zu sehen," wurde dem Schwarzhaarigen bewusst und fragte sich erneut, was die Stromschläge auslöste.

Arrak wurde die Pause offensichtlich zu lang und er verlangte erneut: "Rede!"

"G-Gin ist... vor mir... bewusstlos geworden ...", diesmal verbot sich Akai, sich direkt an das Ereignis zu erinnern und konzentrierte sich allein auf die Worte, die er sagte.

"Verstehe! Und du hast ihn dann einfach aufgelesen und mitgenommen?", wollte Arrak ungläubig wissen.

"Ja." Darüber musste Akai nicht nachdenken.

"Also schön..." Arrak runzelte die Stirn. "Lassen wir die Frage, wie du Gin überzeugen konntest mal außen vor... Ich gehe mal davon aus, dass ihr gemeinsam in dem alten Keller wart, den Rum benutzt hat...", nach einer bedeutungsvollen Pause, in der Arrak vermutlich irgendeine Reaktion erwartete, die nie erfolgte, fuhr er scheinbar unbekümmert fort:

"...Warst du es, der Rum getötet hat?"

"Nein." "Ja."

Stille. Erstaunt stellte Akai fest, dass kein Stromschlag folgte.

"Wieso? Was ist anders als…",

"Hat Rum dir dein Auge beschert?", wurde Akais Gedankengang von Arraks nächster Frage unterbrochen.

"Ja," antwortete Akai diesmal mit der Wahrheit.

"Hm... War noch jemand bei dir und Gin?" Durch diese Frage blitzte kurz ein Bild von Merlot durch den Kopf des Agenten und gerade, als er verneinen wollte, kam der nächste Stromschlag.

"Ich werte das mal als ein JA und gehe davon aus, dass du jemanden decken willst...", sprach Arrak nachdenklich weiter, sobald sich Akais Atmung soweit beruhigt hatte, dass er ihn wieder verstehen konnte.

"Wer war dabei? Kollegen vom FBI oder vielleicht... Merlot?"

"FBI," presste Akai zwischen seinen Lippen hervor, während ihn sein Peiniger verwundert musterte. Es gab keinen Stromschlag.
 

"Wer hat Wodka getötet?", stellte Arrak eine Frage, auf die er zwar schon die Antwort wusste, doch er hatte ein komisches Gefühl.

"...Rum," war die zögerliche Antwort.

"Bilde ich mir das nur ein? Ich hätte vorhin schon fast geglaubt er... aber nein, das kann nicht sein," überlegte Arrak. Doch ganz konnte er seinen Verdacht nicht abschütteln.

"Wie?", hakte der Braunhaarige nach.

"Er... wollte auf mich schießen, wurde aber... abgelenkt..." Akai sprach langsam. Versuchte sich gleichzeitig auf die Antwort zu konzentrieren und dabei darüber nachzudenken, was der Grund war, dass er bereits zwei Mal lügen konnte.

"Wodurch wurde Rum abgelenkt?"

"Von Gin…"

"Wurde dein Auge auch dabei verletzt?"

"...Ja."

"Wie?"

Die Fragen folgten schnell aufeinander. Akai war klar, dass dadurch verhindert werden sollte, dass er sich Lügen ausdachte. Doch dies waren Dinge, die er nicht aussprechen wollte. Selbst seinen Kollegen hatte er nichts davon erzählt. Nur Gin.

Der Agent kämpfte gegen die Erinnerungen an. Er wollte das nicht sagen.

"Wie wurde dein Auge verletzt?", wiederholte sein Peiniger die Frage.

Akai presste die Lippen aufeinander.

"Komm schon, du kannst mir doch dieses interessante Detail nicht verschweigen," meinte Arrak in einem Tonfall, der Akai einen Schauer über den Rücken jagte. Es war nicht beängstigend, sondern...

"...ekelerregend, als würde er sich einen runterholen...", dachte Akai. Als er seinen Peiniger ansah, war er fast erstaunt, diesen noch mit geschlossener Hose zu sehen.

"Wie ist es Rum gelungen, dir dieses wunderschöne Auge zu verpassen, Schneewittchen?", grinste der Braunhaarige seinen Gefangenen an.
 

"Ich darf nicht darauf eingehen...", erinnerte sich der Agent selbst, obwohl er den Typen für diesen Spitznamen fertig machen wollte. Doch es war ihm klar, sollte er darauf reagieren, würde Arrak ihn dauerhaft verwenden.

"Ist doch egal wie," versuchte der Agent auszuweichen.

"Oh, für andere vielleicht, nicht aber für mich," meinte Arrak. "Immerhin ist es echt selten, so ein Auge zu sehen. Es ist wirklich eine Kunst, das so hinzubekommen. Und ich verstehe mein Handwerk, wenn du verstehst was ich meine." Arrak plauderte, als würden sie gerade in einem Café sitzen. "Wie hat er es angestellt? War es überhaupt Rum oder war es eine Unvorsichtigkeit? Ein Unfall?"

Obwohl Akai dagegen ankämpfte, tauchten die Bilder jenes Abends im Keller vor seinem geistigen Auge auf. Gerade als er zu einer weiteren ausweichenden, leicht bissigen Antwort ansetzte, durchfuhr ihn der Stromschlag.

Akai schrie, krallte seine Hände in die Stuhllehnen und wartete auf das Ende, doch der Strom fuhr weiter durch seinen Körper. Als es endlich aufhörte, konnte er Arrak leicht lachen hören.

"Ich habe dich gewarnt. Nach einer bestimmten Anzahl erhöht sich die Dauer der Stromschläge."
 

Akais Körper zitterte und er schnappte schwer keuchend nach Luft. Ihm wurde etwas schwindelig und sein Sichtfeld war wieder verschwommen. Erst nach mehreren Minuten gelang es ihm halbwegs, seinen Körper etwas zu beruhigen.

Er bemerkte, dass Arrak aufstand und etwas aus seiner Hosentasche zog. Dann verschwand er kurz aus dem Sichtfeld des Agenten und im nächsten Moment wurde ihm eine Wasserflasche mit langem Strohhalm zwischen die Beine geschoben.

"Ich muss kurz was erledigen. Du solltest in der Zwischenzeit etwas trinken, deine Stimme klingt ein wenig rau. Nicht, dass es mich stören würde, ich mag sowas eigentlich, aber wir wollen ja nicht, dass du mir nicht mehr antworten kannst, weil dein Hals zu trocken ist, was?" Dann verschwand er und Akai hörte, wie sich eine Tür öffnete und schloss.

Die zweite Runde

Während Arrak sich vom Raum entfernte, wählte er auf seinem Handy eine ganz bestimmte Nummer. Es war höchste Zeit für einen Bericht.

"Er wird nicht sehr erfreut sein, dass ich mich erst so spät melde.", vermutete Arrak und lehnte sich an eine Wand, nicht weit vom Raum entfernt, im welchem sich sein Gefangener aufhielt.

Arrak hielt sich sein Handy ans Ohr und wartete, bis der Anruf entgegengenommen wurde.
 

"Hast du dich also entschlossen, dich auch mal zu melden?", lautete die Begrüßung einer kalten Stimme am anderen Ende der Leitung. Gewiss war der Boss nicht gut gelaunt.

"Verzeihen Sie. Ich hatte viel zu tun.", antwortete Arrak knapp.

"Das hatte Rum auch, und nun ist er tot.",

"Verzeihen Sie.", wiederholte Arrak seine vorherigen Worte, da er nichts anderes zu erwidern wusste.

"Du schuldest mir eine Erklärung.", kam es daraufhin streng von seinem Vorgesetzten.

"Natürlich.", bestätigte der Braunhaarige, doch als er mit seiner Erklärung beginnen wollte, kam sein Boss ihm zuvor.

"Wie kann es sein, dass dieser Geist nun plötzlich wieder aufgetaucht ist? Und wo ist Gin?", wollte er erfahren und klang sowohl interessiert als auch verärgert.

"Wir haben Gin verpasst und auf ihn zu warten wäre zu riskant gewesen. Aber seien Sie unbesorgt, der wird schon ganz von allein auftauchen. Und der FBI-Agent ist als Informant genauso tauglich wie Gin.", war die Erklärung von Arrak.

Die Antwort seines Gesprächspartners erfolgte schnell:

"Warum bist du dir da so sicher?" Die Frage bezog sich auf die beiden letzteren Informationen.

"Shuichi Akai war ebenfalls im Keller anwesend, und wie es aussieht, besteht zwischen ihm und Gin momentan eine sehr interessante Verbindung. Er hat ihm geholfen.", meinte Arrak tonlos.

"Ach so? Das klärt einige bisher offene Fragen auf.", allmählich legte sich die finstere Tonlage seines Vorgesetzten, zu seiner Erleichterung.

"Wenn ich mit der Befragung fertig bin, werden noch viel mehr Fragen aufgeklärt sein.", entgegnete Arrak von sich selbst überzeugt, erwähnte jedoch nicht, dass es bisher nicht ganz so wie gewünscht abgelaufen war.

"Das will ich hoffen. Was konntest du bis jetzt in Erfahrung bringen?", wollte sein Vorgesetzter dann erfahren.

"Angeblich soll Rum derjenige gewesen sein, der Wodka getötet hat. Akai behauptet von sich selbst, Rum getötet zu haben." Arrak versteckte seinen persönlichen Zweifel in seiner Tonlage nicht, was auch seinem Boss nicht entging.

"Du glaubst ihm nicht." Es war keine Frage, viel mehr eine Annahme.

"Nein.", gab der Braunhaarige zu.

"Warum?" Sein Boss schien darüber verärgert, überhaupt noch weiter nachfragen zu müssen.

"Sagen wir... Er hat sich verändert. Sein rechtes Auge ist erblindet, und er verrät mir den Grund nicht.",

"Und du denkst, das hat etwas mit Rum zu tun?",

"Ich denke es nicht, ich bin mir sicher.", verbesserte Arrak die Frage seines Bosses.
 

Eine Weile herrschte Schweigen, wobei das hohe Mitglied die Anspannung in der Luft spüren konnte. Doch noch mehr Zeit verschwenden wollte er nicht, da er sein Opfer nicht so lange allein lassen wollte. Zwar war die Chance zu entkommen gleich null, doch man konnte ja nie wissen.

"Ich werde mich melden, wenn ich mehr erfahren konnte.", meinte er dann einfach.

"Wirst du das?", offenbar war sein Boss immer noch verbittert.

"Gewiss. Sie können unbesorgt sein.", versuchte er ihn zu beruhigen.

"Dass ich an deine Fähigkeiten zweifle, habe ich nie behauptet. Ich gebe die widerspenstigsten Verräter nicht umsonst immer in deine Obhut.", antwortete dieser. Ein Lob kam überraschend.

"Vielen Dank.", kaum hatte Arrak seine Worte ausgesprochen, wurde das Telefonat von seinem Gesprächspartner beendet.
 

Mehr oder weniger zufrieden steckte Arrak sein Handy wieder zurück in die Hosentasche. Dann wandte er seinen Blick zur Tür des Raumes, hinter welcher sich der Agent befand. Ein breites Lächeln umspielte Arraks Lippen, als sich kurz das letzte Bild von Akai vor seinem inneren Auge zeigte: Gefesselt an dem Stuhl mit vollständig geöffnetem Hemd, wobei die Brust mit einigen der Elektroden verziert war... und dann dieses stets wütende Gesicht, wenn es sich nicht gerade vor Schmerzen verzog, mit dem beschädigten Auge als neues, zugleich besonderes Merkmal.

Arraks Grinsen wurde noch breiter.

"Dann starten wir mal Runde 2, Shuichi Akai...", sprach er freudig in Gedanken, bevor er auf den Raum zusteuerte.
 


 

Es dauerte einen Moment, bis Akai klar war, dass Arrak wohl ein paar Minuten weg sein würde. Er schloss kurz die Augen und versuchte seine Gedanken zu sammeln.

"Scheinbar weiß die Organisation nicht, was in dem Keller passiert ist. Er scheint mir zu glauben, dass ich Rum getötet habe... Aber warum konnte ich da lügen? Auch später bei Merlot...Was genau löst die Stromschläge aus?"

Er öffnete langsam wieder seine Augen und betrachtete die Flasche mit dem Strohhalm.

"Ich sollte wirklich was trinken... wer weiß, wann es das nächste Mal etwas gibt." Zwar bestand die Möglichkeit, dass Arrak etwas in das Wasser getan hatte, doch irgendwie bezweifelte Akai das.

"Er braucht noch Antworten…" Zögernd nahm er ein paar Schlucke von dem Wasser, während er weitere von Arraks Fragen und seine dazugehörigen Antworten Revue passieren ließ.

“Als ich mich an Merlot erinnert habe, hat das Gerät reagiert...“, begann Akai seinen Gedankengang und nahm nebenbei das neutral schmeckende Wasser ungewöhnlich genau auf seiner Zunge wahr. Zum Glück handelte es sich wirklich nur um normales Leitungswasser.

“Der Kerl fragte, wie ich Gin überzeugen konnte und stellte dann Theorien auf, wobei seine erste falsch war und daraufhin auch nichts passiert ist. Doch bei der zweiten Theorie, der Wahrheit, hat das Gerät reagiert, ohne dass ich überhaupt etwas gesagt habe.“ Er überlegte weiter und genoss dabei jede Sekunde seines Alleinseins, die ihm noch blieb. Gleichzeitig versuchte er auch seinen Körper wieder zur Ruhe zu bekommen, was leider nur teilweise klappte.

“Nicht meine Worte sind entscheidend, sondern meine Gedanken zählen...“ Allmählich glaubte er, zu einer Erkenntnis zu gelangen.

“Könnte es sein, dass-“ Akais Auge weitete sich. Das unsanfte öffnen der Tür hatte seinen Gedanken unterbrochen, was ihm jedoch nicht von seinem Verdacht abbringen konnte. Sicher war er sich aber nicht, und er wusste, dass er es nur durch eigene Probeversuche herausfinden könnte, ob er richtig lag.
 

„Ich hoffe, du hast mich nicht zu sehr vermisst.“, waren Arraks erste Worte, als er auf seinem Gefangenen zuging.

„Um ehrlich zu sein, überhaupt nicht.“, entgegnete Akai mit einem Augenrollen, was auch seinem Peiniger nicht entging. Doch der belächelte die Geste nur, da sie nicht unbedingt unerwartet kam.
 

Akai nahm vorsichtshalber noch einen Schluck Wasser, bestimmt würde dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit auch erst mal sein letzter sein.

„Wie ich höre, hat sich deine Stimme schon wieder etwas gebessert.“, meinte Arrak und tat einen auf erfreut, während er dem Agenten immer näher kam

„Und deiner Wortwahl nach zu urteilen, habe ich dich wohl doch viel zu lange allein gelassen.“, fuhr er dann fort und ließ seine Hand dabei unter Akais Kinn gleiten, womit sich auch dessen Lippen vom Strohhalm lösten.

Der Schwarzhaarige warf ihm nur einen finsteren Blick zu, ohne noch etwas zu erwidern. Auch da konnte sich Arrak ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen.

„Glaubst du etwa, dass du mich mit deinem Gesichtsausdruck einschüchtern kannst? Im Gegenteil...“, nun legte er seine andere Hand um Akais rechte Schläfe, "...so voller Hass gefällst du mir noch viel besser.“ Er ließ seinen Daumen zu dem verletzten Auge wandern.
 

Kaum hatte Arraks Hand sein Gesicht berührt, läuteten umgehend Akais Alarmglocken. Reflexartig wollte er sofort seinen Kopf zur Seite drehen, doch der Griff unter seinem Kinn war unerbittlich. Auch weitere Versuche sich loszureißen, scheiterten vergeblich. Zumal sein Gegenüber diese Versuche gerade offenbar einfach ignorierte. Da erkannte der Agent, worauf genau sich der Blick seines Peinigers bereits fokussiert hatte. Bei der Erkenntnis kehrte auch schon dieser unwohle Schauer von vorhin wieder zurück und diesmal machte sich das angewiderte Gefühl noch stärker bemerkbar. Doch was blieb ihm noch, wenn er sich letztlich nicht wehren konnte?

Jetzt spürte Akai seine Angst und sein schnelles Herzklopfen deutlich. Er wollte auf keinen Fall, dass dieser Kerl sein rechtes Auge anfasst. Jedoch fehlte da nicht mehr viel. Außerdem war Akai sich bewusst, würde Arrak ernst machen, dann brachte es auch nichts, das Auge einfach zuzukneifen.

Als er sich schließlich nicht mehr anders zu helfen wusste, nahm er einfach den letzten Rest des Wassers und dem Speichel in seinem Mund zusammen und spuckte seinen Gegenüber ins Gesicht.

Doch die Geste war offensichtlich zwecklos gewesen. Akai beobachtete nur schweigend, wie sein Speichel an Arraks Nasenbein langsam herunterlief und es den Mann anscheinend kalt ließ. Es war ebenso überhaupt nicht erleichternd, dass die fremden Hände immer noch sein Gesicht hielten.

Da begann das Organisationsmitglied plötzlich leise zu lachen. Etwas verwirrt sah Akai ihn an. Kurz darauf fiel ihm jedoch ein Stein vom Herzen, als der Braunhaarige endlich seine Hände wegnahm, um sich die Spucke aus dem eigenen Gesicht zu wischen.
 

„Wo hast du sowas denn gelernt? Bei deiner Ausbildung ganz bestimmt nicht.“, sprach Arrak ironisch, als er bemerkte, wie der Blick des Agenten sich noch nicht abgewandt hatte. Er erwiderte diesen Blick eher mit einer übel gesinnten Miene.

„Aber ich werde dir deine Frechheiten schon noch austreiben.“ Mit diesen Worten nahm er seinem Gefangenen die Wasserflasche wieder weg und ging dann in Richtung des Lügendetektors, auf welchen er scheinbar so stolz war. Wieder konnte der Schwarzhaarige nicht beobachten, was sein Peiniger tat. Doch es vergingen nur wenige Sekunden bevor er sich wieder auf den Stuhl gegenüber setzte.

Diesen kurzen Moment versuchte Akai dafür zu nutzen, das unangenehme Gefühl und die böse Ahnung zu vertreiben, die ihm gerade gekommen war. Aber trotz dem ekelerregenden Gefallen, den Arrak an seinem Auge gefunden zu haben schien, wagte der Agent es nicht, seine Augen wieder zu schließen. Er musste so viel wie möglich selbst in Erfahrung bringen, um diese ganze Sache hier irgendwie überstehen und fliehen zu können.

"Konzentriere dich!", befahl er sich, als er spürte, wie sich die scheinbar lockere Stimmung von Arrak veränderte.

"Fassen wir nochmal kurz zusammen," begann der Braunhaarige auch schon.

"Du bist Gin zufällig begegnet, nachdem er beseitigt werden sollte, und hast ihn gezwungen deine Hilfe anzunehmen. Als Rum mitbekommen hat, dass er noch lebt, hat er Gin eine Falle gestellt und wurde daraufhin von dir erschossen. Stimmt das so?"

Akai war sich bewusst, dass jede seiner Bewegungen genauestens beobachtet wurden. Er zwang sich dazu, seinem Gegenüber fest in die Augen zu sehen und sich nicht an die beschriebenen Ereignisse zu erinnern. Seine Antwort wollte sich der Agent gut überlegen, doch das schien Arrak aufzuregen.

"Antworte mir!"

"Grob zusammengefasst ja," beantwortete der Schwarzhaarige die Frage schließlich mit der Halbwahrheit.

Arraks Augen verengten sich. "Was war das für eine Falle?"

Akai meinte erstaunt:

"Das wisst ihr nicht? Dabei ist doch sogar Vermouth Teil davon gewesen!" Der nächste Versuch Seitens Akai. Wieder keine Reaktion des Gerätes, obwohl sein Erstaunen gerade geschauspielert war.

"Es wundert mich nicht, dass Rum so wenig Leute wie möglich eingeweiht hat. Vermutlich wusste selbst Vermouth nur die paar Zeilen, die sie sagen sollte."
 

Arrak musste sich gewaltig zurückhalten, seinem Gegenüber keine runterzuhauen. Zwar tat er immer besonders stolz auf dieses Gerät, aber er liebte es eigentlich mehr, seine Opfer auf die altmodische Weise zu foltern.

Das Gefühl, wenn Fleisch und Knochen durch ihn verformt wurden, bereitete ihm weit mehr Vergnügen, als das Leid und die Schmerzen nur zu beobachten. Nur das Gefühl, das beim Aufprall der eigenen Faust auf die Haut des Opfers entstand oder durch das Messer, das den vergeblichen und schwachen Widerstand des Körpers überwand, um die tieferen Regionen zu offenbaren, die von Haut und Muskeln verborgen wurden, konnte ihm die wahre Ektase bringen.

"So leicht kommst du mir nicht davon, mein Lieber," schwor sich der erfahrene Folterer erneut.

"Wir werden schon noch richtigen Spaß miteinander haben." Er zwang sich dazu, seinen Blick nicht erneut zu dem verführerischen, weiß leuchtenden Auge wandern zu lassen. Er musste noch Informationen besorgen.

"Es ist egal, was wir wissen und was nicht. Wichtig ist gerade nur, was du weißt," wandte er sich wieder an den Schwarzhaarigen.

"Du kennst doch den Ablauf, also mach es uns beiden einfacher und erzähle. Dann haben wir es bald hinter uns."

"Und was kommt danach?", schoss der Agent gleich zurück.

Jetzt musste Arrak grinsen.

"Dann fängt der Spaß richtig an." Aber das würde er natürlich nie sagen. Dann stutzte er und musterte seinen Gefangen mit neuem Interesse.

"Ich verstehe, so ist es ihm also gelungen sich so schnell hochzuarbeiten und erst enttarnt zu werden, als diese Großaktion lief... Er versucht den Spieß umzudrehen und von dem abzulenken, was man eigentlich wissen will, während er selbst Informationen erhält... Er gefällt mir mehr und mehr.... Nicht mehr lange, sobald wir mit der Befragung fertig sind, haben wir viel Zeit uns zu vergnügen bis Gin auftaucht."

Arraks Lächeln wurde breiter.

"Ich weiß, was du versuchst, aber das funktioniert nicht. Ich bestimme hier die Regeln und wenn du nicht mitmachst, kann ich sie jederzeit verschärfen. Weißt du warum der Raum gefliest ist? Damit das Blut ordentlich beseitigt werden kann. Bei bestimmten Methoden spritzt es so richtig schön überall hin, aber leider ist es nur für ein paar Stunden so schön. Sobald es trocknet wird es richtig eklig und lässt sich dann aber auch so schlecht entfernen... Mit den Fliesen ist das alles viel einfacher. Du verstehst was ich meine, oder?" Während seiner kleinen Ansprache beobachtete er sein Opfer genau. Dieser behielt zwar sein Pokerface, aber an der zunehmenden Steifheit des Körpers erkannte er, dass der Agent die Botschaft verstand.

"Also nochmal: Was. War. Das. Für. Eine. Falle?"

Er beobachtete, wie Akai tief einatmete und dann den Mund aufriss, um zu schreien, während der Strom seinen Körper durchfloss. Er beobachtete misstrauisch, wie sein Opfer anschließend nach Luft schnappte und wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.

"Das wirkte gerade so, als ob er sich darauf eingestellt hat, einen Stromschlag zu bekommen... Als wäre er sich sicher, dass jetzt einer erfolgen würde…"

"Also?", fragte Arrak dennoch, als hätte er nichts bemerkt.
 

Akai ordnete zeitgleich seine Gedanken und versuchte eine Lüge zu erfinden, die Merlot außen vor ließ. Gerade hatte er getestet, ob das Gerät tatsächlich auf die Art seiner Gedanken reagierte, die er vermutet hatte. Und war glatt mit einem Stromschlag belohnt worden.

Sobald er eine Lösung gefunden hatte, beantwortete er Arraks Frage:

"Rum hat das brennende Haus benutzt um Gin anzulocken. Gin ist allein los und als ich ihm nachgeeilt bin, konnte ich gerade sehen, wie er ihn in ein Auto zwang. Da bin ich ihnen gefolgt."
 

Akai wurde von keinem Stromschlag unterbrochen.
 

"Und Rum hat auf dem ganzen Weg bis zu dem Keller nichts von der Verfolgung mitbekommen?" Noch immer war Arrak misstrauisch. Nach Jahren der Folter und der Informationsbeschaffung auf diese Weise, hatte er ein gutes Gespür dafür entwickelt, wann ihm jemand die absolute Wahrheit sagte. Und auch wenn das Gerät nicht anschlug - er war sich sicher, dass Akai etwas verbarg.

"So gern ich das behaupten würde, aber nein. Er hatte wohl die Vermutung, dass Gin mit jemandem zusammen war und hat darum zugelassen, dass ich ihnen folge." Obwohl die Antwort der Wahrheit zu entsprechen schien, sagte Arraks Gefühl ihm, dass etwas nicht stimmte.

"Was ist in dem Keller passiert?", stellte er seine nächste Frage.

"Ich...bin ihnen gefolgt, wurde aber von Wodka überrascht. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen mir und Rum, wobei er mich am Auge verletzt hat, während ich ihm in den Kopf schoss. Als ich der ersten Kugel auswich, wurde Wodka erwischt," erklärte der Agent seltsam bereitwillig, wie Arrak fand.

Er konnte sein Gefühl nicht zuordnen. Es verwirrte ihn. Bei allem, was ihm der Agent auf die nächsten Fragen antwortete, wie "Wo habt ihr euch aufgehalten?" oder "Würdest du deinen Kollegen das gleiche erzählen?", hatte er mal mehr, mal weniger das Gefühl, belogen zu werden, obwohl das Gerät nicht mehr reagierte.

Schließlich seufzte Arrak und stand von seinem Stuhl auf. Sie zogen das jetzt schon einige Stunden durch. Draußen war vermutlich schon längst die Sonne untergegangen. Er streckte seine Glieder aus und tat, als würde er nur ein paar Schritte laufen wollen, während er sich aus dem Sichtfeld des Agenten begab.

Unauffällig schaltete er den Lügendetektor ab und stellte auf manuelle Stromschläge um. Dann stellte er sich hinter den Agenten, beugte sich zu ihm herab und flüsterte ihm ins Ohr:

"Das war alles gelogen, oder?“

Akai zuckte zusammen, antwortete aber im gleichen Tonfall wie bisher:

"Nein, das Gerät hat doch auch nicht reagiert, richtig?"

"Oh, ein Lügendetektor ist auch nur ein Gerät, dass die Signale des Körpers auswertet. Wenn man seinen Körper gut genug kontrolliert, kann man so ein Gerät einfach täuschen. Das hier ist zwar auf Gehirnwellen abgestimmt... aber die können mit etwas Übung und Geschickt auch gesteuert werden, nicht wahr?"

Ohne eine Antwort abzuwarten richtete sich der Braunhaarige auf und drückte auf den Knopf.

Ablenkung

Es vergingen mehrere Minuten, welche Akai bewusstlos verbrachte. Der letzte Stromschlag hatte ihm den Rest gegeben, was wahrscheinlich auch beabsichtigt gewesen war. Schon als seine Besinnung anfing, langsam zu ihm zurückzukehren, fiel ihm sofort auf, dass er längst nicht mehr auf einen Stuhl saß. Er befand sich in einer aufrechten Haltung, obwohl sein Körper schlaff war.

“Hänge ich etwa an…?“, benommen öffnete er seine Augen. Das erste, was er sah, waren kettenartige Fesseln um seine Fußgelenke. Als er den Kopf hob, konnte er erkennen, dass seine Handgelenke auf die gleiche Art gefesselt waren. Die Ketten verliefen von seinen Handgelenken schräg zur Decke und verschwanden dort in Löchern. Mit den Fußketten verhielt es sich ähnlich, sie verschwanden durch Löcher im Boden. Alles erschien im ersten Moment unerträglich hell.

Akai hatte jedoch nicht länger die Möglichkeit, noch weiter über seine Lage und sein Umfeld nachzudenken, denn plötzlich musste er feststellen, dass diese Ketten anscheinend beweglich waren. Mit einem starken Ruck wurde er noch weiter straff nach oben gezogen. Sein Blick wanderte dabei automatisch zu seinem Peiniger, den er bis jetzt nicht mal wahrgenommen hatte. Arrak schaute ihn grinsend, mit einer Fernbedienung in der Hand an, die er dann erstmals in seine Hosentasche gleiten ließ.

„Du bist diesmal aber schnell wieder aufgewacht, Schneewittchen.“, fing er auch schon provozierend an zu reden.

Akais Mundwinkel zuckte. Scheinbar hatte sein Gegenüber längst Gefallen an den neuen Spitznamen gefunden, unabhängig was der Agent davon hielt.

„Ich hatte schon überlegt, dir beim Aufwachen ein wenig nachzuhelfen.“, sprach Arrak weiter und kam Akai dabei näher.

„Mir wird schnell langweilig, weißt du?“ Im nächsten Moment hielt er ihm ein Messer vor dem Gesicht. Ein Hauch der Spitze berührte die Unterlippe des Schwarzhaarigen.

„Du fragtest mich vorhin, was nach unserer kleinen Befragung folgen würde...“ Arrak fuhr mit der Spitze über Akais Kinn, weiter entlang der Kehle, „...nun, ich hoffe dir wird gefallen, was ich mir jetzt für dich ausgedacht habe.“

Die Messerspitze wanderte weiter über die empfindliche Haut am Hals des Agenten und bahnte sich ihren Weg über sein rechtes Schlüsselbein. Zurück blieb eine lange, jedoch nicht sonderlich tiefe Schnittwunde. Ein Schmerz war kaum zu spüren. Dennoch spannte sich Akais Körper an, da ihm diese Geste wiederum verriet, dass es bei so etwas Sanftem nicht bleiben würde.

„Deine jetzige Position bietet einen wirklich atemberaubenden Anblick. Schade, dass du jetzt nicht meine Sichtweise einnehmen kannst...“ Arrak redete einfach weiter, wobei es ihm nicht im Geringsten kümmerte, dass seine Worte unerwidert blieben.

“Eher zum Glück...“, dachte Akai nur und vermied es, sich das auch nur ansatzweise vorzustellen. Gerade musste er wirklich zu jämmerlich aussehen. Doch Arraks nächste Anmerkung ließ ihn fast schon wütend werden:

„Was wohl Gin dazu sagen würde? Bestimmt wäre er der selben Meinung wie ich.“,

„Wäre er nicht.“, folgte sogleich Akais Antwort. Sein Blick verfinsterte sich, worauf sein Peiniger jedoch nicht achtete.

„Nicht? Ich glaube Gin-“,

„Hör auf ihn zu erwähnen!“ Die unkontrollierte Forderung durchschnitt Arraks Satz. Doch schon gleich spürte Akai, wie sich die Messerspitze wieder in seine Haut bohrte, nur dieses Mal viel tiefer und auch schmerzhaft. Er verfluchte sich im Nachhinein selbst für seinen bissigen Kommentar, der zudem ohnehin nichts außer Nachteile bewirkt hatte.

„Wie empfindlich du sein kannst...“, raunte Arrak und fuhr mit der Spitze des Messers über Akais Oberarm und durchschnitt damit gleichzeitig dessen Hemd. Dieses war zwar geöffnet, befand sich aber dennoch über seinen Armen.

Der Agent biss die Zähne zusammen, als die Klinge immer weiter seine Haut aufschnitt und der zerreißende Stoff seines Hemdes dabei ein grausiges Geräusch von sich gab. Schließlich setzte Arrak das Messer erst wieder ab, als der komplette Ärmel des Hemdes durchtrennt war. Dabei hatte er gezielt darauf geachtet, keine wichtigen Adern unter der Haut zu treffen. Der Stoff wich von Akais rechter Schulter. Der Schwarzhaarige war in dem Moment ganz froh darüber, dass sich die Schnittwunde in seinem toten Blickwinkel befand und er so die Sicht darauf vermeiden konnte. Der brennende Schmerz und das Gefühl, wie sein Blut ihm am Arm herunterlief, genügte völlig.

„Du hast eine so schöne, makellose Haut...“, sprach Arrak wieder und setzte die Messerspitze schon auf Akais linken Arm an, diesmal begann er von unterhalb. „Ob Gin das gefallen würde, dass ich sie jetzt einfach so zerschneide?“

Akai war beinahe erleichtert, dass sein soeben erneut aufkommender Zorn durch einen darauffolgenden Schmerz in seinem linken Arm vertrieben wurde. Ein verkrampfter, abgehakter Laut entwich seinem Lippen, da er möglichst versuchte nicht zu schreien. Er glaubte, dass das den Braunhaarigen nur zusätzlich reizen würde.

Kaum entfernte sich das Messer wieder von Akais Haut, so glitt ihm auch der andere Teil seines Hemdes über die Schultern und fiel daraufhin auf die Fliesen unter ihm, welche schon mit einigen Tropfen seines Bluts geziert waren. Der Agent beobachtete, wie sich ein zufriedenes Lächeln auf Arraks Lippen bildete. Er überlegte, wie er zumindest das Blatt in Bezug auf die Gespräche wenden könnte, so dass Arrak wenigstens nicht mehr die Chance hätte auf das Thema Gin zu sprechen zu kommen. Seine Reaktionen würden ihn dabei wohl so oder so zum Verhängnis werden.

„Wo genau bin ich hier eigentlich? Wozu gehört dieser Raum hier?“, fragte Akai einfach, vielleicht würden ihn die folgenden Informationen helfen, falls sich später die Möglichkeit bot, zu fliehen. Oder er könnte somit zumindest einschätzen, wie hoch die Chance dafür überhaupt wäre.
 

Arraks Lächeln verschwand, als sein Griff sich gerade um den linken Unterarm des Agenten gelegt hatte. Dieser überraschte ihn mit seinen plötzlichen Fragen.

“Was bezweckt er damit?“, kam ihm dabei in den Sinn. Scheinbar eine Ablenkung.

„Alles was du wissen musst ist, dass das hier mein Abteil ist. Du wirst schon noch die Möglichkeit bekommen, dir alles genauer anzusehen, oder besser gesagt kennenzulernen.“ Natürlich hatte er nicht vor seinem Gefangenen irgendwelche Informationen über den Gebäudekomplex zu verraten. Arrak musterte Akais Gesichtszüge genau, die offensichtlich unzufrieden mit der Antwort wirkten.

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du hier wieder rauskommst?“ Er richtete seinen Blick wieder zu Akais Unterarm und setzte dort mit der Kante des Messers an.

„Ich werde schon gut auf dich aufpassen.“, fügte das Mitglied hämisch hinzu und setzte einen weiteren Schnitt, welcher seitlich verlief. Der Anblick des tiefroten Blutes erfreute ihn und er genoss den schmackhaften, leicht metallischen Geruch. Er hatte, was Blut betraf, einen sehr empfindlichen Geruchssinn.

Er setzte gleich noch drei nebeneinander folgende Schnitte, und fuhr daraufhin mit seinen Fingern über die frischen Wunden.

Danach wandte er sich eher dem Brustbereich seines Opfers zu. Arrak ließ seinen Blick auf die wohl geformten Muskeln herabwandern, die wirklich sehr anziehend wirkten, was er sich allerdings nie direkt eingestehen würde.
 

„Und dieses Abteil besteht also aus mehreren Räumen?“, stellte Akai auf einmal die nächste Frage, als es ihm so einigermaßen gelungen war, mit den neu zugefügten Schmerzen umzugehen. Auch mit dem Ziel, seinen Gegenüber wieder abzulenken, denn irgendwie beschlich ihm ein unwohles Gefühl, als Arrak so schweigend seinen Körperbau betrachtet hatte. Dieser richtete seinen nun schon fast genervt wirkenden Blick wieder auf.

„Hast du mir eben nicht zugehört?“, fragte der Braunhaarige nur gefährlich ernst, wovon Akai sich aber nicht einschüchtern ließ.

„Ich frage aus reiner Neugier.“, gab er fälschlich zu, woraufhin sein Entführer leicht lachen musste.

„Dann tut es mir aufrichtig leid, deine Neugier nicht dementsprechend befriedigen zu können.“, entgegnete er ironisch und kam den Agenten mit seinen Worten noch näher. Zu nah, da Akais Alarmglocken sich umgehend wieder bemerkbar machten. Also versuchte er erneut noch ein Gespräch zu beginnen, doch kam leider nicht mehr dazu. Arraks blutverschmierte Hand presste sich auf seinen Mund.

„Ich weiß, dass du mich ablenken willst. Aber das zieht nicht.“, sprach Akais Peiniger in einem übel gesinnten, leisen Ton, was dem Schwarzhaarigen einen Schauer über den Rücken jagte. Noch übler wurde Akai es, als er bemerkte, wie Arrak dabei nicht ihn direkt ansah, sondern dessen Augen gezielt auf etwas bestimmtes in seinem Gesicht gerichtet waren. Akai wollte seinen Kopf einfach zurückziehen, doch im nächsten Moment hörte er das Poltern des Messers auf den harten Fliesen.

Arrak hatte das Messer aus seiner Hand fallen lassen, um die schnelle Kopfbewegung noch zu verhindern.
 

"Was bist du denn plötzlich so abweisend?" Arraks Lippen umspielte ein breites Grinsen, als seine Hände Akais Schläfen umfassten. Auf seine Frage erfolgte zwar keine Antwort, doch er wusste längst, dass sich dieser Augenblick gerade zu perfekt anbot. Eigentlich hatte er vorgehabt damit noch zu warten, doch seine Geduld war schneller als gedacht am Ende. Es war, als hätte er soeben die Beherrschung verloren, und doch ignorierte er den wütenden Gesichtsausdruck des Agenten gekonnt und auch dessen smaragdgrünes Auge, welches sich nun vor Hass verengte. Er fokussierte seinen Blick noch mehr auf das rechte, geschädigte Auge. Der Reiz, der bei diesem Anblick in ihm ausgelöst wurde, sorgte dafür, dass er wie von selbst den Kopf von Akai immer weiter zu sich heranzog.

Als er ihm nah genug war, legte er schließlich seine Lippen auf das rechte Auge, welches sich bei dieser Berührung zusammenkniff.

Auf Arrak nahm dies jedoch keinen Einfluss. Er ließ seine Lippen zärtlich über die weichen Wimpern gleiten und zog leicht an diese, bevor er das Auge erneut mit seinen Lippen umschloss und allmählich seine Zunge mit ins Spiel brachte.

Das schwache Augenlid von Akai kam gegen dem Druck der Zunge seines Peinigers nicht mehr an, so gab er irgendwann auf dagegen anzukämpfen und die Zunge drückte seine Augenlider auseinander.

Arraks Zunge fuhr langsam über den geschädigten Augapfel, vermischte dabei die Feuchtigkeit des Auges mit der seiner Zunge und sog ein wenig an der empfindlichen Stelle.

Nach kurzer Zeit schmeckte er etwas salziges, wobei es sich dabei um Tränenflüssigkeit handelte, welche jedoch nicht dazu kamen, das Auge zu verlassen. Sie wurden zuvor von Arraks Zunge eingefangen, die gar nicht genug bekommen konnte.

Je intensiver er das empfindliche Auge des Agenten bearbeitete, so mehr vernahm er, wie sich auch etwas in seiner Hose zu regen begann.

Er verstärkte den Druck auf dem Auge nochmals, setzte dieses aber mit weichen Lippen gleich, küsste es leidenschaftlich und rieb mit seiner Zunge verlangend an dem glatt glänzenden weiß, gemischt mit den roten Äderchen. Er war sich sicher, dass keine Lippen auf der Welt vergleichbar hierfür wären und nichts in ihm die gleiche Menge an Lust auslösen würde.
 

Obwohl Akai versuchte sich gegen diese Behandlung zu wehren, war es ihm nicht möglich, es zu verhindern. Er spannte seinen Körper an und versuchte irgend eine Bewegung zu machen, die Arrak von seinem Auge entfernen, oder wenigstens ablenken würde, doch vergeblich.

Seine Arme wurden durch die Ketten so auseinander gezogen, dass es fast schmerzhaft war - vermutlich genauestens berechnet und darauf ausgelegt, dass er diese Position für einen längeren Zeitraum beibehielt. Durch diese Ketten wurde er auch aufrecht gehalten, ohne die Möglichkeit sich ducken oder drehen zu können. Selbst seine Fußfesseln hatten genau die Länge, die nötig war, um zu verhindern, dass er sich bewegen konnte. Und seit seinem vorherigen Versuch den Kopf zu drehen, hielt der Braunhaarige sein Gesicht in einem unerbittlichen Griff. Dass sein Kopf zudem vorgezogen worden war, raubte ihm auch die letzte Möglichkeit der Gegenwehr.

Verzweifelt versuchte der Agent eine Möglichkeit aus dieser Situation zu finden. Der zunehmende Ekel durch das Gefühl von Arraks Zunge und Lippen, kombiniert mit dem leichten Schmerz seines Auges, halfen ihm dabei nicht. Wieder und wieder spürte Akai die Zunge über seinen Augapfel gleiten. Er wollte diesem Mistkerl seine Faust ins Gesicht schlagen, ihm in die Eier treten oder ihn wenigstens anschreien, doch selbst das letzte wurde ihm jetzt wieder von Arraks Hand über seinem Mund verwehrt. Hilflos musste er spüren, was seinem verletzten Auge angetan wurde, während der Atem seines Peinigers sich zu beschleunigen schien und immer stärker über sein Ohr strich. Als Arrak näher zu ihm trat, und er plötzlich spürte, wie sich eine vielsagende Beule gegen sein Bein drückte, bekam Akais Kampfeswillen einen neuen Ansporn.

"Aber wie bringe ich diesen Irren dazu seine Zunge..." Akais Übelkeit verstärkte sich. Der Gedanke, den er soeben hatte, war unerträglich und doch seine einzige Möglichkeit. Er versuchte so gut wie möglich die Empfindungen zu ignorieren, die er dank Arraks Behandlung wahrnahm und konzentrierte sich darauf, seine Zunge zwischen seine Zähne und Lippen zu schieben. Er konnte den metallischen Geschmack seines Blutes schmecken, sobald seine Zunge mit Arraks Fingern in Kontakt kam. Doch davon konnte er sich nicht beirren lassen. Er schob seine Zunge weiter und umfuhr mit ihr die Finger seines Peinigers, die seinen Mund verschlossen.

Am Liebsten hätte er sie gebissen, doch so weit konnte er den Mund nicht öffnen.
 

Arrak unterbrach seine Liebkosung des gereizten Auges, als er die feuchte Berührung an seinen Fingern spürte. Misstrauisch betrachtete er das Gesicht des Agenten, doch als sich die freche Zunge sofort wieder in ihre Mundhöhle zurückzog, sobald er sich von dem Auge löste, schlich sich ein hinterhältiges Grinsen auf sein Gesicht.

"Na? Findest du auch so langsam Gefallen daran?", meinte er hämisch und gewährte seinem Gefangenen die Freiheit, seinen Kopf wenigstens soweit zu drehen, dass dieser ihn mit seinem gesunden Auge böse anfunkeln konnte. Dabei bemerkte er zufrieden, dass das Weiß des verletzten Auges nun einem gereizten, rosaroten Ton gewichen war, welchen die nur halb geschlossenen Augenlider nicht verbergen konnten.

Er richtete seine Aufmerksamkeit noch für einen kleinen Moment auf das Gesicht seines Gefangenen und genoss den Anblick der roten Spuren, die seine blutigen Finger in dem blassen Gesicht hinterlassen hatten, bevor er den Kopf des Schwarzhaarigen los ließ.

Sobald dieser wieder reden konnte, warf er ihm entgegen: "Sicher doch. Sogar so sehr, dass ich dir dafür den Schädel einschlagen würde!"

Arrak lachte darüber nur.

"Wir sind jetzt also bei Schlägen angekommen? Meinetwegen, das lässt sich einrichten."

Im nächsten Moment landete eine Faust in Akais rechter Seite. Der Schlag traf Akai unerwartet und er schrie, während sein Körper versuchte vor dem Schmerz zu fliehen und die angegriffene, rechte Körperseite zu schützen. Die Ketten verhinderten diese Schutzreaktion jedoch, wodurch seine Seite auch beim nächsten Schlag ungeschützt war. Wieder und wieder traf Arraks Faust die gleiche Stelle. Der Agent konnte an der Sicherheit und Genauigkeit der Schläge erkennen, dass sein Peiniger genau wusste, was er tat.

Mit jedem Schlag vergrößerte sich der Schmerz um ein Vielfaches und bereits beim zweiten Schlag konnte Akai die Tränen nicht mehr zurückhalten, die aus seinem gesunden Auge liefen. Jeder Schlag entlockte ihm einen weiteren Schrei und während ihm langsam die Sicht verschwamm und Lichtblitze vor ihm auftauchten, spürte er, dass etwas in seinem Körper nachgab. Auch ohne Röntgenbild konnte der Schwarzhaarige sagen, dass seine Rippen gebrochen waren.
 

Keuchend schnappte er nach Luft und kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an. Versuchte die Schmerzen seines Körpers zu ignorieren. Erst als sich seine Atmung wieder etwas beruhigt hatte, erkannte er, dass die Schläge genau in dem Moment aufgehört hatten, als seine Knochen nachgaben.

Er hasste es, das zugeben zu müssen. Aber der Mann beherrschte sein Handwerk.

Spaß

Arrak betrachtete sein Opfer, wobei er die Schadenfreude in seinem Gesicht nicht versteckte. Das Gefühl, was er spürte, als die Rippen des Agenten brachen, hatte ihn noch mehr in Stimmung gebracht. Er hatte deshalb nicht vor, Akai eine lange Verschnaufpause zu gönnen.

Er hob das blutige Messer wieder von den Fliesen auf.

"Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden.", meinte er tonlos zu Akai, ohne diesen dabei anzusehen. Viel mehr widmete er sich dessen rechtem Arm, welcher seiner Meinung nach noch nicht ausreichend mit schönen Schnittwunden verziert war.

Aufmerksam lauschte Arrak die vor Schmerzen verkrampften Laute neben sich, während er wieder und wieder in das bisher blanke Fleisch schnitt. Frisches Blut floss daraufhin aus den Wunden. Da fiel ihm plötzlich etwas ein, als er nebenbei nochmal zum Schwarzhaarigen herüber schielte.

Er wich ein wenig zurück, um Akais Gesicht genauer bewundern zu gönnen. Etwas Blut klebte bereits um dessen Mund herum.

"Ich finde wirklich, dass dir das sehr gut steht.", betonte er und erwähnte nicht direkt, was er meinte. Dennoch wusste das sein Gegenüber auch so.

"Da sind wir wohl geteilter Meinung.", erwiderte dieser nur knapp. Arrak lächelte. Er strich mit seinem Zeigefinger über die frische Verletzung am rechten Unterarm.

"Wie schade.", tat er bedauernd und strich dabei kurz mit dem blutverschmierten Finger über Akais Nasenspitze, auf welcher dann ein roter Blutfleck zurückblieb. Kurz stutzte der Braunhaarige.

"Wirklich wunderschön...", musste er erneut gedanklich feststellen, bevor er danach unsanft das Kinn des Agenten ergriff. Mit seiner noch freien Hand nahm er noch mehr Blut aus den frischen Schnittwunden an Akais Arm, und verteilte dieses sorgsam in dessen Gesicht.
 

Akai musste derweil einen Würgereiz unterdrücken, der ihm dabei sofort hochkam. Gerade verhielt sein Peiniger sich wie jemand, der auf einem Kindergeburtstag sei und fleißig die Gesichter der Kinder mit bunten Farben bemalen würde... Nur, dass an dieser Situation hier so einiges schief lief - und Blut war auch kein angenehmer Ersatz für Farbe.

Am liebsten hätte Akai sich die Nase zugehalten, da er den Geruch seines eigenen Blutes schon langsam nicht mehr ertragen konnte, jedoch war ihm das leider nicht möglich. Arrak schien daraufhin, nachdem er besonders viel Blut um Akais rechtes Auge verteilt hatte, endlich mit seinem Kunstwerk fertig zu sein.

"Ist echt blöd, dass ich keinen Spiegel hier habe...", sprach der Kerl mehr zu sich selbst, während er nebenbei sein Handy aus einer seiner Hosentaschen zog.

"Was ziehst du denn so ein Gesicht? Dabei ist es doch gerade so lustig.", meinte Arrak verwundert und richtete dann sein Handy mehr auf das blutverschmierte Gesicht des Agenten. Auch ohne auf das Display sehen zu müssen, merkte Akai, dass sein Gegenüber ein Foto von ihm machen wollte.

"Keiner außer dir lacht, Arschloch..." Der Schwarzhaarige verdrehte genervt sein gesundes Auge. Demütigender ging es wahrscheinlich nicht mehr.

"Lächeln bitte!", meinte Arrak freudig, wobei Akai dieser Bitte mit Sicherheit nicht nachkommen würde. Doch als er versuchte seinen Kopf einfach zur Seite zu drehen, krallte sich eine Hand in seine Haare und zog seinen Kopf somit wieder nach vorn. Kurz darauf hörte er, wie die Handykamera ein Foto schoss.

"Also wirklich, das hättest du doch bestimmt besser hinbekommen, Schneewittchen," meinte Arrak unzufrieden, aber dennoch ließ er Akais Haare los und machte kein weiteres Foto.

Akai knirschte nur mit Zähnen.

Arrak beachtete ihn jedoch längst nicht mehr. Stattdessen richtete sich seine Aufmerksamkeit nun vollständig auf das Handydisplay. Sein Gefangener schien ihn nicht mehr zu interessieren. Auch das Messer legte er scheinbar achtlos auf einen Tisch, der an der Wand stand und noch verschiedene andere Messer und Folterwerkzeuge zur Schau stellte.

Akai versuchte den Kommentar bestmöglich zu ignorieren. Er konnte diese kleine Pause wirklich gebrauchen und jeder Kommentar seinerseits wurde umgehend von Arrak aufgegriffen und verdreht oder anderweitig beantwortet.

Seine schmerzenden Rippen waren der beste Beweis.
 

"Du bist ja so still...," meinte der Braunhaarige plötzlich und sah seinen Gefangenen wieder an. "Hast du etwa keinen Spaß?", schob er nach dem kurzen Moment der Stille, in dem Akai nur mit einem wütenden Blick antwortete, hinterher.

"Ich kann mir spaßigere Dinge vorstellen," meinte Akai trocken und leicht widerwillig. Er hasste es, auf die Spielchen dieses Kerls eingehen zu müssen, doch wenn er das hier überleben wollte, blieb ihm wohl kaum eine andere Möglichkeit.

"Wirklich? Dann musst du mir unbedingt mal sagen was! Vielleicht können wir es ja mal zusammen machen?"

Akai fuhr allein bei dem Gedanken daran, jemals etwas mit diesem Verrückten zu tun, ein kalter Schauer über den Rücken.

"Niemals.", schwor er sich gedanklich.

Als erneut keine Antwort erfolgte, führte Arrak das Gespräch allein weiter: "Soll ich wieder raten, was du gerne machst? Wobei... so schwer ist das nicht. Ich habe gehört, du bist ein hervorragender Scharfschütze. Sogar besser als Gin."

Ein leichtes Grinsen und hinterhältig blitzende Augen begleiteten die Worte des Braunhaarigen.

"Na und?", versuchte Akai uninteressiert zu tun, fragte sich aber warum schon wieder sein Geliebter ins Spiel kam. So berechnend wie Arrak war, konnte das kein Zufall sein. "Ich muss vorsichtig sein, was ich sage."

"Also bist du tatsächlich besser! Erstaunlich! Ich hätte nicht gedacht, dass Gin das bei seinem Charakter einfach so hinnimmt...", langsam ging Arrak auf seinen Gefangenen zu, wobei er die Hände scheinbar hinter dem Rücken verschränkte.

Dieser Tanz um den heißen Brei regte den Agenten auf. Er hasste es, eine Sache nicht direkt anzusprechen oder umgehend zu erledigen. Egal worum es ging. Gleichzeitig hatte er bei Arrak aber ein ungutes Gefühl. Nichts, was in dessen Kopf vor sich ging, konnte gut sein.

"Du könntest doch auch nichts anderes machen, wenn es jemanden geben würde, der besser wäre, oder?", "Scheiße... das hätte ich besser nicht sagen sollen...", dachte Akai, doch er konnte seine Worte nicht mehr zurücknehmen.

Erstaunlicher Weise ging Arrak jedoch nicht auf die Provokation ein.

"Hmm.... dazu müsste erst mal die Frage geklärt werden, ob es denn überhaupt jemanden gibt, der besser ist als ich. Was denkst du?", fragte Arrak seinen Gefangenen. Er stand jetzt wieder direkt vor ihm.

"Die Frage will ich nicht beantworten," dachte Akai und starrte einfach zurück. Egal wie er antworten würde, es hätte fatale Folgen.
 

"Du solltest dich wirklich mal ansehen, Schneewittchen," wechselte der Braunhaarige plötzlich wieder das Thema. Akai zuckte zusammen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dieser Spitzname würde zunehmend eine andere Bedeutung bekommen.

"Sag bloß, du magst den Spitznamen nicht?", fragte Arrak beinah schmollend.

"Wie sollte ich?!", nur mit viel Mühe gelang es Akai sich davon abzuhalten, einen weiteren bissigen Kommentar abzugeben.

"Dabei passt die Beschreibung gerade so gut," schwärmte Akais Peiniger ihm vor. "Schwarz wie Ebenholz.", der Agent spürte, wie ihm plötzlich eine Hand durch die Haare strich, "Weiß wie Schnee." Akais Wange wurde gestreichelt. "Und vor allem...." Akai ahnte, was kommen würde. Für einen kurzen Moment verstärkte sich der Schmerz einer seiner Schnittwunden an seinem Arm, bevor Arrak ihm mit einem feuchten Finger über die Lippen fuhr. "...Rot wie Blut."

Die Kombination des erneuten Geschmacks seines eigenen Blutes auf seinen Lippen und dem verrückten Blick in den Augen seines Peinigers, sorgte dafür, dass Akai nur noch die Flucht ergreifen wollte.

Seine Muskeln spannten sich an und sein ganzer Körper wollte zurück weichen, doch die Ketten hielten und er konnte sich nicht einen Millimeter bewegen.

Doch ohne Gegenwehr wollte er das auch nicht über sich ergehen lassen. Auch wenn er bereits befürchtete, es später zu bereuen, musste er wenigstens verbal gegensteuern.

"Zu dumm, dass das die einzigen Ähnlichkeiten sind. Ich bin keine dumme Frau, die jedem Fremden vertraut, dem sie begegnet.“

"Nun... dumm bist du wirklich nicht. Das lässt sich nicht abstreiten... Aber bist du wirklich keine Frau?"

Erst erstarrte Akai und ballte dann wütend die Fäuste. Das ging eindeutig unter die Gürtellinie.

"Was zum Teufel lässt dich-"

Sein Wutausbruch wurde unterbrochen, als Arrak ihm ohne Vorwarnung zwischen die Beine griff.

"Ich weiß von deiner Beziehung zu Gin," offenbarte er mit einem breiten Grinsen und entließ die empfindlichen Weichteile seines Gefangenen, nach einem weiteren festen Druck.

"In eurem Schlafzimmer fanden sich genug Hinweise auf das, was ihr da getrieben habt."

Während Arrak weiter redete, ging er langsam um den Agenten herum und flüsterte ihm dann über die Schulter ins Ohr: "Leugnen bringt nichts, Schneewittchen."

Akai konnte den Schauer, der seinen Körper durchlief, nicht verhindern.

"Woher weiß er das? Hat er uns gesehen? Nein, das ist unmöglich. Aber er glaubt, dass ich..." Obwohl er sich nicht sicher war, ob es gut war, das Missverständnis aufzuklären, fürchtete er doch die Konsequenzen, sollte er es nicht tun. Erneut setzte er zu einer Antwort an. Doch gerade als er den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, wurde sein Kopf grob an den Haaren zurück gerissen und etwas zwischen seine Zähne geschoben.

Er spürte wie Bänder seitlich um seinen Kopf geführt und hinten verschlossen wurden. Seinen Mund konnte er nicht mehr schließen, das verhinderte der Knebel. Reden war unmöglich. Nur ein wütendes "Ahh!" Drang aus seinem weit offen stehenden Mund.

"Keine Sorge, Schneewittchen, das wirst du nicht lange tragen müssen. Aber ich kann doch nicht zulassen, dass du unserem eigentlichen Ziel Informationen übermittelst oder ihn sogar dazu überredest nicht freiwillig zu seiner Gefangennahme zu kommen. Und sollte er das nicht tun, werden wir beide noch viel mehr Spaß miteinander haben."

Nach dem letzten Satz kniff Arrak dem Agenten in den Hintern. Dessen Auge weitete sich, als ihm klar wurde, worauf sein Peiniger hinaus wollte.

Der Anruf

Inzwischen hatte Gin die alt vertraute Wohnung verlassen. Mitgenommen hatte er nur das Nötigste, unter anderem auch Shuichis Handy, was nach wie vor ausgeschaltet war. Er hatte sich jedoch gewundert, dass dieses überhaupt noch dort gewesen war und nicht von der Organisation mitgenommen wurde.

„Wahrscheinlich blieb ihnen nicht mehr genug Zeit, um noch nach solchen Sachen zu suchen...“, ging es Gin durch den Kopf. Er hob seinen Kopf und starrte in den dunklen Himmel. Die Sonne war schon vor einer Weile untergegangen.

Er seufzte und ging weiter geradeaus. Machtlosigkeit war wirklich etwas Unerträgliches. Zwar war er es gewöhnt, oft auf sich allein gestellt zu sein, doch ohne die Mittel der Organisation war es schon ein hilfloses Gefühl. Das Einzige, was der Silberhaarige tun konnte, waren ihm bekannte Versammlungsorte oder andere Gegenden, wo die Organisation ihren Einfluss hatte, abzusuchen. Oder der Keller seines Elternhauses könnte er vielleicht auch noch in Betracht ziehen.

Jedoch wollte er sich, aus Übervorsichtigkeit, diesen Orten nicht direkt nähern. Zumal seine innere Stimme ihm sagte, dass er dort wahrscheinlich sowieso nicht fündig werden würde, wenn es sich nicht sogar um Fallen handeln könnte.

“Außerdem scheint es so, als hätten die schon andere Pläne...“ Er zog das fremde Smartphone aus seiner Manteltasche. Seitdem das Foto von seinem Geliebten per SMS geschickt wurde, hatte sich bisher nichts mehr getan. Es war ihm auch nicht möglich die unterdrückte Nummer anzurufen oder selbst Nachrichten zu verschicken. Wahrscheinlich hatte das Teil kein Guthaben mehr oder wurde anderweitig manipuliert, und konnte daher nur selbst Anrufe und Nachrichten empfangen. Gin war also wohl oder übel gezwungen zu warten, bis sich erneut jemand melden würde. Obwohl es ihm andererseits schon davor graute. Und den Hintergedanken, dass verstecken durch eine Ortungsfunktion dieses Handys unmöglich war, versuchte er dabei erst recht so gut wie möglich zu verdrängen.

Im nächsten Moment wurde Gin plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, als er eine junge Frau anrempelte. Er ignorierte ihren erschrockenen Gesichtsausdruck und tat es mit einem tonlosen „Sorry“ ab. Dann drehte er sich weg und fasste sich an die Stirn.

“Ich sollte besser auf meine Umgebung achten...“, riet er sich gedanklich, obwohl er wusste, dass dies gerade undenkbar war. Seine Gedanken waren nur bei Shuichi und seine Sorgen um diesen brachten ihn fast um.

“Ich will sie alle töten...“ Gins Griff um das fremde Handy in seiner Hand wurde fester, “jeden, der dir etwas antut.“, sprach er gedanklich zu seinem Liebhaber. Seine Miene verfinsterte sich. Ein Glück, dass ihm gerade niemand über den Weg lief.

Vor ihm befand sich jetzt eine leere, schon längst heruntergekommene Bushaltestelle. Aber immerhin war dort noch eine kleine Holzbank vorhanden. Ohne weiter drüber nachzudenken, ließ der Silberhaarige sich darauf nieder.

Da hatte er auch endlich mal die Gelegenheit, seine Umgebung genauer wahrzunehmen. Die Straße wirkte ziemlich abgelegen. Es fuhren nur sehr wenig Autos vorbei und Menschen sah er gerade keine weiter.
 

Auf einmal begann das Smartphone in seiner Hand zu vibrieren. Gins Augen weiteten sich vor Schreck. Dann blickte er auf das schwarze Display, über welchem die kleine Lampe für Benachrichtigungen in der Ecke wieder leuchtete.

Nachdem der Silberhaarige einmal tief durchgeatmet hatte und glaubte, sich auf das kommende eingestellt zu haben, drückte er auf die Home-Taste, woraufhin das Display aufleuchtete. Eine neue SMS, wie vermutet. Gin musste leider schmerzhaft feststellen, dass es sich um ein weiteres Bild handelte. Diesmal ohne Kommentar darüber. Aber das war auch nicht nötig, denn das Foto sprach eindeutig schon für sich.
 

[Bild]
 

Shuichis blutverschmiertes Gesicht auf dem Foto jagte den Silberhaarigen einen Schauer über den Rücken. Sein Herz raste nun förmlich. Seine Hand begann zu zittern. Er wollte wegsehen, das Handy ausschalten und es in die nächste Ecke feuern. Er wünschte sich, einfach den Tag nochmal neu starten zu können und das alles würde nicht passieren.

Doch es gab keinen Ausweg. Er war nicht mal in der Lage, seine Augen abzuwenden. Wie gelähmt starrte er auf das Gesicht seines Liebhabers, während sich jede einzelne Schramme darauf und jede zugefügte Wunde in sein Gehirn eingravierten. So überkam ihm nach kurzer Zeit der Übel.

Eigentlich machte es Gin sonst nichts aus, Menschen leiden zu sehen – immerhin war er selbst mit vielen Foltermethoden vertraut und würde sich niemals davor scheuen, diese auch einzusetzen. Auch der Anblick von den ekelerregendsten Verletzungen war etwas, was er in den Diensten der Organisation täglich zu sehen bekommen hatte. Damals war es ihm egal, wie viel Blut vergossen wurde. Gin glaubte wirklich, ihm würde nichts mehr erschrecken. Doch den Mann, den er über alles liebte, so zugerichtet zu sehen, war nicht im Geringsten mit all den anderen Dingen vergleichbar. Es brachte ihn beinahe um den Verstand.
 

“Beruhig dich.“, befahl der Silberhaarige sich streng in Gedanken. Das wiederholte er einige Male. So lange, bis sich das Handydisplay von allein wieder auf Standby schaltete und seine Hand aufhörte zu zittern. Gin versuchte dann mühevoll sich wieder zu sammeln. Gerade als er dachte, sich vom Schock erholt zu haben und es nun einigermaßen verkraften zu können, durchfuhr ihm der nächste Schreck. Das Handy in seiner Hand wurde angerufen, selbstverständlich von der ihm unbekannten Nummer.

Gin war klar, dass es besser für ihn wäre, einfach nicht ranzugehen. Zumindest würde er es so machen, wenn er seinen inneren Egoisten nicht schon durch Shuichi losgeworden wäre. Er konnte ihm zu Liebe einfach nicht anders. Wenn auch zögernd, er nahm den Anruf entgegen.

„Hallo?“, begann er mit gefasster Stimmte. Dabei schwang weder was von der Angst, welche er um Shuichi hatte, noch von der Unsicherheit, die er bis eben noch empfand, mit.

„Wie schön, dass du ran gegangen bist, Gin.“, ertönte eine ruhige, tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung erfreut. Gin versuchte die Stimme zu erkennen. Sie einem Gesicht zuzuordnen. Jedoch hatte er mit Gesichter merken schon immer seine Probleme gehabt. Ihm fiel niemand ein.

„Wer bist du?“, fragte er also ohne Umschweife direkt. Er hatte sich längst wieder hinter der Fassade des kaltblütigen Mörders versteckt, um sich auch wirklich nichts anmerken zu lassen. Besonders jetzt war es entscheidend, keinerlei Schwäche zu zeigen.

„Wir kennen uns nur flüchtig. Und ich denke nicht, dass es eine Rolle spielt, wer ich bin.“, antwortete die unbekannte Stimme.

„Das sehe ich anders.“, schoss Gin gleich im ernsten Ton zurück. Ein leichtes Lachen war zu hören.

„So? Na, wenn du es unbedingt wissen willst, soll mir recht sein. Mein Codename lautet Arrak.“, meinte dann sein Gesprächspartner selbstgefällig. Da fiel es Gin doch ein, dass er diesen Codenamen tatsächlich schon des Öfteren mal aufgeschnappt hatte. Er wusste, dass es sich bei diesem hohen Tier um jemanden handelte, der hauptsächlich im Bereich der Folter tätig war. Wenn der Silberhaarige es mal richtig verstanden hatte, war dieser Mann sogar einer der Besten. Jetzt wurde seine Sorge um Shuichi automatisch noch größer. Solche Menschen waren wirklich nicht zu übertreffen und meistens auch nicht ganz sauber in der Birne.

„Verstehe, das hätte ich mir denken können.“, erwiderte Gin monoton.

„Ich wusste doch, dass du schon mal von mir gehört hast!“, erfolgte sogleich die freudige, schon fast arrogant wirkende, Antwort. Aber sein Gesprächspartner fuhr fort: „Wie du dir sicherlich denken kannst, war es wirklich nicht unsere Absicht dir deine holde Maid wegzunehmen. Aber du selbst warst bedauerlicherweise nicht anzutreffen.“,

„Bitte?“, hakte Gin gereizt nach. Er dachte da eben nicht richtig gehört zu haben. Das klang fast schon zu tiefst beleidigend in seinen Augen.

„Dir ist deshalb bestimmt klar, weshalb ich dich jetzt angerufen habe, nicht wahr?“, redete Arrak einfach weiter, als hätte er Gins Anmerkung überhört.

„Du glaubst, ich begebe mich so einfach in eurem Gewahrsam?“, entgegnete dieser mit einer Gegenfrage. Wieder ertönte ein Lachen am anderen Ende der Leitung.

„Natürlich nicht! Aber allein die Tatsache, dass du das Handy behalten hast, lässt darauf schließen, dass du unvorsichtiger geworden bist.“ Der Punkt ging an Arrak. Da hatte er Recht, was Gin sich leider eingestehen musste. Doch antworten konnte er noch nicht.

„Wie viel würdest du für ihn opfern?“, fragte Arrak in Bezug auf Shuichi.

„Geht dich nichts an.“, antwortete Gin kalt, bemerkte aber dann, dass er so auf jeden Fall nicht weiterkommen würde.

„Das musst du mir schon sagen, sonst lässt es sich schlecht verhandeln, weißt du?“, kam es ernst von seinem Gesprächspartner. Gin fiel es hingegen immer schwerer, seine strenge Fassade aufrecht zu erhalten. Der Kerl regte ihn auf.

„Viel.“, gestand er so knapp wie möglich.

„Klingt doch schon mal gut!“, erwiderte Arrak kurz darauf, „Soll ich dir dann von meinem Angebot erzählen?“, fragte er hämisch betont.

„Ich bin ganz Ohr.“, meinte der Silberhaarige.

„Sagt dir das alte Hotel am Shiba Park etwas?“,

„Das, was vor paar Jahren dicht gemacht hat?“ Gin bekam eine böse Vorahnung.

„Richtig.“, bestätigte Arrak, „Ich möchte, dass du dich morgen Früh dorthin begibst, sagen wir 10:00 Uhr.“, fügte dieser noch fordernd hinzu. Gin musste sein Lachen unterdrücken. Sicher würde er nicht so leicht nach deren Pfeife tanzen.

„Und was bringt mir das? Du wirst ihn dann bestimmt nicht einfach so gehen lassen.“, nahm er an und stellte mit seiner Tonlage klar, dass er ohne einen Gegenzug dieser Art dort nicht auftauchen würde.

„Das nicht. Aber ich erlaube dir, deinen Liebsten wiederzusehen.“, lautete die klare Antwort. Fast hätte Gin sich wieder im Ton vergriffen, doch konnte sich gerade noch beherrschen. „Das genügt nicht.“, sagte er.

„Dann werde ich dir versprechen, dass ich ihn am Leben lassen werde.“, erweiterte Arrak sein Angebot. Als Gin etwas erwidern wollte, kam der Typ ihm jedoch noch zuvor: „Und ich würde mir das gut überlegen, wenn ich du wäre. Denn noch großzügiger werde ich nicht sein.“

Gin verwarf somit seine eigentlich geplante Antwort. Er schwieg für ein paar Sekunden, in welchen er sich klar machen musste, dass er keine andere Wahl hatte und es zu seinen Gunsten wohl nicht besser funktionieren würde.

„Ich muss wissen, ob er jetzt überhaupt noch lebt. Ich lass mich nicht verarschen.“, meinte er dann streng.

„Ist dir das hübsche Foto denn dafür nicht Beweis genug, was ich extra für dich gemacht habe?“, entgegnete Arrak verwundert.

„Wer weiß, wann du es gemacht hast.“ Nach dieser Antwort spürte Gin förmlich, wie sich ein breites Grinsen in das Gesicht seines Gesprächspartners schlich.

„Okay, okay. Ich werde dich seine Stimme hören lassen, wenn dich das beruhigt.“ Danach herrschte einen Moment schweigen. Gin wartete angespannt. Er hörte zwischenzeitlich das ein oder andere Rascheln. Jedoch im nächsten Augenblick brach seine Fassade nun endgültig zusammen und er wünschte sich, sich nicht erkundigt gehabt zu haben. Ein peitschendes Geräusch, gefolgt von einer vor Leid schreienden Stimme, erreichte sein Ohr. Schweren Herzens musste er feststellen, dass die Stimme ohne Zweifel seinem Geliebten gehörte. Die Schläge schienen sich zu wiederholen, woraufhin sich auch das qualvolle Geschrei vermehrte. Gin war kurz davor selbst zu schreien, doch wusste ebenso, dass das nichts bringen würde. Er stand machtlos, vermutlich sehr weit entfernt, an der Stelle und war nicht vor Ort.
 

Nach einer Weile meldete sich Arrak wieder zu Wort:

„Na, klang dir das lebendig genug?“,

„Du-“,

„Und ich würde dir ja raten morgen aufzutauchen, wenn du nicht vorhast, mir den ganzen Spaß allein zu überlassen.“ Mit diesen drohenden Worten legte Arrak auf. Gin hörte nur noch das gleichmäßige Piepen am Ende der Leitung.

Möglichkeiten

Gin ließ das Handy von seinem Ohr herabsinken. Er hörte Shuichis Schreie immer noch und sie ließen sich nicht so leicht wieder vertreiben. Er wollte sich gar nicht weiter ausmalen, was sein Geliebter noch alles erleiden musste.

“Dann werde ich dir versprechen, dass ich ihn am Leben lassen werde.“, hallte zwischendurch dann auch Arraks Versprechen in Gins Kopf wieder. Er runzelte erbittert die Stirn.

“Und was soll dieses Leben dann wert sein?“, fragte er sich und konnte sich überhaupt nicht vorstellen, den Rest seines Lebens unter Folter verbringen zu müssen, da wäre man mit dem Tod sogar eher belohnt. Zumindest würde die Organisation Shuichi niemals in Ruhe, geschweige denn freilassen. Das Versprechen von diesem Mistkerl war sozusagen wertlos.

“Viel wichtiger ist aber, was ich stattdessen tun soll, um Shuichi vor seinem Schicksal zu bewahren...“, fing Gin jetzt an zu grübeln und ließ sich weiter zurück auf die Holzbank sinken, wobei er noch das zweite Handy, Shuichis, in seiner Tasche bemerkte. Er nahm es daraufhin in die Hand und steckte das fremde Handy dafür wieder zurück. Jedoch betrachtete er das ausgeschaltete Smartphone des Agenten nur.

“Und wenn ich das FBI damit kontaktiere?“, kaum hatte der Gedanke in seinem Kopf Gestalt angenommen, verwarf er ihn sofort und fing beinahe an zu lachen. “Ich bin wohl echt am Ende.“ Auch dieses Handy steckte er wieder zurück in die Manteltasche, zog stattdessen eine Schachtel Zigaretten aus der anderen und kramte noch ein Feuerzeug heraus.

“Es wäre viel zu Riskant mit denen Kontakt aufzunehmen, zu mal die ohne genauere Informationen auch nicht mehr ausrichten können...“, gestand der Silberhaarige sich ein, während er die Zigarette anzündete und einen kräftigen Zug davon nahm.

“Und wenn ich morgen zum Treffpunkt gehe, helfe ich damit weder mir noch ihm. Es muss eine andere Möglichkeit geben. Immerhin können sie ihn noch nicht umbringen und werden ihn stattdessen wahrscheinlich weiter als Druckmittel gegen mich verwenden, bis sie mich geschnappt haben.“, dachte er weiter in Sorge um Shuichi und pustete den Qualm seiner Zigarette aus, der sich daraufhin in der kühlen Luft verteilte.

Ein paar Minuten vergingen in Stille, wobei Gin versuchte eine andere Lösung zu finden, was wirklich schwer war.

“Arrak also...“, ließ er sich den Namen des Organisationsmitgliedes noch einmal gründlich durch den Kopf gehen und wiederholte ihn dafür sogar ein paar Mal. Er versuchte noch alles an Informationen zusammenzukratzen, was er von dem Kerl wusste und welchen Einfluss dieser in der Organisation hatte. Viel war das nicht. Er war ihm nur ein paar Mal begegnet und das nur, weil der Boss zum Teil darauf bestanden hatte, dass dieser die Befragung des Gefangenen übernahm. Da Gin jedoch selbst erfolgreich genug bei seinen eigenen Befragungen war, hatte er mit Arrak nicht wirklich viel zu tun gehabt.

Andere Mitglieder hatten hingegen öfter mal von ihm erzählt. Vermouth beschwerte sich regelmäßig, wenn sie nach einer erfolgreichen Gefangennahme die Übergabe an Arrak erledigen musste. Sie meinte immer er wäre zwar nicht hässlich, hätte aber eine Art an sich, dass sie ihm am liebsten nicht begegnen wollte.

Gin erwiderte damals nur schadenfroh, dass sie scheinbar zu weichherzig wurde, doch sie war nicht darauf eingegangen. Stattdessen meinte sie, dass Arrak nicht nur ein geborener Foltermeister war, sondern dass er sich wohl so sehr an dem Leid seiner Opfer ergötzte, dass er unabhängig vom Geschlecht der gequälten Person einen Ständer bekommen würde. Sie betonte anschließend, dass solche Kerle unter ihrer Würde wären.

Damals hörte Gin nur mit einem halben Ohr zu, als sie von den Gerüchten um den angeblich besten Foltermeister der Organisation berichtete. Jetzt lief ihm jedoch ein Schauer über den Rücken, als er daran dachte, was Shuichi erleiden musste.

Schnell schob er den Gedanken beiseite und rief sich das Gespräch mit Vermouth wieder ins Gedächtnis. Dabei versuchte er sich konkret an die verschiedenen Orte zu erinnern, an denen die Organisation diesem Kerl extra Räume eingerichtet hatte, damit er schnellstmöglich Informationen aus seinen Opfern bekommen konnte.

Gin empfand es bereits damals als sinnlos und unnötig. Wozu das erhöhte Risiko eingehen, entdeckt zu werden, wenn man immer wieder zu den gleichen Orten zurückkehrte, um jemanden zu foltern, wenn man das doch besser gleich an Ort und Stelle der Gefangennahme machen konnte. Weniger Risiko, weniger Zeitverschwendung und weniger Aufräumarbeiten zum Abschluss.

Jetzt kam ihm Arraks Eigenart aber entgegen. Er erinnerte sich an Vermouths Aussage, dass der Typ eine Leidenschaft für große oder empfindliche Geräte zu haben schien, die nur schwer und mit großem Aufwand transportiert werden konnten. Das war wohl der Grund gewesen, mit dem er den Boss davon überzeugen konnte, verschiedene Räume in verschiedenen Stadtteilen zu erhalten.

"Aber wo?…"

Nur langsam fielen Gin ein paar Stadtviertel ein, die er mal im Zusammenhang mit Arrak gehört hatte. Er wusste, dass der Organisation überall mehrere große und kleine Gebäude gehörten, doch nicht alle würden sich für Arraks Zwecke eignen.

Wütend zerknüllte er die Zigarettenschachtel, als er feststellte, dass sie bereits leer war. Er hatte nicht bemerkt, wie viel er verbrauchte. Die zerknüllte Schachtel landete auf dem Boden und er fischte sich eine neue Schachtel heraus. Der Vorrat, den er eigentlich für sich und Shuichi gerade erst gekauft hatte, wurde von ihm jetzt viel schneller verbraucht, als es der Fall gewesen wäre, wenn er jetzt noch mit Shuichi zusammen sein würde.

"Hör auf! Das lenkt dich nur ab!", dachte Gin und schüttelte energisch den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Grübeleien gingen ihm eben gegen den Strich. Besonders, wenn er im Nachteil war.

"Also... wo würde sich ein kleiner, ekliger, mieser Foltermeister mit seinem Opfer verstecken?...", beschloss Gin seinen Gedankengang zu ändern. "Es muss unauffällig sein, etwas wo viele Fahrzeuge und Kisten oder Gegenstände unterschiedlichster Größe hin und her wandern, wo niemand groß darauf achtet wer ein und aus geht und wo es unmöglich ist rauszukommen, wenn man einmal da gefangen ist. Also keine Fenster... und natürlich schalldicht oder weit genug entfernt, dass niemand die Schreie hört..." Gin umklammerte unbewusst Shuichis Handy in seiner Tasche.

"Nur nicht dran denken! Bleib ruhig!", befahl er sich selbst. Doch erst nach ein paar weiteren Zügen aus seiner Zigarette gelang es ihm wieder, seine Gedanken zu ordnen. Als er die Gebäude der Organisation gedanklich durchging, fielen ihm nur eine Handvoll ein, die Arraks Bedürfnissen entsprachen und gleichzeitig in der Zeit erreichbar waren, die seit seinem Verlassen des Hauses und der ersten SMS mit Bild von Shuichi auf dem unbekannten Handy eingegangen war.

"Na dann los," sprach Gin unbewusst aus. Er hasste es nichts zu tun und da er nun endlich ein paar Anhaltspunkte hatte, wurde es Zeit, ein paar Gebäude zu überprüfen.
 

Zwei Stunden später lief Gin über eine breite, trotz der späten Stunde noch recht lebhafte Straße. Auf dem Weg hierher war ihm eingefallen, dass er nach Shuichis Befreiung auch einen Rückzugsort benötigen würde. Wenigstens für ein paar Stunden. Daher hatte er die Umgebung erkundet und ein paar Hotels entdeckt. Die meisten waren aber ungeeignet. Entweder konnte er schon auf den ersten Blick erkennen, dass die Rezeptionisten zu viele Fragen stellen würden, oder es war klar, dass die Organisation hinter der unauffälligen Fassade ihre Finger im Spiel hatte. Es hatte etwas gedauert, aber schließlich hatte er ein Hotel entdeckt, dass sie als Übergangslösung nehmen konnten.

Zwar entsprach es überhaupt nicht seiner ursprünglichen Vorstellung und er hätte es fast übersehen, doch genau dadurch war es geeignet.
 

Jetzt musste er nur herausfinden, ob sich Akai wirklich hier befand.

Obwohl sich Gin darüber im Klaren war, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering war, dass er bereits beim ersten Gebäude Erfolg hatte, spürte er, wie die Hoffnung mit jedem weiteren Schritt wuchs. Zusammen mit seiner Entschlossenheit. Er würde seinen Geliebten befreien.

Je näher Gin dem Gebäude kam, um so angespannter wurde er. Auch wenn ihm das niemand äußerlich ansehen würde. Er hatte seinen Mantel in der Nähe versteckt und trug wieder den Kapuzenpulli, den er zu Shuichis Entführung angezogen hatte. Mit seinem Hut und Mantel war das Risiko zu hoch, von einem Mitglied der Organisation erkannt zu werden, bevor er sie entdeckte.

Kurz darauf zog eine Frau, die scheinbar betrunken in der Nähe des Eingangs herumlungerte, die Aufmerksamkeit des Silberhaarigen auf sich. Er durchschaute ihr schlechtes Schauspiel sofort.

"Eine einfache Aufpasserin ohne viel Erfahrung," stellte er fest. Dann bemerkte er einen verwahrlosten Mann, der sich in ihrer Nähe niederließ, woraufhin sie sich aufrichtete und um die nächste Ecke verschwand.

"Wachablösung... und noch dazu so offensichtlich," dachte er abfällig. Er betrachtete den Mann noch einen Moment länger. Dieser machte es sich auf dem Boden bequem und senkte den Kopf, um... "Der schläft doch tatsächlich!" Entgeistert stellte Gin fest, dass dies kein Schauspiel war. Er war kurz davor zu dem Typen zu gehen und ihn für seine Unfähigkeit ordentlich zu verprügeln oder ihm eine Kugel zu geben, hielt sich aber für Shuichi zurück. Den Aufruhr konnte er sich nicht leisten.

"Wenigstens ist dadurch klar, dass er nicht hier sein kann," stellte Gin verbittert fest. "Selbst die größten Trottel sind aufmerksamer, wenn etwas Wichtiges im Innern passiert."

Mit ruhigen Schritten entfernte sich Gin wieder und kehrte nach einem kleinen Umweg, auf dem er kontrollierte, dass er nicht verfolgt wurde, zu seinem Mantel zurück. "Auf zum nächsten Gebäude!"
 


 

Wütend schmiss der Silberhaarige die leere Zigarettenschachtel auf den Boden der Seitengasse, in der er sich gerade befand. Die Sonne war schon vor Stunden aufgegangen und er hatte nicht nur keinen Hinweis auf Shuichi gefunden, sondern auch schon den Zigarettenvorrat verbraucht, der eigentlich für mindestens zwei Wochen ausreichend gewesen wäre.

Zudem bereute er die Entscheidung, zu Fuß von einem Gebäude zum nächsten gelaufen zu sein. In seiner Erinnerung waren sie nicht so weit voneinander entfernt gewesen. Aber sonst war er auch immer gefahren. Er vermisste seinen Porsche.

Seufzend lehnte er sich gegen die Wand und zwang sich dazu, sich auf seine Atmung zu konzentrieren, um wieder ruhig zu werden.

"Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten," versuchte er seine aufsteigende Angst und Sorge zu beruhigen. Was er tun sollte, wenn Shuichi an keinem dieser Orte festgehalten wurde, wusste er selbst nicht. Aber er wollte auch nicht darüber nachdenken. Zu schrecklich waren die Bilder in seinem Kopf. Zum wiederholten Mal zog der Silberhaarige das unbekannte Handy aus der Tasche und kontrollierte die Uhrzeit. 11:00 Uhr stand da. Die Zeit des vereinbarten Treffens war schon lange überschritten. Es gab kein Zurück mehr. Er musste Shuichi so schnell wie möglich befreien.

Unter Droge

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Demütigung

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Plan

Unzufrieden ballte Gin die Hände in seinen Taschen zu Fäusten. Es war ihm nicht leicht gefallen das FBI über Shuichis Handy zu kontaktieren, doch ihm war nichts anderes eingefallen. Nur das FBI konnte so schnell die Leute zusammen bekommen, die er brauchte, um die Organisation ausreichend abzulenken. Dass sie auf die kurze SMS mit der Adresse des gegenüberliegenden Gebäudes reagiert hatten, konnte er daran erkennen, dass sich diese Jodie Starling hier befand.

Sie schien mit jemandem zu telefonieren, während sie vor dem Gebäude auf und ab ging, doch Gin erkannte, dass sie nur beobachtete. Es gab noch ein paar weitere Leute bei denen er vermutete, dass sie zum FBI gehörten, aber..."Warum zum Teufel gehen die nicht rein?! Hier draußen rumstehen bringt doch nichts! Alles Idioten!"

Er musste sich etwas neues einfallen lassen. Der Trick mit dem Handy im Bus würde die Organisation nicht sonderlich lange aufhalten. Und sobald sie erkannten, dass Gin das Handy nicht mehr bei sich trug, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie Shuichi endgültig loswerden würden. Immerhin hatte er ihnen nicht den gewünschten Erfolg verschafft…

Beim Gedanken an das Video schloss Gin kurz die Augen, um seine Fassung zu bewahren. Er durfte nicht noch mehr Zeit verlieren. Irgendwie musste er diese dämlichen Agenten in das Gebäude locken.

"Also, angenommen ich bin so ein idiotischer Dummkopf... was würde mich mit absoluter Sicherheit da rein bringen?"

Ein ironisches Lächeln verzog seine Lippen leicht. Es gab etwas, das sie unbedingt haben wollten. Besser gesagt: Jemanden.

Es war ein riskanter Plan, aber der schnellste und erfolgversprechendste. Das Gebäude selbst kannte Gin gut genug, um die Agenten dort loszuwerden und den Mitgliedern, die ihm gefährlich werden könnten, auszuweichen. Zumindest solange, bis er die Oberhand hatte. Ein passendes Hotel in der Nähe hatte er auch schon gebucht. Er musste nur noch Shuichi da rausholen. Dann würden sie sich für ein paar Stunden in dem Hotel verstecken und anschließend aus der Stadt verschwinden.

Ein guter Plan, wie Gin fand. Es war Zeit, ihn umzusetzen. Entschlossenen Schrittes verließ Gin die Gasse, in der er sich befand und trat auf den belebteren Gehweg.

Er musterte einige der Passanten, die dort umherliefen. Eine Wahl zu treffen, war nicht sonderlich schwer. Es musste sich nur im Sichtfeld dieser blonden FBI-Agentin befinden. Ein Mann mittleren Alters, mit einer Brille, die ein gereizt wirkendes Gesicht schmückte, hatte es scheinbar eilig und bewegte sich in seine Richtung zu. Ohne weiter darüber nachzudenken verschnellerte Gin sein Schritttempo und rempelte den Mann beabsichtigt grob an.

„Idiot, hast du keine Augen im Kopf?!“, schimpfte der Typ umgehend, wie erwartet, nachdem er beinahe gestolpert wäre. Gin betrachtete ihn nur mit finsterer Miene und schwieg, versuchte dabei aber im Augenwinkel zu erkennen, ob er so die Aufmerksamkeit der Agentin auf sich gezogen hatte.

Nach wenigen Sekunden des Anstarrens schlich sich allmählich Unsicherheit auf das Gesicht des fremden Mannes, welche sich dann in Einschüchterung umwandelte.

Der Silberhaarige drehte sich von ihm weg und tat weiterhin so, als hätte er die FBI-Agentin nicht bemerkt. Jetzt, wo er sich aber sicher war, dass diese ihn aufmerksam beobachtete, betrat er zielsicher das Gebäude.

Dort drin war es zwar schwer, normale Besucher und Mitglieder der Organisation auseinanderzuhalten, jedoch versuchte er zumindest außerhalb der Sichtweite von den installierten Überwachungskameras zu bleiben und mischte sich geschickt unter die Leute.

Ohne sich direkt umzudrehen, konnte er zufrieden feststellen, dass die FBI-Agentin ihm gefolgt war. Doch die Frau schien sich gerade nur orientierungslos umzusehen.

Gin bog um die nächste Ecke und blieb dort stehen, um das Geschehen weiter zu beobachten. Er wartete auf eine Chance und hoffte, dass andere Agenten auch bald nachkommen würden. Da Jodie gerade offensichtlich ein kurzes Telefonat führte, fehlte bis dahin nicht mehr viel. Als sie das erledigt hatte, ging sie zum Empfang.

Schon nach kurzer Zeit konnte Gin dann doch schon einige Mitglieder unter den vermeintlichen Besuchern herausfiltern. Die betreffenden Personen wirkten angespannt und setzten eine strenge Miene auf, während sie untereinander Blicke austauschten und dann ihren Blick zu der blonden Agentin richteten, welche wohl längst erkannt worden war.

“Anfänger...“, spottete Gin gedanklich in Bezug auf die niederen Mitglieder der Organisation. Irgendwie war ihm schon vorher klar, dass man hier unten keine Profis platzieren würde. Einfache Leute, die im Notfall schnell beseitigt und kein großer Verlust wären, waren für solche Jobs am besten geeignet.

Nun betraten endlich weitere, besonders ausländische Personen das Gebäude. Womöglich handelte es sich dabei um die FBI-Kollegen dieser Frau. Sie versuchten unauffällig zu wirken, wofür es aber ohnehin längst zu spät war und sie nicht im Geringsten ahnten, dass sie bereits die Büchse der Pandora geöffnet hatten.

Im nächsten Augenblick fiel plötzlich ein Schuss, auf welchen zugleich panische Schreie folgten. Jedoch war noch niemand verletzt. Der Schuss galt eigentlich der blonden Agentin, welche aber ausgewichen war und sofort ihre Dienstwaffe zückte.

„Sofort die Waffe runter!“, schrie sie. Doch ihrem Befehl wurde nicht nachgegangen, eher gaben sich noch weitere Mitglieder zu erkennen und zogen ebenfalls ihre Waffen heraus.

Wieder fielen zwei Schüsse. Die Agenten versuchten auszuweichen, wobei sie auch anfingen zu feuern. Es dauerte nicht lange bis sich das Ganze zu einer chaotischen Schießerei entwickelte.
 

Gin setzte nur ein Grinsen auf.

“Frohes sterben.“, dachte er und wandte sich endgültig vom Geschehen ab, welches nun für genug Ablenkung sorgen würde, die er sich zunutze machen könnte, um Shuichi zu finden. Was mit den Agenten passieren würde interessierte ihn nicht sonderlich, zumal diese Jodie Shuichi sowieso etwas zu nah stand, wie der Silberhaarige empfand. Das Handy seines Liebhabers hatte beinahe übergequollen vor Anrufe und besorgter SMS.

Gin seufzte und öffnete die Tür zum Treppenhaus, welche ihn mit Sicherheit auf dem Flur führen würde, in welchen sich Arraks Abteil befand.

Er versuchte so leise wie möglich zu sein und setzte seine Schritte vorsichtig, die sonst ein Echo erzeugen würden. Auch wenn er niemanden hörte, sah er sich genau um. Würde er jetzt noch auffliegen, wäre alles vorbei.

“Ich muss das hier schaffen...“, befahl er sich in Gedanken und umschloss fest den silbernen Ring an seinem Finger. “Halte noch einen Moment durch...“ Obwohl er sich nicht zu hundert Prozent sicher sein konnte, er fühlte sich seinem Geliebten so nah und dieses Gefühl verriet ihm, dass er hier einfach richtig sein musste und auf keinen Fall aufgeben sollte. Hoch und heilig schwor er sich: Er würde Shuichi um jeden Preis retten. Eine Niederlage würde er sich niemals verzeihen.
 

Inzwischen stand Gin vor der Tür des fast obersten Stockwerkes.

Er öffnete sie langsam und vermied es, dabei ein Geräusch von sich zu geben. In dem leicht verdunkelten Flur befand sich niemand, dennoch sah sich der Silberhaarige nach einer Wache oder derartigem um.

Als er fast glaubte, dass sich wirklich keiner weiter im Flur befand, durchschnitt plötzlich eine wütende Stimme die scheinbare Stille. Gin ging umgehend in Deckung.
 

„Was soll das heißen? Wo zur Hölle kommen die plötzlich her?!“

„I-Ich weiß es nicht-“

„Wie das weißt du nicht? Natürlich bekommt einfach so das FBI von diesem Gebäude hier Wind!“

„V-Vielleicht hat Gin sie gerufen...“

„Wie?“

„Das GPS-Signal des Handys kam nur von einem gewöhnlichen Bus aus… Gin war bereits verschwunden.“

„Also hat er uns verarscht.“

„Scheint so...“
 

Stille. Gin lauschte angespannt. Dass der Trick aufgeflogen war, machte ihm jetzt auch nichts mehr aus. Doch er erkannte in der wütenden Stimme eindeutig Arrak wieder, womit er seinem Sieg schon ein Stück nähergekommen war. Die zweite, zittrige Stimme schien nicht weiter von Belang, womöglich handelte es sich nur um einen Handlanger.

Da hörte Gin plötzlich, wie Arrak dem anderen befahl, er solle auf der Stelle verschwinden und dass er ihn hier oben nicht bräuchte. Kaum einen Moment später folgten schnelle Schritte. Gin wich noch weiter in die Ecke, in der er sich verbarg, zurück und sah wie jemand an ihm vorbeilief.

Ein paar Sekunden versuchte er wieder zur Ruhe zu kommen und sich zu sammeln, bevor er vorsichtig einen Blick in den Gang warf. Niemand befand sich mehr dort.

Also ging er weiter voraus, bis zu dem Gang, aus welchem er die Stimmen gehört hatte. Auch dieser war leer. Da es am Ende des Gangs nur eine Sackgasse gab, musste Arrak wohl in einen der Räume verschwunden sein.

“Aber welcher...“ Gin blickte zu den einzelnen verschlossenen Türen. Ihm war klar, würde er einmal falsch liegen, könnte das zu Problemen führen, wenn der Raum nicht gerade geschlossen war. Jetzt musste er wohl oder übel auf seinen Instinkt vertrauen.

“Wo könntest du sein…?“, fragte er Shuichi gedanklich und wünschte sich in diesem Augenblick wirklich, sein Liebhaber würde ihm darauf antworten. Doch je länger er hier rumstand und zu keiner Entscheidung kam, so nervöser wurde er.

Er zog seine Beretta und wählte einfach die Tür, welche sich links von ihm befand. Atmete kurz durch und drückte die Klinke herunter.

Rettung

Der Raum strahlte in Gins Augen ein widerliches weiß aus, welches schon fast blendete. Dennoch hörte er, wie sich plötzlich jemand zu bewegen schien.

Als er seinen Blick in die Richtung des Geräusches fixierte, erkannte er mehr oder weniger erfreut, dass er den richtigen Raum ausgewählt hatte. Vor ihm befand sich zweifellos Arrak, den er momentan mehr als alles andere verabscheute. Dieser stand direkt hinter einem länglichen Tisch, von welchem Gin längst seine Augen nicht mehr abwenden konnte. Er war erstarrt, seit er eben seinen Geliebten wahrgenommen hatte. Jedoch waren ein Handybildschirm und die Realität ein sehr schmerzhafter Unterschied.

„Gin.“ Arraks gefasste Stimme sorgte zum Glück erstmals für eine kurze Ablenkung.

„Arrak.“, erwiderte Gin verbittert. Er trat vorsichtig näher und beobachtete den Mistkerl vor sich dabei genau, auf welchen er seine Waffe gerichtet hielt. Eigentlich war er jederzeit bereit dazu, auf Arrak zu schießen. Doch es war auch beinahe unmöglich für ihn, seinen Blick nicht doch nur für den Hauch einer Sekunde zu Shuichi schweifen zu lassen.

„Ich nehme mal an, dass du wegen deiner Prinzessin hier bist.“, meinte der Braunhaarige gelassen und ließ dabei seine Hand zu Shuichi wandern, um ihn…

„Fass ihn nicht an!“, stieß Gin voller Zorn hervor.

Er hatte genug. Er wollte mit allen verfügbaren Mitteln verhindern, dass diese dreckigen Finger jemals wieder seinen Geliebten berühren würden.

"Was denn...? Bist du aber nervös! So-"

Gin hatte keine Lust auf dieses Gerede und schoss dem Braunhaarigen ohne weitere Warnung in den Arm, der Shuichi am nächsten war. Zufrieden hörte er den Schrei des Foltermeisters und beobachtete mit eisernem Blick, wie dieser mehrere Schritte von seinem Geliebten zurückwich. Eigentlich müsste er jetzt erst mal sicher gehen, dass er den Mistkerl unter absoluter Kontrolle hatte. Doch Shuichi hatte sich seit seinem Eintritt noch nicht bewegt. Die Unsicherheit, ob sein Geliebter noch am Leben war, brachte den Silberhaarigen aus dem Konzept.

Aus der Entfernung konnte er jedoch mit einem kurzen Blick nichts erkennen.

"Wenn ich näher bin... dann kann ich seine Atmung sehen..." Unbewusst machte Gin den ersten Schritt vor. Dann den nächsten. Er ließ Arrak nicht aus den Augen und seine Beretta verlor ihr Ziel ebenso wenig.

Erst als er Shuichi erreichte, erlaubte sich Gin, den Blick von Arrak zu nehmen. Er musste sich überzeugen, dass er lebte. Es war nur ein kleiner Moment, doch Arrak nutze ihn, um zur Tür zu springen.

Das Geräusch des ersten Schrittes lenkte die Aufmerksamkeit des Silberhaarigen sofort zu Arrak zurück, doch dieser befand sich nicht mehr an der gleichen Stelle. Innerlich über seine Nachlässigkeit fluchend, richtete Gin seine Beretta neu aus, doch es war zu spät. Arrak schlug die Tür hinter sich zu und versperrte ihm somit die Sicht.

Gerade als er ihm hinterher eilen wollte, hörte er ein leises Stöhnen. Für einen winzigen Moment kämpfte Gins Liebe mit seinem Killerinstinkt, bevor er sich zu Shuichi drehte.

Bei dessen Anblick verkrampfte sich Gins Herz erneut. Er hatte geglaubt, vorbereitet zu sein. Hatte er sich das Video doch wieder und wieder angesehen. Aber ihn jetzt so hilflos vor sich zu sehen war noch etwas ganz anderes.

Er beobachtete, wie sich ein grünes Auge langsam öffnete und gegen die Helligkeit des Raumes blinzelte. Rote, trockene Lippen öffneten sich und versuchten etwas zu sagen, doch kein Ton erklang.

Vorsichtig beugte sich Gin über seinen Geliebten. "Ich bin da... Shuichi... Entschuldige... es... hat etwas gedauert…"

Shuichis Antwort bestand in einem leichten Lächeln, das Gins Herz einen weiteren Stich versetzte. Ganz leise konnte er schließlich ein Wort über die Lippen gehaucht hören: "G..i...n…"

Der Silberhaarige hob eine Hand und schob mit zittrigen Fingern ein paar verklebte Strähnen aus dem Gesicht seines Geliebten. "Ja... Ich bin da... alles...wird gut…"

Er musste schlucken. Früher hatte er auf dieses schnulzige Getue zwischen Liebenden nichts gegeben. Oft genug hatte er es beobachtet und oft genug hatte er einem oder beiden kurz darauf das Leben genommen. Es hatte ihn nie gestört.

Doch als er jetzt einen Schuss hörte, zuckte der Silberhaarige erschrocken zusammen. Er hatte Shuichi gerade erst wieder. Er würde nicht zulassen, dass sie wieder voneinander getrennt wurden. Weder durch die Organisation, noch durch das FBI.

Da die Schusswechsel bis zu dieser Etage gelangt waren, bedeutete es wohl, dass das FBI Verstärkung bekommen hatte. Zumindest genug, um die Organisation hier zum Rückzug zu zwingen. Sie mussten hier verschwinden.

Ein kurzer Blick durch den Raum bestätigte Gin, was er eigentlich schon wusste. Abgesehen von diversen Folterinstrumenten und einem Schrank mit Giften und Drogen, befand sich hier nichts. In einer Ecke bemerkte der Silberhaarige zwar noch ein paar Stofffetzen, doch es war sofort erkennbar, dass Shuichis frühere Kleidung zu nichts mehr zu gebrauchen war.

Schnell zog sich Gin seinen Mantel von den Schultern und warf ihn über seinen Geliebten, bevor er ihn vorsichtig hochhob. Dieser hatte zu seinem Glück das Bewusstsein bereits wieder verloren, denn Gin konnte die Wunden auf dem Rücken des Schwarzhaarigen ertasten. Wäre er bei Bewusstsein, würde er die Schmerzen stärker spüren.

Vorsichtig eilte Gin mit seinem Geliebten zur Tür und lauschte. Außer dem leisen Stöhnen des Bewusstlosen in seinen Armen war nichts zu hören. Scheinbar war der Schütze, der den vorherigen Schuss abgefeuert hatte, nicht mehr hier.

Mit einem letzten Blick auf seinen Geliebten umfasste Gin ihn fester und rannte aus dem Raum über die Gänge. Er nutzte den Fluchtweg, den er sich bei früheren Aufenthalten hier eingeprägt hatte... und den auch Arrak genutzt zu haben schien, wie er missmutig feststellte. Niedere Mitglieder kannten diesen Weg nicht und außer Arrak würde sich kein Codename in einem von der Organisation kontrollierten Gebäude anschießen lassen. Dennoch befanden sich in regelmäßigen Abständen Bluttropfen auf dem Boden.
 

Am Ausgang hielt Gin trotz seiner Ermüdung erneut inne. Er beruhigte seine Atmung und näherte sich vorsichtig der Tür. Wenn Arrak ihn abfangen wollte, so wäre dies die beste Möglichkeit. Mit Shuichi zusammen, war Gin leichte Beute.

Widerstrebend setzte der Silberhaarige seinen Geliebten daher auf den Boden und lehnte ihn gegen die Wand. Erneut ergriff er seine Beretta und schlich zur Tür. Lauschte.

"Nichts... Entweder er versteckt sich zu gut, oder..." Gin beschloss nach einem Blick zu Shuichi, der zunehmend blasser wurde, das Risiko einzugehen. Er schmiss die Tür auf und richtete die Pistole auf den Bereich dahinter. Als keine Reaktion erfolgte, ging er langsam weiter. Die Gasse war leer.

Erleichtert steckte Gin die Beretta wieder ein.
 

Der Weg zu dem Hotel, in dem Gin bereits zuvor ein Zimmer besorgt hatte, verlief ohne Zwischenfälle. Vor dem Beginn von Shuichis Rettung hatte er sich einen Hintereingang und die Position der Überwachungskameras gemerkt, wobei er bei einer ein wenig mit dem Kabel gespielt hatte. Dadurch kamen sie unbemerkt in dem Zimmer an.

Vorsichtig legte Gin seinen Geliebten auf dem Bett ab.

Dann holte er den Erste-Hilfe-Kasten und ein feuchtes Handtuch aus dem Bad. Sanft, um ihm nicht noch mehr Schmerzen zu bereiten, begann der Silberhaarige damit, das Blut von Akais Gesicht, Brust und Unterleib abzuwaschen.

"Es tut mir leid... Bitte... bitte..." "Verzeih mir…"

Eine einzelne Träne lief über Gins Gesicht. Er ignorierte sie und fuhr mit seiner Arbeit fort. Doch aus der einen Tränen wurden zwei, drei, vier... wütend strich sich Gin über die Augen. Noch nie hatte er so viel geweint wie in der Zeit, die er mit Shuichi verbracht hatte. Irgendwann musste es doch mal reichen!

Aufgebracht stand Gin auf und ging ins Bad, um das Handtuch auszuwaschen. Vor dem Waschbecken zwang er sich schließlich dazu, ein paar Mal tief durchzuatmen, um seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen. Shuichis Rücken war eindeutig schlimmer betroffen. Das hatte er beim Tragen spüren können. Er brauchte einen klaren Blick, um seinen Geliebten beim Reinigen nicht zusätzlich zu verletzen. Tränen störten da nur.

Halbwegs gefasst verließ der Silberhaarige das kleine Badezimmer wieder und kehrte zu Shuichi zurück. Noch einmal ließ er seinen Blick über den Körper wandern, der seinetwegen so zugerichtet worden war. Schnittwunden an den Armen, ein dünner, feiner Strich am Hals, kleine Brandwunden und blaue Flecke... besonders der große auf Rippenhöhe sah schlimm aus. Gin vermutete, dass da sogar eine Rippe gebrochen war. Unbewusst spielte er wieder mit dem silbernen Ring an seinem Finger.

Schließlich gab er sich einen Ruck und drehte seinen Geliebten vorsichtig auf den Bauch. Zum wiederholten Mal durchfuhr ein Stich sein Herz, als er das volle Ausmaß erkannte. Diese Wunden stammten eindeutig von Peitschenhieben. Sie waren nicht frisch und der Silberhaarige musste an das erste Gespräch mit Arrak denken.

"Er hat Shuichi länger gepeitscht. Nicht nur für das Telefonat...", wurde ihm bewusst.

Doch Gins geübtes Auge erkannte auch, dass diese Wunden immer wieder erneut aufgerissen wurden. Von stumpfen Objekten. Vielleicht sogar von Arraks Fingern…

Bei dem Gedanken an den Braunhaarigen ballte sich Gins Hand zur Faust.

"Ich werde ihn kriegen... Egal wie. Er wird für das bezahlen, was er Shuichi angetan hat."

Ein Stöhnen riss ihn aus seinen Gedanken und erschrocken stellte der Silberhaarige fest, dass er den Druck mit dem Handtuch erhöht hatte. Er musste Shuichi wehgetan haben. Sofort hob er seine Hand und murmelte: "Entschuldige…"

Doch Shuichi erwachte nicht. So langsam machte sich Gin Sorgen. Die Wunden, die er bisher unter der Schicht aus Blut und Schweiß freigelegt hatte, waren zwar schlimm, aber alle nicht lebensbedrohlich.

"Warum habe ich dann das Gefühl, dass es ihm zunehmend schlechter geht?", wunderte sich Gin. "Wenn ich irgendetwas übersehe, kann es gefährlich werden, aber wo..." Geschockt weiteten sich die Augen des Silberhaarigen, als ihm klar wurde, wo Shuichi noch verletzt sein könnte.

"Nein!... Nicht! Das... bitte... das kann es nicht sein…"
 

Kaum zehn Minuten später saß Gin mit in den Händen verborgenem Gesicht neben Shuichi. Schock und Verzweiflung erfüllte ihn. Seine Vermutung hatte sich bestätigt. Alles hätte er behandeln können. Schnittwunden, Schusswunden, die von der Peitsche aufgerissene Haut, gebrochene Knochen... selbst mit langsam wirkenden Giften kannte er sich bis zu einem gewissen Grad aus. Aber das…

Das überstieg seine Fähigkeiten. Shuichi hatte innere Blutungen. Aufgrund der Vergewaltigung durch diesen Mistkerl starb Shuichi jetzt vor seinen Augen! Und er konnte nichts tun!

Sicher, wenn sein Geliebter innerhalb der nächsten Stunde operiert werden würde, könnte er das überleben... Aber in einem Krankenhaus waren sie zu angreifbar. Die Organisation würde sie sofort finden.

"Kann ich wirklich nichts tun?"

Im nächsten Augenblick war es so, als hätte jemand seine Frage erhört.

Ein dumpfes Poltern auf dem Boden brachte Gin dazu den Kopf zu heben. Shuichis Handy war direkt vor seinen Füßen gelandet. Es schien wohl aus der Tasche seines Mantels gerutscht zu sein, welcher auch neben ihm lag.

“Da gäbe es noch eine Möglichkeit...“, kam es Gin in den Sinn, während er das Handy seines Geliebten aufhob und es dann nachdenklich betrachtete.

Ihm wurde dabei klar, dass er jetzt genau zwei Möglichkeiten hatte:

Er könnte jetzt weiterhin hier verweilen, zu keiner anderen Lösung kommen und sich immer wieder eingestehen, dass er machtlos war, während Shuichi hinter ihm womöglich jeden Moment sterben könnte.

Oder er könnte das FBI hierher locken und ihnen sagen, dass sie Shuichi hier finden würden und er dringend ärztliche Hilfe benötige.

Auf diese Weise würde Shuichi in die Obhut eines sicheren Krankenhauses übergeben werden. “Mir bleibt keine Zeit mehr.“

Ohne zu zögern schaltete Gin das Handy wieder an. Gerade weil es schnell gehen musste, kam ihm die Zeit während das Teil hochfuhr wie eine Ewigkeit vor. Derweil hörte er Shuichis zittrigen Atem hinter sich klar und deutlich, weshalb sich Gins Hand wie von allein nach hinten bewegte, um nach der Hand seines Liebhabers zu greifen.

Sobald dessen Handy in seiner anderen Hand endlich in die Gänge gekommen war, öffnete er sofort die SMS und wählte den gleichen Kontakt wie beim letzten Mal aus.

Dabei versuchte Gin irgendwie seine zunehmende Unruhe zu vertreiben, welche beim ausführlichen Schreiben einer SMS mit lebenswichtigen Informationen nur stören würde.

“Konzentrier dich!“, befahl er sich in Gedanken und tippte schnell die Nachricht auf dem Smartphone ein:
 

[ Shuichi befindet sich jetzt im Juyoh Hotel, zweite Etage, Zimmer 213. Ihr müsst euch beeilen, er muss DRINGEND in ein Krankenhaus und schwebt in Lebensgefahr… ]
 

Damit wäre es eigentlich erledigt gewesen, doch Gins Finger hörte nicht auf zu tippen. Unbemerkt hatte er Shuichis Hand fester gegriffen. Seine Verzweiflung und die große Angst um seinen Geliebten nahmen im nächsten Moment Besitz von seinem Verstand und beeinflussten seine Handlungen. Er schrieb seine Gedanken wortwörtlich auf.
 

[ Die wunden sjdn zu gros. Ich kann nichgs für ihn tun... es ist meinr schuld. Wen ixh doch nur schneller gewesen wäre hätte ich ihm vielleicht noch helfem können. Ich war zu lanhsam. Ich will nicht dass er stirbt. Bitte ]
 

Die Tränen, die sich dabei in seinen Augen bildeten und auf das Display des Handys tropften, verschwammen leicht seine Sicht. Zudem tippte er viel zu schnell, doch die dadurch entstandenen Tippfehler waren ihm egal.

Als er auf Absenden gedrückt hatte, entglitt das Smartphone seiner Hand und landete wieder auf dem Boden. Er drehte sich umgehend wieder zu Shuichi, ließ jedoch dessen Hand los.

"Alles wird gut... Ich lasse nicht zu, dass du stirbst." Gin legte seine Hände um Shuichis Wangen und beugte sich über ihn.

"Das darfst du mir nicht antun, hörst du...?", schluchzte er und ein paar seiner Tränen landeten auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen. Gin wusste, dass dieser ihn vermutlich nicht hörte und doch hoffte er, dass seine Worte ihn erreichen würden. Vielleicht waren es die Letzten, die er ihm sagen konnte.

"Lass mich nicht allein...", flüsterte er, woraufhin er sich weiter zu Shuichi herunterbeugte und ihm einen Kuss auf die längst trockenen Lippen gab. Vielleicht würde er das nie wieder tun können.

Er strich durch die schwarzen Strähnen, hauchte seinem Gebliebten noch die Worte "Ich liebe dich" ins Ohr, bevor er sich wieder aufrichtete. Vielleicht würde er ihm diesen Satz nie wieder sagen können. Und er würde ihn vielleicht auch nie wieder selbst von Shuichi zu hören bekommen.

Mit einem letzten verzweifelten Blick auf Shuichi, begab Gin sich ohne seinen Mantel zur Tür und öffnete diese.

Vielleicht würde er Shuichi nie wieder sehen, wenn er jetzt dieses Zimmer verließ. Ob der Tod ihm seinen Geliebten nehmen würde oder das FBI sie voneinander trennen würde, wusste er nicht.

Aber das letztere war Gin gleichgültig. Alles was er wollte war, dass Shuichi überlebte. Er schloss die Tür hinter sich und ließ den Zimmerschlüssel draußen im Schloss stecken, um sich sicher sein zu können, dass das FBI diesen Raum problemlos betreten konnte. Dann entfernte er sich vom Zimmer und ging.

Erwachen

"Shuichi…"

Als Akai den Engel sah, lächelte er. Nie hätte er geglaubt, einen Engel in Gins Gestalt zu sehen. Aber vielleicht nahmen die Todesengel auch einfach nur die Gestalt der Person an, die dem Sterbenden am wichtigsten war.

"G...i...n"

Aus irgendeinem Grund fiel ihm das Sprechen schwer. Und auch sein Auge konnte er kaum noch offen halten. Aber er wollte diesen Engel noch länger ansehen. Das Licht hinter ihm betonte die Silber-weißen Haarsträhnen und ließen sie so unglaublich schön strahlen. Akai wollte danach greifen. Aber sein Arm bewegte sich nicht.

Er war so müde…

Die Lippen des Gin-Engels bewegten sich. Doch er konnte ihn nicht hören. Angestrengt konzentrierte sich Akai auf die Lippen und schließlich verstand er doch, was ihm der Engel sagen wollte. "...alles...wird gut…"

Akai glaubte ihm. Das wollte er ihm auch sagen, doch seine Lippen gehorchten ihm nicht mehr.

Ob Engel Gedanken lesen konnten? Fast musste der Agent bei dieser Frage lachen. Die hatte er sich noch nie gestellt. Er war ja auch nicht sonderlich gläubig…

Trotz aller Bemühungen gelang es ihm nicht länger, die Augen offen zu halten.

Etwas später - Akai wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war - spürte er, dass er von dem Engel getragen wurde. Es gelang ihm nur für einen kurzen Moment ein Auge zu öffnen, doch die silbernen Strähnen, die er dabei bemerkte, bestätigten, dass es der gleiche Engel sein musste.

Es sei denn, alle Engel hatten silbernes Haar... der Gedanke gefiel ihm irgendwie. Denn Gin war ein Engel. Zumindest für ihn. Gin war sein persönlicher Engel…

Akais Bewusstsein schwankte zwischen müder Benommenheit und völliger Leere.

Irgendwo am Rande bekam er mit, wie der Engel ihn durch einen oder mehrere Gänge trug. Er konnte die Schritte des Engels hören und spürte das Schwanken der Schritte. Warum flog er nicht? Waren die Gänge vielleicht zu eng? Oder konnte er nicht fliegen?

Er spürte, wie der Engel ihn sanft irgendwo gegenlehnte... dann entfernte er sich und Akai fing an in Panik zu geraten. Lass mich nicht allein! Schrie er ihm gedanklich zu, denn sein Körper war wie betäubt. Nicht ein einziger Muskel gehorchte seinem Befehl.

Zum Glück schien der Engel tatsächlich Gedanken lesen zu können, denn kurz darauf kam er zurück. Als er erneut hochgehoben wurde, erkannte Akai den vertrauten Geruch und ließ sich beruhigt von der Wärme des anderen zurück in die Dunkelheit gleiten.

Dieses Mal schien er länger zu schlafen. Denn als Akai wieder etwas von seiner Umgebung registrieren konnte, lag er auf dem Bauch. Die Unterlage war warm und weich und er fühlte sich geborgen.

Wo...? Nur mit viel Mühe gelang es ihm, ein Auge so weit zu öffnen, dass er etwas sehen konnte. Dieser Raum sah aus wie ein Hotel. Recht ungewöhnlich dachte der Agent, doch als er weiter darüber nachdachte, war es vielleicht doch nicht so ungewöhnlich. Er befand sich wohl noch auf der Durchreise. Der Engel saß auch noch neben ihm.

Als würde der Engel seine Unsicherheit spüren, umfasste er Akais Hand und drückte sie. Es gab Akai Sicherheit und erneut beruhigt, und überzeugt, nicht allein zu sein, erlaubte er der Müdigkeit wieder, sein Auge zu schließen.

Doch gerade als sich Akai wieder der völliger Dunkelheit ergeben wollte, verschwand die Hand. Erneut stieg Panik in dem Agenten auf. Wo gehst du hin?, schrie er dem Engel gedanklich entgegen.

"Alles wird gut..." Während diese Worte den Agenten wieder beruhigten, verwirrten ihn die nächsten. "Ich lasse nicht zu, dass du stirbst."

Heißt das, ich bin noch nicht tot?, wunderte sich Akai. Dann ist das hier wirklich eine Zwischenstation? Bringst du mich wieder zurück? Doch auf keine von Akais Fragen erfolgte eine Antwort.

"Lass mich nicht allein..." War das der Engel der zu ihm sprach oder sein eigener Gedanke? Akai war sich nicht sicher. Alles verschwamm im Nebel der Bewusstlosigkeit, während sich die Lippen des Engels auf seine eigenen drückten.
 

"...Shu?", hörte Akai eine besorgte Frauenstimme sagen. Er runzelte unwillig die Stirn. Jodies Stimme war nicht gerade die erste, die er beim aufwachen hören wollte... Zwar mochte es eine Zeit gegeben haben, wo das anders war, aber die war schon lange vorbei.

"Der Patient Shuichi Akai hat die Operation gut überstanden. Abgesehen von den zuvor erwähnten Verletzungen und den daraus resultierenden, notwendigen Eingriffen, war sein gesamter Körper stark dehydriert.", antwortete eine männliche Stimme, die er nicht kannte. "Daher haben wir ihn auch jetzt noch an den Tropf angeschlossen. Zusätzlich bekommt er darüber auch wichtige Nährstoffe und Mineralien zugeführt, die er jetzt dringend benötigt. Er braucht jetzt viel Ruhe und Zeit, damit er sich wieder erholen kann."

"Also wird er wieder gesund?!"

"Nicht wenn ich dein Geheule noch länger mit anhören muss...", dachte der Agent frustriert und versuchte das Schluchzen auszublenden... Was sich als unmöglich herausstellte.

Mittlerweile war er dafür viel zu wach.

"Wenn er genug Ruhe bekommt.", betonte der Mann, welcher offensichtlich ein Arzt zu sein schien. Und für die folgenden Worte wäre ihm Akai am Liebsten um den Hals gefallen: "Ich verstehe, dass dies für Sie sehr bewegend und aufwühlend ist, besonders unter den gegebenen Umständen. Aber ich empfehle Ihnen - auch zum Wohl meines Patienten - sich erstmal draußen etwas zu beruhigen."

Nach einer kurzen Stille, in der nur Jodies Schluchzen und Schniefen zu hören war, stimmte sie dem Arzt glücklicher weise zu. "Ja. Ja, ich glaube Sie haben Recht. Bitte entschuldigen Sie mich."

Akai nahm einen tiefen, erleichterten Atemzug, als er hörte, wie sich die Tür hinter seiner Kollegin schloss. Er genoss die Ruhe und wollte gerade anfangen, sich die letzten Ereignisse in Erinnerung zu rufen, die ihn scheinbar in ein Krankenhaus gebracht hatten, als der Arzt wieder anfing zu reden: "Ich empfehle Ihnen, sich bereits nach einem Psychologen umzusehen. Auch wenn es den Patienten unter solchen Umständen oft schwer fällt darüber zu reden, so ist das doch die beste Möglichkeit, um alles zu verarbeiten. Vielleicht gibt es auch jemanden in seiner Umgebung, dem oder der er sich anvertrauen kann... Aber gerade nahestehenden Personen wie Familienmitgliedern gegenüber, fällt es Betroffenen oft schwer sich auszusprechen. Da können außenstehende, neutrale Personen bessere Unterstützung bieten. Oder Geliebte... vorausgesetzt, die sind stark genug dafür. Was viel seltener der Fall ist, als diese zugeben wollen."

"Ja natürlich. Vielen Dank für alles.", antwortete zu Akais Verwunderung James Black dem Arzt.

„Ich muss dann auch weiter, Sie kommen allein zurecht?“, fragte dieser dann und war anscheinend kurz davor das Zimmer verlassen.

„Ich werde auch nicht mehr lange bleiben, danke.“, nach diesen Worten herrschte einen Moment Stille, bevor jemand den Raum verließ und die Tür schloss. Ein Seufzen war von James zu vernehmen.

Da Akai nun allein mit seinem Vorgesetzten zu sein schien, erlaubte er es sich, sein Auge zu öffnen. Ihm wurde dabei bewusst, dass um sein rechtes Auge wieder ein leichter Verband gewickelt war. Akai versuchte sich aufzusetzen. Dies war jedoch schwerer als gedacht, wie er feststellen musste. Als er sich auf seine Arme abstützen wollte, fing sein ganzer Körper an zu schmerzen. Ein schmerzerfülltes Stöhnen entwich ihm und er sank zurück auf das Bett. Sein ganzer Körper schien einbandagiert zu sein. Jetzt erinnerte er sich auch wieder an die letzten Ereignisse. Doch bevor Akai vollständig von den Erinnerungen und den damit verbundenen Gefühlen übermannt wurde, hörte er, wie er von James angesprochen wurde: „Sie sollten sich nicht übernehmen, Akai.“, riet er ihm.

Akai drehte seinen Kopf so, dass er den älteren Mann sehen konnte, welcher gerade dabei war, sich einen Stuhl zu nehmen.

„Da haben Sie sich ja mal wieder in ordentliche Schwierigkeiten gebracht.“, sprach er währenddessen und setzte sich dann.

Akai war ein klein wenig erleichtert, dass die Situation nicht ganz die Gleiche wie bei seinem ersten Krankenhausaufenthalt war. Keine überfürsorgliche Jodie, die ihm jetzt Vorwürfe machte. Doch der Rest schien relativ ähnlich zu sein, darunter auch etwas ganz Entscheidendes:

Er wusste wieder nicht, wo Gin sich jetzt aufhielt und ob mit ihm alles in Ordnung war.

„Was ist mit Gin?“, rutschte es dem Schwarzhaarigen daher einfach heraus, obwohl er das gar nicht so direkt fragen wollte. Doch nun konnte er die Frage nicht mehr zurücknehmen.

„Was ihn betrifft, muss ich mich leider entschuldigen. Wir konnten ihn nicht schnappen.“, antwortete James bedauernd, der zu Akais Erleichterung seine Frage falsch aufgenommen hatte.

„Wie habt ihr denn erfahren, dass Gin beteiligt war?“, erkundigte sich Akai überrascht.

„Wir haben es erst erfahren, als wir Sie gefunden haben. Wir konnten Gins blutbefleckten Mantel und seinen Hut in dem Hotelzimmer sicherstellen. Außerdem war er auf einigen der Überwachungskameras des Hotels zu sehen.“, erklärte James daraufhin.

“Ein Hotel?“, ging es Akai durch den Kopf. Doch bevor er dem aufkommenden Gedanken nachgehen konnte, sprach James schon weiter: „Es tut mir aufrichtig leid, wir haben erst dank der SMS von der Frau, die Sie wohl beschützt haben, von ihrem Aufenthaltsort erfahren.“

Akai starrte seinen Vorgesetzten erstaunt an. “Eine Frau?“

Diesem entging der Gesichtsausdruck des Schwarzhaarigen nicht, deshalb sprach er schnell weiter: „Verzeihen Sie“, begann er, „ich verstehe, dass das noch zu viel für Sie ist und Sie Zeit brauchen, das Alles zu verarbeiten. Daher sollten wir das Gespräch besser auf Morgen verschieben. Aber ich bitte Sie, sich bis Morgen zu überlegen, was Sie uns über diese Frau sagen können. Denn sie wird sicherlich noch von der Organisation verfolgt. Wir haben sie bei Ihnen nicht angetroffen, und je eher wir sie finden, desto besser ist es für alle Beteiligten.“

Nach diesen Worten war er bereits dabei, sich wieder von dem Stuhl zu erheben.

Akai hingegen war jetzt noch verwirrter als vorher.

„A-Aber-“, wollte er eine Frage beginnen, wurde jedoch unterbrochen.

„Schon gut.“, beruhigte sein Vorgesetzter ihn. „Ruhen Sie sich aus.“, wiederholte er die Worte des Arztes.

Als James ihm den Rücken zukehrte, wollte Akai sich aus Reflex erneut aufsetzen und noch etwas sagen, doch durch den wiederholten Schmerz, der seinen Körper durchfuhr, blieben ihm die Worte im Hals stecken. Gedanklich fluchend versuchte er sich wieder zusammenzureißen und James noch etwas hinterher zu rufen, doch ehe er sich versah, hatte dieser bereits das Zimmer verlassen und er war wieder allein.

“Wen zur Hölle meinte er mit dieser Frau? Ich muss mir morgen unbedingt die SMS zeigen lassen, vielleicht kann ich so feststellen, wer die geschrieben haben könnte. Die einzige Frau, die mir spontan einfällt, ist Merlot...“ Akai belächelte seinen Gedanken dann jedoch. Das war völlig absurd. Immerhin befand die sich noch unter dem Schutz des FBIs.

Im nächsten Moment kehrten jedoch seine Gedanken zu seinem Geliebten zurück. Er ließ sich die Aussage zu diesem erneut durch den Kopf gehen: „Wir konnten Gins blutbefleckten Mantel und seinen Hut in dem Hotelzimmer sicherstellen. Außerdem war er auf einigen der Überwachungskameras des Hotels zu sehen.“

“Diese Unvorsichtigkeit passt nicht zu ihm... Was war da los mit dir?“, fragte er seinen Liebhaber gedanklich. Er wüsste die Antwort zu gern. Zumal er jetzt wusste, welche Bedeutung gerade der Hut für Gin hatte.

Akai versuchte sich vor seinem inneren Auge ein Hotelzimmer vorzustellen, wobei ihm automatisch das Hotelzimmer aus seinem Traum in den Sinn kam. Da hatte Gin so verzweifelt gewirkt und dessen Engelserscheinung hatte ihn geküsst. Dieser Traum war ihm so real erschienen, doch die Handlungen widersprachen Gins Wesen. Darum war er der Überzeugung gewesen, von einem Engel zu träumen. Doch vielleicht war an diesem Traum mehr wahr, als er gedacht hatte.
 

So vertieft wie Akai in seine Gedanken und Überlegungen war, bemerkte er nicht, wie es im Zimmer immer dunkler wurde. Erst als das Licht angeschaltet wurde, kehrte er in die Realität zurück. Jemand hatte sein Zimmer betreten.

„Guten Abend. Ich bin nur hier, um Ihren Tropf zu wechseln. Er enthält auch ein stärkeres Schmerzmittel, damit Sie die Nacht besser schlafen können.“, begann eine weibliche Stimme außerhalb von Akais Sichtfeld. An der Wortwahl erkannte er, dass es sich um eine Krankenschwester handelte.

Kurz darauf trat sie in sein Sichtfeld und er konnte beobachten, wie sie den Beutel des Tropfes wechselte. Danach verabschiedete sie sich mit einem kurzen „Gute Nacht“ und verließ das Zimmer wieder.
 

Kaum war Akai wieder allein, begannen seine Gedanken erneut zu kreisen: “Wenn mich meine Kollegen in diesem Zimmer gefunden haben, glauben sie doch jetzt wohl nicht, dass Gin mich...“ Er beendete seinen Gedanken bewusst nicht. Er wollte sich einfach nicht vorstellen, wie es wäre, wenn dies wirklich stimmen würde. Es schon nur ansatzweise es in Betracht zu ziehen, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Doch der Schock dieses Gedankens ließ ihn nicht in Ruhe. Wenn seine Kollegen wirklich davon überzeugt waren und die Wahrscheinlichkeit dafür war hoch, musste er einen Weg finden, dieses Missverständnis aufzuklären.

Sicher, ohne Gin wäre er nie in diese Lage gekommen, doch ohne Gin hätte er wahrscheinlich auch nie gelernt, was es bedeutet, jemanden wirklich zu lieben und zu leben.

“Wobei das leben noch etwas ausbaufähig ist. Ich würde gern auch außerhalb eines Zimmers etwas mit Gin unternehmen...“ Die Wahrscheinlichkeit, dass dies möglich war, war jedoch verschwindend gering. Wenn das FBI den Mörder zu fassen bekam, standen diesem schlimme Zeiten bevor. Was wiederum bedeutete, dass sich Gin nicht mehr vor Akai sehen lassen durfte. Bei diesem Gedanken durchfuhr Akai ein Stich im Herzen. Stärker als die Schmerzen aller Wunden seines Körpers. Vielleicht könnte es ihm irgendwie gelingen, seine Kollegen davon zu überzeugen, dass er Gin brauchte und in seiner Nähe bleiben musste.

Da fiel ihm der Satz des Arztes von vorhin wieder ein: “Der Arzt hat doch auch irgendwas davon gesagt, dass Geliebte bei der Verarbeitung von psychischen Problemen hilfreich sind. Vielleicht…"

Akai grübelte noch bis zum Einschlafen über seine Idee nach.

Traum? Wirklichkeit?

Akais Augen gewöhnten sich nur schwer an das grelle Licht, als er sie leicht öffnete. Er versuchte sich zu bewegen, doch vergeblich. Jeder seiner Gliedmaßen schmerzte. Ihm war kalt. Diese Kälte jagte ihm einen Schauer über den Rücken und ließ eine Gänsehaut auf seiner Haut entstehen.

“Doch warum ist es so kalt? Ich bin doch...“ Er war verwirrt und wollte es erst nicht wahrhaben. Eigentlich durfte ihm nicht kalt sein. Immerhin lag er doch gerade in einem weichen Krankenbett mit einer warmen Decke über seinem Körper… oder war dem nicht so?

„Diesmal hast du wirklich lange geschlafen, Schneewitchen.“, ertönte auf einmal eine tiefe, bekannte Stimme, dessen Besitzer sich zu Akais Schreck direkt vor ihm befand. Mit geweiteten Augen hob er seinen Kopf und erst in diesem Augenblick übermannte ihn die Erkenntnis. Als er das Gesicht des Mannes vor sich wiedererkannte, realisierte er, wo er gerade war.

„Ich dachte fast schon, dass du gar nicht mehr aufwachst...“, fuhr die Stimme fort, welche niemand anderem als Arrak gehörte.

“Nein, nein… das kann nicht sein!“ Akais Gedanken spielten verrückt. Er glaubte zu träumen. Er konnte unmöglich wieder hier sein.

Als sich zwei raue Hände um seine Wangen legten, wollte er umgehend zurückweichen. Doch er hörte nur wie zwei Ketten, die an seinen Handgelenken befestigt waren, raschelten und er sich letztlich doch keinen Meter von der Stelle rührte. Zumal sein Körper sich zu schwach für jegliche Bewegungen anfühlte.

„Was ist los? Du hast doch nicht etwa Angst?“, spottete sein Gegenüber und setzte ein Grinsen auf.

„Nein.“, erwiderte Akai kurz darauf, mit der Begründung: „Das hier ist nicht real.“

Obwohl er daran nicht zweifeln wollte, schwang dennoch Unsicherheit in seiner Stimme mit. Im nächsten Moment hörte er das Gelächter von Arrak, welches er versuchte zu ignorieren.

“Das ist nicht real!“, wiederholte er seine Worte gedanklich, um sich noch einmal klarzumachen, dass er nicht hier sein konnte. “Gin ist gekommen… Ich war doch im Krankenhaus...“

„Traum? Wirklichkeit? Kannst du das denn überhaupt noch unterscheiden?“, kam es plötzlich von Arrak, als hätte dieser seine Gedanken gehört. Und seine Frage gab dem Schwarzhaarigen zu denken. Er schloss die Augen und versuchte seine Umgebung auszublenden.

„Beantworte meine Frage.“, flüsterte sein Peiniger ihm nach wenigen Sekunden ins Ohr. Der Luftzug erzeugt von Arraks warmen Atem ließen Akai zittern. Ohne es zu merken wurde seine Atmung immer schneller. Trotzdem wollte er die Frage nicht beantworten, oder zumindest seine Antwort nicht laut aussprechen. Die Zweifel, die allmählich in ihm aufkamen, machten ihm Angst.

“Und wenn die Tatsache, dass ich gerettet wurde, der Traum war?“, schoss es ihm durch den Kopf, doch verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Er wollte die Wahrheit auch nicht wissen.

“Ich...-“ Akai keuchte auf, als plötzlich eine Faust in seinem Bauch gerammt wurde.

„Warum musst du immer meine Geduld auf die Probe stellen?“, fragte Arrak in einer ernsten Tonlage, doch zum Antworten kam der Agent nicht mehr. Kaum einen Moment später folgte der nächste Schlag, genau an derselben Stelle. Er schrie.

„Also, ich höre?“, fragte der Braunhaarige wiederholt und klang dabei wieder ruhiger, während er seine Hände wieder liebevoll um Akais Wangen legte, als wären die zwei Schläge zuvor nie passiert.

„Ich...w-weiß es...nicht.“, gab Akai schließlich schwer atmend zu.

“Vielleicht war mein Wunsch, dass Gin für mich kommen würde, so groß, dass ich geglaubt habe, es war wirklich passiert...“, dachte er verzweifelt und merkte, wie ihm die Tränen hochkamen. Aber er ließ die Augen weiterhin geschlossen. Er wollte seinen Peiniger nicht ansehen und bis vor kurzem hatte er noch geglaubt, das müsste er auch nie wieder tun.

„Hasst du mich bereits so sehr, dass du mir nie mehr in die Augen sehen willst?“, stellte Arrak eine weitere Frage, woraufhin Akai glaubte, der Kerl wusste genau, was in ihm vorging.

„Glaubst du, wenn man das Monster nicht sieht, existiert es auch nicht?“, obwohl noch keine Antwort erfolgt war, redete Arrak weiter.

„Du bist nicht real.“, entwich es Akai. Inzwischen war er zu durcheinander für die Wahrheit. Er befand sich zwischen zwei Möglichkeiten: Traum und Wirklichkeit. Wobei ihm die erste Variante lieber war. Er wünschte sich, nur zu träumen. Sein Verstand weigerte sich zu akzeptieren, dass dies hier die Wirklichkeit war.

„Ich muss zugeben, dass deine Antworten heute wirklich amüsant sind!“, entgegnete Arrak, der ihm gerade kein Wort glaubte und sich offensichtlich über ihn lustig machte.

„Aber ist ja auch egal...“, nach diesen Worten spürte Akai leichte Küsse auf seiner Schläfe, die kurz darauf von einer feuchten Zunge begleitet wurden.

„Hör auf!“, schrie er sofort und versuchte seinen Kopf wegzudrehen, aber dieser bewegte sich kein Stück und wurde unerbittlich festgehalten.

“Ich muss aufwachen.“, dachte er, aber wusste ebenso wenig, wie er seinen Gedanken in die Tat umsetzen sollte und ob er dazu überhaupt in der Lage war.

Zu seinem Glück ließ sein Peiniger erst mal von ihm ab.

„Sich dagegen zu wehren ist zwecklos, Schneewitchen.“, sagte er, „Auf was hoffst du eigentlich?“

Nach dieser Fragte legte Arrak seine Arme um Akais Körper und zog ihn scheinbar zu einer Umarmung heran, die aber vollkommen andere Absichten hatte als eine normale.

“Wach auf!“, befahl der Schwarzhaarige sich gedanklich und wiederholte es einige Male, bis seine Gedanken von einem Schmerz an seinem Hals unterbrochen wurden. Arrak hatte ihm in den Hals gebissen.

Akai biss die Zähne zusammen, nur um sich gleich darauf lautstark mit einem "Nein!" zu beschweren, als eine Hand anfing, seinen Hintern zu kneten.

"Was denn? Darf das nur dein grauhaariger Idiot?", fragte Arrak provozierend.

"Gin wäre nie so grob.", dachte der Agent und beschwerte sich dann laut: "Du bist nichts im Vergleich zu Gin!"

Daraufhin verfinsterte sich die Miene seines Peinigers. Akai ignorierte dessen Gesichtsausdruck aber und war stattdessen erleichtert, als die Hand von seinem Hintern abließ, doch dann legten sich Arraks Hände um seinen Hals und er bekam keine Luft mehr.

Verzweifelt versuchte er Luft in seine Lungen zu pumpen, doch es fühlte sich an, als wäre nicht nur sein Hals zusammengedrückt, sondern als befände sich auch etwas über Mund und Nase, das ihm am Atmen hinderte

Akai nahm seine Umgebung zunehmend gedämpfter wahr. Ihm wurde wärmer und die Schmerzen, die er bis eben so deutlich gespürt hatte, verschwanden nach und nach. Aber auch alles andere. Er nahm nichts mehr wahr und irgendwann bekam er das Gefühl allein zu sein, doch er traute sich nicht, seine Augen zu öffnen. Die Angst, welches Bild sich ihm dann zeigen würde, war zu groß…
 

Panisch versuchte Akai, nach Luft zu schnappen und riss dabei sein Auge auf. Obwohl er glaubte, endlich wach zu sein, veränderte sich sein Sichtfeld nicht. Es war immer noch tiefschwarz. Irritiert bewegte der Agent seinen Kopf etwas und spürte, wie der weiche Stoff eines Kissens über sein Gesicht strich.

Er drehte daraufhin seinen Kopf weiter zur linken Seite, wodurch sich ihm glücklicherweise wieder ein etwas farbenfroheres Bild offenbarte:

Die schlichten, weißen Wände seines Krankenzimmers, die mintfarbenen Vorhänge, welche ein breites Fenster schmückten und die helle Sonne, deren Strahlen bereits in den Raum schienen. Auch ohne einen Blick auf die Uhr werfen zu müssen, erkannte Akai, dass es früh am Morgen war.

Er atmete tief aus, um seine Atmung wieder zu beruhigen.

"Ich bin es einfach nicht gewohnt, auf dem Bauch zu schlafen...", stellte er fest. Die Tatsache, dass er wegen seiner Liegeposition beinahe beim Schlafen erstickt war und dies seinen Alptraum beeinflusst hatte, regte ihn wirklich auf. Doch weil sich seine schweren Verletzungen nun mal überwiegend auf dem hinteren Teil seines Körpers befanden, konnte er daran nichts ändern. Vermutlich würde er bei einer anderen Position wohl noch stärkere Schmerzen haben. Allerdings war seine Liegeposition gerade nicht sein Hauptproblem.

Mühselig versuchte der Schwarzhaarige, die letzten Fragmente seines Traumes zu vertreiben. Sie zu verdrängen. Doch so leicht war das nicht.

"Reiß dich zusammen! Er ist weg...", ermahnte er sich selbst in Gedanken, "Ich werde ihm nie wieder begegnen...", fügte er noch hinzu, um sich zu ermutigen. Obwohl er sich nicht sicher sein konnte, ob dies wirklich der Fall war, würde er sich niemals von diesem Scheißkerl kaputt machen lassen. Unbedeutend ob in der Realität oder in seinen Träumen.

"Es spielt keine Rolle, ob ich Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann... Ich werde mich dir niemals unterwerfen!", beantwortete er nun mit verhasster Miene die Frage, welche ihm die Traumgestalt von Arrak gestellt hatte.
 

Ein paar Stunden später wartete Akai darauf, dass die Krankenschwester seine Kollegen zu ihm ließ. Mit Hilfe von vielen Kissen, die ihm eine Krankenschwester gebracht hatte, lag Akai jetzt auf dem Rücken. Das war zwar wie vermutet schmerzhaft, aber erstens wollte er seine Kollegen bei dem kommenden Gespräch ansehen können und zweitens wäre es ihm unmöglich gewesen, auf dem Bauch liegend zu essen. Was auch der Grund war, mit dem er die Krankenschwester überzeugen konnte.

Da diese jedoch darauf bestanden hatte, dass sein Hintern nach der Operation noch geschont werden müsse und auf keinen Fall das Gewicht seines Körpers tragen dürfe, waren ihm jetzt von allen Seiten Kissen untergeschoben worden.

Dadurch waren die Schmerzen viel erträglicher, als er geglaubt hatte. Wobei die Schmerztabletten, die er beim Frühstück eingenommen hatte, wohl auch ihren Teil dazu beitrugen.
 

Endlich ging die Tür auf und James betrat gefolgt von Jodie und einem weiteren Kollegen den Raum. Mit einem kurzen Nicken begrüßte Akai die drei, wobei er in dem dritten einen Kollegen erkannte, mit dem er hin und wieder zusammengearbeitet hatte.

James begrüßte Akai mit gewohnter Ruhe und Jodie war total aufgelöst, auch wenn sie heute versuchte sich zusammenzureißen. Das fiel ihr eindeutig schwer und ehe er sich versah, liefen ihr auch schon die Tränen übers Gesicht. Zum Glück ohne ohrenbetäubendes Schluchzen.

"Es tut mir so leid Shu...", brachte sie mit gebrochener Stimme hervor, an der Akai erkannte, dass sie die letzte Zeit bereits viel geweint haben musste. Wobei dafür eigentlich auch ein Blick ins Gesicht ausgereicht hätte.

Er lächelte sie leicht an und sagte so ruhig und gefasst wie immer: "Schon gut, ich lebe ja noch. Und das Ganze ist doch nicht deine Schuld."

"Aber du hast dich doch nur auf die Suche nach Gin gemacht, weil ich dich letztens so angeschrien habe.", widersprach Jodie sofort.

Akai verdrehte gedanklich die Augen. Sie war der Grund, aus dem er sich angewöhnt hatte zu behaupten, jeder hätte eine 50:50 Beteiligung an Geschehnissen. Denn sie neigte dazu, sich für alles die ganze Schuld selbst zuzuschreiben und wenn man sie vom Gegenteil überzeugen wollte, schaltete sie erst recht auf stur und war noch schwerer zu beruhigen.

"Das stimmt so nicht.", widersprach Akai. "Eher wurde ich von ihm gefunden."

Verwirrt sah Jodie ihn an.

"Gin lässt sich nicht finden, wenn er das nicht will.", erklärte er daraufhin seiner Kollegin.

"Wenn er sich verbergen will, ist es so gut wie unmöglich, ihm zu begegnen. Bei ihm ist es eher andersrum. Wenn er etwas will, findet er dich."

Angespannte Stille legte sich über den Raum und erst jetzt wurde sich Akai bewusst, wie die Worte auf seine Kollegen wirken mussten. Seufzend fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare, bevor er den Blick in den Raum lenkte und ohne jemanden direkt anzusehen sagte: "Kann ich bitte einen Moment mit James allein sein? Ich... muss etwas Wichtiges mit ihm besprechen."

Sofort sprang Jodie auf und nickte. "Ja. Natürlich. Wir... wir sind dann mal draußen und passen auf, dass niemand reinkommt."

"Sie ist so leicht zu durchschauen.", dachte Akai, während seine Kollegin den Raum verließ und gleichzeitig den anderen Kollegen vor sich herschob. Es war offensichtlich, dass sie glaubte, er würde mit James über die... Ursache seiner Verletzungen reden. Selbst gedanklich war es schwer sich einzugestehen, was passiert war.

Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und zwang sich dazu, wenigstens gedanklich zuzugeben, was passiert war. Denn Schwäche passte nicht zu ihm. Er hatte es überlebt und überstanden und würde sich auch im Nachhinein nicht davon zerstören lassen.

"Ich wurde von Arrak vergewaltigt. Doch das ändert nichts an meinen Gefühlen zu Gin und meiner Willensstärke. Er kann und wird mir nichts mehr tun. Dafür werde ich sorgen."

Akai öffnete die Augen und richtete seinen Blick auf James. Dieser wirkte gefasst, auch wenn Akai eine leichte Nervosität bemerkte. "Keine Sorge, es geht nicht... darum.", auch wenn er sich gedanklich dazu zwingen konnte, es zu akzeptieren. Es auszusprechen war noch etwas ganz anderes.

James sah ihn besorgt an. "Sie müssen aber mit jemandem darüber reden. Es nicht zu tun wird-"

"Ich werde auch mit jemandem darüber sprechen, das verspreche ich.", versicherte Akai seinem Vorgesetzten. "Aber nicht jetzt."

Mit dieser Versicherung schien es, als wäre eine Last von James Schultern gefallen und er war wieder ganz der gefasste Vorgesetzte, den Akai kannte.

"Also gut, worum geht es?"

"Um Gin.", gab Akai unumwunden zu und beobachtete, wie James Haltung sich etwas veränderte.

"Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz?", hakte James nach. Es überraschte Akai auch nicht. Immerhin schienen alle davon auszugehen, dass es Gin war, der ihn in diesen Zustand gebracht hatte.

"Gin war es nicht." Schlicht und einfach. Nur Vier Worte. Sie waren schnell ausgesprochen und doch hatten sie eine gewaltige Bedeutung. Alles hing jetzt davon ab, dass James ihm glaubte.
 

Über die nächsten Stunden versuchte Akai seinem Vorgesetzten die Geschehnisse der letzten Monate zu erklären. Dabei vermied er es, seinen Vorgesetzten direkt zu belügen, behielt aber auch viele Sachen für sich. Von Gins Beteiligung an "Merlots-Fall" verriet er nichts. Das spielte für die kürzlichen Ereignisse keine Rolle.

Auch seine erste Begegnung mit Gin beschönigte er etwas. Zwar gab er zu, dass Gin ihn zu Beginn entführt hatte, behauptete aber, bereits am ersten Tag freigelassen worden zu sein. Gin wäre nur auf der Suche nach jemandem gewesen, der ihn vor der Organisation schützen könnte. Er hätte gewusst, dass Akai von einer dritten Partei Unterstützung bekommen haben musste, als er seinen Tod vortäuschte. Immerhin hatte das FBI seinen Tod geglaubt.

Akai hätte daraufhin versucht, Gins Vertrauen zu gewinnen und gerade, als ihm das gelungen war und er seine Kollegen darüber in Kenntnis setzen wollte, wären sie von der Organisation entdeckt worden.

Gin sei die Flucht geglückt, während Akai von Arrak gefangengenommen wurde.
 

"Diese Geschichte klingt ziemlich weit hergeholt.", meinte James stirnrunzelnd. Doch bevor Akai etwas zu seiner Verteidigung hervorbringen konnte, hob sein Vorgesetzter die Hand, um weiterzureden: "Angenommen, ich würde Ihnen glauben. Wie erklären Sie dann die Hinweise auf Gin, die wir in dem Hotelzimmer gefunden haben?"

"Ich behaupte ja nicht, dass er nicht da war." Jetzt war es Akai, der James mit einem Blick an einer Unterbrechung hinderte. "Gin wollte mich retten."

Die Falten auf James Stirn wurden tiefer und Akai konnte ihm den Gedanken "Reden wir wirklich von derselben Person!" am Gesicht ablesen.

"Warum sollte er das tun? Er war immerhin schon entkommen."

Jetzt kam der schwierigste Teil.

"Wissen Sie, die Umstände und mein Versuch Gins Vertrauen zu gewinnen, haben dazu geführt, dass sich etwas in ihm...verändert hat. Er hat sich verändert... Mit anderen Worten... Er liebt mich."

Während James ihn sprachlos anstarrte, nutzte Akai die Gelegenheit, um weiterzureden: "In den Monaten, die ich mit ihm verbracht habe, habe ich ihn auch besser kennengelernt. Eine andere Seite an ihm ist zum Vorschein gekommen... Und…"

"Bitte... sagen Sie das nicht.", sagte James tonlos. Er ahnte, was nun folgen würde.

Akai sah seinen Vorgesetzten hingegen fest an und sprach die unvermeidlichen Worte aus:

"Ich liebe ihn auch."

Festnahme

Scheinbar ruhigen Schrittes ging Gin im Eingangsbereich des Krankenhauses auf den Empfangstresen zu. Doch so nervös war er schon ewig nicht gewesen. Am Liebsten würde er auf dem Absatz kehrt machen und gehen, so, wie es ihm sein Instinkt riet, doch die Sorge um Shuichi war größer.

Es war bereits ein Monat vergangen, seit er das FBI informiert hatte und er seinen Geliebten für immer verlassen musste. Jetzt musste er sich endlich davon überzeugen, dass Shuichi noch lebte.

Herauszufinden, in welches Krankenhaus Shuichi gebracht worden war, war keine schwere Aufgabe gewesen. Er hatte sich das Kennzeichen des Krankenwagens gemerkt, der an jenem Tag gekommen war. Dadurch konnte er nachvollziehen, wo sie ihn hingebracht hatten. Es war ein recht großes Krankenhaus. Perfekt geeignet, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Agenten des FBI konnten sich einfach unter die anwesenden Personen mischen und würden nicht auffallen, während sie ihren Kollegen beschützten.

Aber genau aus dem Grund hatte sich Gin auch so lange von diesem Krankenhaus ferngehalten. Die Verletzungen seines Geliebten waren nicht ohne gewesen. Er musste mindestens zwei Wochen hier gewesen sein. Wäre er in der Zeit hier aufgetaucht, hätte er riskiert, erkannt zu werden.

Endlich war die ältere Frau vor ihm fertig mit ihrem Erkundigen und Gin konnte sich an die Schwester wenden. Ihr angestrengt freundliches: "Wie kann ich Ihnen helfen?" riss ihn aus seinen Gedanken.

"Ich möchte einen Freund besuchen, bin mir aber nicht sicher, ob er sich noch hier befindet.", begann Gin mit seiner erfundenen Erklärung. Dabei war er sich sicher, dass Shuichi längst nicht mehr hier war. Seine Verletzungen sollten soweit geheilt sein, dass das FBI ihn nicht länger in einem öffentlichen Krankenhaus behandeln lassen würde. Während die Frau ihn weiter anlächelte und offensichtlich nur mit einem halben Ohr zuhörte, fuhr Gin fort: "Ich habe die Information, dass er hierhergekommen ist, erst jetzt erhalten. Könnten Sie also bitte nachsehen, ob er noch hier ist?"

"Wen suchen Sie denn?", erkundigte sich die Schwester desinteressiert.

"…"

Abwartend sah sie von ihrem Computerbildschirm auf, als nicht sofort eine Antwort kam.

"Verdammte Scheiße! Warum hab ich nicht gleich daran gedacht, dass er hier unter einem anderen Namen liegen könnte! Und nach der Art der Verletzung kann ich auch schlecht fragen!", fluchte Gin gedanklich. "Jetzt heißt es alles oder nichts." "Er heißt Shuichi Akai.", sagte er schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte oder die genervte Frau vor ihm anfing, ungehalten zu werden.

Seufzend wandte diese sich wieder ihrem Computer zu und tippte etwas ein. Dann runzelte sie die Stirn.

"Entschuldigen Sie bitte, aber der Computer scheint gerade ein kleines Problem zu haben. Das ist in letzter Zeit leider häufiger der Fall.", erklärte sie und tippte weiter mit Maus und Tastatur.

"Gibt es ein Problem?", erkundigte sich eine weitere Schwester, die wohl bemerkte, dass die Schlange hinter Gin immer länger wurde. Und dessen Geduldsfaden immer dünner. Er war kurz davor abzuwinken und zu gehen. Er wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und je mehr Leute sich hier versammelten, um so unwohler fühlte er sich.

"Der Computer ist schon wieder abgestürzt!", beschwerte sich die Schwester des Empfangs.

"Soll ich mal einen Blick drauf werfen? Vielleicht reicht ein kleiner Klaps.", meinte die andere gut gelaunt.

"Vielleicht, du scheinst ja ein Händchen dafür zu haben. Bei mir funktioniert das nie."

Gin unterdrückte das Bedürfnis von einem Fuß auf den anderen zu treten. Gedanklich rollte er mit den Augen. "Macht einfach hin! Ich will nur wissen, ob es ihm gut geht und dann bin ich weg!"

Die neue Schwester ging um den Tresen und fing an, selbst ein wenig herum zu probieren, bevor sie den Kopf schüttelte und meinte: "Nein, da ist wirklich nichts zu machen. Da muss ein Techniker ran. Um wen ging es denn?"

Gin verengte die Augen. "Warum fragt sie direkt, um wen es geht? Ich könnte doch auch gefragt haben, wohin ich zu einem ambulanten Termin muss..." Doch seine Überlegungen wurden von dem Ausruf der Schwester unterbrochen, deren Frage beantwortet worden war.

"Ach! Der junge attraktive Herr! Wirklich! Das war ja... Oh! Entschuldigung, davon sollte ich hier besser nicht reden. Sie sind also ein Freund von ihm?"

"Ja.", beantwortete Gin misstrauisch die Frage.

"Kommen Sie bitte ein Stück zur Seite, damit meine Kollegin sich den anderen widmen kann. Dem ein oder anderen kann sie ja vielleicht noch ohne Computer helfen."

Misstrauisch folgte Gin ihr neben den Tresen und machte den hinter ihm stehenden Personen Platz. Zwar fühlte er sich nach wie vor nicht wohl, doch er fühlte sich nicht mehr so umzingelt und atmete unbewusst etwas auf.

"Wissen Sie... was ihm zugestoßen ist?", fragte die Schwester ihn jetzt leise.

Gin betrachtete sie, bevor er vorsichtig nickte. "Ja... das ist der Grund, warum ich hergekommen bin, obwohl ich es erst jetzt erfahren habe."

"Wirklich schrecklich! Und die Operation war auch..." Ein Piepen unterbrach die Schwester genau an der Stelle, wo sie Gins volle Aufmerksamkeit gewonnen hatte. Seine Hand zuckte Richtung Waffe. Er konnte sich gerade noch davon abhalten sie sofort zu ziehen.

Die Schwester sah auf ein kleines Gerät, von dem das Piepen kam.

"Entschuldigen Sie, ich muss nachsehen, was da los ist. Aber wenn Sie wollen, können Sie ja mitkommen und wir unterhalten uns unterwegs etwas.", meinte sie und war losgelaufen, bevor Gin ihr antworten konnte.

Ihm blieb keine andere Wahl, als ihr zu folgen.

"Wie geht es ihm denn?", erkundigte sich Gin, sobald er sie eingeholt hatte. Die Frau lief erstaunlich schnell, obwohl sie nicht rannte.

"Die Operation hat er gut überstanden. Aber der Arzt macht sich mehr Sorgen um seinen psychischen Zustand. Selbst wenn der Körper heilt, heißt das leider nicht, dass die Seele ebenso genesen kann."

Gins Herz krampfte sich zusammen. "Heißt das...?!" "Er ist…"

Bevor Gin seine spontan gestellte Frage beenden konnte, öffnete die Schwester eine Tür und verschwand in dem Raum dahinter, wobei sie die Tür offenließ. Eine Einladung ihr zu folgen. Getrieben von Sorge und Befürchtungen trat Gin nach ihr ein, während sie mit einem Patienten zu reden schien. Im nächsten Moment fiel die Tür hinter ihm zu und er erstarrte.

"Scheiße! Ich war zu leichtsinnig! Nie! Nie hätte ich in so eine einfache Falle tappen dürfen!"

Kurz darauf musste er feststellen, dass das Zimmer bereits von FBI-Agenten überfüllt war, darunter war die Krankenschwester selbst auch eine davon, da sie ihre Waffe nun auf ihn gerichtet hielt. Die vermeintlichen Patienten, die bis eben noch still im Bett gelegen hatten, waren in Sekundenschnelle aufgestanden und hatten dabei ebenso ihre Dienstwaffen gezückt. Gin unterdrückte ein lautes Fluchen, während er seine Hand zu seiner eigenen Waffe wandern ließ. Vielleicht würde er es noch schaffen, die Agenten unschädlich zu machen. Doch da hörte er schon eine weibliche Stimme hinter seinem Rücken, die ihm dieses Vorhaben verwehrte: „Denk nicht mal dran.“, stieß sie in einem drohenden Tonfall hervor, begleitet von einem Klicken ihrer Pistole.

Gin stoppte daraufhin seine Handbewegung, ließ sich aber dennoch nicht einschüchtern und drehte den Kopf, so dass er die Agentin hinter sich an der Tür ansehen konnte, deren Stimme er bereits erkannt hatte. Aber zu seiner Überraschung standen dort sogar zwei Agenten. Wie erwartet befand sich darunter zwar die blonde Agentin Jodie Starling, doch neben ihr befand sich des Weiteren noch ein älterer Mann mit Bart und Brille. Gins Gefühl verriet ihm, dass es sich dabei wohl um ein höheres Tier der tätigen FBI-Agenten in Japan handeln musste. Der Mann wirkte, als hätte er bereits viel Erfahrung und Führungskompetenz.

„Du hast es uns wirklich leicht gemacht, Gin.“, meinte der Ältere herablassend.

Gins Augen verengten sich. Jedoch schwieg er und ließ sich die Aussage nochmals genauer durch den Kopf gehen.

“Das wirkt alles so, als hätten sie es gewusst...“ Der Silberhaarige ließ seinen Blick unauffällig durch den Raum schweifen und musterte die Agenten. Die Situation sah in der Tat gut vorbereitet aus.

“Aber warum glaubten sie, dass ich hierherkommen würde? Zumal ich doch nicht einmal wissen konnte, ob Shuichi...lebt.“ Er verstand es nicht. Aus Sicht des FBIs hatte er keinen Grund sonst hier aufzutauchen, außer eben um sich nach Shuichis Zustand zu erkundigen, aus Sorge… Da weiteten sich Gins Augen. “Was denken die von mir?“, fragte er sich ungläubig in Gedanken, oder eher: Warum denken die das von mir?“

„Wo ist Shu-...Akai?“, fragte er daraufhin vorsichtig, wobei er sich mitten im Satz verbesserte.

Er konnte dem älteren Agenten trotzdem ansehen, dass dieser es längst aufgenommen hatte, dass er Shuichi gerade bei Vornamen nennen wollte.

Aber auch wenn Gin eine Antwort erwartet hat, er bekam keine. Von niemanden der Anwesenden. Als hätte er seine Frage nie gestellt, befahl die Blonde: „Umdrehen, und Hände so, dass ich sie sehen kann!“

Gin ging, wenn auch widerwillig, dem Befehl nach. Er hatte keine Möglichkeit sich zu weigern, und wenn dann würde die Sache wahrscheinlich nicht enden ohne, dass Blut fließen würde. Die Chancen standen 5 zu 1. Es war seltsam, sich eingestehen zu müssen, verloren zu haben.

„Antwortet mir gefälligst! Geht es ihm gut?“, lenkte er dann wieder auf seine vorherige Frage ein, während man ihm Handschellen anlegte und seine Beretta einkassiert wurde. Da es sich bei der ganzen Sache wohl von Anfang an um eine Falle gehandelt hatte, konnte Gin sich jetzt nicht mehr sicher sein, ob die Aussage der Schwester, nämlich dass Shuichi die Operation gut überstanden hat, nicht auch gelogen war und nur dazu gedient hatte, ihn endgültig anbeißen zu lassen. So musste er sich erneut vergewissern, was ihm offensichtlich nicht gestattet wurde.

„Mitkommen.“, kam es einfach nur streng von dem älteren Agenten, der wieder nicht auf die Frage einging und dem Mörder nicht mal mit Gesichtszügen Hinweise auf Shuichis Zustand gab.

„Und keine Spielchen.“, hörte Gin die weibliche Stimme wieder hinter sich, dessen Besitzerin ihm im selben Moment den Lauf ihrer Pistole gegen den Rücken presste.

Der Silberhaarige erwiderte nichts, sondern folgte dem älteren Agenten einfach, der bereits voran gegangen war. Wohin es gehen sollte, wusste Gin nicht. Aber er konnte es sich schon denken.

“Wieso können die mir nicht einfach sagen, was mit Shuichi ist, das ist doch eine ganz einfache Frage!“, beschwerte er sich in Gedanken und allmählich kam die Wut in ihm auf. Wenn er jetzt nicht bald eine Antwort bekommen sollte, musste er wohl oder übel alles auf eine Karte setzen und einen Fluchtversuch starten. Auch wenn der nicht gut enden würde und er gewaltig im Nachteil war. Er würde es riskieren, nur um eine klare Antwort zu erhalten. Egal woher er die letztlich bekommen würde.

„Er lebt noch, oder?“ Noch gab Gin nicht auf und startete einen nächsten Versuch, während er dem Mann vor sich durch den Gang folgte. Um ihn herum befand sich die Truppe der FBI-Agenten. Auch die blonde Agentin wich nicht von ihrer Position und hielt die Waffe stets weiter gegen seinen Rücken gepresst.

Nach langem Schweigen folgte endlich doch eine Reaktion des älteren Mannes, welcher sich erkundigte: „Und warum interessiert dich das so?“

Gins Augen weiteten sich, gerade als er über eine passende Antwort nachdachte, fügte der Mann noch etwas hinzu: „Willst du das nur wissen, um herauszufinden, ob du mit deiner Vergewaltigung den gewünschten Effekt erzielt hast?“

Da glaubte Gin sich verhört zu haben. „Was?!“, fuhr er umgehend wütend zurück. Diese trocken ausgesprochenen Worte hatten ihm einen Stich durchs Herz gejagt. So etwas widerliches, geschmackloses hätte er Shuichi, den er über alles liebte, niemals angetan. Er hätte es nicht mal ansatzweise in Betracht gezogen.

Seine entsetzten Gedanken ließen jedoch nur einen tiefen Schock auf seinem Gesicht zurück, welcher dem älteren Agenten nicht entging, da er kurz den Kopf über die Schultern geworfen hatte. Ausdruckslos drehte der Mann sich wieder um. Gerade als Gin noch zu einem bissigen Kommentar ansetzen wollte, blieben plötzlich alle vor einer Tür stehen. Jetzt war der Silberhaarige verwirrt.

Eigentlich hatte er erwartet, die würden ihn jetzt in irgendeinen ihrer Dienstwagen draußen verfrachten und ihn irgendwo mit hinschleppen. Aber sie blieben offenbar einfach vor einem Patientenzimmer stehen.

Als Gin einen Blick auf das Schild neben der Tür werfen wollte, auf welchem sich eigentlich der Name des dort liegenden Patienten befinden müsste, stand gerade einer der Agenten davor und versperrte die Sicht. Er konnte das Schild nicht sehen.

Im nächsten Moment öffnete der ältere Mann vor ihm die Tür des Zimmers und trat ein.

„Hier ist er, wie Sie es wollten.“, sagte dieser dann.

Gin blinzelte zweimal verwirrt. Dieses Vorgehen warf ihn endgültig aus der Bahn. Er fragte sich, von wem er dort drin wohl erwartet wurde, während er vorsichtig in den Raum ging.

“Wer...“ Gin beendete seinen Gedankengang nicht, als plötzlich die Stimmte ertönte, nach welcher er sich so gesehnt hatte.

„Vielen Dank.“, kam es, genau im selben Augenblick trat der ältere Agent beiseite und Gin konnte die Gestalt seines Geliebten erblicken. Shuichi war wirklich hier. Zwar etwas blass, mit geschwächter Haltung und mit seinem alt gewohnten Lächeln – doch er war lebendig. Und das war das Einzige, was zählte.

Du liebst mich noch, oder?

Wie vom Blitz getroffen blieb Gin mitten in der Tür stehen. Für einen winzigen Moment, indem seine Augen Shuichis Anblick in sich aufsogen, schien die Zeit stehen zu bleiben. Nichts anderes war mehr wichtig. Doch kurz bevor es seinen Gefühlen gelang, die kalte Fassade des Mörders zu durchbrechen, wurde er von einer bissigen Frauenstimme und einem schmerzhaften Stoß zwischen den Schulterblättern aus seiner Starre gerissen.

"Flucht gibt’s nicht! Rein da!", befahl ihm Jodie grob.

Zusammen mit der Erkenntnis, wo er sich gerade befand und in was für einer Situation, gewann auch der Mörder wieder die Oberhand über Gins Handlungen.

"Als ob ich jetzt noch fliehen würde…", dachte der Silberhaarige, während er den Raum betrat. Hinter ihm traten die letzten Agenten ein und schlossen die Tür.

Gin registrierte das mit der emotionslosen Berechnung des Mörders. Wie selbstverständlich ging er gedanklich alle möglichen Szenarien durch, die ihn in diese Situation gebracht hatten, und wie er sie zu seinen Gunsten wenden könnte. Umsetzen würde er aber nichts davon.

"Hat er mich verraten?", stellte er sich gewohnheitsmäßig die Frage. Nur um gleich darauf gegen seine antrainierten Gedankengänge vorzugehen: "Nein… das glaube ich nicht. Dann wäre Shuichi nicht so nervös… Was hat er ihnen erzählt? Und warum hat er dafür gesorgt, dass ich festgenommen werde?"

Dann kam ihm plötzlich ein erschreckender Gedanke: "Liebt er mich noch?... Kann er… mir verzeihen, dass ich so spät war?" Ihm fiel ein, wie abwesend Shuichi war, als er ihn gefunden hatte. "Kann er sich überhaupt daran erinnern?"

Innerlich von seinen eigenen Gefühlen zerrissen, beobachtete Gin das Geschehen vor sich ohne jegliche Regung. Sobald sich die Tür geschlossen hatte, war die Blondine an ihm vorbei auf Shuichi zugegangen und hatte angefangen, auf ihn einzureden. Er selbst wurde dabei immer wieder mit misstrauischen und missbilligenden Blicken bedacht. Die Pistole in ihrer Hand immer in Bereitschaft. Die Worte kamen bei dem Silberhaarigen jedoch nicht an. Ihre Stimme ging ihm auf die Nerven, wie schon allein ihre Anwesenheit und die vertraute Art, mit der sie mit seinem Geliebten sprach.

Doch er blendete sie genauso aus, wie er Vermouth ignorierte, wenn sie anfing zu viel zu labern. Seine Fragen konnte er nicht aussprechen. Seine Unsicherheit nicht zeigen. Nicht vor den ganzen Leuten hier. Nicht vor Shuichi, ohne zu wissen, wie dieser jetzt von ihm dachte. Mit festem Blick und ausdruckslosem Gesicht beobachtete er seinen Geliebten und analysierte jede Bewegung, jede Geste. Ohne die ausgesprochenen Worte wahrzunehmen, versuchte er die Gefühle, die in Shuichis Stimme mitschwangen, zu verstehen.

Schließlich schob Shuichi sie zur Seite und sah ihm endlich in die Augen. Die Nervensäge war verstummt. Gin sah, dass sein Geliebter etwas sagen wollte und so sehr er sich nach seiner Stimme gesehnt hatte, so sehr er sich gewünscht hatte, seinen Namen wieder über diese Lippen kommen zu hören, so plötzlich kam jetzt die Angst, dass er abgewiesen werden könnte.

Noch bevor auch nur ein Wort über die Lippen seines Geliebten kamen, sagte Gin mit dem kontrollierten, emotionslosen Tonfall, der ihn so viele Jahre begleitet hatte: "Du lebst."

Ein Keuchen erklang. Aber nicht von Shuichi. Dieser kam unbeirrt auf ihn zu und sagte: "Ja. Du doch auch."

Als Gin gerade antworten wollte, dass das eine doch nichts mit dem anderen zu tun hätte, schlang Shuichi seine Arme um ihn. Vor allen anwesenden Kollegen. Gin versteifte sich. Versuchte seine Gefühle und Sehnsucht zurückzuhalten. Sie nicht zu zeigen. Nicht hier. Die Blondine starrte ihn wütend an. Ihre Pistole hatte sie endlich gesenkt, doch dafür versuchte sie, ihn mit ihren Blicken zu töten. Fast hätte er gelächelt. "Das kann ich besser…"

Da ließen ihn Shuichis Worte erneut erstarren: "Es tut mir Leid…"

"Was?!" Während er noch verwirrt war, flüsterte ihm Shuichi weiter ins Ohr: "Ich lass dich nicht mehr gehen."

Währenddessen hatten Shuichis Hände begonnen zu wandern. Eine tastete nach Gins Händen, die noch immer hinter seinem Rücken gefesselt waren, die andere fuhr hoch in seine Haare und drückte Gins Kopf in die Halsbeuge seines Geliebten.

"Idiot…", lautete Gins Antwort, während er seinem Bedürfnis endlich nachgab. Er atmete den Geruch seines Geliebten ein und war froh, dass sein Gesicht nun vor allen Anwesenden verborgen war, denn es gelang ihm nicht länger, seine Tränen zurückzuhalten.

"Dabei muss ich mich doch bei dir entschuldigen!"

Shuichi zog ihn fester an sich und sagte dann: "Können wir... einen Moment für uns haben?"

"Idiot! Als ob sie uns das gestatten!", dachte Gin. Die Ablehnung dieser Bitte war mehr als vorhersehbar. Sie war das einzig Richtige.

Nach einem Moment der Stille, in der die Anspannung aller Anwesenden deutlich spürbar war, antwortete der ältere Herr von zuvor jedoch: "Fünf Minuten Akai."

"Was?" Überrascht war Gin kurz davor, diesen Mann anzusehen. Doch Shuichis Hand in seinem Haar hielt ihn fest und erinnerte ihn daran, dass er sich so nicht sehen lassen sollte.

Angespannt lauschte er, wie die Tür geöffnet wurde und mehrere Personen den Raum verließen.

Doch eine bestimmte Frau weigerte sich offensichtlich: "Das kann nicht Ihr Ernst sein! Wir können Shu doch nicht einfach allein mit diesem Mörder lassen!"

"Er trägt noch die Handschellen und hat keine Waffe mehr...", erwiderte der Ältere.

"Das macht ihn noch lange nicht harmlos! Er ist ein Profi! Wir können-"

"Jodie bitte!", unterbrach Shuichi sie. "Lass uns allein."

"Aber Shu, du-"

"Mir geht es gut und ich kann auf mich selbst aufpassen. Bitte, lass uns allein."

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Gins Gesicht. "Punkt für mich. Dein Shu ist genervt. Er will mich, nicht dich." Es war seltsam befriedigend zu merken, wie Shuichi für ihn einstand. Zu spüren, dass er ihm noch immer wichtig war.

Endlich schien sie aufzugeben und Gin hörte, wie die letzten Personen das Zimmer verließen und sich die Tür hinter ihnen schloss. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie vor der Tür Stellung bezogen und bereit hielten, um beim kleinsten Zeichen von seinem Geliebten wieder in den Raum zu stürmen.

"Wie geht es dir?", fragte Shuichi.

"Das müsste ich dich fragen... Du bist derjenige, der gefoltert wurde!", beschwerte sich Gin und ließ sich widerwillig von Shuichi etwas wegdrücken, damit dieser ihn ansehen konnte.

"Ach, das Bisschen-"

"Hör auf!", unterbrach ihn Gin. "Du brauchst es nicht herabspielen. Ich... ich hab es gesehen.", gab er leiser werdend zu.

Einen Moment herrschte Stille, indem sie sich nur ansahen. Dann strich Shuichi ihm über die Wangen und wischte die Tränenspuren weg. "Entschuldige…"

"Was? Was soll ich entschuldigen? Ich bin doch derjenige, der dich in das Alles reingezogen hat! Ich muss mich entschuldigen!", erwiderte der Silberhaarige aufgebracht und bemerkte nicht, wie ihm erneut Tränen über die Wangen liefen.

"Ich hab dir den Brand verschwiegen…"

Gin sah ihn wütend an. "Ja. Wenn ich es gewusst hätte, hätten wir die Wohnung verlassen können und sie hätten dich nicht gefunden. Und dann? Dann wärst du doch zurück zum FBI gegangen und hättest mich allein gelassen!", warf er seinem Geliebten vor. Dieser wollte etwas erwidern, aber Gin hatte endlich die Gelegenheit, seine ganzen Sorgen der letzten Wochen auszusprechen und ließ sich nicht unterbrechen.

"Selbst wenn du nicht zurückgegangen wärst und mit mir geflohen wärst, hätten wir doch nur von einer Stadt in die nächste fliehen müssen. Immer auf der Hut vor der Organisation und dem FBI. Das wäre kein Leben gewesen."

"Wir hätten eine Lösung gefunden.", meinte Shuichi.

"Nein." Gin schüttelte den Kopf. "Es gibt keine Lösung. Wir stehen auf verschiedenen Seiten. Das weißt du selbst. Darum hast du mich doch festnehmen lassen, richtig? Damit du wenigstens weißt, was mir passiert..." Traurig sah Gin seinen Geliebten an.

"Nein!", widersprach Shuichi ihm und wischte erneut die Tränen weg. "Ich habe mit meinen Kollegen geredet. Sie wissen über uns Bescheid."

Gins Augen wurden groß.

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich dich liebe. Und dass du mich liebst."

Gin war innerlich wie erstarrt. "Er hat es ihnen gesagt? Aber... das... was ist mit seiner Anstellung? Warum…"

"Du liebst mich doch noch, oder?" Die plötzliche Unsicherheit in Shuichis Stimme überraschte Gin. "Immerhin... trägst du den Ring noch…"

"Wie kommt dieser Idiot jetzt darauf, dass ich ihn nicht mehr lieben könnte?!", fluchte Gin gedanklich. Dass er vor wenigen Minuten selbst noch gezweifelt hatte, ob Shuichi ihn noch liebte, war bereits vergessen.

"Natürlich tue ich das! Ich liebe dich doch nicht weniger, nur weil du meinetwegen gefoltert wurdest!" Erst im Nachhinein wurde Gin bewusst, was er ohne zu Zögern zugegeben hatte. Eine leichte Röte schlich sich auf sein Gesicht, doch er sah seinen Geliebten weiterhin an. Es war die Wahrheit und das sollte Shuichi auch erkennen.

Im Blick seines Gegenübers erkannte er Erleichterung und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr sich auch Shuichi vor einer Abweisung gefürchtet haben musste. Vielleicht sogar mehr noch als er selbst.

"Warum tust du immer so stark? Dabei hast du mir doch selbst beigebracht, dass es ok ist, auch Schwächen zu haben und zu zeigen?", fragte er seinen Geliebten gedanklich. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um das anzusprechen.

Auch Shuichi schien in seine Gedanken zu versinken. Doch das würde Gin nicht zulassen. Nicht, wo sie nur so wenig Zeit allein hatten. "Shuichi…"

Dieser sah ihn wieder an und schien endlich zu verstehen. Er zog Gin zu sich ran und gab ihm einen Kuss. Ein langer, leidenschaftlicher Kuss, der langsam begann und den sie gemeinsam steigerten.

"Danke.", flüsterte Shuichi ihm zu, bevor sich die Tür wieder öffnete und ihre Zweisamkeit beendet war.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Unruhig ging Akai in seinem Krankenzimmer auf und ab.

"Was, wenn er sich nicht ergibt? Wenn er vorher etwas merkt und nicht bis zu dem Raum mit geht? Oder wenn er versucht zu fliehen? Sie werden ihn aufhalten, aber dann wird es deutlich schwerer... James war ja sehr verständnisvoll, aber auch er hat seine Grenzen. Ich beanspruche die bereits auf extremste…"

Er blieb stehen.

"Und was, wenn es nicht Gin ist? Wenn es jemand von der Organisation ist?"

Vor wenigen Minuten erhielt James die Nachricht, dass sich jemand nach Akai erkundigt hatte. Seit dem hielt es der Schwarzhaarige nicht mehr im Bett aus. Seine Verletzungen waren gut geheilt. Sitzen war zwar noch etwas unangenehm, aber nichts im Vergleich zu seinem Zustand vor einem Monat. Jetzt erinnerten nur seine neuen Narben und die Träume an das Geschehene.
 

Nach seiner Offenbarung James gegenüber, hatte es viel Überzeugungsarbeit und Zeit gekostet, um seine Kollegen davon zu überzeugen, dass es nicht Gin war, der ihm das angetan hatte.

Sie glaubten ihm auch nur unter Vorbehalt und blieben misstrauisch. Wenigstens war allen klar, dass mehr als nur eine Person bei den letzten Geschehnissen beteiligt gewesen sein musste. Und nachdem sie Kontakt zu Kir aufnehmen konnten, und sie ihnen berichten konnte, dass jetzt eine Person mit dem Codenamen Arrak vermisst wurde, war seine Aussage erst mal bestätigt.

Aber Gins Veränderung glauben würden sie erst, wenn sie Gin treffen würden. Und sich dieser nicht wie ein kaltblütiger Mörder verhielt, der ohne Gefühlsregung alles tat, was die Organisation von ihm verlangte.

Der momentane Plan war unter anderem genau darauf gestützt, seinen Kollegen genau diese Veränderung zu zeigen. Gin hatte seinen Stolz. Würde er mit Feinden konfrontiert werden, würde er entsprechend reagieren. Auch wenn er Akai gegenüber seine andere Seite, die der Mörder gerade erst wiedergefunden hatte, zeigte, zweifelte Akai nicht einen Augenblick daran, dass Gin anderen Personen nichts von den Veränderungen zeigen würde.

Zumindest nicht durch direkte Worte oder Gefühlsregungen.

Alles baute darauf, dass seine Taten bewiesen, dass er aufrichtig besorgt um ihn war.

"Und wenn er es nicht ist, ist alles vorbei…"

Akai schüttelte den Kopf.

"Nein! So darf ich nicht denken! Ich muss ihm vertrauen! Was anderes bleibt mir nicht…"

Eine weitere Sorge von ihm war: Selbst wenn die Festnahme erfolgreich war, Gin der als Krankenschwester getarnten FBI Agentin bis zum Raum folgte und sich dort ergab, konnte es sein, dass James ihn nicht herbrachte. Als er seinen Vorgesetzten darum gebeten hatte, meinte dieser nur: "Das kann ich Ihnen nicht versprechen Akai. Wenn ich das Gefühl habe, dass er eine Gefahr für Sie sein könnte, werde ich nicht erlauben, dass Sie sich treffen." Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als das zu akzeptieren.
 

Daher war Akai jetzt so nervös. In genau diesem Moment entschied sich, ob er Gin wiedersehen würde oder nicht und er konnte nichts machen. Er war zum Warten verurteilt.

Endlich ging die Tür auf und Akai wirbelte herum. James trat mit ein paar Kollegen ein und als er sagte: "Hier ist er, wie Sie es wollten." fiel dem Schwarzhaarigen ein Stein vom Herzen.

"Vielen Dank.", sagte er aufrichtig, bevor sein Vorgesetzter zur Seite trat und den Blick auf seinen geliebten Gin freigab.
 

Einen Moment lang konnte er ihn nur anstarren. Obwohl er sich in der gemeinsam verbrachten Zeit bereits daran gewöhnt hatte, den Silberhaarigen nicht nur in seinem schwarzen Mantel zu sehen, war es jetzt doch etwas ungewöhnlich, ihn mit Jeansjacke und Shirt zwischen seinen Kollegen zu sehen.

Ungestört konnte er seinen Geliebten jedoch nicht lange betrachten, denn da dieser mitten in der Tür stehen geblieben war, konnten die nachfolgenden Agenten den Raum nicht betreten. Was insbesondere Jodie verärgerte.

"Flucht gibt’s nicht! Rein da!", befahl sie ihm grob.

Ausdruckslos machte Gin ein paar Schritte, bevor er erneut stehen blieb. Als Shuichi auf ihn zugehen wollte, drängte sich jedoch Jodie dazwischen: "Das ist nicht dein Ernst Shu! Ich gebe ja zu, dass ich vorschnell war, als ich angenommen habe, dass wir ihn zur Kooperation überzeugen können, wenn die Organisation ihn beseitigen will... Aber deswegen musst du doch jetzt nicht alles versuchen, um zu beweisen, dass er wirklich auf unsere Seite kommen kann!"

"Ich habe dir bereits erklärt, dass ich zu dem Zeitpunkt aus einem anderen Grund dagegen war, es zu versuchen. Du hast gar nicht so falsch mit deiner Idee gelegen. Es war nur der falsche Zeitpunkt.", meinte er in ruhigem Tonfall zu ihr. Obwohl ihm bewusst war, dass sie sich davon nicht würde beruhigen lassen. Sie war am Meisten von den Neuigkeiten geschockt gewesen.

"Ich kann es ihr ja nicht wirklich übel nehmen. Ich wusste immer, dass sie noch etwas für mich empfindet, obwohl ich unsere Beziehung beendet habe. Aber je länger sie sich an diese alte Hoffnung klammert, um so anstrengender wird sie." Und jetzt gerade ging sie ihm wieder gewaltig auf die Nerven.

Jodie wäre jedoch nicht Jodie, wenn sie so einfach aufgeben würde: "Aber er ist ein Mörder! Du weißt doch, wie er ist! Wir können ihn doch nicht-"

"Ich vertraue ihm.", unterbrach er sie, bevor er endgültig die Geduld verlor. Bevor sie darauf etwas erwidern konnte, schob er sie einfach zu Seite, um Gin wieder ansehen zu können. Sofort wurde sein Blick von den leuchtend grünen Augen eingefangen, die auf ihn gerichtet waren.

"Er hat mich die ganze Zeit beobachtet.", wurde ihm bewusst. "Worauf wartest du? Was erwartest du?", fragte er seinen Geliebten gedanklich. Fragen, die nicht ausgesprochen werden konnten. Sie mussten vorsichtig sein. Nicht alles konnte gesagt werden. Aus verschiedensten Gründen.

Gerade als er Gin mit einem neutral formulierten Satz vermitteln wollte, wie froh er war, dass er gekommen war, sagte Gin: "Du lebst."

Der Tonfall war kalt. Abweisend. Emotionslos. Gin sprach wie der kaltblütige Mörder, der er einst war. Und das Keuchen von Jodie hinter ihm verriet Akai, dass sie davon überzeugt war, dass Gin genau das noch war. Aber Akai erkannte die Maske. Äußerlich unantastbar, stellte Gins Blick ihm eine Frage.

"Ja. Du doch auch.", antwortete er schlicht, packte aber viel mehr in diese Worte, als nur diese einfache Aussage.

"Ja, ich habe an dich geglaubt. Ich habe nie an dir gezweifelt. Ich vertraue dir. Ich liebe dich.", dachte Akai während er auf Gin zuging und ihn umarmte. Dank den Handschellen konnte Gin die Geste nicht erwidern, aber Akai hatte auch so seine Zweifel daran, ob er es überhaupt getan hätte. Gin wusste nicht, was er seinen Kollegen erzählt hatte. Es war verständlich, dass er sich versteifte, als Akai seine Zuneigung so offen zeigte.

"Es ist ok...", versuchte er sich gedanklich zu überzeugen. "Er braucht etwas Zeit, um sich öffnen zu können. Gerade vor so vielen Leuten."

Doch Gin blieb so steif. Schien sich nicht zu entspannen.

"Ist er wütend wegen der Festnahme?" Seinem Gedanken einfach folgend flüsterte Akai seinem Geliebten zu: "Es tut mir Leid... Ich lass dich nicht mehr gehen."

Und genau das meinte er auch. Egal was er dafür tun musste. Er würde alle Hebel in Bewegung setzten, um bei Gin bleiben zu können.

"Selbst, wenn du mich nicht mehr willst…"

Viel Zeit blieb ihm nicht, um seinen Kollegen zu zeigen, dass Gin keine Gefahr war. Er wusste, dass sie noch nicht davon überzeugt waren. Aber so wie Gin sich gerade verhielt, würde das schwer werden. Er fuhr mit einer Hand über Gins Haare und drückte den Kopf seines Geliebten zu sich, um ihn aus dieser Starre zu befreien. Glücklicherweise ließ Gin es widerstandslos geschehen.

Mit der anderen Hand suchte er selbst nach einer Bestätigung, dass er für Gin noch wichtig war. Denn entgegen seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen schlich sich immer die leichte Sorge, dass Gin ihn nun abweisen würde. Weil er ihn durcheinander brachte, oder ihn aus seiner gewohnten Bahn warf, oder "...weil ich beschmutzt wurde."

Doch da fanden seine Finger die Bestätigung. Gin trug den Ring, den er ihm geschenkt hatte. Erleichtert schloss Akai kurz sein Auge und überhörte fast das neben ihm geflüsterte Wort.

"Idiot…"

Er zog Gin fester an sich, sah James an und fragte ihn mit gefasster Stimme: "Können wir... einen Moment für uns haben?"

Auf einen Schlag schien sich die Anspannung im Raum mindestens zu verdoppeln. Nicht nur seine Kollegen, auch Gin schien den Atem anzuhalten. Doch nach einem abschätzenden Blick auf die beiden traf James die Entscheidung, auf die Akai gehofft hatte: "Fünf Minuten Akai."

Dankbar nickte er seinem Vorgesetzten leicht zu.

Er beobachtete, wie seine Kollegen zögernd den Raum verließen. Doch Jodie blieb vor James stehen: "Das kann nicht Ihr Ernst sein! Wir können Shu doch nicht einfach allein mit diesem Mörder lassen!"

Akai verdrehte gedanklich die Augen. "Gib doch endlich mal Ruhe!"

"Er trägt noch die Handschellen und hat keine Waffe mehr...", erwiderte ihr Vorgesetzter und Akai war ihm für die Unterstützung dankbar.

"Das macht ihn noch lange nicht harmlos! Er ist ein Profi! Wir können-"

"Jodie bitte!", unterbrach er sie. "Lass uns allein." "Wenn ich mich nicht einmische, dauert das noch ne‘ Ewigkeit.", dachte er missbilligend.

"Aber Shu, du-"

"Mir geht es gut und ich kann auf mich selbst aufpassen. Bitte, lass uns allein." In Gedanken fügte er hinzu: "Du störst und verschwendest kostbare Zeit."

Mit einem missmutigen Gesichtsausdruck gab Jodie schließlich auf und verließ zusammen mit James das Zimmer. Sie schlossen hinter sich die Tür und er war allein mit Gin.

"Endlich..." Erleichtert fragte er: "Wie geht es dir?" Eine einfache Frage, doch in ihr schwangen alle Sorgen mit, die er sich um seinen Geliebten gemacht hatte.

"Das müsste ich dich fragen... Du bist derjenige, der gefoltert wurde!", lautete die bissige Antwort an seinem Hals. Akai schob Gin ein wenig weg, um ihn ansehen zu können. Erst jetzt bemerkte er die Tränen, welche die Augen seines Geliebten noch stärker glitzern ließen.

"Hat er sich solche Sorgen gemacht?" Gin hatte ihn zwar gesehen und dort rausgeholt, aber vielleicht wusste er ja nicht alles. Zumindest hoffte Akai das.

"Wenn Gin wüsste, was Arrak getan hat... Würde er mich dann noch wollen?" Eine Frage, die sich Akai bereits wiederholt gestellt hatte.
 

"Ach, das Bisschen-", versuchte er es daher vor seinem Geliebten zu verharmlosen, wurde jedoch sofort unterbrochen: "Hör auf! Du brauchst es nicht herabspielen. Ich... ich hab es gesehen.", gab Gin leiser werdend zu.

"Was?" Geschockt sah Akai ihn an. "Wie? Woher...? War er...dabei?" Seine Gedanken überschlugen sich, doch als er seine Erinnerungen im Schnelldurchlauf durchging, fiel ihm etwas ein: "Das Handy! Da war ein Handy angebracht! Arrak hat...!"

Die Erkenntnis brachte eine gewaltige Erleichterung mit sich. Die Vorstellung, dass Gin dabei gewesen sein könnte, das alles mit eigenen Augen gesehen hätte... war schrecklich.

"Aber er weiß es dennoch. Arrak hat ihm ein Video davon geschickt..." Vorsichtig strich Akai über die Wangen seines Geliebten und entfernte so die Tränenrückstände.

"Entschuldige..." "Du hättest das nie zu sehen bekommen dürfen…"

"Was? Was soll ich entschuldigen? Ich bin doch derjenige, der dich in das Alles reingezogen hat! Ich muss mich entschuldigen!", erwiderte der Silberhaarige jedoch aufgebracht. Erneut fingen Tränen an, ihm über die Wangen zu laufen.

"Er wäre nur noch wütender, würde ich ihm sagen, dass er nichts davon hätte erfahren sollen, wenn es nach mir ginge...", dachte Akai und brachte daher einen anderen Grund vor: "Ich hab dir den Brand verschwiegen…"

Wütende Augen blitzten ihm entgegen.

"Ja. Wenn ich es gewusst hätte, hätten wir die Wohnung verlassen können und sie hätten dich nicht gefunden. Und dann? Dann wärst du doch zurück zum FBI gegangen und hättest mich allein gelassen!", wurde ihm vorgeworfen.

Akai wollte widersprechen, doch Gin ließ sich in seinem kleinen Redeschwall nicht unterbrechen: "Selbst wenn du nicht zurückgegangen wärst und mit mir geflohen wärst, hätten wir doch nur von einer Stadt in die nächste fliehen müssen. Immer auf der Hut vor der Organisation und dem FBI. Das wäre kein Leben gewesen.“

"Wir hätten eine Lösung gefunden.", wollte er ihn überzeugen, doch die Aussage traf auf taube Ohren.

Kopfschüttelnd antwortete Gin: "Nein. Es gibt keine Lösung. Wir stehen auf verschiedenen Seiten. Das weißt du selbst. Darum hast du mich doch festnehmen lassen, richtig? Damit du wenigstens weißt, was mir passiert…"

Weitere Tränen glänzten in den grünen Augen seines Gegenübers, bevor sie herabkullerten. Erneut wischte er sie weg und meinte energisch: "Nein! Ich habe mit meinen Kollegen geredet. Sie wissen über uns Bescheid."

Gins starrte ihn mit großen Augen an.

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich dich liebe. Und dass du mich liebst." Seine Unsicherheit über den letzten Satz, konnte er trotz seiner Bemühung jedoch nicht verbergen. "Du liebst mich doch noch, oder?", fragte er nach.

Als er die Überraschung seines Geliebten spürte, fügte er noch hinzu: "Immerhin... trägst du den Ring noch…“

"Bitte... sag, dass es egal ist, was passiert ist. Dass du mich trotz der Dinge, die mir Arrak angetan hat, noch liebst...", flehte Akai verzweifelt. Gins Antwort beendete die Grübeleien: "Natürlich tue ich das! Ich liebe dich doch nicht weniger, nur weil du meinetwegen gefoltert wurdest!"

Diese Worte warfen Akai vollständig aus der Bahn. Zum einen war es das erste mal, dass jemand nicht um den heißen Brei herumredete, was die Geschehnisse bei Arrak betraf. Zum anderen hatte er nicht mit diesem Liebesgeständnis gerechnet. Ohne es zu bemerken, fing Akai an, in seine Erinnerungen abzutauchen. In die schrecklichen Geschehnisse. Und die verzweifelten Wunschvorstellungen.
 

"Shuichi…"

Dieses eine Wort genügte, um ihn aus seiner Gedankenwelt zurück in die Gegenwart zu holen. Er sah Gin nur einen Moment an, bevor er seinem Geliebten einen Kuss gab. Einen Kuss voller Leidenschaft, Verlangen und einem Hauch Verzweiflung, die in dem tanzenden Kampf ihrer Zungen unterging.

"Danke.", flüsterte er seinem Geliebten zu, als er den Kuss beendete, und sah, wie die Tür geöffnet wurde.

Ortswechsel

Nachdem Akais Kollegen den Raum wieder betreten hatten, schlug James vor, den Ort zu wechseln. Ein öffentliches Krankenhaus war immerhin nicht der idealste Ort, Gin weiterhin festzuhalten. Im Notfall musste man immer damit rechnen, dass unschuldige Menschen mit hineingezogen werden. Da Akai eigentlich schon längst entlassen worden war und das FBI nur für die geplante Festnahme länger im Krankenhaus verbleiben musste, war es kein Problem, die Verlegung sofort durchzuführen.

„Ich habe bereits alles vorbereitet.“, hieß es von James nur, woraufhin sich alle zum Parkplatz vor dem Krankenhaus begaben, wo schon ein Krankenwagen bereitgestellt war, der als Tarnung dienen sollte, um nicht aufzufallen.
 

Akai hatte sich mit seinem Arm bei Gin eingehakt, da er aufgrund der Handschellen die Hand seines Geliebten nicht halten konnte. Trotzdem würde er keine Sekunde von dessen Seite weichen. Jetzt, wo er seinen geliebten Gin endlich wieder bei sich hatte, würde er ihm durch die Hölle folgen. Das schwor er sich.

Mit zügigen Schritten gingen sie weiter auf den geparkten Krankenwagen zu, wo bereits ein Kollege wartete. Bei genauer Betrachtung erkannte Akai, um wen es sich dabei handelte.

“Wo kommt der plötzlich her...“, dachte der Schwarzhaarige, als er Camel erkannte. Ihm fiel auf, dass er seinen Kollegen den letzten Monat lang nicht gesehen hatte und daher glaubte, dass dieser nicht mal etwas von der Festnahme mitbekommen hatte.

Er sah, wie James auf den stämmigen Mann zuging und etwas mit diesem beredete, während der Inhalt des Gesprächs jedoch an Akai vorbeirauschte. Er drehte seinen Kopf zu Gin, welcher ihn allerdings gerade nicht ansah und stattdessen streng nach vorn blickte, um die Kollegen genau zu beobachten. Doch Akai bemerkte, dass die Haltung seines Geliebten wieder angespannt wirkte.

“Weil er nicht weiß, wohin es geht?“, fragte der Schwarzhaarige sich und zog aber noch andere Dinge in Betracht. “Oder weil er nicht weiß, was passieren wird, nachdem wir den Ort gewechselt haben?“ Er stellte dabei fest, dass er es ebenso wenig wusste und er diese Fragen nicht mal sich selbst beantworten konnte. Niemand hatte ihm etwas gesagt, weshalb er nur Vermutungen hatte. Jedoch hasste er es, die nächsten Schritte nicht zu kennen und von Angelegenheiten ausgeschlossen zu werden, die ihn selbst betrafen. Die Angst, dass man ihm Gin wieder wegnehmen würde, konnte er noch nicht ganz vertreiben, da diese Möglichkeit immer noch bestand. Vielleicht war es genau diese Angst, die sein Geliebter gerade ebenso verspürte und ihn deshalb verunsicherte.

Um Gins Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, zog Akai ihn noch fester an sich. Als die grünen Augen sich endlich auf ihn gerichtet hatten, flüsterte er: „Keine Sorge, alles wird gut.“

Der Silberhaarige schenkte ihm ein leichtes Lächeln zur Erwiderung. Kurz darauf schielte er jedoch in eine andere Richtung. Als Akai dem Blick seines Geliebten folgte, erkannte er auch, warum Gin Worte als Antwort vermieden hatte. Jodie war dabei sie genau zu beobachten, während sie dem Gespräch von James und Camel offensichtlich nur mit einem Ohr zuhörte. Akai spürte förmlich, wie seine Kollegin jede Geste und jeden von Gins Gesichtszügen analysierte. Ihr eigener Gesichtsausdruck war dabei alles andere als zufrieden.

Dass ihre Stimmung im nächsten Moment wieder zum Problem für ihn wurde, überraschte ihn nicht mehr. Scheinbar war das Gespräch beendet und es ging nun darum, wer an welchem Platz im Wagen mitfuhr. Gerade hatte James sich dazu bereiterklärt, den Fahrer zu übernehmen.

„Dann werde ich hinten die Wache bei Gin übernehmen.“, schoss sie gleich darauf hervor.

“Nein.“, antwortete Akai gedanklich, sprach es aber besser nicht aus. Sondern versuchte mit Handlungen der kommenden Situation aus dem Weg zu gehen.

Während ein anderer Kollege die Hintertüren des Wagens öffnete und schon mal einstieg, zog Akai Gin gezielten Schrittes mit sich und ging auf seinen Kollegen Camel zu.

„Es ist eine Weile her.“, begann er daraufhin lächelnd und legte seine freie Hand auf die Schulter des Stämmigen.

„Nun ja, ich hab momentan viel um die Ohren.“, entgegnete dieser verlegen und kratzte sich am Hinterkopf.

„Oh? Davon musst du mir unbedingt erzählen! Du fährst doch sicher bei uns mit.“, gab Akai vor, interessiert zu sein und schob Camel gleichzeitig längst in den Hinterraum des Krankenwagens, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. Dann betrat er mit Gin den kleinen Raum und setzte sich mit ihm auf die letzten freien Plätze.

Als Jodie gerade einsteigen wollte, blieb sie jedoch verdutzt vor dem Wagen stehen.

„Wie es aussieht, ist kein Platz mehr...“, meinte Akai mit bedauernder Tonlage, was die Blondine auch schon erkannt hatte. Als sie noch etwas sagen wollte, ließ er sie nicht zu Wort kommen.

„Ich glaube, es fehlt noch ein Beifahrer...“, tat er nachdenklich, woraufhin die Frau mit der Stirn runzelte.

„Jodie, wir müssen los.“, kam es plötzlich von James, der scheinbar keine Zeit mit solchen Streitigkeiten vergeuden wollte. So war Akai erleichtert, als Jodie nur missmutig nickte und sich daraufhin die Türen schlossen.

Mit einem Seufzen lehnte er sich etwas an Gin und umfasste mit seiner Hand dessen Oberschenkel.

„Habt ihr euch wieder gestritten?“, fragte Camel leicht besorgt, der anscheinend Akais Trick durchschaut hatte. Zugegeben, diesmal hatte er wirklich schlecht geschauspielert.

„Nein… Sagen wir so, die Lage ist gerade nicht leicht für sie.“, erklärte der Schwarzhaarige ruhig, während er anfing Gins Oberschenkel ein wenig zu streicheln.

„Und was war bei dir so los?“, versuchte er dann vom Thema abzulenken.

„Also… ich habe zurzeit viel mit der Hochzeitsplanung zu tun.“, gab er rot werdend zu.

„Wirklich? Wer ist denn die Auserwählte?“, fragte Akai verblüfft. Und das war er wirklich. Zumindest hatte er damit nicht gerechnet.

„Ihr Name ist Ayaka Haruno...-“, begann Camel mit seiner Antwort, wobei Akai ihn unterbrach und nicht wusste, dass sein Kollege eigentlich noch weiterreden wollte.

„Der Name sagt mir nichts.“, meinte er.

Da sah er, wie sich ein leichtes Grinsen auf Camels Gesicht bildete: „Naja eigentlich kennst du sie ganz gut...“, verriet er, woraufhin Akais Auge sich weitete. Er bekam eine böse Vorahnung. Es gab nur eine Frau, die er ganz gut kannte und die in letzter Zeit Kontakt mit seinem Kollegen hatte.

„Doch nicht etwa...“, begann er seinen Satz unausgesprochen.

„Genau, das Fräulein, welches du damals geholfen hast und sich jetzt im Zeugenschutzprogramm befindet.“, bestätigte Camel Akais Vermutung. Kaum hatte sein Kollege den Satz beendet, hörte er, wie Gin neben ihm ein Prusten entwich. Er selbst versuchte sich zu beherrschen, sonst wäre ihm wohl auch eins herausgerutscht.

“Die plant doch irgendwas...“, dachte er misstrauisch und konnte sich nicht ansatzweise vorstellen, wie das passieren konnte. Hatte er Merlot da etwa falsch eingeschätzt?

“Das glaub ich erst, wenn ich dabei bin.“, scherzte er gedanklich, sagte dann aber: „Na dann, meinen Glückwunsch.“

„Danke.“, erwiderte sein Kollege daraufhin lächelnd.
 

Das war das letzte gesprochene Wort. Der Rest der Fahrt verlief in Stille. Das einzige, was Akai währenddessen hörte, war der gleichmäßige Atem seines Geliebten an seiner Seite. Alle anderen Geräusche blendete er bewusst aus. Durch das Gespräch war die Stimmung zum Glück auch etwas aufgelockert. Gin wirkte nun auch viel ruhiger als zuvor und Akai versuchte ihm mit sanften Berührungen die letzten Sorgen zu nehmen. Dass dies nicht vollständig funktionierte, war dem Agenten zwar bewusst, doch es half zumindest für diesen Moment.
 

Irgendwann bemerkte Akai, dass plötzlich der Wagen zu halten schien und kurz darauf der Motor ausgestellt wurde.

“Wie es scheint, sind wir am Ziel...“, stellte Akai fest und umklammerte dabei wieder Gins Arm. Einem Blick aus dem Türfenster nach zu urteilen, waren sie scheinbar an einem verdunkelten Ort, wo künstliches Licht erzeugt wurde.

“Eine Tiefgarage?“, kam es dem Schwarzhaarigen sofort in den Sinn und eine Vermutung bestätigte sich, als sich die Türen wieder öffneten.
 

Sobald sich die Tür öffnete, sah auch Gin nach draußen. Er konnte erkennen, dass sie bereits von mehreren Personen erwartet wurden. Er kannte keinen davon, was aber auch keine große Überraschung war. Die meisten FBI-Agenten, die ihm begegnet waren, waren tot.

Mit ausdrucksloser Miene folgte er seinem Geliebten aus dem Wagen. Dessen "Unterstützung" war gleichermaßen erwünscht wie unerwünscht. Denn die wandernden Finger feuerten etwas in ihm an, dass bereits bei ihrem Kuss im Krankenhaus geweckt worden war. Wären seine Hände nicht hinter seinem Rücken gefesselt, hätte er Shuichis wandernde Hand während der Fahrt festgehalten.

So war er nur glücklich, dass bisher niemand bemerkt hatte, was sich in seiner Hose unpassender Weise regte.
 

Um sich abzulenken, konzentrierte sich Gin auf ihre Umgebung. Abgesehen von den FBI-Agenten war das hier jedoch eine ganz normale Tiefgarage, wie sie überall gefunden werden konnte.

Er ignorierte gekonnt diese Jodie, die ihm zunehmend auf die Nerven ging, und ließ sich einfach von Shuichi zu den Fahrstühlen ziehen, als sich die Gruppe in Bewegung setzte. Davor bemerkte er, dass es scheinbar verschiedene Fahrstühle gab. Zwei öffentliche und einer, neben dem ein Schlüsselloch, statt einer Ruftaste war. "Scheinbar gibt es hier einen Extra Bereich für Bewohner...", überlegte er, während die Gruppe vor genau diesem Fahrstuhl hielt und einer der Männer einen Schlüssel in das Schloss steckte und umdrehte.

Kurz darauf öffneten sich die Türen des Fahrstuhls und er betrat diesen zusammen mit Shuichi, James Black, wie er den Ältesten hier jetzt nennen konnte, Jodie und den beiden Agenten, die mit ihm und Shuichi in dem getarnten Krankenwagen gesessen hatten.

"Den einen hat Shuichi doch als Camel bezeichnet...", fiel ihm ein, während sie nach oben fuhren. Auf welche Etage hatte er nicht sehen können.

Erneut musterte er diesen Camel. "Wieso will Merlot den heiraten? Was hat sie davon? Ob der sich das wirklich überlegt hat? Was sie ihm wohl vorgespielt hat, um ihn rum zubekommen?" Erneut musste er sich zusammenreißen, um bei der Vorstellung dieser verrückten, überdrehten Frau neben diesem ruhigen, stämmigen Agenten, nicht zu lachen. Diesmal gelang es ihm besser, als im Wagen.
 

Sobald der Fahrstuhl anhielt und die Türen den Blick auf einen Flur freigaben, spürte Gin, wie der Griff seines Geliebten einen Moment fester wurde. Er sah kurz zu ihm und bemerkte den angespannten Gesichtsausdruck, bevor Shuichi erkannte, dass er ihn ansah und ein kleines Lächeln aufsetzte.

"Er ist schon die ganze Zeit so angespannt, auch wenn er versucht, es zu verbergen. Was ist los Shuichi?", fragte er ihn gedanklich. "Ich vertraue dir, also hoffe ich für dich, dass du uns da nicht in irgend eine Scheiße gebracht hast. Denn... du hast schon genug durchgemacht…"

Selbst ein wenig von dem letzten Gedanken überrascht, tat Gin jetzt den ersten Schritt aus dem Fahrstuhl heraus, um Shuichi seine Bereitschaft für das Kommende zu vermitteln.

Sein Geliebter folgte ihm sofort und gemeinsam verließen sie den Fahrstuhl. Aus dem Augenwinkel erkannte Gin, dass auch von dieser Etage ein Schlüssel notwendig war, um ihn zu öffnen. Doch das spielte keine große Rolle. Solange Shuichi hier war, würde er nicht fliehen. Das hatte er bereits im Krankenhaus beschlossen.
 

Sie folgten James Black über den Flur zu einer Tür, hinter der sich zu Gins Erstaunen ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer mit Essbereich und Küchenzeile befand. Eine Seite des Raumes bestand aus Fenstern bis zum Boden, die einen hervorragenden Blick über die Stadt boten. Es gab einen großen Fernseher und weiter hinten entdeckte Gin drei weitere Türen. Wo sie hinführten, konnte er nur vermuten.

Nach wenigen Schritten bemerkte Gin jedoch, dass dieser Raum nicht ganz so harmlos war, wie er auf den ersten Blick wirkte. In jeder Ecke befanden sich Kameras. Jede Bewegung hier wurde überwacht.

"Verstehe... dann soll das wohl erst mal mein Gefängnis werden.", überlegte der Silberhaarige. "Gar nicht mal so übel."
 

Aber dennoch machte er sich keine Illusionen. Das FBI befand sich hier ohne offizielle Erlaubnis. Sie hatten dieses Penthaus mit hoher Wahrscheinlichkeit nur gemietet, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Bei solchen Wohnungen war es nicht selten, dass jemand eine ganze Etage allein mietete und dadurch vermieden sie unerwünschte Zeugen. Bei nächster Gelegenheit würde er in die USA gebracht werden.
 

Gin bemerkte, dass James Black etwas sagen wollte, sobald alle Agenten den Raum betreten hatten und die Tür hinter ihnen zu war, doch plötzlich meinte Shuichi: "Können wir erst mal was essen?"

Alle Blicke richteten sich auf seinen Geliebten. Selbst Gin konnte nicht anders, als ihn erstaunt anzusehen.

"Was..." Seine unausgesprochene Frage wurde beantwortet, als Shuichi weiterredete: "Ich bin wohl doch noch nicht wieder ganz auf den Beinen und konnte die letzte Zeit nichts Ordentliches essen. Die Befragung kann doch bestimmt noch etwas warten, oder?"

"Er versucht doch tatsächlich Zeit zu schinden!", wurde Gin klar. "Offensichtlicher kannst du das doch nicht machen! Denk dir wenigstens etwas Vernünftigeres aus!", schimpfte er gedanklich.

Genau den gleichen Gedanken schien auch die Hälfte der anwesenden FBI-Agenten zu haben, während die andere Hälfte komplett verwirrt schien. Aber jetzt richtete sich der Blick aller Anwesenden wieder auf den Ältesten im Raum.

Dieser räusperte sich und sagte dann: "Sie sollten besser auf ihre Gesundheit achten, Akai."

"Haben Sie den Mist gesehen, den es im Krankenhaus gab? Da vergeht selbst dem Gesündesten der Appetit.", erwiderte Shuichi schulterzuckend und schob Gin zum Esstisch. "Was habt ihr denn hier?", fragte Shuichi scheinbar ohne die Anspannung im Raum zu bemerken.

Gin war sich dieser jedoch mehr als bewusst. Und zu wissen, dass sein Geliebter nur den Unbekümmerten spielte, während er ganz eindeutig Zeit schindete, machte es nicht besser. Zudem hatte er noch ein gewisses anderes Problem, um welches er sich aber nicht kümmern konnte.

"Hey Shuichi...", sprach er ihn zum ersten Mal seit dem Kuss wieder an.

Dieser sah überrascht zu ihm. "Ja?"

Verlegen sah Gin zu den versammelten Agenten, die ein Stück zurück weiter weg standen. "Ich muss mal wohin."

Sofort blieb Shuichi stehen.

"Oh.. ähm... ja... entschuldige. Das Bad ist die Tür da drüben." Er zeigte auf eine der drei Türen, die Gin bereits beim Eintreten aufgefallen waren.

"Sicher... aber...", bevor er aussprechen konnte, sah Shuichi wieder zu seinem Vorgesetzten.

"Könnt ihr Gin vielleicht die Handschellen abnehmen?"
 

Kaum hatte er ausgesprochen, sah der Silberhaarige, wie sich Jodie aufplusterte: "NEIN! Du kannst doch nicht einfach so vergessen, dass er ein Mörder ist, Shu!"

Dieser drehte sich mit einem Lächeln zu ihr um und zog Gin dann so plötzlich zu sich, dass ihm dieser geradezu in die Arme fiel.

"Natürlich nicht. Ich habe auch kein Problem damit, wenn er sie anbehält. Ich gehe ihm gerne beim Essen und Duschen zur Hand."

Gin spürte die Röte in seinem Gesicht aufsteigen, während die Hände seines Geliebten vielsagend über seinen Körper wanderten.

"Schon gut! Hier hast du ihn!", fauchte sie ihn wütend an. Shuichi fing etwas auf und Gin bemerkte, wie die Blondine aus dem Zimmer stürmte. Auch wenn es etwas peinlich war, war Gin dennoch froh, dass sie erst mal Ruhe vor ihr haben würden.

"Das war unangebracht, Akai.", bemerkte James.

Shuichi ging kaum auf den Tadel ein. Während er Gins Handschellen öffnete, meinte er nur: "Sie ist selbst Schuld."
 

Sobald Gins Hände endlich befreit waren, begab er sich unter den aufmerksamen Blicken der Agenten zum Bad. Dabei vermittelten sie ihm deutlich, dass sie sich bei der kleinsten Bewegung Richtung Tür auf ihn stürzen würden. Gin tat, als würde er nichts davon bemerken und trat entschlossenen Schrittes durch die Tür, die Shuichi ihm gezeigt hatte.

Sie schloss sich mit einem leisen Klicken und auch wenn es keinen Schlüssel gab, seufzte der Silberhaarige dennoch auf. Er war erleichtert über die kurze Auszeit.
 

Das Bad war passend zum Wohnbereich geräumig. Neben einer Dusche gab es eine große Wanne, in der bequem auch zwei Personen Platz fanden. Über dem Waschbecken war ein großer Spiegel in der Wand eingelassen und daneben befand sich die Toilette. Ein Fenster gab es nicht.

Der Silberhaarige kontrollierte als erstes alle Ecken des Raumes, fand zu seiner Erleichterung aber keine Kameras. Scheinbar vertrauten sie darauf, dass er hier nicht entkommen konnte und es nichts gab, mit dem er sich hier einschließen könnte. Alles, was als Waffe dienen konnte, wurde scheinbar entfernt. Die Schränke waren leer und auch die Handtücher, welche mit Sicherheit bereitgestellt wurden, fehlten. Neben der Dusche hing nur ein kleines Handtuch.

Entgegen der Behauptung Shuichi gegenüber ignorierte Gin die Toilette neben dem Waschbecken völlig und begann stattdessen sich zu entkleiden. Sobald er die Dusche angestellt hatte, begann er endlich, sich seinem eigentlichen Problem zuzuwenden.

"Idiot!", fluchte er dabei gedanklich. "Du bist nicht der Einzige, der Bedürfnisse hat!" Mit geschlossenen Augen umfasste Gin sein Glied und bewegte die Hand hoch und runter. Erlaubte es sich endlich, die Gefühle, welche durch die Berührungen seines Geliebten ausgelöst worden waren, seinen Körper zu erfüllen. Es dauerte nicht lange, bis er mit einem leisen Stöhnen kam.
 

Er gönnte sich noch einen Moment unter dem warmen Strahl der Dusche, um seine Atmung wieder zu beruhigen, bevor er sich schnell wusch. Anschließend trocknete er sich mit dem Handtuch ab und zog seine vorherige Kleidung wieder an.

Das Handtuch über den Schultern, um zu verhindern, dass seine nassen Haare die Kleidung durchnässten, verließ er schließlich das Bad.
 

Er ignorierte die misstrauischen Blicke der anderen Agenten und ging direkt zu Shuichi, welcher soeben den Tisch für zwei Personen deckte. Das Essen verlief ruhig, wenn auch nicht schweigend. Immer wieder wechselte sein Geliebter ein paar Worte mit Kollegen oder ihm, wobei seine eigenen Antworten gewohnt einsilbig waren.

Shuichis Redseligkeit war aber offensichtlich nicht nur für Gin ungewohnt. Er beobachtete auch hin und wieder verwirrte Blicke unter den Agenten. Doch es war nicht ohne Sinn. An verschiedensten Stellen bemerkte der Silberhaarige, dass sein Geliebter damit nicht nur seine Unsicherheit überspielte, sondern weiter Zeit schindete. So gelang es ihm aus den verschiedensten Gründen, dass der Tag verging, ohne dass Gin von ihm getrennt wurde.

Eifersucht

Am Ende des Tages war Gin über die Stille froh, die im Schlafzimmer einkehrte, sobald sich die Tür hinter seinem Geliebten schloss. Obwohl sich Jodie wieder über das Schlafarrangement beschwert hatte, teilte er sich das Zimmer (und Bett) doch mit Shuichi. Außer ihnen befand sich niemand hier.

Was aber nicht bedeutete, dass sie unbeobachtet waren. Genau wie im Wohnzimmer waren hier überall Kameras angebracht.
 

Gin legte sich auf das Bett und versuchte die Tatsache auszublenden, dass gerade irgendwelche Personen jede seiner Bewegungen beobachtete, ohne dass er sie beobachten konnte. Mit geschlossenen Augen ließ er den Tag noch einmal kurz Revue passieren. Nach wenigen Minuten öffnete er jedoch die Augen und sah erstaunt zu seinem Geliebten, welcher noch an der Tür stand.

"Was ist los mit ihm? Er ist schon die ganze Zeit so seltsam... Jetzt sag nicht, er will, dass ich ihn ins Bett einlade...", dachte Gin, wobei er bewusst auf einen neutralen Gesichtsausdruck achtete. Er würde hier bestimmt keine Show für die Kollegen seines Geliebten abhalten.

"Wenn es das ist, was er will, kann er ruhig die ganze Nacht da stehen!", beschloss Gin. Aber gleichzeitig sagte ihm sein Instinkt, dass das nicht das Problem war.
 

Als sich Shuichi auch nach weiteren 10 Minuten nicht vom Fleck bewegte, beschloss der Silberhaarige ihn doch anzusprechen. "Hey, Shuichi…"

Der Angesprochene zuckte kurz zusammen, bevor er sich mit einem aufgesetzten Lächeln umdrehte und erneut anfing zu reden: "Entschuldige, Jodie ist manchmal echt anstrengend. Sie steigert sich schnell in Dinge rein."

Misstrauisch beobachtete Gin, wie Shuichi um das Bett herum ging und dabei seinem Blick auswich. Vorsichtig seine Worte abwägend und die Reaktion seines Geliebten genau beobachtend, antwortete Gin ruhig: "Das Problem ist nicht, dass sie sich ganz offensichtlich auf mich stürzen und auseinanderreißen will. Sondern dass sie sich benimmt, als wäre sie mit dir zusammen."

Das störte Gin bereits seit dem Moment, in dem er die schier unendlichen Nachrichten und verpassten Anrufe auf Shuichis Handy gesehen hatte, als er dieses angeschaltet hatte, um das FBI zu informieren. Mit jeder Nachricht war seine Wut und Eifersucht, wie er sich hatte eingestehen müssen, gewachsen. Die beiden schienen sehr vertraut miteinander.

Shuichis Antwort schockierte den Silberhaarigen dann auch mehr, als er erwartet hatte.
 

"Naja, das waren wir auch mal.", meinte der Schwarzhaarige schulterzuckend und setzte sich auf die Bettkante.

"Was?!" Gin gelang es nicht, den Schock aus seiner Stimme zu verbannen.

Endlich drehte sich sein Geliebter zu ihm um und legte sich neben ihn.

"Das ist schon lange her.", erklärte er, ohne ihn direkt anzusehen.

"Was ist los Shuichi? Was bedrückt dich so?" Gin war kurz davor diese Fragen auszusprechen, hielt sich aber im letzten Moment davon ab. "Das ist nicht der richtige Zeitpunkt...", versuchte er sich zu überzeugen.

Shuichi bekam von seiner Sorge hingegen nichts mit und redete einfach weiter: "Ich habe mit ihr Schluss gemacht, bevor ich bei euch - der Organisation - Undercover gegangen bin."

"Sie hat nie aufgehört dich zu lieben.", stellte Gin verbittert fest.

"Nein...", gab Shuichi zu. "Aber warum stört dich das so? Ich hatte danach nie wieder etwas mit ihr. Auch als Akemi..." Er stockte.

Gin bemerkte, wie sich Shuichi anspannte. "Du meinst: Nachdem ich Akemi umgebracht habe.", sprach er die Wahrheit aus.

Endlich richtete sich das grüne Auge auf ihn. "Du konntest nicht anders…"

Gin verdrehte die Augen. "Ja, es war ein Auftrag vom Boss.", gab er zu. "Aber ich hätte sie nicht erschießen müssen."

"Was?", geschockt weitete sich das Auge seines Geliebten.

Gin sah ihn unentwegt an. "Ich hätte es auch Wodka erledigen lassen können."

"Du…"

Gin ließ seinen Geliebten nicht ausreden.

"Aber das wollte ich nicht. Ich wollte es tun. Ich wollte sie sterben sehen."

Akai starrte ihn weiter an, bis ihm ein einziges Fragewort über die Lippen kam. "Warum?"

"Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie mich aufgeregt hat."

Zögernd meinte Shuichi: "Vielleicht warst du... neidisch?"

"Neidisch?", wiederholte Gin überrascht. Ihm war der leicht hoffnungsvolle Ton in der Stimme seines Geliebten nicht entgangen.

"Nein. Ich fand sie einfach nur dumm. So verzweifelt versuchte sie etwas zu erreichen, das doch erfolglos war. Und sie hat es dennoch getan. Ich habe sie nicht verstanden. Warum sie das getan hat. Nur wegen einer kleinen, falschen Hoffnung."

"Sie war stark. Obwohl ich ihr gesagt habe, dass ich ihr helfen könnte, würde etwas sein. Aber sie hat mich bewusst erst informiert, als sie wusste, dass ich nichts mehr ändern könnte."

Gin schnaubte. "Sich offenen Auges in den Tod zu stürzen empfindest du also als Stärke? Ist das der Grund, warum du bei Arrak..." Er brach ab. Bei der Erwähnung des Namens schlich sich ein Ausdruck auf das Gesicht seines Geliebten, der Gin Angst einjagte.

"Es ist zu früh...", erkannte er. "Er ist noch nicht bereit, darüber zu reden."

"Entschuldige. Das ging zu weit.", sagte er leise.

"Schon gut...", meinte Shuichi, doch der leicht entrückte Ausdruck in dessen Augen erzählte Gin etwas anderes. Schweigend betrachteten sie sich.

Mit der Stille schlich sich auch die Müdigkeit heran und kurz darauf fiel es Gin schwer, seine Augen noch offen zu halten. Da stellte Shuichi ihm eine Frage: "Was ist mit dir? Mit wem... warst du zusammen?"

"Mit niemandem.", antwortete Gin wahrheitsgemäß und beobachtete, wie Shuichi die Stirn runzelte.

"Was ist mit Sherry? Hast du sie…"

Gin schüttelte den Kopf. "Nein."

"Und das soll ich dir glauben?"

"Ich..." Gin zögerte. "Vielleicht war ich etwas neidisch auf sie."

"Warum?"

"Sie wurde genau wie ich von der Organisation erzogen. Kannte kein anderes Leben. Keine anderen Regeln... Aber sie hatte eine Schwester. Eine richtige Schwester. Die sie geliebt hat. Die für sie gestorben ist... Sie durfte Dinge erfahren und erleben und fühlen, wie ich es nie konnte…"

"Aber jetzt schon.", sagte Shuichi.

"Ja..." "...dank dir." Den gedanklichen Anhang hielt Gin zurück. Er wusste nicht, wie Shuichi jetzt darauf reagieren würde.

Schließlich streckte Shuichi eine Hand aus und legte sie ihm sanft auf die Wange.

"Ich liebe dich."

Gin legte seine eigene Hand darüber und sagte leise: "Ich weiß... Ich liebe dich auch."

Vor einen Monat hatte er noch gefürchtet, diese Worte nie wieder hören zu können, umso mehr beruhigten sie ihn jetzt. Doch er konnte sich dem Moment einfach nicht hingeben und sich entspannen. Nicht mehr. Auch wenn Shuichi versuchte es zu verstecken, der Silberhaarige konnte dessen Fassade durchschauen und wusste, dass seinem Geliebten irgendetwas auf der Seele lag. Doch er traute sich nicht, ihn zu fragen. Denn Shuichi wirkte so anders als gewöhnlich und Gin hatte Angst, was er mit seinen Worten auslösen würde.

“Ist ja auch kein Wunder, dass ihn scheinbar etwas bedrückt. Ich mach mir immerhin auch viele Gedanken....“, ging es ihm durch den Kopf und er drückte dabei die Hand seines Liebhabers fester. Dieser blickte ihm zwar noch in die Augen, doch erneut hatte der Silberhaarige ein seltsames Gefühl. Obwohl Shuichi ihn ansah, schien er durch Gin hindurch zu schauen und geistig längst nicht mehr anwesend zu sein. Das smaragdgrüne Auge, welches auf ihn gerichtet war, wirkte leer.

„Shu-“

„Mor-“

Sprachen beide gleichzeitig und verstummten dann sofort. Sie starrten sich wieder schweigend an, als Shuichi die Stille mit einem leisen Lachen unterbrach, was Gin aus irgendeinem Grund erleichterte.

„Tut mir leid, was ist denn?“, fragte sein Geliebter nachdem er sich entschuldigt hatte.

Gin zögerte.

„Vergiss es… war doch nicht so wichtig.“, meinte er dann. Dass Shuichi zuvor auf ihn beinahe unheimlich gewirkt hatte und er nur dessen Namen sagen wollte, um ihn zurück in die Realität zu holen, wollte er so nicht direkt aussprechen. „Was wolltest du sagen?“, lenkte er umgehend ab.

Nach einem längeren Atemzug begann Shuichi: „Morgen wird dann wohl die Befragung stattfinden...“

“Ist es das, was dich so bedrückt?“ „Ja.“, ließ Gin seine aufkommende Frage unausgesprochen und versuchte seine Sorgen in der festen Tonlage nicht zu zeigen. Dass man ihn morgen befragen würde, war sowieso absehbar. Eigentlich hätte er das heute bereits erwartet.

„Darf ich...dich um was bitten?“, fragte sein Geliebter vorsichtig, was Gin verwunderte.

„Alles, was du willst.“, erwiderte er.

„Bitte zeige dich morgen etwas kooperativ und antworte ehrlich auf ihre Fragen, oder zumindest auf die Meisten, insofern das möglich ist.“

Gins Augen weiteten sich. Um ehrlich zu sein hatte er so genau darüber noch nicht nachgedacht. Aber Shuichi nutzte die Pause, um noch weiterzureden: „Ich möchte dich zu nichts zwingen, aber wenn du vorhast, dich stur zu stellen, hilft uns das nicht weiter.“, fuhr er fort und Gin bemerkte, dass er damit nicht etwa seine FBI-Kollegen meinte, sondern das ‚Uns‘ sich speziell nur auf ihre Zweisamkeit bezog.

„Ich hab ja nichts außer dich zu verlieren, also vertrau mir einfach und mach dir keine Gedanken.“, antwortete er ruhig. Da spürte er, wie Shuichis Hand hinter seinen Kopf wanderte und er ihn weiter zu sich heran zog.

„Das tu ich.“, lautete die leise Antwort seines Geliebten, während er Gin einen sanften Kuss auf den Haaransatz gab.

Gin legte darauf seinerseits eine Hand an Shuichis Hinterkopf und fuhr ihm mit den Fingern leicht durch die Haare. Dabei erwiderte er den Blick seines Geliebten und fragte ihn zum wiederholten Male gedanklich: "Was ist los mit dir?"

Er suchte das Gesicht seines Gegenübers ab, als würde er darin die Antwort finden.
 

"Wie viel wissen sie denn bereits?", fragte er schließlich leise. Eine entscheidende Frage. Denn würden sich ihre Aussagen widersprechen, wäre es fatal. Sie würden beide ihre Glaubwürdigkeit und das instabile Vertrauen des FBIs verlieren.

Shuichi schloss sein Auge und berichtete ebenso leise: "Als sie mich gefunden haben, haben meine Kollegen auch deine blutverschmierten Sachen in dem Hotelzimmer gefunden. Und sie konnten in Erfahrung bringen, dass du es gebucht hast. Darum glauben sie...dass du..." Er stockte.

Gin verstand auch so, was er meinte. Die Aussage von James Black war mehr als eindeutig gewesen.

"Ich weiß...", sagte er.

Einen Moment herrschte Stille, bis Gin sie erneut mit einer Frage durchbrach: "Was noch?"

Shuichi öffnete sein Auge wieder, sah ihn kurz an und senkte dann den Blick.

"Ich habe ihnen erzählt, wie du mich entführt hast...und dass wir uns dadurch... näher gekommen sind."

"Und…"

Shuichi schüttelte den Kopf, noch bevor er seine Frage ausgesprochen hatte.

"Ich wollte es dir überlassen, ihnen von Merlot zu erzählen."

"Er hat ihnen also nichts von dem Gift erzählt...", erkannte Gin.

"Shuichi."

Sobald sich das grüne Auge wieder auf ihn richtete, sprach er endlich die Frage aus, die er seinem Geliebten bereits die ganze Zeit stellen wollte: "Was ist los?"

Als er erkannte, dass dieser mit einem "Nichts" antworten wollte, unterbrach er ihn sofort: "Lüg mich nicht an. Du suchst schon die ganze Zeit meine Nähe."

Shuichi versuchte nur den Blick zu senken, doch Gin legte seine Finger unter dessen Kinn und zwang ihn so dazu, ihn weiter anzusehen. Eine Antwort auf seine Frage erhielt er jedoch nicht, weshalb er sich gezwungen sah, weiter zu bohren: "Hast du Angst?"

Statt einer Antwort spürte der Silberhaarige, wie sich Shuichis Hand, welche noch in seinem Nacken lag, kurz verkrampfte. Einen Moment später rollte eine einsame Träne aus dem Auge seines Geliebten.

Erschrocken wischte Gin sie weg. "Ich bin hier."

Shuichi zog ihn fester zu sich und flüsterte so leise, dass er ihn kaum verstehen konnte: "Verlass mich nicht…"

Die Verzweiflung und Angst in diesen Worten erschreckte Gin, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ.

"Das werde ich nicht.", versprach er seinem Geliebten und küsste ihn sanft. Entgegen allen anderen Küssen, die sie zuvor ausgetauscht hatten, war dieser weder verlangend, noch lustvoll, sondern einfach nur beruhigend.

Befragung

Am nächsten Morgen erwachte Gin als Erster. Kurz darauf hörte er, wie die Tür geöffnet wurde und ein FBI-Agent den Raum betrat. Dieser bedeutete ihm rauszukommen. Doch das lehnte der Silberhaarige mit einem Kopfschütteln ab. Zu gut kannte er das Gefühl, allein in einem Bett aufzuwachen, wenn man bereits Angst davor hatte, dass der Geliebte verschwand. Er würde warten, bis Shuichi erwachte. Wecken war für ihn keine Option. Shuichi benötigte den Schlaf.

Eine Stunde später wurde der Silberhaarige mit einem Lächeln auf den Lippen seines Geliebten für diese Entscheidung belohnt.
 

Nach dem gemeinsamen Frühstück war es dann aber soweit. Die Befragung durch Shuichis Kollegen ließ sich nicht länger aufschieben. Mit einem kurzen Kuss und der Versicherung, dass er schon bald zurück wäre, verabschiedete sich Gin von seinem geliebten Agenten und ließ sich widerstandslos die Handschellen anlegen, mit denen er an der Tür zu diesem Apartment erwartet wurde.

Von mehreren Agenten begleitet, wurde er über den Flur zu einem Raum geführt, der wie ein Büro wirkte. Dort erwarteten ihn James Black und Camel. Nach einem bestätigenden Nicken von James verließen die Agenten, die ihn hergebracht hatten, abgesehen von einem, den Raum.

"Setzen Sie sich.", forderte James ihn auf und deutete auf einen Stuhl vor seinem Tisch.

Gin leistete der Aufforderung ruhig folge. Sobald er saß, räusperte sich der Ältere und meinte schließlich: "Sie wissen, worum es geht. Akai behauptet zwar, dass Sie vertrauenswürdig sind, aber jeder hier kennt Ihre Vergangenheit und das ist wirklich keine, die uns dazu neigen lässt, Ihnen unser Vertrauen zu schenken. Allein die Tatsache, dass Sie sich hier befinden, verdanken Sie einzig und allein Akai und wie viel uns seine Einschätzung bedeutet. Alles weitere liegt jedoch bei Ihnen. Beweisen Sie uns, dass Akai recht hat.“

"Trotz meiner Vergangenheit werde ich gewiss viele ihrer Fragen beantworten können. Aber ich habe auch zwei Bedingungen.", sagte Gin kalt. Beim Frühstück war ihm klar geworden, dass das FBI zusammen mit seinem Mantel auch den Ring gefunden haben musste. So ein einfacher Ring hatte mehr Bedeutung, als es zunächst den Anschein hatte. Er selbst hatte ihn, während er Shuichi suchte, als Rettungsanker benötigt und auch Shuichi hatte sich bei ihrem Wiedersehen anhand des Ringes seiner Gefühle versichert.

James blickte erstaunt, bedeutete ihm aber mit einer Geste, dass er fortfahren sollte. Damit versprach er nicht, diese Bedingungen zu erfüllen, zeigte aber die Bereitschaft sie sich wenigstens anzuhören. Dadurch bestärkt fuhr Gin fort: "Meine erste Bedingung ist, dass ich weiterhin bei Akai bleibe. Egal was passiert und unter welchen Umständen, aber ich will weiter an seiner Seite bleiben." Ohne auf die Reaktion des Älteren zu warten, äußerte er gleich die nächste Bedingung: "Die zweite Bedingung ist, dass ich etwas Bestimmtes ausgehändigt bekomme, dass bei meinem Mantel war."

James beugte sich vor und wandte sogleich ein: "Ich muss erst wissen, was genau das für ein Gegenstand ist, den Sie haben wollen."

Gin biss sich auf die Unterlippe. So offen wollte er das eigentlich nicht zugeben, daher zögerte er mit der Antwort.

James erkannte die Unsicherheit seines Gegenübers und erklärte daher in festem Tonfall: "Sie verstehen sicherlich, dass es bestimmte Gegenstände gibt, die wir Ihnen unter keinen Umständen überlassen können."

Erst jetzt fiel Gin ein, dass er seine Beretta neben seinem Mantel liegengelassen hatte.

"Ich garantiere Ihnen, es ist nichts, was zu Fluchtzwecken oder der Bedrohung eines ihrer Agenten dienen kann."

James runzelte die Stirn.

Gin beschloss alles auf eine Karte zu setzen. Zur Not müsste er einen neuen Ring besorgen.

"Das ist mein letztes Angebot."

Einen Moment sah James dem Silberhaarigen nur in die Augen, dann seufzte er leise und gab nach: "Ich nehme Sie beim Wort. Sollte der Gegenstand, den Sie verlangen, in unseren Augen eine Gefahr darstellen, behalten wir es uns vor, ihn nicht an Sie zu übergeben."

Damit war Gin einverstanden und zeigte das mit einem leichten Nicken.

"Also dann, was wollen Sie von mir wissen?" Mit dieser Frage erklärte der Silberhaarige sich bereit, die Befragung nun zu beginnen und stellte sich auf das Kommende ein. Daraufhin bewegte sich der stämmige Agent, Camel, zum Tisch, um auf diesem ein Diktiergerät zu platzieren und es anzuschalten. Danach entfernte er sich wieder ein paar Schritte.

Schließlich begann James ohne weitere Umschweife: "Akai sagte, dass Sie ihn nach seinem ersten Aufenthalt im Krankenhaus entführt haben, korrekt?"

Dass dies noch nicht das war, worauf der Ältere eigentlich hinauswollte und die Frage nur zur Versicherung diente, erkannte Gin. Ohne zu Zögern bestätigte er sie mit einem knappen "Ja."

Wie erwartet sprach James nun das aus, was ihn scheinbar eigentlich interessierte: "Da stellen wir uns natürlich die Frage warum Sie das getan haben. Hängt das mit dem vorherigen Ereignissen zusammen?"

"Sie meinen damit die Tatsache, dass die Organisation mich loswerden wollte?", schoss Gin eine Frage zurück, die eigentlich nur zum Zeit schinden dienen sollte, damit er sich seine Antwort zurechtlegen konnte.

"Beantworten Sie meine Frage.", entgegnete James nur streng und vermittelte seinem Gegenüber damit, dass dieser nicht das Recht hatte, irgendwelche Fragen zu stellen. Doch die gewonnene Zeit hatte Gin für eine Antwort ausgereicht: "Da ich diesen Anschlag auf mich überlebt hatte, bin ich ihm sozusagen schon vorher ... in die Arme gelaufen. Da ich verletzt war, hat er mir geholfen."

"Was genau war das für ein Anschlag?", hakte sein Gegenüber sofort nach. Gin versuchte irgendwie das Gift außen vor zu lassen und formulierte seine Worte passend um: "Der Befehl kam von Rum. Dieser befahl Wodka, meinen ehemaligen Partner, mich zu beseitigen." Gin pausierte kurz, um ein leichtes Grinsen aufzusetzen, dann sagte er: "Aber da hatte der Gute sich leider die falsche Person ausgesucht, um mich zu töten."

"Warum?", lautete die folgende Gegenfrage des Älteren.

"Ganz einfach: Wodka war nicht in der Lage, mich durch einen Schusswechsel zu erledigen und ich konnte, wenn auch mit Verletzungen, die Flucht ergreifen.", erklärte Gin im ruhigen Ton.

Offenbar nahm sein Gegenüber diese Aussage einfach so hin, zu Gins Erleichterung. Zudem erleichterte es ihm auch, dass es ihm tatsächlich irgendwie gelungen war, der eigentlichen Frage, warum er Shuichi entführt hatte, zu umgehen. Jedoch wurde Gin im nächsten Moment klar, dass sein Gegenüber dies ebenso bemerkt hatte: "Also, wenn Akai Ihnen doch geholfen hat, warum entführten Sie ihn dann?", wiederholte er die Frage, nachdem er sich kurz räusperte.

"Scheiße...", fluchte Gin gedanklich, ließ sich das aber nicht anmerken, sondern meinte: "Ich gebe zu, dass ich seine Hilfe zuerst nicht wollte und das Ganze nicht immer ... sagen wir, harmonisch verlief." Dann stockte er. Er merkte wieder mal, wie schwer es ihm noch fiel, so offen vor anderen Personen über seine Gefühle zu Shuichi zu reden. Doch schließlich zwang er sich doch dazu, fortzufahren: "Aber in dieser Zeit, als er sich um mich gekümmert hat, ist auch noch etwas anderes passiert... Meine Gefühle haben sich verändert. Und ich habe das nicht verstanden... Ich kannte solche Gefühle nicht und war verwirrt. Da bin ich zu der einzigen Lösung gekommen, Akai zu entführen... Ich wollte diesen neuen Gefühlen nachgehen und von ihm erfahren, was er mit mir... gemacht hat." Bei dieser Erklärung musste Gin aufpassen, nicht versehentlich zu erröten. Man erkannte ohnehin schon an seiner Tonlage, wie verlegen er war. Unbewusst drehte er seinen Kopf etwas zur Seite.

Da bemerkte er auch, wie sich die Stimmung im Raum veränderte. Jeder der Anwesenden schien etwas überrascht, als hätte man ihm so eine Antwort niemals zugetraut. Zum Glück waren seine Gefühle jetzt jedoch nicht der Hauptgrund dieser Befragung, was er auch bei der nächsten Frage merkte: "Und Sie beide haben dann im Alleingang versucht, sich gegen die Organisation zu stellen?" Gin bestätigte diese Aussage mit einem Nicken, bevor er sagte: "Akai wusste nicht, wie ihr reagieren würdet, wenn ihr erfahrt, dass ihr mit mir kooperieren sollt, da ich ja eurer Meinung nach keine vertrauenswürdige Person bin." Nach einem leichten Schulterzucken senkte er jedoch den Kopf. Ungewollt zeigten sich die Bilder von jenem Tag im Keller wieder vor seinem inneren Auge. Es war immer noch schmerzhaft.

"Leider wurde dieser Alleingang zum Verhängnis... Wir dachten, dass wir es mit ihnen aufnehmen könnten, aber dann bei der Auseinandersetzung wurde Shuichi..." Gin sprach nicht weiter und beendete den Satz stattdessen mit einem Seufzen. Er konnte das jetzt nicht aussprechen. Dennoch fügte er hinzu: "Mir gelang es zumindest, Rum zu erschießen... Nachdem Merlot einen Krankenwagen alarmiert hatte, bin ich geflohen…"

Nachdem der Silberhaarige seinen Satz beendet hatte, sah er auf und blickte in die erstaunten Gesichter der FBI-Agenten, wobei sich im Gesichtsausdruck von diesem Camel auch Erleichterung widerspiegelte. Warum das so war, wusste Gin jedoch nicht.

Nach einer langen Sprechpause, in der die Agenten sich Gins Aussage wohl nochmals durch den Kopf gingen ließen, sagte James plötzlich: "Fahren Sie fort."

Als Gin gerade nachfragen wollte, worauf genau sein Gegenüber hinauswollte, sprach dieser von selbst: "Was ist danach passiert?"

Gin schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Nutzte diesen kleinen Moment, um sich wieder zu sammeln. Dann öffnete er seine Augen und begann weiterzuerzählen.

Spiegel

Es war finster. Weder erkannte Akai, wo er sich gerade befand, noch sah er die eigene Hand vor seinem Auge. Geräusche waren auch nicht zu hören, und dennoch löste die vermeintliche Stille ein widerliches Rauschen in seinen Ohren aus.

“Wo bin ich?“, schoss es ihm durch den Kopf. Eine Frage, auf die er keine Antwort erhalten würde. Egal, in welche Richtungen er sich drehte, die Schwärze um ihn herum wollte nicht verschwinden. Auch als er anfing geradeaus zu laufen, sah er nicht mal den Boden unter seinen Füßen. Wie von selbst bewegten sich seine Beine schneller. Er fing an zu rennen. Die Stille füllte sich mit jedem seiner hastigen Atemzüge, bis er plötzlich stolperte und fiel.

Mit gesenktem Kopf starrte er in die Leere unter sich und versuchte für einen Moment, seinen Atem wieder zu beruhigen. Allmählich glaubte er, dass diese Finsternis begann ihn mehr und mehr zu verschlingen. Ein Schauer der Angst kroch ihm über den Rücken.

Als er den Kopf wieder hob, erblickte er jedoch tatsächlich ein Licht. Zumindest etwas, was sehr hell zu sein schien. Als würde er von diesem seltsamen Licht angezogen werden, stand er wieder auf und bewegte sich in die Richtung des Lichts. Umso näher er diesem kam, desto mehr konnte er dessen Umriss erkennen. Diese schien quadratisch zu sein.

“Eine Tür...“, musste Akai feststellen, als er genauer hinsah. Er verschnellerte sein Schritttempo und hielt dann vor dieser Tür, welche in einem schlichten Weißton gefärbt war. Den Schwarzhaarigen übermannte das Verlangen, zu erfahren, was sich hinter dieser geheimnisvollen Tür verbarg.

Doch als er seine Hand auf die Türklinke legte, überraschte ihn auf einmal eine altbekannte Stimme: “Wie schade, dass ich keinen Spiegel hier habe...“

Akais Augen weiteten sich und auf der Stelle drehte er seinen Kopf nach hinten. Aber er sah niemanden. Die Stimme klang auch nicht so, als würde sie direkt aus dem Mund einer Person stammen. Doch nur in seinen Gedanken hatte er sie auch nicht gehört. Viel mehr wie ein Echo…

Doch irgendwie verriet Akais Gefühl ihm, dass die Stimme von der Dunkelheit hinter ihm gekommen war. Deshalb drückte er die Türklinke herunter, öffnete die Tür vor sich und trat hindurch.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, überkam ihn Erleichterung. Der Raum war vollständig erhellt. Keine Dunkelheit mehr. Doch er musste feststellen, dass dieser Raum aus vielen Spiegeln bestand. Um genau zu sein bestanden die ganzen Wände aus Spiegeln, so dass Akai sein Antlitz mehrfach sehen konnte. Da erkannte er auch, dass er nicht mal Kleidung trug. Das war ihm im Dunkeln zuvor gar nicht aufgefallen.

Vorsichtig trat der Agent näher an einen der Spiegel heran, welcher bis zum Boden reichte. Gerade als er davor stehenblieb, schallte die Stimme von eben erneut: “Du solltest dich wirklich mal ansehen, Schneewittchen!“ Sie klang amüsiert.

Akai stockte der Atem und erneut durchlief ihn ein Schauer. Er wollte diese Stimme nie wieder hören.

„Verschwinde endlich!“, schrie er, während er die Augen fest zusammenkniff und sich krampfhaft mit seinen Händen an dem Spiegel vor sich abstützte.

Trotzdem hatte die Stimme wohl nicht vor, ihn in Frieden zu lassen: “Gefällt dir der Spitzname etwa nicht?“

Akai kannte diese Worte zu gut. Und doch wollte er sie mehr als alles andere vergessen.

„Hau verdammt nochmal ab!“ Seine aufgebrachte Tonlage ließ ein schallendes Echo entstehen, welches beinahe in den Ohren weh tat.

“Dabei passt die Beschreibung doch so gut.“

Jetzt glaubte der Schwarzhaarige, dass die Stimme direkt vor ihm war. Doch als er seinen Kopf hob und die Augen öffnete, durchfuhr ihn ein Schreck. Sein smaragdgrünes Auge traf sich mit dem seines Spiegelbildes. Sein Gesicht war plötzlich vollkommen blutverschmiert. Dieser Anblick sorgte dafür, dass ihm fast sein Herz stehenblieb. Sein Körper begann zu zittern. Die Angst holte ihn wieder ein und sich selbst dabei so im Spiegel zu sehen, trug keinesfalls zur Ermutigung bei.

Da riss ihn ein Knacken aus seiner Starre. Sein Auge wanderte zu seinen Händen, von welchen aus auf einmal Risse in den Spiegel gelangten. Das Glas fing an immer weiter zu zerbrechen und die Knackgeräusche nahmen zu, bis der ganze Spiegel mit Rissen übersät war. Bereits im nächsten Moment zerbrach das Glas vor seinen Augen und tausende Scherben fielen auf dem Boden.

Da erklang ein schallendes Lachen, welches nicht mehr aufhörte. Daraufhin bekamen auch die anderen Spiegel im Raum Risse. Wieder und wieder zersprang einer nach dem anderen. Das klirrende Geräusch gemischt mit dem Gelächter dieser verhassten Stimme, waren mehr als ohrenbetäubend für Akai und kaum auszuhalten. Er hielt sich die Ohren zu und sank auf dem Boden, woraufhin sich sein Körper zusammenkrümmte.

Der Lärm wollte einfach nicht nachlassen. Wurde stattdessen immer lauter.

„Aufhören!!!“, schrie Akai, als er drohte, den Verstand zu verlieren.

Danach herrschte tatsächlich Stille. Es war wieder so ruhig, dass er sich selbst atmen hören konnte.

Doch der Frieden trügte. Plötzlich schlangen sich zwei starke Arme um seinen Körper und zogen ihn ruckartig nach hinten. Nur mit schockgeweiteten Augen warf er einen Blick in die Scherben vor sich auf den Boden, welche ihn die Person erkennen ließen, die sich gerade hinter ihm befand.

„Weißt du, wo du dich hier befindest?“, stellte Arrak ihm belustigt eine Frage.

Akai gab ihm keine Antwort. Der Schock saß einfach zu tief. Obwohl er dieses Spiel langsam auswendig kannte. Es geschah immer wieder. Jede Nacht. Ohne, dass er sich dagegen wehren konnte. Und niemand half ihm. Er war es bereits seit dem ersten Mal leid. Dabei wünschte er sich so sehr, endlich alles verdrängen zu können.

„Du weißt es also nicht.“, beantwortete Arrak seine Frage irgendwann von selbst, bevor er eine neue stellte: „Hast du dich also in der Dunkelheit verlaufen?“

Der Agent schloss seine Augen wieder.

“Lass mich in Ruhe...“, dachte er flehend. Doch aussprechen tat er das nicht. Sonst würde dieser Bastard darauf eingehen und alles würde nur noch schlimmer werden.

„Mein armes Schneewittchen...“, meinte der Braunhaarige in einem bekümmerten Tonfall, während er mit einer seiner Hände über Akais Brust strich und zu dessen Kinn wandern ließ, um es zu umfassen. Er hob es an und leckte vergnügt über den Hals des Agenten.

„Hör auf.“, war alles, was Akai tonlos aus sich heraus brachte. Er hatte schon lange aufgegeben, etwas dagegen zu tun. Doch das ekelerregende Gefühl war dabei nie verschwunden. Es quälte ihn.

„Was hast du gesagt?“, fragte Arrak, wobei er jedoch ziemlich desinteressiert klang. Stattdessen begann er erneut den Hals des Schwarzhaarigen zu liebkosen.

„Hör auf mich anzufassen!“ Mit diesen wütenden Worten drehte Akai sich um und stieß seinen Hintermann von sich weg.

Kaum einen Moment später krallten sich jedoch Arraks Hände in seine Schulter und warfen ihn zu Boden. Daraufhin knallte er mit dem Rücken direkt auf die spitzen Scherben.

„Wann wirst du endlich begreifen, dass es zwecklos ist?“

Eine Frage, die Akai Schmerzen in der Brust bereitete. Eigentlich hatte er das schon längst begriffen. Nur akzeptieren wollte er das nicht. Vielleicht hatte er selbst zwar aufgehört, sich zu wehren, gab jedoch die Hoffnung auf Rettung nie auf. Irgendwer musste ihm doch aus dieser schrecklichen Spirale befreien können.
 

„Hilf mir, Gin...“

Rede mit mir

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Einladung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die Hochzeit

„Fummel doch nicht so dran rum!“, ermahnte Akai seinen Geliebten, während er dessen Krawatte wieder richtete. Vor wenigen Minuten waren er und Gin auf der lang ersehnten Hochzeitsfeier, zu der sie von Merlot und Camel eingeladen worden waren, angekommen. Seitdem wirkte Gins Haltung zunehmend angespannter und vor allem… “Ist er etwa nervös?“, fragte sich der Agent im Stillen, während er seinem Liebsten in die Augen schaute und dessen Krawatte nun wieder losließ.

„Muss das wirklich sein...“, murrte Gin nur. Dass er außerdem ganz offensichtlich keine Lust hatte, war nicht zu übersehen.

„Das fragst du mich heute schon zum fünften Mal. Und jetzt sind wir bereits da.“, entgegnete Akai, während er sich zurückerinnerte, wie schwer es war, Gin überhaupt hierher zu bringen. Von diesem war jetzt nur ein Seufzen zu hören.

„Wir überstehen das schon.“, versuchte Akai ihn ein wenig aufzuheitern und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
 

„Ich hoffe, du hast recht.“, erwiderte Gin. Überzeugt war er nicht. Immerhin war dies keine normale Hochzeit. Es war Merlots Hochzeit, und die war unberechenbar. Schon allein die Auswahl des Ortes für diese Veranstaltung war wieder mal typisch für sie. Als wäre Normalität für sie ein Fremdwort.

„Emerald Forest...“, las Shuichi den Schriftzug des Eingangsschildes laut vor. „Der smaragdgrüne Wald.“ Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

„Das ist wirklich etwas… zu viel.“, kommentierte Gin das riesige Baumhaus-Gerüst, welches hinter diesem Eingang lag. Es handelte sich hierbei eigentlich um ein Outdoorkino, welches sich aber auch für Hochzeiten eignete, wie Gin feststellen musste. Es gab ein hohes Deck mit einem bogenförmigen Unterbau, wobei man dort hin und wieder einige Sessel mit Decken und Kissen fand, welche ebenso in den einzelnen Logen vorhanden waren, die teilweise sogar Vorhänge besaßen. Darunter gab es scheinbar auch eine VIP Loge. Zudem fiel Gin noch eine Hängebrücke ins Auge, sowie ein zwischen Bäumen gespanntes, ebenso mit Kissen beschmücktes, Netz und mehrere Hängesessel, die an einem Seil befestigt waren. Im Großen und Ganzen war alles typisch kitschig, passend zu einer Hochzeit, eingerichtet.

„Willst du den Rest des Tages hier stehen?“, fragte Shuichi mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht und hielt dem Silberhaarigen die Hand hin.

„Ehrlich gesagt, wäre mir das lieber.“, gab Gin zu und griff nach der Hand seines Geliebten. Daraufhin gingen sie gemeinsam durch den Eingang. Rein in das bevorstehende Chaos.
 

Gin senkte seinen Blick zu dem weichen Moosteppich unter seinen Füßen und vermied es, die bereits anwesenden Gäste anzusehen, von welchen wohl mindestens 90% FBI-Agenten waren, die mit großer Sicherheit nicht über seine Anwesenheit erfreut waren. Besonders einer speziellen Agentin wollte er hier nicht über den Weg laufen, die aber bestimmt irgendwo in der Nähe rumgeisterte. Diese blondhaarige, extremst eifersüchtige Frau. Shuichis Ex-Freundin. Mit jedem weiteren Schritt konnte er die Blicke der Agenten auf sich förmlich spüren, begleitet von dem aufkommenden Gefühl der Unerwünschtheit.

„Beachte sie einfach weiterhin nicht.“, riet Shuichi ihm, der offenbar sofort sein Problem erkannt hatte.

„Hatte ich auch nicht vor...“, murmelte Gin mit leiser Stimme, während er seinen Hintergedanken nicht äußerte: “Ich will hier wieder weg!“

„Viele von ihnen haben wohl vergessen, wie man sich amüsiert. Sie vermiesen mit ihren strengen, wachsamen Blicken die ganze Feier.“, spottete sein Geliebter plötzlich im leiseren Tonfall über seine Kollegen.

„Du siehst auch nicht gerade glücklich aus.“, neckte er Shuichi, als er den Kopf wieder hob, um ihn anzusehen.

„Ich hatte auch nicht vor, mich zu amüsieren.“, meinte der Schwarzhaarige leicht lachend. Doch gerade, als er sich mit Gin einem Tisch mit Sektgläsern nähern wollte, wurden sie von einer lauten altbekannten Stimme überrascht…
 

„Das ist aber wirklich schade!“, bedauerte Merlot und hängte sich dabei über die Schulter der beiden Männer.

„Merlot...“, begann Gin nicht gerade erfreut, als er sich zu der Braut umdrehte, „Ach halt, du bist ja jetzt Ayaka Haruno.“, fügte er belustigt hinzu und musterte die Frau dabei ein wenig. In diesem hübschen Hochzeitskleid, mit offenen Haaren und dem goldfarbigen Haarschmuck sah die Wissenschaftlerin aus wie ein komplett anderer Mensch. Es war echt seltsam, sie mal nicht in ihrem Laborkittel zu sehen.

Merlot erwiderte die Aussage mit einem breiten, vielsagenden Grinsen, bevor sie sich an Shuichi wandte: „Aber trotzdem schön, dass der Herr FBI-Agent und sein Liebster doch noch erschienen sind!“ Sie klatschte einmal entzückt in die Hände. „Ich dachte zuerst, mein Darling macht Witze, als er mir erzählte, dass ihr beiden doch nun tatsächlich offen zu eurer Liebe steht.“
 

Akai ignorierte die letztere Aussage, und das darauffolgende Stirnrunzeln von Gin, und antwortete: „Ist es denn nötig, mich so zu nennen, wenn es hier doch von FBI-Agenten wimmelt?“

„Nun, es ist eben nur bei dir lustig.“, begründete Merlot schulterzuckend, woraufhin der Silberhaarige mit den Augen rollte.

„Daran ist nichts lustig.“, meinte er.

„Find ich schon.“, schoss die Frau hervor, begleitet von einer frechen Zunge, die sie zum ehemals kaltblütigen Mörder rausstreckte.

Akai bemerkte, wie sein Geliebter im folgenden Moment dazu neigte, etwas Falsches zu sagen, weshalb er ihm zuvorkam und ein anderes Thema einlenkte: „Du hast dich bei der Auswahl dieses Ortes wirklich wieder mal selbst übertroffen.“ Er ließ seinen Blick noch einmal durch die außergewöhnliche Umgebung schweifen. Man könnte fast meinen, dieser eingerichtete Wald wäre magisch.

„Nicht wahr? Als ich von diesem Ort erfuhr, wusste ich sofort, dass es unbedingt dieser sein muss.“, erwiderte Merlot und fing daraufhin an zu schwärmen: „Es wirkt alles wie das Schloss, von dem jeder einmal geträumt hat! Einfach herrlich!“ Sie wirbelte dabei übertreibend mit ihren Händen herum und drehte sich einmal um sich selbst.

Akai und Gin starrten sie währenddessen sprachlos mit großen Augen an.

„Etwas Einfaches hätte doch auch gereicht.“, sagte der Silberhaarige, als die Frau sich wieder einigermaßen eingekriegt hatte. Dass er ohnehin von dieser Gegend nicht beeindruckt war, versteckte er in seiner Tonlage nicht.

„Ein einfacher Wald ist doch stinklangweilig!“, meckerte die Wissenschaftlerin sofort und umfasste dabei Gins Schulter, welcher erneut mit den Augen rollte.

„Du solltest besser nicht so viel Zeit damit vertrödeln uns-“

„-Bis zur Trauung ist noch fast eine Stunde Zeit!“, unterbrach Merlot Gin einfach, da sie ahnte, worauf dieser hinauswollte.

„Das reicht locker, um euch noch ein wenig herumzuführen.“, bot sie danach an.

„Nicht nötig.“, lehnte der Silberhaarige jedoch ab, anders als der Agent: „Gern.“, nahm dieser das Angebot an.

Gin glaubte, sich verhört zu haben und rammte sein Ellbogen mürrisch in Akais Seite. Doch kaum einen Augenblick später zog Merlot den Schwarzhaarigen am Handgelenk hinter sich mit.

„Du kannst ja solange hier warten, bis du alt und grau wirst. Ach halt...“, wandte die Frau sich an Gin und begann folgend zu lachen. Dieser ballte daraufhin seine Hände zu Fäusten. Dass er vor aufkeimender Wut rot anlief, realisierte er nur wegen ihrem folgenden Kommentar: „Oh schau mal, wie rot er wird!“, sprach sie amüsiert zu Akai, welcher aber keine Miene verzog.

„Hör auf, das ist albern.“, sagte er in einer monotonen Tonlage, flüsterte der Braut dann aber zu: „Du solltest dich zurückhalten, sonst wirst du heute vielleicht nicht mehr heiraten können.“, riet er ihr. Zwar war er sich dessen bewusst, dass Gin sich besonders hier keine falsche Bewegung erlauben durfte, doch man konnte ja nie wissen… Wenn diese Frau sogar ihn selbst gelegentlich schon auf die Palme brachte, dann war es bei seinen Geliebten mindestens doppelt so schlimm.

„Ach was. Er wird sich schon benehmen.“ Merlot war sich ihrer Worte sicher, da sie immerhin ebenso wusste, dass jeder der hier anwesenden FBI-Agenten ein Auge auf das ehemalige Mitglied der Organisation gerichtet hatte.

„Sei dir da mal nicht so sicher.“, entgegnete Gin jedoch – gegen Merlots Erwartung – mit düsterer Tonlage. Während seiner Worte nutzte er die Gelegenheit, um seinen Geliebten wieder von dieser Verrückten wegzuziehen.

Merlot entwich ein Seufzen, bevor sie fragte: „Also, kommt ihr nun?“

Da Akai dem Angebot einer Führung längst zugestimmt hatte, sah er nun zu seinem Liebsten. Je nachdem, wie dieser sich entscheiden würde, daran würde er sich halten. Er würde Gin unter keinen Umständen hier irgendwo allein stehen lassen.

“Soweit kommt's noch...“, dachte er. Für seine Kollegen wäre Gin dann so etwas wie ein gefundenes Fressen. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen, wie groß das Drama werden würde, wenn er doch seine ‘Aufsichtspflicht‘ verletzte und einen brutalen Ex-Mörder einfach allein unter unschuldigen Gästen ließ. Zumal er ohne seinen Geliebten erst gar keinen Fuß auf diese Feier gesetzt hätte.
 

„Meinetwegen...“, willigte Gin letztlich doch leicht genervt ein. Es hatte keine andere Wahl, wenn er vermeiden wollte, dass Merlot weiterhin auf ihn rumhackt, was ihm zunehmend die Nerven kostete, die er für den heutigen Tag nicht mal übrig hatte. Aber irgendwie wollte er noch versuchen, das Beste draus zu machen, weil er Shuichi keine Probleme bereiten wollte.

„Gut!“, erwiderte Merlot mit strahlender Miene und ging dann voran. Die beiden Männer folgten ihr mit etwas Sicherheitsabstand.

„Sie ist wirklich wie ein Wirbelwind.“, flüsterte Gin nach einer Weile zu Shuichi, als sie gerade an einer Snackbar vorbeigingen.

„Das ist bestimmt die Aufregung.“, vermutete sein Liebhaber ruhig, woraufhin Gin ein Prusten nicht unterdrücken konnte.
 

Da blieb Merlot plötzlich stehen. Was ihre beiden Gäste nicht gemerkt hatten war, dass sie das kleine Gespräch trotz des Abstandes dennoch gehört hatte. So einfach wollte sie die beiden damit nicht davonkommen lassen.

Sie drehte sich um und fragte ernst: „Wisst ihr, was der wahre Grund ist, weshalb ich euch heute eingeladen habe?“ Sie setzte eine gespielte, bösartige Miene auf.
 

Nach dieser Frage spannte Gin sich automatisch an, was wiederum Akai nicht entging, dessen Gespür für Gefahr sich ebenfalls meldete. Er stellte sich schützend vor seinen Geliebten und forderte: „Verrat es uns.“

Er versuchte den Blick der Frau zu konkurrieren, die sich aber, wie erwartet, davon nicht einschüchtern ließ.

„Weil...“, begann sie ihre Antwort betonend, setzte dann jedoch eine Sprechpause, in welcher die Spannung stark anstieg. Ihre Brille spiegelte sich im Licht. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit fuhr sie fort: „Ich als Gegenleistung auch zu eurer Hochzeit eingeladen werden möchte!“ Nach ihrer großen Offenbarung brach sie in Gelächter aus. Die Spannung löste sich umgehend in Luft auf und die Wangen der beiden Männer färbten sich unvermeidlich rot.

Merlot richtete ihren Blick bedeutungsvoll auf die Hände der Männer und wollte gerade noch etwas obendrauf setzten, als sie inne hielt und die Stirn runzelte. Schneller als auch nur einer der beiden reagieren konnte, hatte sie Akais Hand ergriffen und vorgezogen.

„Was...?-“

Merlot erlaubte dem Schwarzhaarigen nicht, seine Frage zu vollenden, sondern unterbrach ihn sofort mit einer eigenen: "Warum trägst du deinen Ring nicht?"

Akai sah sie nur verwirrt an und entzog ihr seine Hand wieder. Da Gin noch hinter ihm stand, sah er nicht, wie dessen Augen größer wurden. "Was für einen Ring? Ich habe doch noch nie…-"

Erneut wurde er von der aufgeweckten Frau unterbrochen: „Camel hat mir davon erzählt! Ist es dir etwa peinlich? Dabei hat Gin ganz offensichtlich kein Problem damit."

Jedes weitere Wort von Merlot verwirrte Akai weiter.

"Worauf will sie hinaus?", wunderte er sich und wurde langsam auch etwas wütend. Es war eine Sache, ihre Sticheleien zu ertragen, aber langsam ging sie zu weit.

"Worauf...?-", gerade als er nachhaken wollte, was genau sie meinte, wurde er erneut unterbrochen. Von Gin.

"Das geht dich nichts an!", zischte er die Frau vor ihnen in einem Ton an, der selbst seinen Geliebten erschauern ließ.

"Ich bin wohl nicht der Einzige, dessen Geduld am Ende ist.", dachte er und fing eine Hand seines Silberhaarigen ein, um sie beruhigend zu drücken.

Merlots Augen wurden groß. „Du hast ihn noch nicht…"

„Ich sagte, das geht dich nichts an!", schrie Gin sie jetzt ganz offen an und alle Augen der Anwesenden richteten sich auf das Dreiergrüppchen.

Erstaunt, aber wie immer fasziniert, beobachtete Akai, wie die Röte im Gesicht seines Geliebten stärker wurde. Die wütend funkelnden Augen verstärkten diesen verführerischen Anblick nur noch.
 

Während sich Akai im Anblick seines geliebten Silberhaarigen verlor, herrschte um sie herum aber noch immer angespanntes Schweigen. Nicht einmal Merlot wagte nach Gins Ausbruch die Anspannung mit einem ihrer Scherze zu lösen.

Da kam Camel herbeigeeilt und stellte sich neben seine noch Verlobte. Sofort richtete sich der wütende Blick des Silberhaarigen auch auf ihn. Er zuckte kurz zusammen, richtete sich dann aber besonders gerade auf und fragte: „Gibt es ein Problem?"

Zu seiner Überraschung erhielt er die Antwort von Merlot: „Ja!"

Er drehte sich zu ihr um, nur um von ihr grob an den Schultern ergriffen und umgedreht zu werden. „Sieh gefälligst woanders hin! Du sollst mich doch erst zur Trauung in meinem Kleid sehen!"

Nervös wurde Camel rot uns stotterte verlegen: „A-aber i-ich dachte d-du bist vielleicht in Schwierigkeiten u-und…"

„Und da wolltest du mal wieder den edlen Ritter in glänzender Rüstung spielen, was? Aber keine Sorge, die Rolle übernimmt schon ein ganz bestimmter FBI-Agent, also kannst du dich ganz auf deine Rolle als mein Zukünftiger konzentrieren.", meinte Merlot leicht schnippisch, lockerte damit aber gekonnt die Anspannung.

„Ich sehe euch dann nach der Trauung wieder, ok ihr Süßen? Es tut mir wirklich Leid, aber ich befürchte, ich muss mich jetzt zurückziehen, sonst sieht Camel mehr, als er momentan sehen sollte." Merlot zwinkerte Gin und Akai zu und war kurz darauf verschwunden.
 

Erneut herrschte etwas Schweigen, bevor Camel sich vorsichtig erkundigte: „Ist sie weg?"

Akai sah zu seinem Kollegen und musste schmunzeln, als er sah, wie steif dieser noch in genau der Position stand, wie ihn Merlot gedreht hatte. „Ja, ist sie."

„Gut." Mit einem Seufzen sackten die Schultern des Bräutigams etwas nach unten und er drehte sich um. „Ich hoffe, sie hat euch keine Probleme gemacht?", erkundigte er sich in leicht entschuldigendem Tonfall.

„Nur das Übliche.", beruhigte Akai ihn, wobei er erneut an ihre Worte dachte. „Was hast du ihr eigentlich erzählt? Sie hat irgendwas von einem Ring erzählt...?"

„Das ist doch egal!", mischte sich erneut Gin ein. Erstaunt drehte sich Akai zu ihm. Bevor er jedoch nachhaken konnte, fügte der Silberhaarige hinzu: „Sie meinte bestimmt den Ring, den du mir gegeben hast. Dein Kollege muss ihr erzählt haben, dass ich ihn trage und hat sich dabei wohl etwas undeutlich ausgedrückt. Deswegen dachte sie, du hast ihn."

Gin hoffte inständig, dass Shuichi diese Lüge glauben würde. Gleichzeitig starrte er Camel so intensiv an, dass dieser wieder nervös wurde.

"Wage es nicht, etwas anderes zu sagen!", drohte er ihm gedanklich. Während Shuichi ihn noch ansah, blitzte plötzlich eine Erkenntnis über das Gesicht von Shuichis Kollegen und er nickte ihm unauffällig zu, bevor er die Aufmerksamkeit des Schwarzhaarigen mit Worten auf sich zurück lenkte, die Gins Aussage bestätigten.

„Ich habe ihr von eurem Treffen im Krankenhaus erzählt und da war sie ganz erstaunt, dass ihr der Ring nicht vorher aufgefallen ist. Durch die ganze Aufregung heute, muss sie verwechselt haben, wer von euch einen trägt."

„Verstehe...“, erwiderte Shuichi nachdenklich.

Gin verengte die Augen. “Er glaubt es nicht...“, erkannte er schließlich. Da war er über die nächste Geste des stämmigen FBI-Agenten ziemlich erleichtert.

„Na dann“, begann Camel in einem lauteren Tonfall und platzierte seine Hand auf Shuichis Schulter, so dass dieser aus seinen Grübeleien gerissen wurde. „Ich muss dann auch mal langsam los. Immerhin sind es nur noch 30 Minuten.“, fügte Camel hinzu.

„Stimmt“, meinte der Schwarzhaarige nach einem Blick auf seine Armbanduhr, „Viel Glück.“, wünschte er seinem Kollegen und setzte ein freundliches Lächeln auf, woraufhin sich Camel mit einem schnellen „Danke“ in Eile entfernte.
 

Eine halbe Stunde später war es schließlich soweit. Der Beginn der Trauung.

Dabei saßen alle geladenen Gäste nebeneinander in mehreren Stuhlreihen und lauschten ruhig der mehr oder weniger romantischen Szene des Brautpaars.

Gin hatte sich mit Shuichi bewusst extra in die letzte Reihe gesetzt. Insgeheim hätte er nämlich nicht dafür garantieren können, nicht doch mittendrin in Gelächter auszubrechen. Das Ganze war einfach zu unglaubwürdig. Wie ein Scherz. Gin würde niemals seine Meinung ändern, dass diese zierliche, verrückte, überdrehte, vorlaute Wissenschaftlerin und dieser breit gebaute, ruhige, FBI-Agent überhaupt nicht zusammenpassen.

“Aber was kümmerts mich… sollen die doch glücklich werden. Falls sie das schaffen.“, spottete der Silberhaarige gedanklich und beschloss damit, seine Umgebung nun vollständig auszublenden. Wenn er in ein paar Fantasien abtauchen würde, dann wäre die Zeit vielleicht ein wenig schneller rum. Aber ganz so einfach war es seltsamerweise nicht, sich einfach von der Außenwelt abzutrennen. Hin und wieder schlich sich die Szenerie in seinem Kopf, wie es wohl wäre, wenn…

Gin biss sich auf die Unterlippe, bevor sein Blick unauffällig zu Shuichi wanderte. Lange beobachten konnte er seinen Geliebten jedoch nicht, denn dieser bemerkte den Blick auf sich schneller, als gedacht.

Als ihre Augen sich für den hauch einer Sekunde trafen, drehte sich Gin umgehend wieder weg. Als wäre sein Liebster in der Lage, seine Gedanken zu lesen, wenn sie sich ansehen würden. Ein Seufzen entwich dem ehemaligen Mörder und er bemerkte gar nicht, dass seine Finger wie von selbst an seinem Oberschenkel kratzten.

“Schöpft er Verdacht?“, fragte er sich mit gesenktem Blick, während er seinen Atem anhielt und hoffte, dass dem nicht so war.

Aber noch ahnte Gin nicht vollständig, dass Shuichi schon seit dem Gespräch über den Ring sein Verhalten als sehr merkwürdig einschätzte und letztlich nicht wusste, ob er sich vielleicht Sorgen machen müsste…
 

„Alles in Ordnung?“, fragte Shuichi am Ende der Trauung, als die ersten Gäste sich von ihren Sitzplätzen erhoben, um dem frisch vermählten Paar ihre Glückwünsche auszusprechen. Gin sah seinen Geliebten nur verwundert an. Zumindest tat er so, als wüsste er nicht, was dieser meinte.

„Du wirkst schon die ganze Zeit über so angespannt. Fühlst du dich unwohl?“, erkundigte der Agent sich mit einer Tonlage, in der leichte Sorge mitschwang.

„Stimmt doch gar nicht, alles ok.“, entgegnete Gin monoton und sah wieder strikt geradeaus, während sie der Masse folgten.

„Du lügst.“, erkannte Shuichi ganz offensichtlich.

“Hör auf jeder Kleinigkeit meines Verhaltens auf den Grund zu gehen…!“, fluchte Gin gedanklich. Dass sein Geliebter ihn gerade heute so analysierte, ließ ihn zunehmend noch nervöser werden, als er es ohnehin schon war.

„Überhaupt nicht.“, stritt er einfach weiterhin ab.

„Aber...-“ Shuichi konnte nicht mehr ausreden, denn ehe sie sich versahen, standen auch sie vor dem Brautpaar.

„Meinen Glückwunsch.“, sagte Gin unbetont und kümmerte sich nicht weiter um den angefangenen Satz seines Geliebten.

Nachdem sich Camel bedankte, meinte Merlot scherzhaft: „Doch nicht so herzlos!“

Sie ergriff Gins Hand und drückte sie fest.

„Heute ist meine Hochzeit, und ich wünsche mir von dir, dass du lächelst!“, fügte sie im Befehlston hinzu. Der Silberhaarige runzelte die Stirn, während er von den anderen beiden Männern aufmerksam gemustert wurde. Jetzt, nachdem Merlot es verlangte würde er ganz bestimmt kein Lächeln aufsetzen.

„Komm schon. Oder wir werden hier bis morgen stehen müssen.“, redete die Frau weiter, als keine Reaktion erfolgte. Wieder entwich Gin ein Seufzen.

“Mein Gott...“ Gedanklich rollte er mit den Augen. Dann zwang er sich letztlich doch dazu, die Mundwinkel nach oben zu bewegen, so dass sich ein Lächeln in seinem Gesicht bildete. Da hörte er auch schon, wie Shuichi neben ihm ein leises Lachen entwich.

„Geht doch!“, kommentierte Merlot lobend und ließ Gins Hand wieder los. „Danke.“

„Hm.“ Mit diesem tonlosen Laut drehte Gin sich weg und entfernte sich, ohne auf seinen Geliebten zu warten.

„Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Zukunft.“, wünschte dieser den beiden vor sich freundlich. Als Merlot und sein Kollege sich bedankten, meinte er noch: „Und entschuldigt bitte seine Laune… ich versteh selbst nicht, was er hat...“ Man konnte leichte Verzweiflung aus seiner Stimme heraushören.

„Er verheimlicht dir bestimmt was.“, beharrte die Frau.

„So schlau bin ich auch schon...“ Akai kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Du solltest dich besser beeilen, sonst läuft er dir noch weg.“, riet Merlot ihm dann lachend.

„Ach was-...“ Gerade als der Schwarzhaarige jedoch verneinen wollte und sich in die Richtung drehte, in der sein Geliebter gegangen war, erblickte er diesen nicht. Sein Auge weitete sich vor Schreck. Ehe das Paar sich versah, eilte Akai an ihnen vorbei, um Gin zu suchen.
 

“Verdammt!“, fluchte der Agent, während er sich hastig in der Menge umsah. Doch egal wohin und auf was sich sein Blick richtete – Gin war nirgends zu entdecken. Aus diesem Grund begann sich ein unangenehmes Gefühl in ihm breit zu machen. Wenn er Gin nicht in den nächsten Minuten finden würde, könnte das vermutlich schlimme Folgen haben. Oder es würde sich zeigen, dass er nicht in der Lage wäre, auf ihn aufzupassen, wie es dann in aller Munde seiner Kollegen zu hören wäre.

„Gin...Wo bist du...“, murmelte er besorgt vor sich hin. Er traute sich aber nicht, nach seinem Geliebten zu rufen. Mit aufkommender Panik wich er wenige Schritte zurück und versuchte dabei, sich erneut einen Überblick zu verschaffen. Erfolglos.

Doch da stieß er plötzlich an jemanden, der daraufhin seine Arme um ihn schlang. Seine Augen weiteten sich.

„Ich bin doch hier.“, hauchte ihm zum Glück Gins Stimme ans Ohr. Akai drehte sich in dessen Armen zu ihm.

„Was-“

„Sei doch nicht so nervös.“, neckte Gin offensichtlich und setzte ein Grinsen auf, doch er wurde nur verwirrt angesehen.

„Ich bin nicht nervös, nur mir kam allmählich die Angst hoch.“, meinte Akai dann, wobei der erste Teil schon irgendwie gelogen war. Aber warum legte Gin da Wert drauf? Wollte er etwa von seiner eigenen Nervosität ablenken? ...“Indem er mich nervös macht?“

Der Agent zog eine Augenbraue nach oben. Heute war wohl mal wieder einer dieser Tage, an welchen es ihm nicht gelang, zu errätseln, was in seinen geliebten Gin vorging.

„Entschuldige.“, kam es von diesem wiederum. „Sollten wir denen nicht vielleicht folgen?“ Er wies in die Richtung, in welche sich alle Gäste offenbar begaben. Akai nickte leicht.

„Ist noch irgendwas geplant?“, fragte der Silberhaarige, der anscheinend nicht verstand, was jetzt kommen würde. Er fing wieder einer von Akais Händen ein.

„Weißt du denn nicht, dass die Braut nach der Trauung noch den Strauß werfen muss?“, fragte der Agent leicht lachend und drückte zufrieden Gins Hand fester.

„Ah… doch.“ Jetzt fiel es Gin wieder ein, aber durch das momentane Durcheinander, was in seinem Kopf herrschte, hatte er es einfach vergessen.
 

Auf einmal blieb die Menge, welcher sie bis eben gefolgt sind, an einer kleinen freien Fläche stehen.

„So, ihr wisst ja sicherlich alle, was jetzt kommt! Alle unverheirateten Frauen bitte mal genau da versammeln!“, rief Merlot und zeigte mit dem Fingern auf einen ganz bestimmten Fleck. In ihrer anderen Hand hielt sie einen Blumenstrauß weißer Rosen.

Die scheinbar unverheirateten Frauen befolgten daraufhin die Bitte der Braut und versammelten sich, während Gin, Akai und die anderen Gäste zur Seite traten. Danach drehte sich Merlot grinsend mit dem Blumenstrauß in beiden Händen um.

„Achtung…!“

Drei Sekunden später warf sie den Strauß, was man allerdings nicht als Wurf bezeichnen konnte. Sie schaffte es doch tatsächlich, beim Werfen auf ihr eigenes Kleid zu treten und nach hinten zu stolpern, so dass der Strauß in eine ganz andere Richtung flog, in die er eigentlich sollte…
 

„Autsch!“, meckerte Gin überwiegend genervt, als ihm der Blumenstrauß gegen den Kopf knallte.

„Nicht mal werfen kannst du...“, murmelte er, während er das Teil wieder aufhob. Doch als er sich wieder richtete, herrschte plötzlich langanhaltendes Schweigen. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet.

Gin begann sich verwirrt umzusehen, bis Merlot die angespannte Stille unterbrach: „Bravo!“ Daraufhin fing sie freudig an zu klatschen. Und erst jetzt begriff Gin, was diese Frau mit der Aktion bezweckt hatte.

“Das war doch volle Absicht!“, wurde ihm klar, als die anderen Gäste auch vorsichtig anfingen zu klatschen. Man merkte jedoch, dass fast jeder einfach nur irritiert war.

„W-Was...eh.. also...“ Gins Stottern ging in dem Applaus der Gäste unter. Da schlich sich Röte in sein Gesicht, als er sich wieder ins Gedächtnis rief, was es bedeutete, wenn man den Blumenstrauß der Braut fängt. Unbewusst wanderte sein Blick zu Shuichi. Doch als er auch dessen Röte auf den Wangen bemerkte, stieg seine Eigene automatisch bis zu den Ohren an.
 

Plötzlich schlug Merlot dem Silberhaarigen mit einer Hand auf die Schulter.

"Nun steh hier nicht so rum und bring es endlich hinter dich. Jeder hier weiß, dass ihr ein Paar seid, also gib ihn ihm endlich!"

Damit schob sie ihn zu Akai, bevor sie ihre anderen Gäste ablenkte, indem sie ihren frisch angetrauten Mann hinter sich her in die Richtung zu den Sitzplätzen des Kinos zog.

Etwas überfordert blieb Gin wortlos neben seinem Geliebten stehen. Dieser sah ihn mit einem verständnisvollen Lächeln an. "Willst du ihn mir wirklich geben oder lieber alle Blütenblätter der Rosen einzeln ausreißen?"
 

"Was?... Oh, ach so... hier."

Akai runzelte die Stirn, als ihm der Brautstrauß fast gewaltsam gegen die Brust gedrückt wurde, und Gin dann mit gesenktem Kopf an ihm vorbei stürmte.

"Merlot ist mit diesem letzten Streich eindeutig zu weit gegangen. Und hier hatte ich gehofft, den heutigen Abend wenigstens halbwegs genießen zu können. Herzlichen dank auch. Jetzt darf ich mich mit einem wütenden Ex-Mörder rumschlagen und versuchen, ihn irgendwie zu beruhigen.", beschwerte er sich gedanklich bei Merlot. Dann folgte er Gin zu den Sitzplätzen, die ihnen bereits zuvor zugewiesen worden waren.

Mit gesenktem Kopf und in den Taschen vergrabenen Händen grübelte Gin auf seinem Platz über die Worte der Wissenschaftlerin nach. Merlot hatte ihre Worte gut gewählt. Jeder andere glaubte, sie würde von dem Brautstrauß reden, doch ihm war mehr als bewusst, dass sie den Ring in seiner Tasche meinte, den er sich von James Black hatte aushändigen lassen.

"Aber soll ich es wirklich tun? Ich habe den Ring doch nur aus Gewohnheit eingesteckt. Weil ich den richtigen Moment nicht verpassen will. Oder habe ich das schon? Immer, wenn ich es die letzten Wochen tun wollte, habe ich es am Ende doch nicht geschafft. Ob er ihn überhaupt mag? Ich habe ihn doch nur auf die Schnelle gekauft.…"

"Da hat sie sich wirklich was ausgedacht, nicht wahr?"

Gins Kopf drehte sich leicht zu Shuichi. "Seit wann sitzt er schon da?"

Er war so in seine eigenen Grübeleien versunken, dass er ihn nicht bemerkt hatte. "So geht das nicht weiter! Lass dich doch nicht von diesem Miststück manipulieren und aus der Bahn werfen!", befahl er sich selbst.

"Hm...", war die brummige Antwort von Gin, während er anfing, seinen Geliebten genauer zu betrachten.

"Die Rosen passen echt gut zu seinem Anzug...", stellte er fest. Dann sah er, wie sich hinter Shuichi erneut eine gewisse Frau näherte. "Und sie ist offensichtlich noch nicht fertig.", machte er seinen Geliebten auf die drohende Gefahr aufmerksam.

Sobald sich Shuichi umgedreht und sie erblickt hatte, war Merlot auch bereits wieder bei ihnen angekommen.

"So langsam kannst du uns wirklich eine Pause gönnen.", wurde sie von einem verstimmten Akai begrüßt.

"Genau darum bin ich ja hier.", verkündete diese jedoch strahlend. Die Männer vor ihr verengten nur ungläubig die Augen.

"Nun seht mich nicht so an! Ich bin wirklich hier, weil ich dachte, ihr freut euch bestimmt über etwas mehr Ruhe und darum wollte ich euch die Lounge mit den zwei separaten Sitzplätzen da drüben anbieten. Sie war eigentlich für Camel und mich gedacht, aber da wir sowieso beschäftigt sind, dachte ich, dass ihr sie vielleicht nutzen könntet."

"Wie großzügig. Und wo ist der Haken an der Sache?", wollte Gin wissen.

"Es gibt keinen. Sieh es einfach als kleine Anerkennung von mir an, da du dein Versprechen gehalten hast.", strahlte sie den Silberhaarigen an.

"Was für ein...?", wollte dieser gerade nachfragen, wurde jedoch sofort wieder unterbrochen: "Du hast Akai nicht umgebracht."

Einen Moment starrte der Silberhaarige die Frau nur verwundert an, bevor eine Erinnerung in ihm aufstieg. Das Versprechen hatte Merlot ihm tatsächlich abgenommen. Als er noch unter dem, durch die Droge verursachten, Gedächtnisverlust gelitten hatte.

"Das...", selbst Shuichi war sprachlos.

"Genug der langen Reden. Ich muss wirklich weiter, also macht es euch da drüben bequem." Mit einem Zwinkern eilte Merlot weiter.

Schweigend sah Akai Merlot noch einen Moment hinterher, bevor er sich mit fragendem Blick zu Gin drehte. Einen kurzen Moment begegnete sich ihr Blick, dann senkte Gin erneut den Blick, zuckte mit den Schultern und murmelte etwas, das vermutlich heißen sollte: "Wenn sie es schon anbietet... Besser als hier ist es jedenfalls."

Erneut war es Gin, der vorweg ging und auf dem Weg zu den neuen Sitzplätzen hatte Akai das Gefühl, als würde sein Geliebter bewusst dafür sorgen, dass kein Gespräch entstehen konnte.

Die Lounge war tatsächlich etwas abseits und verfügte sogar über Vorhänge, die sie so zuziehen konnten, dass sie niemand mehr sehen konnte.

Als sich Akai neben Gin setzte, war dieser gerade dabei, die Vorhänge auf seiner Seite soweit wie möglich zuzuziehen. Gerade als er das gleiche auf seiner Seite machen wollte, stützte sich Gin mit einer Hand auf seinem Oberschenkel ab, und ergriff selbst den Vorhang. Während sich Akai überrascht zurücklehnte, fielen lange, silberne Strähnen über die Schulter seines Geliebten.

Er ergriff eine dieser Strähnen und ließ sie durch seine Finger gleiten. Die Farbe passte gut zu dem Strauß weißer Rosen in seiner anderen Hand. "So schön.", flüsterte er.

"Was?" Gins Kopf drehte sich zu ihm.

"Die Rosen passen gut zu deinen Haaren.", erklärte Akai seine Aussage.

"Ah...wenn du meinst..." Gin wollte sich wieder hinsetzten, doch einem spontanen Impuls folgend, hob Akai seinen Arm und zog Gin so zu sich heran, dass dieser mit dem Oberkörper auf seinen Beinen lag.

"Hier sieht es eh keiner.", dachte er und spielte weiter mit Gins seidigen Haaren.

Langsam spürte er, wie die anfängliche Anspannung aus seinem Geliebten schwand, als plötzlich seine Hand eingefangen und vor gezogen wurde.

"...be di…"

"Was?" Akai beugte sich vor. "Du hast doch gerade etwas gesagt, oder?"

Gin blieb jedoch stumm, hielt aber seine Hand nicht länger fest. Verwundert legte Akai den Brautstrauß zur Seite und wollte gerade mit seiner Hand über die gerade noch gefangene streichen, als er inne hielt. Gin hatte an seinen Fingern herumgespielt, als er die Hand festgehalten hatte und jetzt befand sich da etwas, das vorher nicht da gewesen war.

Sprachlos starrte Akai den Ring an. Er war in einem schlichten Silber und in der Mitte war ein kleiner, leuchtend grüner Smaragd eingefasst. Er war warm. Gin musste ihn lange in der Hand oder am Körper getragen haben, wodurch er seine Körpertemperatur angenommen hatte. Darum hatte Akai auch nicht gespürt, wie er ihm den Ring angesteckt hat. Jetzt war ihm auch klar, was Gin gerade geflüstert hatte. "Ich liebe dich auch."

"S-Sag es nochmal.", bat er mit bebender Stimme und Tränen in den Augen.

Gin drehte sich langsam so, dass er ihn ansehen konnte. Mit hochrotem Gesicht, aber sicherer Stimme sagte er erneut: "Ich liebe dich."

Die erste Träne rollte über Akais Gesicht und landete auf seinem Geliebten. Verlegen wischte er sie weg, beugte sich herab und sagte: "Ich liebe dich auch. Und das ist gerade der schönste Moment meines Lebens."

"Und wir werden noch viele zusammen erleben, wenn du willst.", bot Gin an.

Akai beugte sich weiter über ihn. "Natürlich will ich das! Aber das hier wird schwer zu überbieten. Außer vielleicht mit unserer eigenen Hochzeit." Ein leichtes Lachen bei dem Gedanken an das Unmögliche schlich sich in Akais Stimme.

"Dann werden wir das wohl tun müssen. Denn ich hatte mir das eigentlich in anderer Umgebung vorgestellt.", gab Gin zu.

Akai hielt den Atem an. Dann meinte er lächelnd: "Wer hätte gedacht, dass du so weit gehen würdest." Und küsste seinen geliebten Ex-Mörder.
 


 

Ende


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich wollte ich an der SMS noch ein Bild von einen
entführten Akai dranhängen... aber ich weiß leider nicht wie man das hier einstellt
Also stellt euch einfach vor da wäre noch ein passendes Bild dabei :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jah...das ist das Ende der langen Geschichte. Ich hoffe, sie hat euch gefallen. :) Zugegeben diese Fanfiktion war bisher mein größtes Projekt und ohne meine zwei Co-Autoren hätte ich das nie geschafft. Ich bin sowohl stolz auf die Beiden, als auch auf die Fanfiktion, die durch unsere Zusammenarbeit entstanden ist. Mir ist zudem aufgefallen, dass unsere Freundschaft dadurch intensiver geworden ist und wir auch viel gemeinsam lachen und planen konnten. Das Jahr hat mir wirklich viel Freude bereitet. <3
Ich bedanke mich an die Leser, die diese Fanfiktion von Anfang bis Ende verfolgt haben und dran geblieben sind. Ich - oder auch wir - werden uns bemühen auch weiterhin viele Fanfiktions zu schreiben :D Ein paar sind schon in Arbeit, allerdings weiß ich noch nicht, wann und was ich hier als nächstes veröffentliche. Aber es geht auf jeden Fall wieder um Gin und Shuichi Akai. wer hätte es gedacht xD Die beiden sind einfach mein absolutes Lieblingspairing und mit meinen Fanfiktions versuche ich auch andere von diesem Pairing zu überzeugen. (Ich hoffe es hat ein bisschen funktioniert :D)

Noch eine kleine Werbung am Rande, wer möchte, kann gern unserem Discord-Server beitreten. Jeder, der gern Geschichten schreibt und liest ist dort herzlichst willkommen. ^-^
Der Link ist: https://discord.gg/nsPUYhT

Jedenfalls, das wars erst mal von mir, bis ich die nächste FF veröffentliche. o/
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Kommentare zu dieser Fanfic (12)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Luzie_
2019-08-25T07:22:21+00:00 25.08.2019 09:22
Hi, schade, dass die FF schon zu Ende ist sie war wirklich sehr schön und besonders das letzte Kapitel hatte so manche Lacher in sich. Ich freue mich auf weitere Geschichten.
Kurze Frage kannst du mir ein paar ffs zu dem Pair empfehlen?
LG Luzie
Antwort von:  ginakai
25.08.2019 16:36
Hey, freut mich, dass dir die FF gefallen hat. :)
Hmm das ist schwierig, all zu viele gibt es nicht. Aber ich verlinke dir mal ein paar:
https://www.fanfiktion.de/s/4eca906700015a3b06601388/1/Ultimo-Ratio-Der-letzte-Ausweg
https://www.animexx.de/fanfiction/231812/?js_back=1
https://www.animexx.de/fanfiction/272708/?js_back=1
https://www.animexx.de/fanfiction/268631/?js_back=1

Das sind so meine Favoriten. (Und mehr habe ich bisher auch nicht gefunden :D) Vielleicht kennst du die ein oder andere ja noch nicht.
Antwort von:  Luzie_
09.09.2019 21:24
Danke
Von:  Luzie_
2019-07-11T16:26:46+00:00 11.07.2019 18:26
Ein tolles Kapitel besonders die Sichten. Jetzt bin ich noch gespannter wie es weitergeht. Kann das nächste Kapitel nicht abwarten
Lg
Luzie
Von:  Luzie_
2019-07-07T07:57:01+00:00 07.07.2019 09:57
Hey, tolles Kapitel. Ich mag den Schreibstil und die Geschichte wirklich gerne. Gin hat sich durch seine Sorge ja wirklich stümperhaft angestellt aber ich glaube seine Reaktion hat James auch zu denken gegeben. Bin auf die folgende Reaktion gespannt. Lg Luzie
Von:  Luzie_
2019-06-29T09:16:03+00:00 29.06.2019 11:16
Oh Mann warum ist schon wieder an einer so spannenden Stelle Schluss?
Der Albtraum ist verständlich immerhin ist Akai viel passiert.
Ich kann das nächste Kapitel mal wieder kaum abwarten und hab schon Angst vor dem Ende der ff ich mag das Pair wirklich.
LG
Luzie
Antwort von:  ginakai
29.06.2019 13:15
Danke für deinen Kommentar :)
Nur leider wird es bei den einen Traum nicht bleiben >.> Aber vor dem Ende brauchst du keine Angst haben :D
Lg
Antwort von:  Luzie_
29.06.2019 15:51
Warum? Dauert das noch lange oder kommt man weitef in den genuss von solchen ffs?
Antwort von:  ginakai
01.07.2019 06:44
Paar Kapitel kommen noch. Und ja, ich werde natürlich noch weitere Fanfiction - die nur dieses Pairing beinhalten - hier veröffentlichen. Eine hab ich schon angefangen, hänge da aber momentan noch etwas fest. Eine weitere ist auch noch geplant. ^-^
Von:  Luzie_
2019-06-24T20:02:21+00:00 24.06.2019 22:02
Akai geht es den Umständen entsprechend gut aber was wird wohl jetzt passieren was macht Gin ist er auf der Jagd nach Arak oder ist er gerade nicht wirklich zu gebrauchen was für eine Idee hat der Schwarzhaarige ich glaube nicht, dass die Gin so einfach davon kommen lassen.Bin gespannt, was Akai erzählt
Lg Luzie
Von:  Luzie_
2019-06-21T09:17:48+00:00 21.06.2019 11:17
Ein wirkliche gutes Kapitel. Armer Akai ich hoffe man kann ihn retten. Was wohl aus den beiden werden wird? Ich kann mir vorstellen, dass Gin jetzt auf die Jagd nach dem geht, der seinem Geliebten das angetan hat.
Kann das nächste Kapitel kaum erwarten
LG
Luzie
Von:  Luzie_
2019-06-16T15:58:32+00:00 16.06.2019 17:58
Oh Mann ist das spannend! Hat er sich doch dazu durchgerungen das FBI zu kontaktieren. Aber Ich glaube er stellt sich das zu einfach vor wieder dort raus zu kommen. Ich schätze ein Drama wenn nicht mehrere werden noch passieren. Wieso kann ich mir unseren Gin schon in einer Gefängniszelle vorstellen? Naja, jetzt muss er erstmal mit der Tür richtig liegen und der Held in strahlender Rüstung sein
Super Kapitel und ich kann das nächste kaum erwarten LG Luzie_
Antwort von:  ginakai
16.06.2019 23:07
Vielen Dank für deinen Kommentar! :) Da hast du natürlich recht, so leicht da rauszukommen wird es nicht ganz ;D Und wir haben auch nicht vor den armen Gin hinter Gitter zu bringen :D Ich werde die nächsten Kapitel auch in geringeren Zeitabständen veröffentlichen. Danke, dass du dran bleibst <3
Von:  Luzie_
2019-05-25T07:24:47+00:00 25.05.2019 09:24
Oh verdammt! Was macht Gin jetzt nur? Ich würde vermutlich unbemerkt das FBI dazu holen und mich vorher aus der Affäre ziehen bevor Sie mich schnappen, wenn Akai frei ist.
Super Kapitel und ich freue mich auf das nächste
LgLuzie
Von:  Luzie_
2019-05-14T22:45:54+00:00 15.05.2019 00:45
Oje, armer Akai.... bin gespannt, wann Gin auftaucht und was dem Agenten noch bevorsteht. Super Kapitel ich freue mich schon auf mehr.
Antwort von:  ginakai
15.05.2019 19:12
Danke für deinen Kommentar. :) Ich kann nur so viel verraten, dass die Lage sich nicht bessern wird (und uns Akai beim schreiben selbst Leid tat) Aber Gin wird ihn natürlich nicht hängen lassen :D
Von:  Luzie_
2019-03-06T15:48:38+00:00 06.03.2019 16:48
Mal wieder wirklich gut geschrieben. Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Besonders kommt es ja jetzt so rüber, dass Rum nicht wirklich eigenständig entschieden hat Gin zu beseitigen. Ich freue mich wirklich schon aufs nächste Kapitel
LG



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