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Welt ohne Grenzen

von

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Albtraum (Gladiolus Amicitia)

Insomnia liegt in Ruinen. Ich stehe allein auf der Straße zur Zitadelle, um mich Feuer, Explosionen, Schreie. Siecher und MI machen sich über jeden noch lebenden Menschen her, reißen Gebäude ein, schießen auf alles, was sich bewegt. Das metallische Geräusch ihrer Bewegungen hallt in meinen Ohren.
 

Ich kann Ignis nicht sehen, aber ich spüre, dass es für ihn bereits zu spät ist. Prompto ist einer von denen – er steht mir gegenüber, pinnt Noctis mit einem mechanischen Arm vor sich und hält ihm die Waffe an die Schläfe.
 

„Tu‘s nicht“, flehe ich ihn an. Promtos Augen sind weit aufgerissen unter dem zerbrochenen Visier, eines blau, eines mechanisch leuchtend. Selbst sein Gesicht wirkt zerbrochen, unmenschlich, aber meine Worte scheinen ihn zu erreichen. Er hält inne, starrt mich schweigend an. Noct wimmert, zu schwach, sich zu befreien.
 

„Prompto bitte…“ Keine Reaktion. Der MI steht weiter still, starrt mich mit leeren Augen an, scheint zu laden. Oder zu überlegen. „Prompto…“ Wir sind doch Freunde. Ich weiß, er erinnert sich daran. Er gehört zu uns… er war niemals einer von denen. Langsam hebt er den rechten Arm, löst die Waffe von Nocts Kopf. „Gut so… guter Junge, Prompto. Lass ihn gehen. Du willst Noct nichts tun.“ Der Griff des metallenen Arms lässt nach, aber noch wagt Noct nicht, sich zu befreien, sieht mich nur hilflos an. Auch Promptos ungleiche Augen sind starr auf mich gerichtet, sein Gesicht noch immer ausdruckslos. „Wir sind doch alle Freunde…“, versuche ich weiter, die Situation zu entschärfen. Prompto lächelt, es sieht beinahe manisch aus. Bevor ich irgendetwas tun kann hebt er plötzlich die Waffe an seinen eigenen Kopf.
 

„NEIN!“
 

Der Schuss hallt in meinem Kopf nach, Ich will vorwärts stürmen, aber etwas behindert meine Bewegung. Ein dumpfer Schmerz in meiner Schulter, meiner Hüfte, immer noch das Gefühl, gefangen zu sein.
 

„Meine Güte, Gladio, du weckst ja das ganze Hotel auf…“ Ignis Stimme klingt verschlafen und nur ein wenig genervt. Ich blinzle, blicke auf den altmodisch gemusterten Teppich vor meinem Gesicht und atme tief durch.
 

Nur ein Traum… und was für ein Scheißtraum. Mein Schlafanzug und die Decke, in der ich mich verheddert habe, sind völlig nass vom Schweiß, mein Körper schmerzt noch vom plötzlichen Kontakt mit dem Boden.
 

„Entschuldige…“, murmle ich und befreie mich aus dem Chaos an Stoff. Es ist stockdunkel im Zimmer, aber von draußen scheint Licht herein. Straßenlaternen… jetzt, wo ich wach bin, schwindet langsam das Bild des zerstörten Insomnias. Ich bin nicht dort, sondern hier, in Hammerhead, und der Lärm ist nicht der eines Kampfes sondern der des Verkehrs in der Tankstelle. Vor Takkas Imbiss steigt eine Party für alle die angereist sind, Noct und Luna zu sehen. Ich seufze tief, schalte mein Licht ein, setze mich auf mein Bett und blicke in Richtung Fenster zu Prompto. Auch er ist wach, ich kann die Reflektion meiner Nachttischlampe in seinen aufgerissenen Augen sehen. Der arme Kerl wirkt völlig verängstigt… wie viel von dem, was ich im Traum gesprochen habe, habe ich laut gesagt? „Tut mir Leid…“
 

„Schon gut“, piepst Prompto und wickelt sich noch fester in seine Decke, bevor er endlich den Blick abwendet, „Ich hab auch schlecht geträumt.“
 

„Willst du drüber reden?“, biete ich an. Sein ungläubiger Blick verletzt mich, aber das habe ich mir verdient. Zehn Jahre lang habe ich mich geweigert, Promptos Sorgen zuzuhören… dabei war er jederzeit für mich da, wenn ich mich mal ausheulen musste.
 

Ignis seufzt und schaltet ebenfalls sein Licht an. „Jemand einen Kakao?“, fragt er leise und geht, ohne eine Antwort abzuwarten, zur Kochecke. Prompto und ich brummen zustimmend. Ablehnen ist eh keine Option, und wenn ich ehrlich bin… wenn Ignis Kakao macht sagt man nicht nein. Er weiß genau, wie ihn jeder von uns am liebsten trinkt, und ich habe auf der ganzen Welt noch keinen besseren bekommen. Nicht mal bei meiner Frau.
 

Prompto richtet sich auf, die Decke immer noch schützend um sich gewickelt, und setzt sich neben mich. So dicht, dass ich sein Gewicht an meiner Schulter spüren kann. Aber er schweigt noch, zu verängstigt, den Mund aufzumachen. Irgendwie fühle ich mich, als wäre auch das meine Schuld.
 

Aus der Kochecke dringt der Duft von heißer Schokolade und nur wenig später stellt Ignis drei dampfende Tassen auf den kleinen Tisch. Ich gebe Prompto einen sanften Schubs und stehe auf, er legt seufzend die Decke zurück auf sein eigenes Bett und folgt mir. Die Sessel sind überraschend bequem, aber natürlich gibt man uns als Beschützern des Königs nicht gerade die schlechtesten Zimmer ab.
 

„Dann erzählt mal, was euch beide mitten in der Nacht geweckt hat“, fordert Ignis auf und nimmt einen Schluck aus seiner Tasse. Ich blicke zu Prompto, der wendet sich ab und hält sich frierend an seiner Tasse fest. Seufzend suche ich nach den richtigen Worten um zu beschreiben, was für einen Müll mein traumatisierter Geist mir da vorgespielt hat. Ich mache ein paarmal den Mund auf und zu, denke nochmal nach, nehme schließlich einen großen Schluck Kakao, um Zeit zu gewinnen und habe immer noch kein Ergebnis. Langsam verblasst auch die Erinnerung an den Traum.
 

„Weiß nicht“, gebe ich schließlich zu, „Machte nicht viel Sinn… ich war in Insomnia, da tobte ein Kampf… Siecher, MI, so was halt… und ihr seid alle gestorben oder so.“ Ganz wahr ist das nicht. Noct habe ich nicht verloren, denke ich. Und ich erinnere mich deutlich an die Gestalt von Prompto, halb in einen echten MI verwandelt, aber immer noch verzweifelt um Kontrolle ringend. So ein Schwachsinn… als würde er sich je auch nur im Ansatz gegen uns wenden. Egal wie sehr die ihn foltern, er wird niemals einer von denen. „Ich war absolut machtlos“, fasse ich zusammen, „Ich konnte keinen von euch beschützen.“
 

Ignis seufzt tief. „Davor hast du Angst, nicht wahr? Nicht stark genug zu sein, um uns zu schützen?“
 

„Es ist nicht Kraft, was mir fehlt…“ Formuliere ich den Gedanken, der mich schon zu lange verfolgt. „Solange es nur um Kraft geht, kann mich niemand schlagen. Aber es sind Dinge passiert, die… gegen die war ich machtlos. Ich hab Angst, in eine Situation zu kommen, in der all meine Kraft nutzlos ist, weil ich zu dumm bin, oder… oder einfach das Problem zu abstrakt. Dass ich euch wieder im Stich lasse weil ich nicht sehe, dass ihr mich braucht.“
 

Wie damals Prompto. Wenn ich nur da gewesen wäre… vor diesem Nemo hätte ich ihn locker schützen können. Auch Noctis hätte er nie bekommen, wenn ich vor dieser Tür gestanden hätte statt dieser Schlafmütze. Und dann sind da andere Dinge, Dinge wie diese Maschine, die meine Freunde töten können ohne dass ich es verhindern kann. Wie Prompto, der sich bei lebendigem Leibe aufgelöst hat, weil er zu stur war, die Stadt zu verlassen. Alles, was ich tun konnte, war, seinen geschwächten Körper aus der Zitadelle zu tragen, als er verzweifelt zu seinem Altar gerannt ist um uns klar zu machen, warum er nicht weg konnte.
 

Ich weiß nicht mehr, was mir in dem Moment mehr wehgetan hat. Die Erinnerung daran, dass Noct tot war, oder der Anblick von Prompto, wie er blutend und leblos auf dem Boden des Thronsaals lag, die Hände mit letzter Kraft in den zerrissenen Teppich gegraben, als wollte er sich verzweifelt daran festhalten. Er hat als einziges zugeben können, dass er Noct nicht gehen lassen konnte… dass er nicht vergessen konnte. Prompto hat den Schmerz zugelassen. Wenn ich es so sehe… war er in all der Zeit der Stärkste von uns. Aber er hat trotzdem Hilfe gebraucht, und ich war zu schwach, sie ihm zu geben.
 

Vielleicht ist es das, was der Traum mir sagen wollte. Dass ich, trotz all meiner körperlichen Kraft, nicht stark genug bin für den Kampf, der vor uns liegt. Dass ich meine Freunde nicht schützen kann, wenn ich so weiter mache wie bisher. Und ja, das macht mir Angst.
 

„Ich hab geträumt, ich wäre allein“, murmelt Prompto in seine Tasse, so leise, dass ich ihn kaum verstehen kann. „Es war kalt, und dunkel… ich hab euch gesucht, aber ich konnte euch nicht finden.“
 

Er sieht völlig aufgelöst aus. Fast ohne nachzudenken rutsche ich mit meinem Stuhl näher an seinen heran und lege den Arm um seine Schultern. Prompto fühlt sich eiskalt an… aber er lehnt sich in die Berührung, scheint meine Nähe zu akzeptieren.
 

„Wir sind nie weit weg“, versichert ihm Ignis, „Verzeih bitte, dass wir dich so lange allein gelassen haben.“
 

Endlich blickt Prompto von seiner Tasse auf. „Habt ihr doch gar nicht“, murmelt er und sieht Ignis unvermittelt in die Augen, „Ich meine… ihr wusstet ja nicht, wo ich war, und ihr habt nach mir gesucht, oder?“
 

„Natürlich haben wir dich gesucht. Sowie wir einen Hinweis auf die Richtung hatten waren wir nicht mehr zu bremsen!“, versichere ich schnell. Klar, Ignis hat uns schon noch mit aller Vernunft zurückgehalten, aber selbst er war letztlich dafür, die Tür der Kaserne einzutreten.
 

„Ich meinte vorher“, murmelt Ignis betreten, „du hast so viel für uns getan, und wir…“
 

„Ach was.“ Prompto winkt ab, will gar nicht hören, was Ignis noch im Detail zu sagen hat. „Ihr habt euch doch gekümmert. Ich meine, klar, euch ging es auch nicht so super gut, aber ihr wart da, wenn ich euch gebraucht habe. Wirklich, mehr hätte ich nie verlangen können.“
 

Ignis seufzt, und auch ich fühle mich mies. Nach allem… Prompto war immer da, hat mich oft besucht und mir zugehört, wenn es mir mies ging. Hat mir die Schultern getätschelt, mir mein Zeug nachgetragen und mich wieder aufgebaut. Aber wenn er reden wollte hab ich abgeblockt. Hab ihn angeschrien, wenn er ein falsches Wort gesagt hat. Und schlimmer noch... Wie kann er das nur so einfach schlucken?
 

„Wenn ich da draußen bei dir geblieben wäre…“
 

„…Wäre Crowe ziemlich sauer gewesen. Du hättest nicht helfen können, Gladio. Ich meine, ja, vielleicht hätte Nemo mich dann nicht mitgenommen, aber das hätte auch nichts geändert. So oder so hat diese Maschine mich fertig gemacht. Und die hast du ja recht gut verschrottet, oder?“
 

Er klopft mir aufmunternd gegen die Brust und ich muss doch etwas lachen. „Das war Ramuh“, gebe ich zu, „Aber ja, das Vieh verprügeln zu können hat sich schon verdammt gut angefühlt.“
 

„Endlich ein Gegner, den man mit roher Gewalt los wird, was?“, neckt Ignis.
 

„Genau mein Ding eben.“
 

„Dem Siecher hast du’s auch ordentlich gegeben“, fügt Prompto hinzu, „Das war echt beeindruckend.“
 

„Na, deine Raketengeschosse waren aber auch nicht übel“, gebe ich das Lob zurück, „Und jeder davon ein Treffer.“
 

„Ach, das Vieh war ja groß genug“, winkt Prompto ab.
 

Langsam verschwinden die Schatten der Nacht. Wir trinken muntern plaudernd unseren Kakao fertig und schon scheucht Ignis uns auch schon ins Bett zurück. Noch ein paar Stunden, dann müssen wir uns schon wieder für den nächsten Tag fertig machen.
 

„Gladio?“
 

„Ja, Prompto?“
 

Wieder dieser hilflose Blick aus großen, blauen Hundeaugen. „Kann ich… ist es okay, wenn…“
 

„Willst du bei mir im Bett schlafen?“, komme ich ihm zuvor. Prompto läuft knallrot an, nickt aber eilig. „Komm schon her.“
 

Mein Bett ist immer noch klamm von Schweiß, aber das scheint Prompto nicht zu stören – auch sein Schlafanzug ist ordentlich durchgeschwitzt. Schlimmer ist die Angst, die die Albträume uns beiden gebracht haben. Angst, aus welchem Grund auch immer, allein zurückzubleiben. Ich lege schützend den Arm um Prompto und erlaube ihm, sich an meine Brust zu kuscheln wie ein kleines Kind. Schon irgendwie albern, aber… Albträume gehen nicht einfach weg, nur weil man Erwachsen ist. Und auch mir tut es gut, jemandem im Arm halten zu können. Gerade Prompto. Dass er nach allem, was ich im Streit zu ihm gesagt habe, nach allem, was ich getan oder nicht getan habe, noch immer zu mir kommt, ist beruhigend. Ich hätte ihn niemals alleine lassen dürfen… aber zumindest jetzt kann ich ihn beschützen.
 

Im Verjagen von Albträumen anderer war ich immer schon gut. Iris ist ja auch noch zu mir ins Bett gekrochen bis… ich möchte sagen, bis wir Insomnia verlassen haben, aber auch danach hat sie jede Gelegenheit ergriffen. Bis sich Talcott als bessere Option erwiesen hat, schätze ich. Kann ich ihr nicht verübeln – wenn ich die Wahl hätte, würde ich jetzt auch gerne zu Edna kriechen.
 

Ich streichle Prompto durch die zerzausten Haare und denke noch einmal an den Traum, der mich – und damit letztlich uns alle drei – geweckt hat. Sowas wird nie passieren, allein schon aus dem Grund, dass es ausgemachter Schwachsinn war. Menschen verwandeln sich nicht einfach in Roboter. Die MI werden von Miasma betrieben, dass aus verstorbenen, infizierten Klonen gewonnen wird – Klonen, die nie ein Bewusstsein entwickelt haben und keinen eigenen Willen kennen. Prompto zu einem MI zu machen wäre idiotisch, er würde niemals gehorchen. Und wir würden ihn niemals sterben lassen. Entschlossen drücke ich den schlafenden Mann an mich. Niemals… niemals wieder lasse ich zu, dass einer meiner Freunde verletzt wird.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sargeras
2019-01-21T22:24:54+00:00 21.01.2019 23:24
Wuhar! Da bekommt man ja eine Gänsehaut! Was für ein Albtraum!
Scheinbar hat keiner der drei wirklich gut geschlafen, die Freude Noct wieder zu haben wird doch noch von den Dämonen seiner Abwesenheit wieder abgeholt.
Gladiolus Dilema kann ich mir gut vorstellen, er ist groß, stark und doch gibt es sachen die er damit nicht bekämpfen kann. Auf jeden Fall eine faszinierende Angst.
Das folgende Necken zwischen den dreien finde ich auch schön. Insbesondere aber die Bromance Schlussszene! Wirklich toll!
Antwort von:  SoraNoRyu
23.01.2019 09:11
Freut mich, dass es dir gefallen hat :)

Und ja, Gladio hat immer noch Probleme damit, dass er Noct eventuell nicht schützen kann, wenn es darauf ankommt. Ist schließlich sein einziger Lebenswerk als Schild des Königs...


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