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Mephisto

denn sie wissen nicht, was sie tun
von

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Die Rose im Wasser

“…und dann…hat dieser Kerl…dieses Monster ihn einfach mitgenommen!“

„Feuer, Teufelsaugen…und du bis‘ sicher, dass‘ de nicht volltrunken war‘s?“

Grimmig blickte er seinen Freund an, welcher gerade das nächste Schälchen Sake herunterkippte. Sie hatten einander zufällig getroffen, kannten sich von früher. Zabuza hatte hier ein Zimmer und ihn eingeladen, mit ihm zu kommen, um ihr Wiedersehen mit Alkohol zu feiern. Der Vorfall mit Itachi und dem Monster lag erst 3 Tage zurück und noch immer war Kisame aufgewühlt. Es hatte ihn Überwindung gekostet, Zabuza überhaupt etwas davon zu erzählen, doch der Alkohol hatte seine Zunge gelockert.

„Ich weiß, was ich gesehen habe!“, knurrte er und griff nach dem Sake.

„…schon gut“, erwiderte Zabuza, doch es war offensichtlich, dass er ihm nicht glaubte.

Kisame konnte es ja sogar verstehen, schließlich hätte er es auch nicht geglaubt, hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen. Hätte er die Hitze nicht gefühlt. Die Mordlust dieses Monsters nicht gespürt…und er sorgte sich um den verletzten Jungen, den er diesem überlassen hatte.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen…

„Jetzt lass das Grübeln! Du hasses überlebt und…ernsthaft, so wie‘de aussiehst, war‘s echt heftig.“

Kisame ahnte, dass dieser seine Hirngespinste eher einem zu harten Schlag auf den Kopf zuordnete. Er hatte die Platzwunde an seiner Schläfe nähen lassen müssen und die anderen zahlreichen Verletzungen ebenfalls versorgen lassen. Jedenfalls nachdem er sich ein Pferd in all dem Chaos gestohlen hatte und so schnell wie möglich davon geritten war.

„Ja…das war es wohl“, murmelte er mehr zu sich selbst, während Zabuza ihm nachschenkte.

Um sie herum war es laut, die Taverne war gut besucht, sodass es unwahrscheinlich war, dass ihnen jemand Gehör schenkte. Dennoch sprach Kisame bewusst leise, nur für den Fall der Fälle.

„Du kanns‘ über Nacht mit im Zimmer bleib‘n“, bot ihm Zabuza an, die Stimme rau vom Alkohol. „N‘ Futon is noch über…pennt Haku halt bei mir.“

Ach ja. Haku. Zabuzas kleiner Begleiter, den er zuerst für ein Mädchen gehalten hatte. Ähnlich wie Itachi.

Er konnte sich denken, warum Zabuza den Jungen direkt nach dem Essen aufs Zimmer geschickt hatte. Nicht nur sie beide waren ordentlich angetrunken und jemand, der so hübsch war, zog die Aufmerksamkeit auf sich. Nicht alle machten vor Kindern Halt…wie er es letztens mitangesehen hatte.

„…wenn es euch nicht stört, nehme ich dein Angebot an.“

„Unsinn!“

Kisame grinste schief, griff nach der Sakeflasche.

„Darauf trinken wir!“
 

Sie waren damals zusammengeblieben und kurz darauf Akatsuki beigetreten, erinnerte sich Kisame zurück. Er fragte sich, wie viel Zabuza noch von diesem Abend in der Taverne wusste, denn sie waren am Ende ziemlich dicht gewesen. Haku hatte ihnen aus den Klamotten helfen müssen und sie beide dafür gescholten, so viel getrunken zu haben. Recht hatte er gehabt, schließlich waren die Zeiten gefährlich gewesen…waren sie immer noch.

Zu viert saßen sie um das Feuer herum, teilten ihre verbliebenen Vorräte, sowie Kisames Beute miteinander. Es war offensichtlich, dass Itachi die beiden nicht mochte, und obwohl Kisames dies verstehen konnte, war es nicht das Kennenlernen, das er sich erhofft hatte.

„…und dann hat Itachi mich solange gesund gepflegt, bis ich wieder auf den Beinen war“, brachte er die Geschichte zu Ende.

Er hatte sie hier und da ein wenig verändern müssen, die Zaubereien weggelassen und Itachis Familie nur kurz erwähnt. Es war nichts Besonderes, dass die Eltern verstarben und man von einem Verwandten großgezogen wurde. Vermutlich erinnerte sich Zabuza nicht mal mehr an den Namen des Jungen von damals, auch wenn dieser misstrauisch wirkte. So wie er allen Fremden misstrauisch gegenüber war und sie zuerst einmal aus Prinzip nicht mochte, bis sie sich ihm bewiesen hatten.

„Und wozu ist der nun mitgekommen? Um Händchen zu halten, falls dich deine Beine wieder im Stich lassen?“, brummte dieser, woraufhin Kisame schnaubte.

Bevor er jedoch etwas sagen konnte, sah Haku zu seinem Partner auf und tätschelte dessen Wange mit einem Lächeln.

„Wir wollen nicht vergessen, wie oft ich dein Händchen gehalten habe, nachdem du mal wieder rücksichtslos gekämpft hast, hm?“

Zabuza knurrte, schlug dessen Hand weg – wenn auch nicht so grob, wie er es bei jedem anderen getan hätte. Nun, Haku durfte sich solche Dreistigkeiten aus mehreren Gründen erlauben. Zum einen weil er Recht hatte, denn Zabuza war ein Freund der rohen Gewalt, der zwar den nötigen Grips für Taktik besaß, diese aber oft hinten anstellte. Er liebte den Kampf – und Kisame hätte lügen müssen, hätte er behauptet, dass sie sich darin kein Stück ähnelten. Haku dagegen war jemand, der Opfer entweder vermied oder es so kurz und schmerzlos wie möglich hielt. Einen ernsthaften Kampf gegen Haku zu bestehen, würde selbst für Zabuza und ihn schwierig werden. Die fehlende Körperkraft glichen Schnelligkeit und Reflexe aus…und das Wissen über die Anatomie des Menschen.
 

„Meine Frage wurde nicht beantwortet“, grollte Zabuza und riss ihn damit aus den Gedanken. „Warum ist er mitgekommen? Will er sich uns anschließen?“

Kisame stutzte, warf einen Seitenblick zu Itachi, welcher mit unbewegter Miene zuhörte. Lediglich seine Brauen zogen sich etwas zusammen, machten deutlich, was er davon hielt. Sich der Aufmerksamkeit der anderen beiden bewusst, grinste Kisame und legte dem Uchiha die Hand auf die Schulter.

„Vielleicht? Er ist sich noch nicht sicher, aber kämpfen kann er. Vorerst wollte ich ihm zeigen, wie es bei uns so abläuft. Er soll sich ein Bild machen...nicht wahr?“

Er ging nicht davon aus, dass Itachi ihm hier in den Rücken fiel, auch wenn ihm das Funkeln in dessen Augen nicht entging. Wenigstens überwand er sich zu einem Nicken.

„…ja. Vielleicht“, hörte er ihn leise sagen, ehe sich wieder der Reisschale in seiner Hand zuwandte.

Da Itachi nicht vorzuhaben schien, sich weiter zu unterhalten, ergriff Kisame erneut das Wort.

„Wie geht es den anderen?“, erkundigte er sich.

„Na ja, wir haben jetzt alle keine Freudensprünge gemacht, als wir das von dir gehört haben“, brummte Zabuza und riss ein Stück Fleisch aus der gegarten Wachtel. „Mh…aber am meisten hat es Suigetsu getroffen. Schätze, er fühlt sich verantwortlich, weil du ihm die Flucht ermöglicht hast.“

Ein Schatten huschte über Kisames Gesicht.

„Nicht, dass ich unbedingt sterben wollte…aber er ist jung, ich hab mein Leben gelebt. Wenn es einen von uns beiden treffen muss, dann lieber mich.“

„Du Held…“, spottete sein Kamerad, woraufhin Kisame schnaubte.

„Du hättest dich an meiner Stelle auch für deinen Partner entschieden, also halt‘s Maul, Zabuza.“

„Du weißt genau, dass man das nicht vergleichen kann, also selber Schnauze.“

„Wenn das wieder in einer Prügelei endet, sagt Bescheid, dann geben Itachi-san und ich Wetten ab“, bemerkte Haku trocken, was Kisame grinsen ließ.

„Aus dem Alter sind wir doch raus…“

„Beim letzten Saufgelage ward ihr es noch nicht.“

„Da hatten wir auch zu viel – und Hidan hat uns angestachelt“, verteidigte sich Zabuza, woraufhin Haku schmunzelte.

„Sicher doch…“, murmelte er, wandte sich dann aber an den Uchiha. „Möchtest du nicht doch etwas von dem Fleisch? Du hast ja schon den Reis mit uns geteilt…“

Itachi blickte auf, die Stäbchen verharrten kurz über der Schüssel in seiner Hand.

„…ich esse weder Fleisch, noch Fisch. Danke.“

Nun, dass die Aussage Verwirrung hervorrief, konnte Kisame nachvollziehen. War ihm ja nicht anders gegangen, als er davon gehört hatte.

„Das muss man nicht verstehen, oder?“, kam es von Zabuza, welcher seine gespitzten Zähne erneut in seine Wachtel schlug.

Haku hingegen blickte den Uchiha neugierig an.

„Wieso nicht?“

„…weil ich nicht möchte, dass etwas für mich stirbt“, antwortete Itachi nach kurzem Zögern. „Und weil mich schon der Gedanke an rohes, blutiges Fleisch oder tote Fischaugen anwidert.“

Kisame fragte sich, ob Itachi schon vorher solche Essgewohnheiten gehabt hatte oder ob er sie nach dem damaligen Vorfall entwickelt hatte. Er würde ihn darauf ansprechen, wenn sie allein waren. Zabuzas Appetit schienen die hart gesprochenen Worte allerdings nicht zu schmälern, denn er schnaubte bloß abfällig.

„Und dann überlegst du, bei uns mitzumachen? Ich kann gar nicht zählen, wie viele Menschen und Tiere ich schon getötet habe. Akatsuki ist keine Gemeinschaft für Sensibelchen, Junge.“

Nun, damit konnte Kisame wohl abhaken, dass die zwei sich jemals würden leiden können. Wenigstens ließ Itachi seinen Freund nicht direkt in Flammen aufgehen, sondern begnügte sich mit einem so eisigen Blick, dass etwas Wärme vielleicht nicht schlecht gewesen wäre.
 

„Dreizehn.“

Sie alle hielten inne, blickten den Uchiha fragend an.

„Was soll das denn heißen?“, murrte Zabuza. „Du isst keine Tiere mehr, seit du dreizehn bist?“

„Dreizehn ist die Anzahl der Menschen, die ich getötet habe“, gab Itachi kalt zurück. „Und im Gegensatz zu dir erinnere ich mich an jeden einzelnen – ohne darin etwas Rühmliches zu sehen. Ich habe es verabscheut, auch wenn es unvermeidbar war…und wenn du mich deswegen als Sensibelchen bezeichnest, nun gut. Lieber bin ich ein Sensibelchen, als ein gewissenloser Mörder.“

Vielleicht wäre es besser gewesen, Itachi hätte weiterhin geschwiegen. Jedenfalls würde das hier nicht zur Hochstimmung beitragen, wenn er Zabuzas Ausdruck so betrachtete – von verdutzt zu wütend. Auch Haku schien damit nicht gerechnet zu haben, blieb vorerst sprachlos, weswegen sich die Stille ausdehnte.

Schließlich schnalzte Zabuza mit der Zunge, wobei er den Uchiha anfunkelte.

„Eins muss man dir lassen, du hast Eier, einem gewissenlosen Mörder so frech zu kommen.“

„Ich denke nicht, dass die Wahrheit frech ist.“

„Hn…ich weiß nicht, ob du mich amüsierst oder ob ich dir den Schädel einschlagen will. Das ist seltsam, denn normalerweise weiß ich das sehr gut.“

„Du schlägst hier niemandem den Schädel ein“, mischte sich Kisame warnend ein.

Er wusste um Zabuzas Temperament und dass es oftmals schwierig zu zügeln war. Ihm entging nicht, wie Haku eine Hand auf den Unterarm seines Partners legte.

„Er hat Kisame-san das Leben gerettet“, erinnerte er ihn. „Wir schulden ihm Dank…ob seine Worte nun vermessen sind oder nicht.“

Das Letzte machte deutlich, dass auch Haku nicht gerade erfreut darüber war, dass sich der Uchiha so schnell ein Urteil über Zabuza erlaubte. Wobei selbst Kisame zugeben musste, dass da was Wahres dran war…und zudem hielt sich sein alter Freund ja auch nicht zurück.

Zabuza knirschte hörbar mit den scharfen Zähnen, dann aber nickte er.

„Na schön, meinetwegen. Ich bin ganz friedlich…solange mir der da nicht noch mal dumm kommt.“

„Und ich werde nicht noch einmal vermessen über jemanden urteilen, solange ihr euch ebenfalls daran haltet“, erwiderte Itachi ruhig, auch wenn es mit Sicherheit in ihm brodelte.

Kisame atmete durch.

„Dann ist ja alles geklärt…und wo wir nun mit den Drohungen fertig sind, mal was anderes...seid ihr auf dem Rückweg oder führt euch eine Mission in die Gegend?“

Zabuza ließ die Schultern sinken, wirkte bei dem Themenwechsel etwas entspannter.

„Eine Mission“, erwiderte er und schmiss die abgenagten Knochen ins Gebüsch. „Pain schickt uns Richtung Kumo. Dort haben sich anscheinend Banditen angesiedelt, die die feinen Herren nicht mehr in den Griff kriegen. Die Menschen können nicht zweimal Abgaben leisten…also sollen wir uns einschleichen und der Schlange den Kopf abschlagen.“

Haku lehnte sich an seinen Partner, lächelte sie beide an.

„Bei jedem Überfall werden auch einige Jungfrauen entführt...es wird also vermutlich recht einfach sein, sie zu infiltrieren.“

Für jemanden wie Haku mit Sicherheit. Der Junge stach mit seiner Schönheit dermaßen heraus, dass er sogar viele Frauen in den Schatten stellte. Bei den meisten Männern siegte Gier über den Instinkt – und das war ihr Todesurteil. Mit Zabuza in seinem Rücken würden sie die Mission auch zu zweit bewältigen können, zumal ihnen ihre Auftraggeber wohl genügend Männer stellen würden.
 

„Vermutlich“, bestätigte Zabuza angesäuert. „Auch wenn es mir nicht gefällt…“

Haku lächelte warm, verschränkte seine zierlichen Finger mit den viel dickeren, kräftigeren seines Partners.

„Du weißt, dass ich mit solchen Dummköpfen fertig werde…und dass ich immer zu dir zurückkomme.“

Zabuza gab nur ein dunkles Brummen von sich, das jedoch verstummte, als Haku ihm die Lippen auf die Wange drückte. Nun, von allen Männern war Zabuza der, der dem jungen Mann am Hoffnungslosesten verfallen war…doch wenn man Hakus Ausdruck betrachtete, war klar, dass es andersherum genauso war.

Sein Blick glitt zu Itachi, dem dies wohl nicht entging, doch er konnte nicht sagen, was dieser darüber dachte. Ob er es anstößig fand? Unangemessen? Gleichgeschlechtliche Beziehungen waren im Allgemeinen verpönt, aber die Uchiha waren in vielen Dingen anders…

„Nun hört schon auf mit dem Geturtel“, meinte er grinsend. „Da wird einem ja schlecht.“

„Pass auf, dass dich der Neid nicht irgendwann grün werden lässt, Kisame“, schoss Zabuza zurück, woraufhin Haku leise lachte.

„Er hat aber Recht. Wir sind unhöflich.“

„Ach was…sei doch mal ehrlich, Kisame, du und dein neuer Freund…da läuft nichts? Wäre ja ein plausibler Grund, ihn bei uns einzuschleusen…“

Kisame hätte wissen müssen, das Zabuza irgendwann damit kam…und er hätte lügen müssen, hätte er behauptet, dass Itachi ihn auf diese Weise nicht interessierte. Junge, androgyne Männer mochte er ebenso gern wie hübsche Frauen und Itachi faszinierte ihn, seitdem er ihn getroffen hatte. Da er jedoch um dessen Vorgeschichte wusste, würde er einen Teufel tun und ihn bedrängen.

Itachi vertraute ihm viel mehr in dieser kurzen Zeit, die sie bisher miteinander verbracht hatten, als er zu Anfang geglaubt hatte. Er wollte sich das nicht kaputt machen, indem er voreilig forderte, was der Jüngere ihm nicht geben wollte. Wenn dieser überhaupt in diese Richtung dachte.

„Tja, tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber so eine Beziehung haben wir nicht“, erwiderte er grinsend und legte eine Hand auf Itachis Oberschenkel. „Wir sind bloß Weggefährten, die sich gut verstehen.“

Ihm entging nicht, wie dem Uchiha für wenige Sekunden die Mimik entgleiste und er reflexartig seine Hand festhielt. Kisame hatte sich auf den Schmerz bereits eingestellt, doch nichts passierte. Kein brennender Schmerz. Kein Geruch von verbrannter Haut…und anscheinend wunderte sich Itachi am meisten darüber, so perplex, wie er ihn ansah. Dann löste er seine Finger langsam von seinem Handgelenk, machte aber auch keine Anstalten, seine Berührung zu unterbinden.

Kisame versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese simple Tatsache erfreute.

„Na sicher seid ihr das…“, spottete Zabuza und fixierte dabei seine Hand.

Hakus braue Rehaugen wirkten dagegen ernster, doch was auch immer in seinem Kopf vorging, er ließ sie nicht daran teilhaben. Stattdessen streckte er sich einmal, sah in die Runde.

„Wir sollten langsam schlafen gehen, meint ihr nicht? Zabuza-san und ich haben morgen noch einen langen Weg vor uns, genau wie ihr beide.“

„Wahre Worte“, musste Kisame zugeben und auch Zabuza schien den Gedanken vernünftig zu finden.

Itachi gab bloß ein stilles Nicken von sich, wobei Kisame jedoch seinen Blick in seinem Nacken spürte, als er sich von ihm löste.
 

Die Nacht war schrecklich gewesen…und das nicht nur, weil Sakura auf dem harten Holzboden hatte schlafen müssen. Zwar hatte Sasuke ihr eine Decke, Wasser und etwas zu essen gebracht, doch sie hatte gerade mal etwas Flüssigkeit herunterwürgen können. Gesprochen hatte er kaum mit ihr und sowieso machte er den Eindruck, als würde er so wenig wie möglich mir ihr zu tun haben wollen. Vielleicht sollte sie das beruhigen, denn wenn er kein Interesse an ihr zeigte, brachte er sie möglicherweise zurück? Ließ sie laufen? Oder er entledigte sich ihr auf andere Weise…

Sakura drehte es den Magen um, während sie in die Decke gewickelt auf dem Boden lag und ihre schmerzenden Hand- und Fußgelenke pochen spürte. Die groben Seile scheuerte ihre Haut wund und da man ihr den kleinen Dolch genommen hatte, bekam sie diese auch nicht gelöst. Sie wurde rot bei dem Gedanken, wie er ihr während der Bewusstlosigkeit unter den Yukata gefasst haben musste. Wie hatte sie für diesen schrecklichen Menschen nur schwärmen können? Oder für was auch immer er sich hielt, so seltsam, wie er sich benahm. Die beiden hatten über sie geredet, als wären sie etwas anderes…Besseres. Vielleicht waren sie von Sinnen…vielleicht hatten sie diese schrecklichen Taten verübt.

Jedoch hatten die Täter noch nie ein Mädchen entführt. Sakura zog die Knie an den Oberkörper, während sie mit mattem Blick zu dem Eimer in der Ecke sah, den man ihr zum Erleichtern hingestellt hatte. Ob jemand nach ihr suchte? Tsunade oder…ja, Naruto musste nach ihr suchen. Sie waren verabredet gewesen, sicher gab es Spuren. Aber würden sie rechtzeitig kommen?

Tief atmete Sakura durch, versuchte, die Tränen herunterzuschlucken. Nein! Wenn sie jetzt aufgab, sich der Verzweiflung hingab, würde sie ganz bestimmt sterben…oder Schlimmeres. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren, taktisch denken – wie sollte sie sich verhalten, wenn Sasuke…oder der andere Mann, Madara, wiederkam?

Wenn sie mürbe wirkte, verängstigt, wie man es von einem jungen Mädchen wie ihr erwartete, würden sie sie sicher unterschätzen. Das würde ihr in die Hände spielen, wenn sie ihnen entkommen wollte...und das würde sie. Lebend.
 

Tatsächlich öffnete sich die Tür einige, quälende Minuten später, aber wenigstens war es nicht der ältere Mann. Dieser machte ihr noch mehr Angst als es Sasuke tat…auch wenn ihr dessen Blick kalte Schauer über den Rücken jagte. Sie setzte sich langsam auf, gab vor, seinem Blick kaum standhalten zu können. Unsicherheit, Nervosität ausstrahlen…na ja, da musste sie nicht viel vortäuschen.

Sasuke schenkte ihr nur kurz Beachtung, ehe er sich der Schüssel mit Reis zuwandte, eine Braue hob. Sie hatte nicht mal daran gerochen, hätte sowieso keinen Bissen herunterbekommen, auch sie es sich nicht erlauben konnte, zu hungern. Sie brauchte ihre Kräfte, wenn sie hier raus wollte.

„Mit deiner mageren Figur solltest du besser kein Essen verweigern…“

Sie verbiss sich einen entsprechenden Kommentar und schluckte bloß hart, senkte den Blick.

„…ich habe keinen Hunger“, wisperte sie, drückte sich an die Wand.

Sasuke schnaubte verächtlich.

„Wie du meinst. Lange wirst du das nicht durchhalten…und wenn du wirklich verhungerst, habe ich dich wenigstens nicht mehr am Hals. Tu also, was du willst.“

Sakura fragte sich, wie man so einen schrecklichen Charakter und so ein schönes Gesicht haben konnte. Es stimmte wohl, dass man niemals nach dem Äußeren gehen durfte. Sie atmete zittrig durch, wenn auch mehr vor Wut, ehe sie die Schultern sinken ließ.

„…darf ich…mich bitte waschen?“, murmelte sie und sah zu ihm auf. „Ich…muss mich auch mal bewegen, mir tut alles weh…bitte.“

Anscheinend war er von ihrem Verhalten irritiert, denn er kam nicht umhin, sie einige Sekunden skeptisch zu mustern.

„…falls du zu fliehen gedenkst, würde ich dir das nicht raten“, warnte er sie langsam. „Ich kenne diesen Wald in und auswendig. Meine Augen und Ohren sind überall…und sollte ich dich in dem Fall finden, kannst du sehr dankbar dafür sein…denn falls dich Madara wieder einfängt…nun…sagen wir, das wird hässlich für dich.“

Sakura spürte, wie sich jedes noch so feine Härchen am Körper aufstellte, doch sie fasste sich.

„Du willst mich doch sowieso nicht haben“, murrte sie, woraufhin er genervt seufzte.

„Das stimmt zwar…doch wenn Madara einen Nutzen in dir sieht, werde ich das nicht anzweifeln. Vorerst bleibst du hier. Also…noch mal…keine Dummheiten. Verstanden?“

Bei den letzten Worten packte er grob ihr Kinn, riss es hoch, um ihr in die grünen Augen zu sehen. Die plötzliche Nähe ließ sie trotz aller Umstände erröten und sie versteifte sich. Bei seinem auffordernden Blick konnte sie nur zaghaft nicken.

„…ver…standen“, nuschelte sie und er ließ sie los.

„Gut. Dann komm. In der Nähe ist ein Fluss. Da ich an deinen Verstand glauben möchte, gehe ich davon aus, dass du nicht so dumm bist, mir davon schwimmen zu wollen. Du würdest jämmerlich ertrinken, selbst wenn du schwimmen könntest…und wie du weißt, wäre mir das persönlich ziemlich egal.“

Und sie glaubte ihm jedes Wort. Was für ein furchtbarer Mensch…
 

Eine Weile später folgte sie ihm durch den Wald, wissend, dass er sie schon jetzt auf die Probe stellte. Vielleicht wollte er sogar, dass sie kopflos davon lief, um Gewalt ihr gegenüber besser rechtfertigen zu können? Es gab solch kranke Leute, die es mochten, wenn die Frauen wehrhaft waren. Sie durfte ihm nicht in die Hände spielen, sondern musste sich weiter devot geben.

Wenn sie irgendwie an seine Waffe käme…aber nun gut. Später. Vielleicht bekam sie noch ein paar Informationen heraus.

„…du hast noch einen Bruder?“, begann sie vorsichtig ein Gespräch.

Sein Bruder schien ein wunder Punkt zu sein, denn ihr entging seine kurzzeitige Anspannung nicht. Nach wenigen Sekunden nickte er wortlos und sie wartete mit ihrer nächsten Frage.

„Ist er viel älter als du?“

„Er ist zwanzig.“

Also doch ein paar Jahre älter, wenn sie ihn richtig einschätzte. Da Sasuke ihr schon so bereitwillig antwortete, blieb sie dran.

„Habt ihr ein gutes Verhältnis?“

„…wozu willst du das wissen?“

„Uhm…Neugierde?“

Er schoss ihr einen prüfenden Blick über die Schulter zu, ehe er wieder nach vorn sah, dabei nicht stehen blieb.

„Pass besser auf. Zu viel Neugierde kann tödlich enden“, murmelte er und ließ sie hart schlucken.

„Ich wollte nicht-“

„Er ist mein Bruder. Natürlich ist er mir wichtig.“

Sakura stockte kurz, während sie auf seinen Rücken sah; hatte sie sich geirrt oder klang das bitter? Das beantwortete ihre Frage zwar nur indirekt, aber dennoch…es schien, als würde da noch etwas im Argen liegen. Vielleicht war dieser ominöse Bruder ihre Chance, hier wegzukommen? Hatte Madara diesen Itachi nicht pazifistisch genannt? War er der Gute? Oder verbarg er seine bösartige Natur bloß? Sollte sie Sasuke provozieren?

„Hat er etwas mit den Überfällen im Dorf zu tun?“

Er blieb so abrupt stehen, dass sie beinahe in ihn hinein gelaufen wäre.

„…was?“

Seine Tonlage klang so scharf, dass es sie schaudern ließ. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, so forsch zu sein, doch sie konnte es jetzt nicht mehr zurücknehmen.

„Du weißt also, wovon ich spreche“, erwiderte sie leise und machte einen Schritt zurück. „Von den Frauen, die-“

Das nächste, das sie spürte, war ein starker Schmerz in ihrem Rücken, als Sasuke blitzschnell herumfuhr und sie gewaltsam gegen einen der Bäume stieß. Mit so viel Kraft, dass ihr kurzzeitig die Luft wegblieb, und hätte er sie nicht grob an der Schulter festgehalten, wäre sie an der Rinde hinabgesackt. Sie keuchte leise, krallte die Nägel in den Baum hinter sich, während ihre grünen Augen erschrocken zu ihm aufsahen. Sein Gesicht war so von Hass und Wut geprägt, dass es sie erstarren ließ.

„Wage es noch einmal, so etwas über meinen Bruder zu behaupten, und mir wird es egal sein, was Madara will!“, zischte er sie an. „Itachi ist der Einzige von uns Dreien, der überhaupt etwas für euch Menschen übrig hat! Du kennst ihn nicht mal, also halt dein dummes Mundwerk im Zaum!“

Zu mehr als einem erschrockenen Nicken war sie nicht imstande, doch dies schien Sasuke glücklicherweise zu reichen. Er packte sie rücksichtslos am Arm und zog sie dann einfach weiter, nicht darauf achtend, ob sie mit ihm mithalten konnte.

Immerhin konnte sie nun sicher sein, dass er von den Geschehnissen in den umliegenden Dörfern wusste. Ob dies ihn oder die anderen beiden schuldig machte, blieb offen. Wollte sie es überhaupt herausfinden? In ihrer Situation würde sie das bloß einem gewaltsamen Tode näher bringen.

Sie musste hier schnellstmöglich weg.
 

Es kostete Sasuke alle Mühe, seiner Wut nicht freien Lauf zu lassen. Wusste dieses Mädchen überhaupt, wie froh es sein konnte, dass er nicht Madara war? Madara hätte sie bei solch einer Anschuldigung in Flammen aufgehen lassen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie drei alles durchgemacht hatten.

Vor allem Itachi, dem sie zutraute, sich an irgendwelchen Frauen zu vergehen. Ja, er wusste in der Tat über die Vorfälle Bescheid, doch sie interessierten ihn nicht. Kein bisschen. Das war ein Problem der Menschen, welches diese selbst lösen sollten.

Innerlich konnte er nur den Kopf über ihre absurde Vermutung schütteln; sein Bruder zuckte ja oftmals schon bei einer simplen Umarmung zurück…und er war Familie. Itachi konnte seit damals kaum Nähe zulassen und auch wenn Madara es ihm nicht erzählt hätte, so sprachen die Narben Bände. Die seelischen und körperlichen. Man sah es in seinen Augen, die oftmals so leer wirkten, dass sich Sasuke wünschte, er würde sich dem Hass hingeben. Alles war besser, als gebrochen zu sein.

Umso unfassbarer empfand Sasuke es, dass ausgerechnet dieser Hüne Itachis Feuer zu wecken schien. Ein ehrloser, dahergelaufener Söldner, den sein Bruder damals sicherlich irgendwie beeinflusst hatte. Vielleicht ja sogar unbewusst…damals war Itachi noch nicht so fähig wie heute gewesen. Welcher Mensch war so selbstlos, dass er für ein verfluchtes Kind sein Leben gab? Nein. Unmöglich…hoffentlich endete dies nicht in einem erneuten Trauma.

So gesehen hätte sich Sasuke regelrecht gewünscht, sein Bruder hätte irgendein Interesse an Frauen gezeigt, anstatt Amaterasu durch die Gegend zu schicken und diesen Kerl zu beobachten. Madara schien dasselbe zu befürchten, so finster, wie er bei dem Thema drein schaute. Nun, sie konnten es nicht ändern, mussten abwarten und hoffen, dass Itachi zur Vernunft und vor allem zurückkam.
 

Er hielt inne, als er das Rauschen des Flusses hörte; sehr gut, dann würden sie in Kürze angekommen sein. Seine Wut war noch nicht gänzlich verraucht, aber genügend abgeschwächt, dass er sich unter Kontrolle hatte. Scheinbar hatte er sie mit seinem Ausbruch wirklich erschreckt und obwohl es ihm nicht leidtat, schalt er sich innerlich für sein Verhalten. Es ging nicht speziell um sie, doch eine Frau mit Gewalt einzuschüchtern…das war nichts, worauf man als Mann stolz sein sollte.

Er löste seinen groben Griff um ihren Arm und ging weiter, bis sie am Ufer des Flusses standen. Erst dann warf er ihr einen Blick zu, sah noch, wie sie sich die schmerzende Haut rieb.

„Wir sind da.“

Sie presste die Lippen fest zusammen, ehe sie zum Wasser sah, wohl selbst erkannte, dass es für jemanden mit ihrer zierlichen Statur unmöglich war, rüber zu schwimmen. Erwachsene Männer mit mehr Kraft hatten ihre Probleme mit der Strömung, da würde sie es sicher nicht schaffen. Anhand der Resignation in ihrem Gesicht, erkannte sie dies soeben wohl auch. Sie zögerte merklich, ehe sie sich zu ihm umdrehte.

„Drehst du dich…bitte um? Ich…müsste mal…“

Na gut, dabei musste er ihr wirklich nicht zusehen, sollte sie also ihren Willen kriegen. Er seufzte hörbar genervt und ging ein paar Schritte, um ihr einen gewissen Abstand zu geben. Sie befanden sich mitten in einem Wald, den er seit seiner Kindheit kannte – floh sie tatsächlich, würde er sie schnell finden.

Sekunden vergingen, in denen er den Geräuschen lauschte. Rascheln, das Rauschen des Flusses…dann runzelte er die Stirn und fuhr im nächsten Moment herum. Das war doch nicht ihr verdammter Ernst…

Zumindest wusste er nun, dass sie schwimmen konnte. Sasuke fluchte innerlich, ehe er auf den Fluss zu stapfte, um sie aus dem Wasser zu fischen. Zumindest trug sie nur noch das Untergewandt, sonst hätte der Stoff des Yukata sie wohl längst in die Tiefe gezogen.

Aber alle Achtung…sie war wirklich schnell, hatte schon beinahe die Mitte des Flusses erreicht und er machte sich daran, sich ebenfalls auszuziehen, um sie zu erwischen. Allerdings war er da wohl zu spät, denn ein kurzes Nachlassen ihrerseits…eine unachtsame Sekunde und er hörte nur noch ihren grellen Schrei, als sie von der Strömung fortgerissen wurde.

„Scheiße!“, knirschte er und sah zu, wie sie abwärts getrieben wurde.

Kein Wunder, sie wog ja auch nichts mit der Figur, sowas ging schnell. Er hätte sie nicht unbeaufsichtigt lassen sollen, doch wer konnte ahnen, dass sie dermaßen mutig…und dumm war? Hinterherspringen würde nichts bringen, besser, er bewegte sich an Land abwärts…im Zweifelsfall würde er dann zumindest ihre Leiche finden. Dumme Kuh…machte ihm nichts als Umstände.

Seufzend setzte er sich in Bewegung, pfiff dabei nach seinem Falken, der auch nicht lange auf sich warten ließ…mit dieser Hilfe würde er sie hoffentlich schnell finden. Und vielleicht noch lebend.



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