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Mephisto

denn sie wissen nicht, was sie tun
von

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Meine Seele brennt

Die folgenden beiden Tage, die ins Land zogen, vergingen so schnell, dass er sich regelrecht an jede einzelne Sekunde klammerte. Woran dies lag, wusste er auch, ohne dass er großartig in sich gehen musste. Ähnlich einem Mantra hallte die Stimme des Hünen in seinen Gedanken wieder, ließ nicht zu, dass er an etwas anderes, als an seinen Vorschlag dachte.

“Du solltest mich begleiten.“

Was für eine absurde Idee dies doch war, wenn man bedachte, wie übel die Menschen seinem Clan in der Vergangenheit mitgespielt hatten. Wieso sollte er sich unter sie mischen, mehr über sie erfahren wollen, wo ihn das wenige, das ihm noch gut im Gedächtnis geblieben war, beinahe getötet hätte. Er verengte die dunklen Augen, während er in dem klaren Seewasser sein Spiegelbild erblickte.

Hatte Kisame eine Ahnung, was seine Worte bei ihm ausgelöst hatten? Seine bloße Anwesenheit erinnerte ihn an diesen schrecklichen Tag, den er so oft vergessen wollte und dennoch nicht dazu in der Lage war.

Madara hatte Sasuke und ihm jedoch geraten, jene furchtbaren Erlebnisse nicht zu verdrängen, sondern sich ihnen zu stellen. Laut ihrem Onkel hatte man die Wahl, sich von seinem Schmerz zerreißen zu lassen oder ihn in sich aufzunehmen und in Hass umzuwandeln. Angeblich konnte dieser Hass ein Antrieb sein, um ihre Fähigkeiten zu stärken…ihr inneres Feuer brennen zu lassen. Hatte man Madara einmal kämpfen gesehen, hegte man keinen Zweifel mehr daran.

Itachi bemerkte, wie sich seine Mimik bei dem Gedanken daran verzerrte, das rote Funkeln in seinen Augen glühen ließ. Seine eher sanften Züge erschienen dadurch viel härter als sonst, ließen ihn seinem Vater ähnlicher sehen, obwohl sowohl Sasuke als auch er nach ihrer Mutter kamen.

Er tauchte die Hände in das kühle Wasser und klatschte es sich ins Gesicht. Tief atmete er durch, fühlte, wie die Tropfen über seine Haut rannen, bis sie zurück in den See fielen. Trotz allem, was man ihnen angetan hatte, konnte er sie nicht verabscheuen – nicht alle von ihnen. Kisame war der beste Beweis dafür, dass nicht alle Menschen gleich waren. Obwohl der Hüne seine Schattenseiten hatte, belog er ihn darüber nicht. Itachi war nicht einfältig genug, um nett formulierten Worten zu glauben – doch mit seiner Annahme, er hätte ihn bereits im Vorfeld beobachtet, lag er nicht falsch. Wie sonst hätte er so schnell vor Ort sein können?

Es war nicht so, dass er niemals Interesse an der Welt, außerhalb dieses Waldes, gezeigt hätte, doch Kontakt zu den Menschen hatte er bisher strikt vermieden. Unweigerlich spürte er, wie seine Narben zu jucken begannen, und er widerstand dem Drang, sich zu kratzen, nur schwer. Abermals atmete er durch, wischte sich mit dem Ärmel über das noch feuchte Gesicht. Warum konnte er nicht einfach nein sagen, wo er doch wusste, dass das nicht gut enden konnte? Das Klügste wäre es, Kisame wegzuschicken und all das zu verdrängen.

Itachi lehnte sich nach hinten, stützte sich mit den Händen auf der Wiese ab, während er den Blick über die Umgebung schweifen ließ. Auf der anderen Seite des Sees erblickte er eine Hirschkuh mit ihrem Kalb. Vorsichtig näherten sich die Tiere dem Wasser, wobei die Hirschkuh zuerst ihren Nachwuchs trinken ließ, dabei wachsam blieb. Dadurch, dass sich kaum eine Menschenseele hierher traute, mussten sie in diesem Gebiet nur wenige Feinde fürchten. Vor ein paar Jahren hatte sich ein Wolfsrudel in dieser Gegend niedergelassen, allerdings waren sie nach einer Weile Richtung Gebirge weitergezogen. Itachi vermutete, dass Madara daran nicht ganz unschuldig war, denn dieser stellte nach wie vor das gefährlichste Raubtier in diesem Wald dar. Gerüchte von Monstern waren schnell geschürt worden, sodass sich entweder unwissende oder lebensmüde Personen hierher verirrten – und den Tod fanden.

Itachi konnte nicht behaupten, dass er in diesem Punkt mit Madara übereinstimmte; er selbst ließ die Menschen ziehen, sollten sie nur auf der Durchreise sein. Meistens reichte es, ihnen in der Nacht genügend Angst einzujagen, so dass sie den Wald eilig verließen. Sein Onkel hielt an seinen bevorzugten Methoden fest und auch, wenn Itachi dies anders sah, diskutierte er nicht mehr darüber. Er hielt inne, als die Hirschkuh und ihr Kalb alarmiert die Köpfe hoben und davon rannten. Im selben Moment spürte er die vertraute Präsenz hinter sich, drehte sich jedoch nicht um.
 

„Die Zeit ist abgelaufen.“

Itachi erwiderte nichts darauf, blieb sitzen, während sich der Ältere neben ihm ins Gras fallen ließ. Er musste nicht nachfragen, konnte sich denken, was Madara meinte. Sie hatten eine Vereinbarung getroffen, damit sich sein Onkel raushielt, und nun, da es Kisame deutlich besser ging, würde er verschwinden müssen. Der Wind strich ihnen durch die langen Haare, brachte das ruhige Gewässer in Bewegung. Eine Weile saßen sie nur so da, bis Itachi die Stille unvermittelt brach.

„Er hat mich gefragt, ob ich ihn auf seinem Rückweg begleite.“

Die Worte waren ihm über die Lippen geflossen, bevor er weiter darüber nachdenken konnte. Über was sollte er sich noch den Kopf zerbrechen? Es gab keinen Weg diese Option schön zu reden und Madara war zudem kein Freund von unnützem Drumherumgerede.

Das darauffolgende Schweigen beunruhigte Itachi mehr, als der erwartete Sturm – andererseits konnte man bei Madara nie auf irgendetwas setzen, dazu war er zu unberechenbar. Sein Onkel blickte immer noch scheinbar gelassen auf die Oberfläche des Sees, doch Itachi bemerkte, wie sich seine Finger ins Gras gruben. So fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

„Und was hast du geantwortet?“, vernahm er die fast freundlich klingende Frage.

Es konnte kein gutes Zeichen sein, dass Madara keine Anstalten machte, dagegen anzureden. Itachi versuchte, sich die aufsteigende Nervosität nicht anmerken zu lassen, denn das würde es bloß schlimmer machen.

„Dass ich darüber nachdenke“, gestand er leise.

Seit zwei Tagen dachte er darüber nach, was das Richtige wäre und was er wirklich wollte. Er hatte sich alle seine Bedenken durch den Kopf gehen lassen, sich daran erinnert, was damals passiert war…und trotzdem reichte es nicht für ein konsequentes Nein.

Kisame hatte Recht gehabt, als er gemeint hatte, dass er interessiert war. Seine Befürchtungen reichten nicht aus, um dieses Interesse im Keim zu ersticken. Nach all den Jahren hatten sie einander erneut getroffen und er hatte die Zeit nicht ausreichend genutzt, um damit abschließen zu können. Was genau er sich von Kisame erhoffte, konnte er nicht sagen, aber er wollte mehr. Diese Gefühle verstörten ihn ebenso, wie sie ein bislang unbekanntes Feuer in ihm entfachten.

Auch Madara schien dies zu bemerken, denn seine nächsten Worte glichen einem Eimer kalten Wassers.

„So…du denkst darüber nach“, wiederholte er langsam. „Worüber genau? Darüber, welche neuen Foltermethoden sie sich ausgedacht haben? Wer weiß, vielleicht binden sie dich wieder auf einem Altar fest und führen ihren Exorzismus durch? Ich kann mich gut daran erinnern…du dich auch?“

Erst jetzt wandte Madara sich ihm zu und sein Gesicht war eine Maske blanken Hasses, die rot glühenden Augen brannten sich geradezu in seine eigenen. Itachi spürte, wie ihm das Gesagte für einen Moment die Kehle abschnürte und seinen Körper lähmte. Das war nicht fair. Es war widerlich und Madara tat es absichtlich, um diese Ereignisse wieder hervorzurufen. Als wären sie nicht bereits schmerzhaft genug gewesen…
 

„Hör auf“, sagte er leise, aber es war keine Bitte.

Madara gab ein freudloses Lachen von sich, so rau und kratzig, dass es einen schauderte.

„Was ist denn?“, fragte er lauernd. „Ist dir das etwa unangenehm?“

Itachi verengte die schwarzen Augen, doch Madara beachtete das gar nicht, kam stattdessen mit einer kraftvollen Bewegung auf die Beine. Das grausame Lächeln auf seinen Lippen sahen Sasuke und er nur selten, meistens traf es Eindringlinge – und es war das Letzte, das sie sahen. Es missfiel ihm ebenso wie die Tatsache, dass Madara mit diesem Ausdruck auf ihn herabsah.

„Du bist doch nicht naiv genug, zu glauben, die Menschen hätten sich geändert?“, fuhr er fort. „Wenn sie von deinen Fähigkeiten Wind bekommen…wenn sie merken, dass du nicht wie sie bist – was denkst du, werden sie tun?“

„Ich habe nicht vor, sie jemandem zu offenbaren“, gab er kühl zurück. „Du hast uns mehr als das gelehrt, nicht wahr?“

Schließlich hatte Madara sie auch im Nahkampf unterrichtet und ihnen gezeigt, wie sie mit verschiedenen Waffen umgingen. Sie waren keine hilflosen Kinder mehr, die eben erst das Feuer entdeckt hatten und es noch nicht beherrschten. Damals waren die Gegebenheiten gänzlich andere gewesen, sonst hätten sie ihn nie so einfach überwältigen können.

„Du hast sie diesem Kerl offenbart, Itachi“, hörte er Madara raunen. „Dies mag nicht deine Schuld gewesen sein…und da er dein Leben gerettet hat, habe ich ihn auf deine Bitte hin bis heute nicht getötet. Allerdings…“

Madaras Lächeln wurde eine Spur breiter, während der Hass nach wie vor in seinen blutroten Augen flackerte. Sie waren Familie und Itachi wusste, dass sein Onkel ihn eigentlich nur schützen wollte, dennoch wappnete er sich innerlich für die nächsten Worte.

„…bin ich sehr sicher, dass er bereits jemandem von uns erzählt hat. Ja, ich weiß, die Leute halten derlei Geschichten für Unsinn. Wenn du ihn jedoch begleitest, hat er einen lebenden Beweis an seiner Seite…und das könnte hässlich für dich enden. Du hast die widerliche Natur der Menschen am eigenen Leib erfahren. Denkst du, dein Kisame wird dich ein weiteres Mal schützen? Oder wird er dich an seinesgleichen verkaufen?“

Itachi erhob sich ruckartig und jegliche Beherrschung, zu der er sich bis eben noch ermahnt hatte, war aus seinem Körper gewichen. Seine Augen hatten denselben blutroten Farbton angenommen wie die seines Onkels und er spürte, wie Wut und Ekel durch seine Adern jagten. Das Flimmern in der Luft wurde stärker, versengte die ersten Pflanzen in seiner Reichweite. Madara bedachte dies mit einem nachdenklichen Blick, ehe er diesen wieder auf ihn richtete, mit der Zunge schnalzte.

„Dein Urteilungsvermögen wird von deiner Sympathie für diesen Mann getrübt, Junge.“

Mein Urteilungsvermögen“, wiederholte Itachi, wobei der Zorn in seiner Stimme vibrierte. “Was ist mit deinem, Madara? Alles, was du sagst, ist von Hass überschattet…am liebsten würdest du die ganze verdammte Welt niederbrennen!“

Madara gab einen Laut von sich, der an das Fauchen einer wütenden Katze erinnerte.

„Und habe ich kein Recht dazu, nach allem, was uns diese ganze verdammte Welt angetan hat?! Was sie mit Izuna gemacht haben?! Mit euren Eltern?! Sie haben uns beinahe ausgerottet! Verdammt, Itachi, du warst ein Kind, als sie dir diese Sachen angetan haben! Wie kannst du ihnen verzeihen?! Wie kannst du irgendeinem dieser Menschen vertrauen und auch nur in Erwägung ziehen, mit ihm zu gehen?!“

Die Hitze nahm zu, je mehr sich auch Madara in Rage redete…je lauter er wurde, umso mehr wich Itachis eigene Wut. Was zurückblieb, war der Schmerz, den er seit Jahren mit sich herumtrug. Denselben Schmerz, den auch Madara und Sasuke niemals verwinden würden. Dass sie sich hier so anfeindeten, obwohl sie nur noch einander hatten…eine Familie waren, das hinterließ nichts als Bitterkeit und Bedauern in ihm. Es war nicht das, was er hatte erreichen wollen.
 

„Okay…ich weiß zwar nicht, was hier los ist, aber ihr seid gerade dabei, unser Zuhause abzufackeln.“

Sie hielten gleichzeitig inne, fuhren zu der Person herum, die mitten in ihren Streit geplatzt war. Eigentlich hatte Itachi nicht nur mit Madara reden wollen, aber vielleicht war es gut, dass sein Bruder erst jetzt dazu kam. Er war nicht so naiv zu glauben, dass Sasuke besser darauf reagieren würde, weswegen ihn bereits jetzt die Resignation überkam. Wenigstens führte die Unterbrechung dazu, dass auch Madara seinen Zorn bändigte, ihn aber weiterhin anfunkelte.

„Ja, Itachi…sag deinem Bruder, was du dir in den Kopf gesetzt hast. Ich bin sicher, er wird begeistert sein…“, zischte er und machte eine wegwerfende Handbewegung.

Sasuke runzelte die Stirn, sah von ihm zu Itachi.

„Geht es wieder um den Menschen?“, wollte er dann entnervt wissen. „Falls ja, kann ich dir direkt sagen, dass ich das Thema satt habe. Wann verschwindet er endlich?“

Itachi versuchte das süffisante Grinsen seines Onkels zu ignorieren, was leider alles andere als leicht war.

„In Kürze…“, formulierte er es behutsam, woraufhin Madara auflachte.

„Das klingt doch gut“, erwiderte sein Bruder zufrieden, was es noch schwerer machte.

„Ich…werde ihn vermutlich eine Weile begleiten.“

Die abrupte Stille gepaart mit Sasukes entgeisterter Miene kündigte einen zweiten Sturm an; gut, damit war zu rechnen gewesen. Da ihm die Affinität seines Bruders zum Blitzelement bekannt war, wunderte ihn das plötzliche Kribbeln auf seiner Haut nicht. Es hätte ihn nicht mal überrascht, wenn Sasukes rote Augen Funken gesprüht hätten.

„Das ist ein Scherz.“

„Oh nein, das ist sein voller Ernst!“, half Madara nach, bevor er etwas sagen konnte. „Itachi ist der Ansicht, er müsse sich unter die Menschen mischen, um sich ein neues Bild von ihnen zu machen…“

„Ich habe nur-“

„Bist du von allen guten Geistern verlassen, Nii-san?!“, schnitt ihm Sasuke garstig das Wort ab.

„Sasuke…“

„Nein, ernsthaft! Was soll denn noch passieren, damit du endlich kapierst, dass sie gefährlich sind! Das ist alles nur die Schuld von diesem Typen! Ich hätte ihn töten sollen, bevor er dir so einen Mist einredet!“

Itachis Augen wurden eine Spur schmaler, fixierten seinen Bruder, der seinem Blick jedoch standhielt. Er war eben kein kleines Kind mehr, das auf ihn hörte – zumal sich seine Meinung über die Jahre Madaras angepasst hatte. Das Problem war, dass Itachi dies sogar nachvollziehen konnte, auch wenn er geteilter Meinung war.

„Ich wiederhole mich vielleicht, aber Kisame ist meine Angelegenheit. Niemand von euch beiden wird Hand an ihn legen. Das gilt nach wie vor.“

Sasuke gab ein verächtliches Schnauben von sich, wissend, dass er bereits einmal dagegen verstoßen hatte.

„Du hast gesagt, dass du diesen Menschen nicht deiner Familie vorziehst – aber genau das tust du! Du willst uns verlassen und denkst dabei kein bisschen an uns! Seit dieser Kerl wieder aufgetaucht ist, geht es nur noch um ihn!“

„Sasuke, ich-“

„Spars dir!“, fauchte ihn sein Bruder an. „Ich will’s gar nicht hören! Es ist mir egal! Und wenn du gehst, bist du mir auch egal! Dann geh halt mit ihm mit, aber erwarte nicht, dass ich dir nachtrauere, wenn was passiert! Nicht schon wieder! Ich hab das alles so verdammt satt!“
 

Jedes Wort glich einem Messerstich, der seine empfindlichsten Punkte traf; er verlor langsam die Kraft für Gegenargumente oder Beschwichtigungen. Sasuke schien ihm auch nicht mehr zuhören zu wollen, denn er kehrte ihm den Rücken und stampfte so rasch davon, dass er nicht mal den Versuch machen konnte, ihn zurückzuhalten. Was ihm blieb, waren Schuldgefühle…und Madara, dessen hämisches Lächeln mittlerweile verschwunden war, stattdessen der Ernsthaftigkeit Platz gemacht hatte.
 

„Ich kann dich offensichtlich nicht daran hindern, diesem Mann zu folgen.“

Itachi schwieg, während ihm der Gedanke kam, dass er sich eigentlich noch gar nicht entschieden hatte. Dass seine Familie direkt davon ausging, hatte ihn defensiv reagieren lassen. An einen neutralen Rat hatte er zwar von vornherein nicht geglaubt, dennoch hätte es so nicht laufen sollen. Obwohl es ihn mitnahm, konnte er die kleine Stimme in seinem Kopf, die ihm einflüsterte, dass er mit Kisame gehen wollte, nicht ausblenden. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er nicht anders wählen, denn er würde sich immer fragen, was geschehen wäre.

In diesem Wald fühlte er sich sicherer, ja, hier war sein Zuhause, in dem er mit seiner Familie lebte…aber es war auch das Einzige, das er seit Jahren gesehen hatte. Jahrelang hatte er die Menschen gemieden, sie höchstens aus der Ferne beobachtet…und nun kam Kisame mit einer Option, die er bisher für unmöglich gehalten hatte. Es stimmte, er wollte mit ihm gehen. Nicht für immer, doch für eine Weile.

„Ich muss das für mich tun, Madara“, erwiderte er ruhig und suchte den Blick seines Onkels. „Ich erwarte nicht, dass ihr das versteht…nur, dass ihr es akzeptiert.“

Madara gab ein verächtliches Schnauben von sich.

„Du erwartest zu viel von uns“, gab er kalt zurück. „Wenn du gehst, ist es, wie Sasuke sagt. Sei dir der Konsequenzen bewusst.“

Itachi machte den Mund auf, um den etwas entgegenzusetzen, doch der Ältere hob die Hand zum Zeichen, dass es genug war. Ein seltener Anflug von Trotz keimte in ihm auf und er musste ihn mühsam unterdrücken, wissend, dass er es später bereuen würde. Es war alles gesagt worden, mehr konnte er nicht verlangen. Sich damit abzufinden, fiel ihm schwer, weil er so nicht hatte Abschied nehmen wollen, aber auch Madara ließ ihm keine Wahl, sondern wandte sich zum Gehen um.

Zurück blieb die Bitterkeit…gepaart mit dem hässlichen Gefühl der Einsamkeit.
 

Als Itachi einige Stunden später zurück zur Hütte kam, hatte er das wenige, das er auf der Reise brauchen würde, zusammengepackt. Es erschien ihm so unwirklich, dass er den Weg wie in Trance zurücklegte. Bestätig erinnerte er sich daran, dass dies seine Entscheidung war und er diese jederzeit widerrufen konnte. Er musste nicht mit Kisame gehen…doch es änderte nichts an der Tatsache, dass er es wollte. Tief atmete er durch, blieb ein paar Sekunden vor der Tür stehen, die Hand an das raue Holz gelehnt. Ob der Hüne schon schlief? Schließlich war es mittlerweile Nacht und Itachi hatte bereits angedeutet, dass er ihn bald fortschicken würde. Es war nur klug, seine Kräfte zu sparen, nun, wo er sich noch in sicherer Umgebung befand.

Itachi schloss kurz die Augen, sammelte sich, während er das Gespräch mit seiner Familie Revue passieren ließ. Ein Grund für den morgigen Aufbruch war der, dass er nicht mehr dafür garantieren konnte, dass Madara oder Sasuke Kisame nichts, entgegen seiner unmissverständlichen Warnung, antaten. Sein Bruder hatte dies schon einmal versucht und nach ihrem Wortgefecht fürchtete er, dass sich der Jüngere in seiner Impulsivität zu einer Dummheit hinreißen lassen könnte. Es duldete keinen Aufschub mehr, weswegen er die die Hütte betrat.

Zwar flackerte das Feuer noch, doch Kisame schien sich tatsächlich hingelegt zu haben. Kurz verweilte sein Blick auf dem unbekleideten, breiten Rücken, dessen Haut zahlreiche Narben aufwies. Die noch recht frischen Brandnarben stachen besonders hervor, wirkten immer noch geschwollen, obwohl sie gut verheilten. Seine eigenen Narben schienen bei dem Anblick wieder zu jucken, doch er verdrängte es, so wie er es stets tat. Wenn er mit Kisame reiste, könnte er dessen Wunden weiter im Blick haben, sollte es wider Erwarten Komplikationen geben – auch was sein Bein anging, mit dem angeblich aber alles wieder in Ordnung war. So lautlos wie möglich stellte er seinen Reisebeutel ab und setzte sich ans Feuer, wollte den Hünen nicht wecken. Er selbst würde wohl noch eine Weile wach bleiben, konnte sowieso nicht schlafen. Nicht jetzt, wo ihm der Streit mit seiner Familie nachhing. Schweigend zog er die Beine an, legte den Kopf auf die Knie, um eine bequemere Position einzunehmen – als sich Kisame mit einem Mal regte.

Er beobachtete, wie sich der Ältere herumdrehte, dabei überraschenderweise sehr wach wirkte. Wobei…sollte ihn das wundern? Als Söldner musste man bestimmt auf der Hut sein, da die Leute einem nach dem Leben trachteten. Wie er die Menschen kannte, brauchten einige von ihnen vermutlich nicht mal diesen Grund. Kisames recht kleine, ungewöhnlich helle Augen, die ihn mit ihrem Ausdruck stets an die eines Raubtieres erinnerten, fixierten ihn ein paar Sekunden lang, ehe sie zu dem Beutel wanderten und zurück zu ihm. Erkenntnis leuchtete in ihnen auf und Itachi erahnte seine nächste Frage.

„Du kommst mit?“

Es widerstrebte dem Uchiha, dies zu bejahen, denn das machte es noch endgültiger. Andererseits hatte er seine Entscheidung getroffen, weswegen es kein Zögern mehr geben sollte. Er nickte knapp, richtete den Blick wieder in die Flammen.
 

„Wir brechen im Morgengrauen auf“, wisperte er tonlos.

Kisame blieb daraufhin erstmal still, doch er spürte seinen Blick auf sich ruhen und wusste, dass diesbezüglich Rückfragen kommen würden. Aus den Augenwinkeln bekam er mit, wie sich der Hüne erhob, um sich neben ihn ans Feuer zu setzen.

„Wie haben sie es aufgenommen?“

Itachi zuckte mit den Schultern, ohne seine Haltung zu verändern oder mehr Abstand zu suchen. Stattdessen überdachte er seine Worte, nicht sicher, ob er darüber reden wollte. Vielleicht würde es ihm guttun, vielleicht nur das schlechte Gewissen bestärken. Er hatte keine Ahnung.

„Sie heißen es nicht gut.“

Kisame hob eine Braue, stützte sich mit einer Hand am Boden ab und winkelte dabei ein Knie an.

„Das war mir klar“, erwiderte er ehrlich. „Also habt ihr meinetwegen gestritten, hm?“

Itachi entwich ein leises Seufzen.

„Auch“, gab er zu. „Sie machen sich Sorgen und damit sind sie nicht im Unrecht. Es war einfältig von mir, zu hoffen, sie würden es akzeptieren können.“

Insgeheim fragte er sich, ob er sich, würde es um Sasuke gehen, umsichtiger verhalten hätte. Vermutlich schon, immerhin setzte er bei solchen Meinungsverschiedenheiten auf Rücksicht und Vernunft. Dennoch wäre er auch nicht begeistert gewesen, würde Sasuke mit einem Fremden für einige Tage oder gar Wochen verschwinden.

„Na ja“, hörte er Kisame brummen. „Ich würde lügen, wenn ich dir sage, dass ich mich nicht über deine Entscheidung freue. Trotzdem…tut mir leid, dass du meinetwegen Ärger mit den beiden hast.“

Ärger. Ja, das war eine nette Umschreibung dafür.

„Nun, wie du bereits erwähntest…es ist meine Entscheidung. Ich hätte mich dagegen entscheiden und dieser Diskussion aus dem Weg gehen können.“

„Hast du aber nicht.“

„Nein. Habe ich nicht.“

Eigentlich wollte er das nicht ausschweifender thematisieren, aber sich anzuschweigen empfand er in dieser Situation als unangenehm. Genau genommen wusste er nicht, was er gerade wollte. Er wusste nur, dass ihn der Streit mit seiner Familie quälte.

„Respekt, Teufelskind“, brach Kisame die Stille erneut. „Nicht viele hätten den Mut für so eine Entscheidung – schon gar nicht, wenn sie sich damit gegen die eigene Familie stellen.“

Itachi drehte den Kopf in seine Richtung, maß ihn mit einem langen Blick.

„Du nennst mich immer noch so“, stellte er fest. „Aber weder bin ich ein Kind, noch ein Teufel. Itachi reicht…und wäre mir lieber.“

Kisame stutzte, blinzelte einmal, bevor er ein langsames Nicken von sich gab.

„Da hast du Recht…Itachi.“

Seine Mundwinkel hoben sich leicht, wenn auch nur kurz, denn die scharfen Worte zerrten immer noch an seinen Nerven. Kisames Lächeln entblößte eine Reihe ungewöhnlich scharfer Zähne und nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob er sie gefeilt hatte, um bedrohlicher zu wirken. In seinem Fall hätte er sie damals nicht gebraucht, denn die Menschen an sich hatten ihn das Fürchten gelehrt.

„Mach dir nicht so viele Sorgen“, riet ihm der Hüne. „In der Wut sagt man häufig Dinge, die man gar nicht so meint. Du bist ihnen wichtig – jedenfalls glaub ich nicht, dass dein Bruder sonst so versessen darauf gewesen wäre, mich umzubringen. Der wird sich schon einkriegen…und dein Onkel auch.“

War das der Versuch, ihn aufzumuntern? Unerwartet, doch Itachi konnte nicht leugnen, dass es ihm dadurch etwas besser ging. Es vermittelte ihm das Gefühl, mit seinen Ängsten nicht auf sich allein gestellt zu sein. Madara und Sasuke irrten sich, was Kisame anging – er war nicht so schlecht, wie sie glaubten.

„Und weißt du, wenn du zurück willst, werde ich dir keine Steine in den Weg legen“, fuhr der Ältere fort. „Ich gebe dir mein Wort darauf, dass ich dich in dem Fall zurückbringen werde – vorausgesetzt, du möchtest das.“

Das darauf folgende Grinsen wirkte im Zusammenhang mit seinem Versprechen nicht sehr vertrauenserweckend, doch Itachi sprach dies nicht aus. Warum sollte er nicht zurück wollen? Es war keine Option, unter den Menschen zu leben, als wäre nie etwas passiert. Schon wegen seiner Familie würde er zurückkehren, aber darüber musste er sich jetzt keine Gedanken machen. Seine Entscheidung stand fest und er würde sie nicht widerrufen – auch wenn es ihm Sasukes und Madaras Worte schwerer machten.
 

„Du solltest schlafen, um deine Kräfte zu schonen“, entgegnete er schließlich, was den Älteren innehalten ließ.

„Du bleibst?“, kam die verwunderte Frage, woraufhin er nickte.

Wenn er mit Kisame reiste, sollte er sich wohl langsam daran gewöhnen, ihn permanent in seiner Nähe zu haben. Itachi hätte lügen müssen, hätte er behauptet, dass es rein gar nichts in ihm auslöste, denn das tat es. Eine Mischung aus Unbehagen und Nervosität beschrieb es vermutlich am besten, trotzdem ihm der Hüne in der Regel höflichen Abstand ließ. Es ging auch nicht um sein gegenwärtiges Verhalten, sondern mehr um die Vergangenheit. Unweigerlich musste er daran denken, wie Kisame ihn nachts in der Hütte aus seinem von Albträumen geplagten Schlaf gerissen hatte. Damals hatte er das Schlimmste vermutet und dementsprechend panisch reagiert. Im Endeffekt wäre es wohl sicherer gewesen, wäre er bei ihm geblieben. Doch er war ein verängstigtes Kind gewesen, hatte nicht wissen können, dass Kisame nicht wie alle anderen war. Die Nächte danach hatte er keine schlechten Träume gehabt – er hatte in einem einzigen Albtraum gelebt.

Wie von selbst wanderte seine Hand in seinen Nacken, rieb die juckende Stelle dort, ohne, dass er es bewusst wahrnahm. Seine Wunden von damals waren längst verheilt, sie sollten ihn in keiner Weise mehr beeinträchtigen…eigentlich. Ihm war bewusst, dass diese Schmerzen und das Jucken nur in seinem Kopf existierten, von dem Trauma herrührten. Leider reichte es nicht aus, sich dessen bewusst zu sein. Itachi spürte Kisames Blick auf sich ruhen und sofort legte er die Hand wieder in seinen Schoß, faltete die Finger ineinander.

„Solltest du dich nicht auch hinlegen und etwas ausruhen?“, wurde er gefragt.

„Später.“

Kisame wirkte nicht sehr zufrieden mit seiner Antwort, das sah er ihm an, allerdings zuckte er nur die Schultern. Er beobachtete den Hünen dabei, wie sich dieser auf sein Lager zurückzog, sich wieder auf die Seite legte. Die hellen, grün funkelnden Raubtieraugen fixierten ihn jedoch weiterhin und Itachi wich ihnen nicht aus, bemüht, nicht zu zeigen, was in ihm vorging.

„Eines sollte dir klar sein.“

Itachi zog die Brauen ein wenig zusammen, nicht wissend, wovon er sprach.

„Es bringt mir überhaupt nichts, deine Wut auf mich zu ziehen“, fuhr Kisame fort. „Außer einigen neuen Verbrennungen vielleicht…und glaub mir, das ist nicht in meinem Sinne.“

Er hatte also schon erkannt, was den Uchiha daran hinderte, sich einfach hinzulegen und die Augen zu schließen. Schwer war das sicherlich nicht, immerhin kannte Kisame seine Vergangenheit. Obwohl sie sich jahrelang nicht gesehen hatten, war er mit seinen schlimmsten Erinnerungen verbunden.

Allerdings verstand Itachi auch, dass der Hüne ihn zu beruhigen versuchte. Es waren nette Worte, denen er natürlich nicht hundertprozentig trauen konnte, aber sie besänftigten sein aufgewühltes Inneres ein bisschen.

„Gute Nacht, Kisame“, erwiderte er nur und erntete damit ein schiefes Grinsen.

„Ja…dir auch.“

Der Uchiha lehnte sich an die Wand in seinem Rücken, während Kisame sich umdrehte, tatsächlich nach einer Weile weg zu dösen schien. Ihm selbst kam der Gedanke, dass er sich wohl Zeit geben musste. Vertrauen erforderte immer eine gewisse Zeit – in seinem Fall mehr denn je.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Scorbion1984
2020-07-10T10:37:22+00:00 10.07.2020 12:37
Hoffentlich ber
Antwort von:  Scorbion1984
10.07.2020 12:39
Entschuldige, mein Tablett will nicht so wie ich, also was ich sagen wollte, hoffentlich bereut Itachi seine Entscheidung nicht


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