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DEAN CORVIN: 02. Brennpunkt Mars

von

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Auf Messers Schneide


 

8.
 

Auf Messers Schneide
 

Irina Hayes lachte verzweifelt auf und sah grimmig zu Oberleutnant Fatul Mahmalad, als Moana Adamina sie über Funk im Maschinenraum erreichte und davon in Kenntnis setzte, dass sie Code QQXAQ empfangen hatte. Dieser Code bedeutete nicht allein, dass der sofortige Aufbruch nach Wega befohlen worden war, sondern dass es gleichfalls einen zwingenden Grund dafür gab. Die Alarmierung der feindlichen Streitkräfte.

Seit der etwas rustikalen Landung der NOVA SOLARIS auf Eris stand es, in technischer Hinsicht, auf dem modernsten Kreuzer des bekannten Universums nicht zum Besten. Und das war, nach Ansicht der momentanen Kommandantin des Leichten Kreuzers, noch stark untertrieben.

„Jetzt wird es hier bald richtig gemütlich“, fluchte Irina Hayes und sah auf den halb zerlegten Energieverteiler, der zur Steueranlage des Hauptmaschinenraums gehörte. „Die Konföderation ist alarmiert, das bedeutet, dass auch der Zustand der Eris-Basis abgefragt werden wird, und Eris wird nicht antworten. Sie wissen was das heißt, Oberleutnant. Wann ist der Verteiler wieder einsatzbereit?“

„Das wird noch mindestens zwei Stunden dauern“, gab Mahmalad ungerührt zurück. „Und das ist wirklich schon sehr optimistisch gerechnet, Hauptmann. Mein Team und ich werden uns beeilen, doch am Ende soll der Kasten andererseits ja auch wieder fliegen.“

„Ich vertraue Ihnen und Ihrem Team.“ Damit wandte sich die Marsianerin ab und verließ den Maschinenraum. Sie war zwar Mahmalads Vorgesetzte, aber was die Maschinenanlagen der NOVA SOLARIS betraf nur Laie. Sie hätte sich von den Spezialisten, trotz ihres höheren Ranges, eine unverblümte Abfuhr eingehandelt, wenn sie ihnen dazwischen gefunkt hätte. Also störte sie lieber nicht, sondern ließ sie arbeiten. Im Kommandozentrum war sie bestimmt besser aufgehoben.

Auf dem Weg dorthin grübelte Irina Hayes darüber nach, dass Dean Corvin und der Landetrupp kaum zwei Tage lang weg waren. Er konnte kaum mehr, als einige Stunden auf dem Mars zugebracht haben. Luna hatte er in dieser kurzen Zeit unmöglich erreicht. Sie wünschte sich, sie hätte gewusst, was aus dem Major und den Spezialisten der Raumlande-Einheit geworden war. Besonders aus einer ganz bestimmten Spezialistin mit kurzen blonden Haaren, von der sie sich so emotional verabschiedet hatte. Irina Hayes hoffte inständig sie gesund und munter vorzufinden, wenn dieser Einsatz vorbei war.

Die Interims-Kommandantin der NOVA SOLARIS verscheuchte diese Gedanken, als sie das Kommandozentrum des Leichten Kreuzers betrat. Eilig schritt sie zu Moana Adamina, die den Funkverkehr im Sol-System überwachte.

„Wie schätzen Sie die Lage anhand des eingehenden Funkverkehrs ein, Leutnant Adamina?“, erkundigte sich Hayes mit gedämpfter Stimme bei der Samoanerin.

Moana Adamina sah kurz zu ihr auf. „Der Funkverkehr aus dem Gebiet des Mars hat deutlich zugenommen. Die meisten Sprüche gehen an die Wacheinheiten der Feindflotte, die sich zwischen der Bahn von Saturn und Uranus befinden. Sofern die alarmierten Einheiten nicht einen kurzen Hyperraum-Flug wagen, rechne ich damit, dass die ersten Kampfschiffe des Gegners, in etwa zwei bis drei Stunden über Eris erscheinen. Ich habe bereits den Ruf vom Hauptquartier aufgefangen, der an die Kontrollstation hier auf Eris gerichtet ist. Da Eris sich nicht meldet, wird der Feind die entsprechenden Schlüsse ziehen und nachsehen wollen, was hier nicht stimmt.“

„Sie denken also, der Feind befindet sich wirklich im Alarmzustand? Bisher hatte ich darauf gehofft, dass Corvin vielleicht den falschen Code gesendet hat.“

Moana Adamina blickte bezeichnend. „Diese deutliche Zunahme des Funkverkehrs lässt keinen anderen Schluss zu, Hauptmann.“

„Danke, Leutnant.“

Irina Hayes seufzte unterdrückt und schritt zu Stefanie Dornarran an der Ortungs-Konsole. Ruhig wies sie den Stabsfeldwebel an: „Koppeln sie die Passiv-Ortungssysteme mit dem Hauptbildschirm.“

Die Angesprochene kam der Aufforderung nach. Auf dem Hauptbildschirm des Kommandozentrums zeichnete sich die taktische Situation rund um Eris, bis hin zur Saturnbahn, ab. Rote Symbole, jeweils eins für ein feindliches Kriegsschiff, veränderten ihre Positionen. Einige bewegten sich näher zu den okkupierten terranischen Militär-Basen auf den großen Monden der Gasplaneten. Andere schwärmten in den Randbereich des Sol-Systems aus. Ein direkter Anflug auf Eris war dabei für Hayes zunächst nicht festzustellen.

„Ich glaube, dort haben wir einen Kunden, der zu uns möchte“, drangen Stefanie Dornarrans Worte in diese Überlegungen des Hauptmanns.

Irina Hayes sah auf die voraussichtlichen Ziel-Koordinaten und presste die Lippen aufeinander. Sie überprüfte die Scanner-Werte und meinte dann: „Eine einzelne Fregatte, so wie es scheint. Offensichtlich weiß der Feind noch nicht, dass wir hier sind.“

Mit einem letzten Blick auf den Bildschirm sagte die momentane Kommandantin des Leichten Kreuzers: „Weiter verfolgen, Stabsfeldwebel.“

Damit wandte sich Irina Hayes zu Hauptfeldwebel Jean-Claude Blanché. „Taktik: Zielscanner noch nicht aktivieren. Warten Sie, bis Sie vom Stabsfeldwebel die Bestätigung bekommen, dass dieses Feindschiff in Feuerreichweite ist und halten Sie sich ab da bereit. Solange wir nicht entdeckt werden verhalten wir uns still. Sollten wir jedoch geortet werden so handeln Sie umgehend und eröffnen eigenständig das Feuer. Die Fregatte darf in einem solchen Fall keinen Notruf absetzen können.“

„In Ordnung, Hauptmann, ich bin auf dem Posten“, gab der Mann an der Feuerleit-Konsole eifrig zurück.

„Tüchtig“, lobte Irina Hayes, schwach schmunzelnd. Sie schritt zu Leutnant Curtis Newton, und Leutnant Linaris Terrek, der Navigatorin von Wega-VIII, deren bläulich schimmernde Haut vermuten ließ, dass ihre Vorfahren relativ früh zu diesem Kolonialplaneten ausgewandert sein mussten.

„Sie beide halten sich für einen Alarmstart zur Verfügung“, wies Irina Hayes die beiden Offiziere an. „Sobald der Chief uns das Zeichen gibt werden wir hier verschwinden.“

Die beiden ruhigen und doch so unterschiedlichen Offiziere bestätigten knapp die Anweisungen und Irina Hayes setzte sich in den Sitz des Kommandanten. Dabei sah sie angespannt auf das einzelne, rote Symbol, dass sich langsam ihrer Position näherte.
 

* * *
 

Als das Kriegsschiff der Konföderation Deneb nahe der Alpha-Sonne des Sternensystems aus dem Hyperraum fiel gab die Kommandantin der des Leichten Kreuzers VESTERGAARD Gefechtsalarm. Mit einer Fregatte des Feindes hatte Ayasha Saif ad-Dīn nicht gerechnet. Dementsprechend überrascht sah sie zu Tarrik Barun an der Ortung, der diese Fregatte des Feindes gemeldet hatte.

„Geben Sie mir den Kurs der Fregatte, wir werden auf Abfangkurs gehen“, wies die Kommandantin ihren Hauptfeldwebel an. Danach wandte sie sich zum Mann an der Taktischen Konsole und befahl: „Stabsfeldwebel Armandez, halten Sie die Waffen in Bereitschaft. Feuern nur auf mein Kommando.“

„Ja, Sir“, bestätigte Fiasco Armandez.

„Dualschilde sind aktiviert!“, meldete Aldan Zaretas von der Maschinenkontrolle. „Triebwerk-Emitter laufen bei maximaler Energieaufnahme.“

Die VESTERGAARD ging mit voller Beschleunigung auf Abfangkurs und Major Ayasha Saif ad-Dīn verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Grimmig sah sie auf den Hauptbildschirm, auf dem das Feindschiff mit einer roten Umrandung hervorgehoben wurde. Der Anruf von der Navigation lenkte sie ab.

„Major, wir werden auf Flotten-Geheimfrequenz von der Fregatte aus gerufen.“

Erstaunen spiegelte sich im Gesicht der Kommandantin. „Seit wann kennen die von der Konföderation unsere Geheimfrequenz? Stellen Sie die Verbindung her und legen Sie das Gespräch auf Bildschirm und Lautsprecher.“

Die Bestätigung kam und einen Moment später tauchte das Konterfei eines jungen Mannes auf dem Bildschirm auf. Er trug die schwarze Uniform der Farradeen-Allianz mit den Insignien eines Majors am Kragen. Doch für diesen Rang wirkte der Mann viel zu jung.

„Hier spricht Major Dean Everett Corvin, vom erbeuteten Kriegsschiff WIRBELWIND. Ich rufe den Leichten Kreuzer der Terranischen Raumflotte. Ich vermute, Sie sind die uns zugesagte Unterstützung, die uns zur Wega geleiten soll.“

Ayasha Saif ad-Dīn sah mit unbewegter Miene auf den Bildschirm und antwortete distanziert: „Hier spricht Major Ayasha Saif ad-Dīn von der VESTERGAARD. Ein viel zu junger Mann, für den Rang an seinem Kragen, in der Uniform der Farradeen-Allianz ruft von einem Kriegsschiff der Konföderation Deneb auf Flotten-Geheimfrequenz, Major Corvin. Was würden Sie in diesem Fall an meiner Stelle tun?“

Die Kommandantin blickte fragend auf den Bildschirm, als sie dort erkannte, wie sich das ernste Gesicht des jungen Mannes aufhellte. „Wenn Sie wirklich die VESTERGAARD kommandieren, dann sollte sich mein bester Freund, Hauptmann Kimi Korkonnen, auf ihrem Schiff befinden, Major. Er wird Ihnen meine Identität bestätigen können. Wir kennen uns nämlich seit unserer Kindheit.“

Die Kommandantin der VESTERGAARD fragte sich, ob das ein Trick sein konnte, während sie antwortete: „Stoppen Sie Ihre Fahrt und warten Sie, bis ich wieder Kontakt aufnehme. Sollten Sie der Anweisung nicht folgen, so lasse ich die Fregatte vernichten. Und versuchen Sie nicht Schilde oder Waffen zu aktivieren.“

Der dunkelblonde Mann auf dem Bildschirm nickte und bat dabei drängend: „Bitte beeilen Sie sich Major. Ich habe an Bord eine Schwerverletzte, die dringend ein Ärzteteam benötigt um zu überleben. Corvin, Ende.“

Major Ayasha Saif ad-Dīn ließ die Verbindung unterbrechen. Drängend wies sie den Feldwebel, der momentan für die Kommunikation zuständig war: „Rufen Sie Hauptmann Korkonnen umgehend hierher.“

Von der Ortung kam die Meldung: „Fregatte hat ihre Fahrt aufgehoben und treibt relativ fahrtlos im Raum. Dual-Schilde und Waffen sind inaktiv.“

Die Kommandantin nahm die Meldung wortlos zur Kenntnis.

Als Kimi Korkonnen, keine drei Minuten später, das Kommandozentrum des Leichten Kreuzers betrat, schritt Major Saif ad-Dīn ihm entgegen und unterrichtete ihn von dem, was sich ereignet hatte. Beim freudigen Aufleuchten im Gesicht des Finnen mahnte sie: „Möglicherweise hat man Ihren Freund verhört und einen Doppelgänger geschickt, Hauptmann. Finden Sie heraus, ob das wirklich Ihr Freund ist.“

Korkonnen wurde um eine Spur ernster. „Natürlich, Major.“

Die Kommandantin ließ eine Verbindung zur WIRBELWIND herstellen und erneut zeichnete sich dort das Abbild des dunkelblonden jungen Majors ab. Er schien bereits ungeduldig auf die Kontaktaufnahme gewartet zu haben. Prüfend beobachtete sie die Reaktion des Mannes, auf dem Bildschirm, als Kimi Korkonnen an ihre Seite trat.“

Echte Freude zeichnete sich auf Dean Corvins Gesicht ab, als er Korkonnen erkannte, zumindest war sich Ayasha Saif ad-Dīn da ziemlich sicher. Ihr Blick schweifte zu Korkonnen, dessen Miene sich in ähnlicher Art und Weise verwandelte.

„He, Alter, was machst du an Bord einer Fregatte der Konföderation Deneb? Konntest du im Sol-System in Erfahrung bringen, wie es meinem Bruder geht?“

Ayasha Saif ad-Dīn sah, wie der Dunkelblonde auf dem Bildschirm entsagungsvoll den Kopf schüttelte.

„Ein toller Test ob ich es bin. Aber du kannst nicht wissen, ob ich bei einem eventuellen Verhör durch die Konföderation vielleicht ausgeplaudert haben könnte, dass du nur eine Schwester, namens Famke, hast. Aber was die bestimmt nicht gefragt hätten und unmöglich wissen könnten ist das, was ich dir auf der KIROV prophezeite, falls du mich noch einmal Alter nennst. Ich sagte, dass ich dann für gar nichts mehr garantieren könnte.“

Ein breites Grinsen zeichnete sich auf Korkonnens Gesicht ab, als seine Vorgesetzte ihn fragend musterte. „Letzteres kann wirklich niemand wissen, außer mir und Dean. Wir waren allein im Cockpit des abgeschossenen Frachters, und danach hätte ihn sicherlich auch kein Mensch gefragt, beim konföderierten Militär.“

Die Kommandantin der VESTERGAARD nickte und sah auf den Bildschirm. „Also schön, Major Corvin. Sie sagten, sie benötigen ein Ärzte-Team?“

Der Dunkelblonde bestätigte: „Ja, und jede Minute zählt, Major. Bitte gehen Sie längsseits, ich öffne die vordere Steuerbord-Schleuse für ihr Team. Wenn ich Sie um noch etwas bitten darf, Major: Ich bin etwas knapp an Leuten, die wirklich gut mit einem Raumschiff umgehen können. Ein Stellvertretender Leitender Ingenieur und vielleicht zwei bis drei Offiziere für die Zentrale der Fregatte wären hilfreich, bevor wir gemeinsam zum Wega-System aufbrechen.“

Ayasha Saif ad-Dīn bemerkte den schnellen Blick des Majors zu Korkonnen. „In Ordnung, Major Corvin. Ich überlasse Ihnen, für den Flug zur Wega meinen Ersten Offizier und drei weitere Offiziere, beziehungsweise Unteroffiziere. Öffnen Sie auch die vordere Backbord-Schleuse, ich schicke das Ärzte-Team voraus. Ayasha Saif ad-Dīn, Ende.“

Die Kommandantin sah mit angehobenen Augenbrauen zu Kimi Korkonnen. „Wen möchten Sie mitnehmen, Hauptmann?“

Das Strahlen auf dem Gesicht des Finnen sprach Bände, als er antwortete: „Leutnant Killkennen, Oberstabsfeldwebel Umberto Manetti und Leutnant Wolf. Alle drei haben momentan keinen Dienst.“

Die Kommandantin stimmte zu und der hochgewachsene Erste Offizier der VESTERGAARD meldete sich schnell ab. Ayasha Saif ad-Dīn ihrerseits gab die nötigen Anweisungen, um ein Ärzte-Team auf die WIRBELWIND zu entsenden.
 

* * *
 

Auf der NOVA SOLARIS steigerte sich die Anspannung. Irina Hayes, die unruhig im Sessel des Kommandanten hin und her rutschte, war klar, dass dies ein Wettlauf um Minuten werden würde. Ein Wettlauf, bei dem es keine Auszeichnung für den zweiten Platz gab. Zwar schützte die aktivierte Tarnung gegen eine optische Entdeckung, gegen eine Ortung, die zweifellos durch ein Kriegsschiff der Konföderation erfolgen würde, schützte sie nicht.

Alle zehn Minuten ließ sich Hayes von einem der Mitarbeiter des Chief Bericht erstatten, über den Fortgang der Reparaturen. Bis ihr der Techniker meldete: „Die Systeme des Kreuzers sind in drei Minuten wieder einsatzbereit.“

Dabei sah Hauptmann Irina Hayes auf die sich ständig aktualisierende Anzeige der Passiv-Ortungssysteme auf dem Hauptbildschirm. Die Feindfregatte würde in vier Minuten über Eris auftauchen. Das ließ kaum Spielraum.

Der momentanen Kommandantin wurde es unangenehm warm. In diesem Moment realisierte sie, welche Verantwortung auf Dean Corvins Schultern lastete, seit er das Kommando über die NOVA SOLARIS übertragen bekommen hatte, und sie bewunderte ihn ein wenig, weil ihm das bisher so gut wie nie anzumerken gewesen war. Die Frau nahm sich fest vor, ihn würdig zu vertreten.

Ihre Finger fest um die Lehnen des Sessels gekrallt, ließ Irina Hayes den Blick durch das Kommandozentrum des Leichten Kreuzers schweifen. Alle Anwesenden hatten bereits bei der Schlacht im Delta-Cephei-System ihre Feuertaufe bestanden. Sie alle hatten später ihre imperiale Staatsbürgerschaft aufgegeben und waren Dean Corvin und ihr gefolgt. In ein Abenteuer mit sehr ungewissem Ausgang.

Bei diesen Überlegungen erfüllte Stolz die Frau. Stolz auf diese Mannschaft. Ihr verkrampfter Griff lockerte sich langsam. Das Zittern ihrer Hände ließ nach. Obwohl sich der Feind ihnen mit jedem Herzschlag näherte. Eine Wandlung ging in diesen Momenten mit Irina Hayes vor sich. Sie selbst bemerkte dies kaum. Auch nicht, wie fest und ruhig ihre Stimme klang, als sie sagte: „Leutnant Newton, sobald der Chief die Systeme hochfährt heben Sie den Kreuzer ab. Maschinenkontrolle: Sie werden dann augenblicklich die Tarnung deaktivieren und die Dual-Schilde auf Leistung bringen. Taktik: Sie visieren das Feindschiff an und warten nicht auf besondere Befehle. Sobald die Fregatte sich in Feuerreichweite befindet handeln Sie und feuern mit Bordgeschützen und Torpedos.“

Die drei Angesprochenen bestätigten, wobei sie sich bezeichnende Blicke zuwarfen.

Jetzt nicht mehr so nervös, wie noch vor einigen Augenblicken, setzte sich Irina Hayes im Kommandanten-Sessel zurecht und beugte ihren Oberkörper leicht vor. Zwar schlug ihr Herz immer noch deutlich schneller als normal, doch auch das ließ langsam immer weiter nach und die fast unnatürliche Ruhe, die sie überkam, verwunderte sie selbst.

Nach einer weiteren Minute fragte Irina Hayes: „Ortung, wie lange noch?“

Stefanie Dornarran sah zu ihrer Vorgesetzten und erwiderte: „Noch eine Minute und siebenundvierzig Sekunden, Hauptmann.“

„Danke, Stabsfeldwebel“, gab Hayes knapp zurück. Dabei unterdrückte sie den Wunsch sich erneut im Maschinenraum nach den Fortschritten zu erkundigen. Das würde nicht das Geringste ändern, an dem was auf sie zu kam.

Fast schreckte Irina Hayes aus ihren Gedanken auf, als sie die vertraute Stimme von Fatul Mahmalad hörte. Überflüssig laut meldete der Chief: „Die Systeme des Kreuzers funktionieren wieder. Die System-Simulation besagt, dass wir es wagen können, Sir!“

„Danke, Chief!“, gab Irina Hayes zurück. Bereits im nächsten Moment ergingen ihre Befehle an die Zentrale-Besatzung.

Draußen, außerhalb des Leichten Kreuzers, erfolgte eine Verwandlung. Das bisher optisch fast perfekt getarnte Kriegsschiff wurde mit einem Mal gut sichtbar. Im nächsten Moment glühten die äquatorialen Emitter des Raumschiffstriebwerks und der Dual-Schilde in einem grell-gleißenden Weiß-Blau. In einer schwachen Schneewolke, beim Start von den eingesunkenen Landeschoren verursacht, hob der Leichte Kreuzer ab und strebte langsam seinem Element entgegen.

Beinahe erfreut lächelnd starrte Irina Hayes unverwandt auf den Hauptbildschirm und verfolgte die Annäherung an den Gegner, der immer noch unverändert seinen Kurs beibehielt. Dabei vermutete die Interims-Kommandantin der NOVA SOLARIS, dass man ihr Hiersein vielleicht schon bemerkt, aber noch nicht die richtigen Schlüsse gezogen hatte.

„Wir nehmen das Feindschiff frontal“, sagte Irina Hayes in Richtung des Piloten.

„Feindschiff ändert jetzt seinen Kurs!“, meldete Stefanie Dornarran. „Achtung: Wir unterschreiten jetzt die maximale Schussentfernung!“

Für einen kurzen Moment wurde Irina Hayes klar, dass sie sich bereits so weit von Eris entfernt hatten, dass sich die NOVA SOLARIS bereits im Erfassungsbereich der beiden polaren Ortungsstationen befinden musste. Die sicherlich weithin anzumessende Energieentfaltung des kommenden Gefechtes würde also keinerlei Unterschied mehr machen.

Wie Irina Hayes es angewiesen hatte eröffnete der Taktische Offizier umgehend das Feuer. Die grell-violetten Plasma-Impulse der Bordgeschütze, die von Jean-Claude Blanché auf maximale Impulsdauer eingerichtet worden waren, trafen das noch ungeschützte Kriegsschiff des Feindes, der die Gefahr zu spät folgerichtig eingestuft hatte. Zwei Torpedos trafen gleich darauf mittschiffs und die Fregatte der Konföderation Deneb brach in einer Energiekaskade auseinander. Mehrere Folgeexplosionen zerstörten dabei auch die größeren Wrack-Fragmente, so dass es kaum Aussicht gab, dass jemand diesen Angriff überlebt hatte.

Irina Hayes senkte kurz den Kopf, in Gedenken an die Opfer dort drüben, bevor sie nachdrücklich verlangte: „Volle Beschleunigung, Leutnant Newton. Navigation: Setzen Sie einen Fluchtkurs, der ein schnellstmögliches Eindringen in den Hyperraum zulässt. Wenn Sie dabei, nach Eindringen in den Hyperraum, auf Höhe der Oortschen-Wolke, die zu erwartenden Wirbel auswerten, so versuchen Sie, einen der schnelleren und größeren anzufliegen. Ich glaube nämlich nicht, dass der Feind uns einfach so ziehen lässt.“

„Bestätigt, Sir!“, warf Stefanie Dornarran sachlich ein. „Ich habe einen kleinen Kampfverband von sieben Kriegsschiffen in der Ortung der einen Abfangkurs einschlägt. Darunter auch zwei Schwere Kreuzer!“

„Richtig Spaß macht es erst, wenn es mindestens drei Schwere Kreuzer sind“, gab Irina Hayes trocken zurück.

Die Navigatorin grinste offen bei diesen Worten. Dabei wusste sie nicht, dass Dean Corvin, bei der Flucht aus dem Sol-System, vor vier Monaten, einen ähnlichen Spruch abgelassen hatte, als drei Schlachtkreuzer hinter dem Raumschiff her waren. Sie setzte zunächst einen Kurs, der sie nicht in Kontakt mit Asteroiden brachte, die vereinzelt einsam hier draußen um die ferne Sonne herum kreisten.

Als sich der Kreuzer weit genug von Eris entfernt hatte, gab Linaris Terrek ihrer Vorgesetzten Bescheid, doch sie verzögerte den Befehl in den Hyperraum einzudringen noch für einige Augenblicke. Beim Anflug war der Kreuzer stark in Mitleidenschaft gezogen worden und sie befürchtete Komplikationen bei einem erneuten Gewaltmanöver. Darum gab sie erst nach fast einer zusätzlichen Minute, die der Kreuzer im Normalraum beschleunigte, den Befehl die Überlicht-Aggregate zu aktivieren.

Ohne einen sichtbaren oder spürbaren Übergang drang der Leichte Kreuzer in den Hyperraum ein. Auf dem Bildschirm wechselte die sternengesprenkelte Schwärze des Weltalls mit dem beruhigenden Rot des Hyperraums. Doch überall vor dem Kreuzer zeichneten sich vor diesem Rot bereits orange und gelbe Schlieren ab; ein filigranes Netz, das dem Kreuzer möglicherweise gefährlich werden konnte. Grüne und blaue Bereiche waren auf diese Distanz noch nicht zu erkennen, doch das würde sich in etwa einer Viertelstunde signifikant ändern. Sie waren da, denn die Oortsche-Wolke besaß mehr als genug Materie um Vibrationen und Wirbel im Hyperraum zu generieren. Dazu Strömungen, wie bereits jetzt die gelben Bereiche verdeutlichten.

Bis auf Leutnant Curtis Newton, der sich bereits jetzt darauf zu freuen schien, seine Talente als Pilot ein weiteres Mal unter Beweis stellen zu können, machten die Anwesenden im Kommandozentrum des Kreuzers eine ernste Miene.

Irina Hayes, die Newtons Freude im Gesicht entdeckte, mahnte den Piloten: „Dieses unverschämte Grinsen erlaube ich Ihnen erst, wenn wir erfolgreich die Oortsche-Wolke durchflogen und den Feind endgültig hinter uns gelassen haben, Leutnant Newton.“

„Verstanden, Sir!“, gab der rothaarige Mann zurück, wobei das amüsierte Funkeln in seinen Augen seine Worte eindeutig Lügen strafte.

Irina Hayes, die auch das bemerkte ging nicht weiter darauf ein. Sie wusste, dass gute Piloten ein Völkchen für sich waren. Das beste Beispiel dafür war Dean Corvin, den sie inzwischen etwas hatte kennenlernen dürfen. Der Kommandant der NOVA SOLARIS verstand sich, so wie auch Curtis Newton, ausgezeichnet darauf, ein Raumschiff nicht nur anhand der einlaufenden Daten, sondern aus dem Gefühl heraus zu steuern. Sie hatte beide Männer verschiedentlich dabei beobachten können und festgestellt, dass sie dabei gleichermaßen zeitweise in einen fast tranceähnlichen Zustand verfielen.

In etwas mehr, als zehn Minuten, würde sich zeigen, was Newton wirklich konnte.
 

* * *
 

Auf der Krankenstation der WIRBELWIND kämpften die an Bord gekommenen Ärzte, unterstützt von den beiden Sanitätern der 501. Raumlande-Einheit, um das Leben von Hauptmann Diana Elodie Spencer.

Bereits nach den ersten Scanns ihrer Körperfunktionen wusste die Leitende Ärztin des Teams, dass Dean Corvin nicht übertrieben hatte, mit seiner Behauptung, es sei sehr ernst. Der Hitzestau im Oberkörper der schwer verletzten Frau hatte dazu geführt, dass die Durchblutung ihres Gehirns bereits auf ein gefährliches Minimum abgesunken war. Zudem war ein Teil des rechten Lungenflügels in Mitleidenschaft gezogen worden.

Trotz der modernen Einrichtung der Krankenstation blieb das Entfernen verbrannten Gewebes und das Ersetzen von zerstörten Blutbahnen und Nerven auch im 33. Jahrhundert ein höchst gefährlicher Eingriff, wenn er in dem Umfang stattfinden musste, wie bei dieser Verletzten. Sie lag auf dem Operationstisch und rang mit dem Tode.

Einer der Ärzte hatte Diana Spencer ein Gerät über Mund und Nase gelegt, dass sich nach seiner Aktivierung den Konturen ihres Gesichtes angepasst hatte. Gleichzeitig hatte das handliche Beatmungsgerät, nicht sichtbar für die Anwesenden, Form-Holo-Kanülen gebildet, die den leblos da liegenden Körper mit Sauerstoff und schmerzstillenden Mitteln versorgten. Das Gerät war so in der Lage für eine künstlich gesteuerte Beatmung zu sorgen. Diese Form-Holo-Technologie funktionierte ganz ähnlich jener, die im Bereich Information und Datenverarbeitung zum Einsatz kam und herkömmliche Tastaturen und Bildschirme weitgehend ersetzte.

Von all dem bekam Dean Corvin nichts mit, da er sich in diesem Moment im Kommandozentrum der Fregatte aufhielt. Ohne auf die Begleiter des Finnen zu achten hatte er ihn nach seiner Ankunft auf der WIRBELWIND herzlich umarmt, nachdem sich die Schleuse geschlossen hatte und der Druckausgleich erfolgt war.

Corvin hatte einen seiner eigenen Leute dazu abgestellt um den Stellvertretenden Leitenden Ingenieur der VESTERGAARD zum Haupt-Maschinenraum zu begleiten. Nachdem er seinen besten Freund begrüßt hatte, wandte er sich zu Renée Killkennen und Marius Wolf um sie an Bord willkommen zu heißen.

Renée Killkennen sah dabei aufmerksam von Dean Corvin zu Kimi Korkonnen und wieder zu dem Kanadier. Hinter ihrer Stirn arbeitete es dabei offensichtlich. Marius Wolf seinerseits ließ nicht erkennen, wie es in ihm aussah.

Noch während sie sich gemeinsam auf den Weg zum Kommandozentrum begaben erkundigte sich Kimi bei seinem Freund: „Was wurde eigentlich aus dem ursprünglichen Plan, mit der NOVA SOLARIS hier zu erscheinen? Wir haben außerdem nicht so schnell mit dir und deiner Truppe gerechnet.“

Ernst erwiderte Corvin den fragenden Blick des Freundes. „Die Konföderation Deneb hat sowohl die Störsender-Technik, als auch das Aggregat, um die Störsignale zu neutralisieren, bereits in alle ihre Kriegsschiffe eingebaut, die im Sol-System stationiert sind. Darum mussten wir nicht in die Luna-Werften eindringen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Flotten der Konföderation somit für einen Schlag gegen das Wega-System jetzt bestens vorbereitet sein dürfte. Ein Schlag gegen das zweitwichtigste System des ehemaligen Terranischen Imperiums ist damit in greifbare Nähe gerückt, nach meiner Ansicht.“

Corvin spürte die Blicke von drei Augenpaaren auf sich ruhen, als er das Wort Ehemalig aussprach. Er sah in die Runde und erklärte: „Das ist kein Defätismus. Ich spreche lediglich Fakten aus, denn de facto gibt es kein Terranisches Imperium, solange es keine offizielle Regierung gibt, deren Sitz, nach imperialem Gesetz, auf Terra liegen muss. Um den momentanen Status Quo wieder zu ändern sind wir alle hier.“

Im Lift, den die Gruppe benutzte um das Kommandodeck der Fregatte zu erreichen wechselte Renée Killkennen einige fragende Blicke mit Korkonnen und der Finne machte ein etwas ratloses Gesicht. Der Finne beschloss jedoch, seine Fragen an Dean zurückzustellen, bis sie auf dem Weg zum Wega-System aufgebrochen waren.

Die drei Angehörigen der Imperialen Flotte erwartete eine Überraschung, als sie die Zentrale der Fregatte betraten. Denn mir einer Frau, in der Uniform der Konföderation Deneb an den Kontrollen der Navigation hatten sie nicht gerechnet.

„Leutnant Léa Le Garrec hat uns auf dem Mars tatkräftig unterstützt und unsere Flucht vom Mars mitgemacht“, sagte Corvin zu seinen Begleitern. „Ich vertraue ihr.“

Dean Corvin hatte laut genug gesprochen, dass auch alle anderen in der Zentrale seine Worte hatten verstehen können. Er nickte der Frau an der Navigation kurz zu und sah auffordernd zu Kimi Korkonnen.

Der Finne wandte sich an seine Kameraden von der VESTERGAARD. „Leutnant Killkennen, Sie übernehmen die Steuerung der Fregatte. Leutnant Wolf, Sie übernehmen die Kommunikation.“

Damit sah Korkonnen seinen Freund an. „Mit deiner Erlaubnis.“

Dean erwiderte den Blick des Finnen. „Natürlich.“ Danach wandte sich der Kanadier an Harin Krezirin. „Sie behalten bis auf Weiteres das Kommando, Oberleutnant Krezirin.“

Corvin wartete die Bestätigung ab bevor er zu seinem besten Freund sagte: „Ich würde dich gerne für einen Augenblick unter vier Augen sprechen.“

Kimi Korkonnen nickte angedeutet. Gemeinsam mit Dean verließ er das Kommandozentrum und schritt mit ihm langsam den Gang hinunter. Er zögerte einen Augenblick, bevor er Dean auf das ansprach, weswegen ihn Renée Killkennen vorhin so fragend angesehen hatte: „Was ist mit dir, Dean? Du scheinst mir sehr verändert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Was ist denn passiert?“

„So Einiges“, erwiderte Dean vage, bevor er präzisierte: „Kim Tae Yeon ist passiert, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich habe sie wiedergesehen. Als Major des Militärischen Geheimdienstes der Konföderation Deneb. Das war offensichtlich der Preis, den sie für ihren Verrat am Imperium gefordert hat. Ich konnte sie zwischenzeitlich gefangennehmen und sie dazu zwingen, uns Zutritt zu dieser Fregatte zu verschaffen. Allerdings entkam sie später unserem Zugriff.“

Kimi Korkonnen, der die Wut in seinem Freund brodeln spürte, sah ihn forschend an. „Das ist nicht alles gewesen, also heraus damit.“

Corvin atmete tief durch,bevor er ausstieß: „Diese Verräter-Schlange hatte die Stirn anzudeuten, sie würde noch etwas für mich empfinden. Das mitzubekommen war für mich schlimmer, als alles, was sonst noch passierte.“

Kimi Korkonnen blieb stehen. „Was immer es auch war, Dean, es hat dich verändert. Du bist so ungewohnt ernst. So kenne ich dich nicht.“

Dean zögerte kurz, bevor er in knapper Form davon berichtete, was er auf Eris hatte tun müssen. Abschließend erklärte er dem Freund: „Es gab keine Alternative, denn wir hätten die Kommunikation nicht sabotieren können, ohne dass dabei Alarm ausgelöst worden wäre. Wir durften andererseits auch nicht zulassen, dass die Besatzung Alarm gibt, sobald sie aus der Schock-Starre erwacht, und hätten wir sie eingesperrt, so wären sie elendig verhungert und verdurstet. Darum musste ich so handeln, Kimi.“

Der Freund legte eine Hand auf die Schulter des Freundes. Dabei meinte er eindringlich: „Das ist die Schuld der Konföderation, Dean. Das Alles ist nur deren Schuld!“

Corvin schluckte trocken. „Danke, Kimi. Dasselbe habe ich mir auch bereits gesagt, doch es bleibt ein schwacher Trost.“

Der Kanadier sammelte sich und wechselte abrupt das Thema: „Hast du im Wega-System Miriam, Andrea und Jayden gesehen?“

Der Finne bestätigte und berichtete von seinem Treffen mit Andrea und Jayden. Danach erklärte er düster: „Das Treffen mit Miriam war dann weitaus weniger erfreulich. Etwas steht unüberbrückbar zwischen uns, Dean. Unsere Beziehung ist am Ende, und ich kann dir nicht einmal genau sagen wieso das so ist.“

„Tut mir leid, Kimi.“

Dean Corvin schritt gemeinsam mit dem Freund langsam wieder den Weg zurück den sie gekommen waren und berichtete: „Rian Onoro ist übrigens an Bord dieser Fregatte. Ich konnte auf dem Mars sie und einen weiteren Gefangenen befreien.“

Überrascht sah Kimi seinen Begleiter an. „Und das haust du mir einfach so trocken um die Ohren, Alter? Mensch, das ist doch toll!“

Etwas weniger ernst wirkend, als zuvor, gab Corvin zu. „Ja, das ist es. Dass wir sie vor vier Monaten zurücklassen mussten hatte mich bereits im Schlaf verfolgt. Ein ungeheurer Druck ist von mir abgefallen, seit ich sie in Sicherheit weiß. Kim hat ihr ziemlich zugesetzt, während der Gefangenschaft, und allein dafür hätte ich diese verdammte Verräterin am liebsten erschossen, Kimi.“

Impulsiv, wie sonst nie, legte Korkonnen seinen Arm um die Schulter des Freundes und drückte ihn kurz an sich. „Vergiss Kim. Gab es Verluste unter deinen Leuten?“

„Nein, aber die Kommandeurin der Raumlande-Soldaten hat es ernsthaft erwischt. Aber das hast du ja zum Teil bereits mitbekommen.“

Dean Corvin sah Kimi von der Seite an. „Ich möchte dich bitten vorübergehend das Kommando über die Fregatte zu übernehmen. Ich würde gerne die Krankenstation aufsuchen und mich persönlich davon überzeugen, wie es um Hauptmann Spencer steht.“

Sie erreichten wieder das Schott zu Zentrale und Kimi erwiderte verständnisvoll: „Kein Problem, ich werde dich würdig vertreten.“

„Wehe wenn nicht“, drohte Corvin scherzhaft. Er drückte kurz den Oberarm des Freundes und machte sich dann eilig auf den Weg zur Krankenstation.

Als Dean Corvin wenig später die Krankenstation betrat fiel keinem der Anwesenden auf, dass er da war. Der Major hielt sich seinerseits dezent im Hintergrund und beobachtete, durch eine Trennscheibe, was im Operationsraum passierte.

Als nach einigen Minuten spürbar Hektik um den Operationstisch herum ausbrach, war Dean Corvin, als würde eine eisige Hand nach seinem Herzen greifen. Er fuhr sich mit beiden Händen durch das kurze Haar, legte schließlich seine Arme auf den Rücken und umklammerte mit seiner Rechten das linke Handgelenk, bis es zu schmerzen begann.

Nach einigen bangen Minuten beruhigten sich die Mediziner und Corvin befürchtete bereits das Schlimmste. Doch dann drehte sich einer der Ärzte zufällig in seine Richtung, bemerkte sein Hiersein und hob seinen Daumen.

Diese einfache Geste ließ Corvin erleichtert ausatmen. Er aktivierte die Sprechanlage und erkundigte sich knapp: „Wie geht es ihr?“

Der Mediziner, der den Daumen hochgehoben hatte erwiderte: „Wir haben die Patientin stabilisiert. Sie befindet sich außer Lebensgefahr und sie wird wieder ganz gesund werden, wenn wir sie innerhalb von zwei Tagen in ein Krankenhaus bringen können. Das sollte bei der relativ geringen Entfernung zum Wega-System kein Problem sein.“

Dean Corvin lächelte den Arzt erleichtert durch die Scheibe an. „Ich danke Ihnen und dem gesamten Team.“

Der Kanadier unterbrach die Verbindung und unterdrückte dabei das unbändige Verlangen mit den Fingern zu schnippen. So etwas machte sich für einen Offizier, der einen Leichten Kreuzer kommandierte, nach seiner Meinung, nicht gut. Aufatmend lenkte er seine Schritte zur Zentrale der Fregatte. Es wurde Zeit wieder das Kommando zu übernehmen.
 

* * *
 

„Die Maximalgeschwindigkeit der NOVA SOLARIS sinkt unter vier Lichtjahren pro Stunde ab!“, meldete Curtis Newton, ohne von seinen Kontrollen aufzusehen. „Eine der gegenläufigen Hyperraum-Strömungen hat uns erfasst und verlangsamt uns. Der aktuelle Zustand wird noch für zwei Minuten anhalten. Danach werden wir eine Strömung nutzen können, die uns aus dem Sol-System heraus beschleunigen wird. Das Problem wird der Wechsel zwischen den Strömungen und die Scherkräfte zwischen ihnen sein.“

Von der Ortung ließ sich gleich darauf Stefanie Dornarran vernehmen: „Bis dahin wird der feindliche Verband, der uns folgt, gerade eben auf Kernschussweite heran sein.“

Irina Hayes dankte und grübelte darüber nach, was sie tun konnten. Sie selbst konnten aus den hinteren Torpedorohren erst dann mit Aussicht auf Erfolg feuern, wenn auch der Feind ebenfalls heran war. Dieser Feind war eindeutig in der Überzahl. Außerdem hegte Irina Hayes den Verdacht, dass die Konföderation Deneb diese Kriegsschiffe bereits mit dem neuen Störsystem nachgerüstet haben könnte. Doch dann kam ihr eine Idee, und sie wandte sich an den Jean-Claude Blanché, den Mann an der Taktischen Konsole.

„Hauptfeldwebel Blanché, soweit mir bekannt ist funktionieren die Annäherungs-Zünder unserer Torpedos auch dann, wenn die Suchköpfe inaktiv sind. Könnten wir die Torpedos also auch als Mienen verwenden?“

Der Mann an der Taktik machte ein erstauntes Gesicht. „Das habe ich noch nie versucht, Sir, doch grundsätzlich sollte es gehen.“

„Dann laden Sie die hinteren Torpedorohre mit deaktivierten Torpedo-Suchköpfen und deaktivieren Sie ebenfalls die Antriebe der Torpedos. Sie sollen nicht auf den Gegner, gut zu orten, zufliegen, sondern sie sollen treiben ohne dabei Energie abzugeben. Nachdem Sie die Torpedos, auf meinen Befehl hin, ausgestoßen haben, setzen Sie selbsttätig weitere Torpedos, auf dieselbe Weise, aus, bis auf Widerruf.“

Blanché bestätigte und führte die Anweisung seiner Vorgesetzten umgehend aus. Als die ersten Torpedos geladen waren gab er bekannt: „Hintere Torpedorohre bereit, Sir.“

„Danke, Hauptfeldwebel. Ortung, laufend den Abstand des Feindverbandes melden.“

Stefanie Dornarran bestätigte und Irina Hayes fragte bei Curtis Newton nach: „Wie lange noch, bis wir die gegenläufige Strömung erreichen?“

„Exakt neunundzwanzig Sekunden, Hauptmann“, erwiderte Newton.

„Zählen Sie die letzten fünf Sekunden laut herunter“, wies ihn Irina Hayes an und wartete. Die Sekunden verstrichen quälend langsam.

Noch bevor Curtis Newton begann, meldete Blanché: „Feind in zehn Sekunden in Schussweite, Sir.“

Irina Hayes legte ihre Hände flach auf die Lehnen des Kommando-Sessels. „Ausstoß der Torpedos, Hauptfeldwebel Blanché.“

Der Angesprochene handelte umgehend. Aus den hinteren Torpedorohren des Leichten Kreuzers wurden die ersten Torpedos heraus katapultiert. Doch sie zündeten nicht ihren Antrieb sondern trieben mit der Hyperraum-Strömung auf den Feindverband zu. Weitere Torpedos folgten in dichten Abständen, wobei die neue energetische Geschoss-Zuführung dreimal schneller arbeitete, als die bisherigen mechanischen Ausführungen, an Bord anderer Kriegsschiffe. Dies war, neben der Tarnkapazität, eine der bedeutendsten Neuerungen an Bord dieses neuen Kreuzers-Typs.

Auf den Kriegsschiffen des Feindverbandes wurde die Gefahr zu spät erkannt. Gewaltige Explosionen leuchteten hinter der NOVA SOLARIS im Hyperraum auf.

Die Offiziere und Unteroffiziere im Kommandozentrum des Leichten Kreuzers sahen fasziniert auf dem Hauptbildschirm dieser schaurig-schönen Erscheinung zu. Noch niemand an Bord hatte ein Gefecht im Hyperraum erlebt. So etwas als Simulation zu erleben war ein Unterschied, wie die Anwesenden in der Zentrale nun erkennen mussten. Zu wissen, dass dies blutiger Ernst war und dort, wo es nun in kurzen Abständen aufleuchtete, Tote gab, ließ die meisten von ihnen erschaudern.

Curtis Newton begann ruhig mit seinem Countdown und Irina Hayes befahl im selben Moment, das Abfeuern der Torpedos einzustellen.

Gleich darauf meldete Newton: „Achtung ich versuche jetzt den Wechsel zwischen den Strömungen, Sir.“

Fast in demselben Moment begann der Leichte Kreuzer zu vibrieren; zuerst unmerklich, dann immer stärker werdend. Doch dann ließ dieser Effekt abrupt nach und so ruhig wie zuvor eilte die NOVA SOLARIS durch den Hyperraum. Die Farben Grün und Blau herrschten auf dem Bildschirm vor. Normalerweise bedeutete das nichts Gutes. Doch innerhalb einer Strömung konnte ein guter Pilot ein Raumschiff sicher an sein Ziel fliegen. Und Curtis Newton hatte bereits bewiesen, dass er ein guter Pilot war. Besonders aber in diesem Moment, denn nicht jeder Pilot hätte einen Übergang zwischen zwei gegenläufigen Hyperraum-Strömungen so elegant vollzogen.

Auf den Anzeigen der Navigation schnellte die Fahrtstufe nach oben und zeigte nun mehr an, als unter regulären Umständen im Hyperraum zu erreichen war.

Irina Hayes gab den Befehl den Haupt-Bildschirm auf Heckansicht umzuschalten und erneut mit der Taktik zu koppeln. Sie rechnete insgeheim damit, dass eines oder mehrere der verfolgenden Kriegsschiffe das Inferno, angerichtet durch ihre Torpedos, überstanden hatten. Doch die Ortung konnte kein verfolgendes Kriegsschiff ausmachen.

Stefanie Dornarran brachte es auf den Punkt, indem sie meldete: „Kein Verfolger feststellbar, Sir. Wir haben alle Feindschiffe erwischt, wie es scheint.“

Sich langsam im Sessel zurücklehnend, zwischen Erleichterung und Grauen gefangen, erwiderte Irina Hayes dunkel: „Ja, das haben wir wohl.“

Nach einigen Augenblicken gab sie Order: „Leutnant Newton, fliegen Sie mit Maximalgeschwindigkeit das Wega-System an.“

Dann schloss Irina Hayes für einen Moment ihre Augen und wünschte sich, Dean Corvin wäre anwesend. Dabei eilten Ihre Gedanken zu einer blonden Frau, die sich in dessen Begleitung befand und sie hoffte inständig, diese Frau gesund wiederzusehen.



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