Zum Inhalt der Seite

Blutorange

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Aufbruchsstimmung

Lauter Trubel schallte aus dem Gasthaus, Musik, Gegröle, ab und zu ein hohes Kreischen und das Scheppern von Geschirr. Sharon würdigte dem bunten Treiben im Vorbeigehen nur einen kurzen Blick. Sie war davon überzeugt, dass die Banditen dort gerade ein Saufgelage veranstalteten. Solange sie gut gelaunt und nicht zu betrunken waren, sollten sie kein Problem darstellen. Heikel wurde es, sobald die ersten Egomanen aufeinander prallten und die jungen Frauen ungehobelte Annäherungsversuche abwehrten.
 

Sharon kannte das Gasthaus sehr gut. Sie war keine begabte Köchin, war ohnehin viel zu faul sich selbst zu ernähren und genoß beim Essen gerne Gesellschaft. Deshalb verbrachte sie seit vielen Jahren ihre Abende stets dort. Es gab immer genug Alkohol und Sonderwünsche wurden gern erfüllt. Auch wenn es mal eben ein ganzes Spanferkel für eine einzige Person war.
 

Mit gezielten Schritten bog die junge Dame in eine Gasse und betrat die Schwelle zu ihrer kleinen Kammer. Viel benötigte sie zum Leben nicht. Sie verbrachte den ganzen Tag in der Bibliothek, nur zum Schlafen und um sich zu Waschen und frische Kleidung anzuziehen kam sie hierher. Solche Dinge sollte man in einer Bibliothek lieber unterlassen.

Eilig griff sie nach einem Beutel und stopfte ihn voll mit Abenteurerutensilien. Also, das nannte sie zumindest so. Eigentlich handelte es sich dabei nur um einen Satz Wäsche, ein Messer, etwas Brot und einer Wasserflasche.
 

Schwungvoll und zuversichtlich wandte Sharon sich der Tür zum Gehen zu und erschrak, als sie fast mit einer Gestalt zusammenstieß.
 

„Malcolm! Warum folgst du mir?“, stieß sie aus.
 

„Ich habe beschlossen, Sie zu begleiten, Miss!“, sagte Malcolm fest entschlossen.
 

„Bitte was? Äh, danke. Aber ich kann auf mich auch ganz gut alleine aufpassen.“
 

Malcolm runzelte die Stirn. „Das glaube ich Ihnen. Aber sind Sie nicht diese Woche schon wieder beim Umsortieren von der Leiter gefallen und wurden von einem ganzen Regal voller Bücher begraben?“
 

Sharon presste die Lippen zusammen. Das passierte ihr einfach zu häufig.

„Aber mir geht es gut. Inzwischen bin ich Profi darin, mich aus Bücherbergen zu befreien.“
 

„Und die ganzen Schnittwunden an Ihren Fingern…“
 

Es war ihr sehr bewusst, dass sie nicht die grazilste Person auf Erden war. Wer sonst außer ihr konnte schon nachvollziehen, wie häufig man sich den kleinen Zeh an einer Kante stoßen, über die eigenen Füße stolpern, beim Trinken den Mund verfehlen oder sich beim Blättern am Papier schneiden konnte. Ja, sie war ungeschickt. Aber das schränkte sie nicht in ihrem Leben ein.
 

„Wenn du unbedingt willst, dann komm halt mit“, gab sie sich schon sehr früh geschlagen. Diskutieren hatte keinen Zweck und Lust hatte sie darauf schon gar nicht. Außerdem wäre es vielleicht doch ganz unterhaltsam nicht die ganze Reise alleine verbringen zu müssen.
 

Mit einem lauten Krachen zog sie die Tür hinter sich zu. Erstaunt musste Sharon feststellen, dass Malcolm in der kurzen Zeit anscheinend sein ganzes Hab und Gut zusammengepackt haben musste. Hinter ihm parkte eine Schubkarre voller Kleidung, Decken Töpfen und Pfannen…
 

„Was ist das denn?“, fragte sie und konnte die Augen kaum von dem Anblick abwenden.
 

Malcolm beugte sich behutsam zu ihr und senkte seine Stimme. „Ich verstehe, wenn Sie fliehen wollen. Wenn die Banditen wirklich anfangen sollten, ernsthaft zu randalieren, möchte ich auch so weit weg sein, wie möglich.“
 

Es braucht einige Momente, bis Sharon die Informationen richtig verarbeitet hatte. Malcolm hatte nicht einfach zu viel gepackt - er wollte abhauen!

Irritiert schüttelte sie den Kopf.

„Dazu wird es nicht kommen, wenn Risto uns hilft.“
 

Malcolm lachte nervös. „Ach kommen Sie, das war doch nur eine Finte, oder? Eine Ausrede. Sie sagen, Sie gehen den großen, gefährlichen… m-m-menschenfressenden Mafiosi holen, aber suchen tatsächlich nur das Weite.“
 

„Malcolm. Ich meine das ernst. Ich werde ihn holen. Damit jeder in der Stadt nächsten Monat noch in seinem eigenen Haus leben kann.“
 

„Aber- … wie? Woher kennen Sie ihn? Ich meine- … Sie sehen mir nicht wie eine Gangsterbraut aus. Der vernascht Sie doch zum Frühstück.“
 

Oh, das hatte er bereits getan. Meistens aber eher nach dem Abendessen.

Erneut schüttelte Sharon den Kopf. Das war der Schundroman, der ihr da die Assoziation ins Gedächtnis trieb.
 

„Ach weißt du, eigentlich ist er gar nicht so übel. Man muss ihn nur ein bisschen kennenlernen.“

Ihr Lächeln war nahezu unschuldig. Als würde sie gerade nicht von einem riesigen, großbäuchigen, fiesfratzigen Mafiaboss reden.

Wahrscheinlich wussten die wenigsten, dass er gerne Katzen mochte.
 

Ihr frisch ernannter Begleiter starrte sie nur unglaubwürdig an. Selbst wenn sie die Wahrheit sagte, konnte sich Malcolm nicht ausmalen, wie es je dazu gekommen sein sollte, dass diese zarte, tollpatschige und durchaus liebenswürdige Bibliothekarin mit dem obergrößten Superschurken per Du war.
 

Er schluckte laut. „Wie… ist er denn so?“, fragte er zaghaft.
 

Sharon wog den Kopf. Sie konnte sein Antlitz ja auch nicht beschmutzen, indem sie einfach so aus dem Nähkästchen plauderte. Und selbst wenn er vor zehn Jahren mal rosa Staubwedel gehasst hatte, vielleicht hatte er inzwischen ja einen Sinneswandel. Immerhin veränderte sich jeder im Laufe der Zeit. Sharon war schließlich auch viel erwachsener geworden, das hatte sie sich mit ihren 31 Jahren hart erarbeitet. Außerdem war sie gar nicht mehr so naiv wie damals.
 

„Pass auf, ich erzähl dir unterwegs, wie wir uns kennengelernt haben. Schwing die Hufe, sonst sind wir zur Dämmerung nichtmal an der nächsten Flussbeuge.“
 

Malcolm schulterte Sack und Pack. Himmel, selbst wenn ihre Mission scheitern würde, diese Geschichte versprach spannend zu werden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück