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Die Geister von Torak

von

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ʡ Der Krieg nimmt nur und gibt nicht ʢ

ʡ Kaddour ʢ
 

Die Sonne ging hinter den dichten Bäumen von Torak unter. Die Monde Elfog, Radmar und Bato leuchteten hell am wolkenlosen Himmel. „Kaddour! Beeil dich! Die Sperrstunde beginnt gleich!“ Sam winkt zu mir herüber. Ich reiße mich vom Anblick des Himmels los und laufe zu dem Track herüber. Ich springe auf die Ladefläche, auf welchen Sam und noch ein paar andere Arbeiter bereits sitzen. Die Soldaten, die zu unserem Schutz abgestellt sind, geben das Zeichen für die Abfahrt. Unser Wagen setzt sich ruckelnd in Bewegung. Sam sieht mich an. „Machst du heute wieder die Nachtschicht in der Schmiede?“ „Mmh“, brumme ich. „Das ist aber langsam nicht mehr gesund.“ Was soll ich auch anderes machen? Ich habe keine Familie wie Sam, die zu Hause auf mich wartet. Nicht mehr und die Arbeit hält mich vom Nachdenken ab. Außerdem kann ich dann allein sein.

Ich sehe Sam in die Augen. Er ist immer noch nicht darüber hinweg. Dabei ist es jetzt schon zwei Jahre her. Da ist es wieder. Die Gedanken eines anderen. Ich sehe schnell wieder weg. Das ist der zweite Grund, warum ich lieber allein arbeite. Wenn ich jemanden in die Augen sehe, kann ich seine Gedanken in meinem Kopf hören. Bei Sam ist es besonders leicht, da wir uns seit Jahren kennen. Wir haben uns damals in einen diesem Arbeiter Dörfer kennen gelernt, dass unserem jetzigen gar nicht unähnlich ist. Allerdings sind sie eh immer gleich aufgebaut. Sam ist zehn Jahre älter als ich, aber als wir uns zum ersten Mal trafen, haben wir uns gleich sehr gut verstanden. Damals war ich aber keiner der Arbeiter wie er, sondern Soldat wie diese, die jetzt hinter unseren Track mit ihren Panzerwaagen hinterherfahren.

Den Rest des Weges verbringen wir schweigend. Ich lausche auf verdächtige Geräusche außerhalb des Wagens. Heute Morgen waren Schüsse und Explosionen aus nordöstlicher Richtung zu hören. Aber wie nah der Kampf wirklich war, konnte ich leider nicht bestimmen. Der Wind auf Torak trägt Geräusche anders als auf Taminga. Ich vermisse Taminga. Aber Heimaturlaub habe ich erst wieder in zwei Monaten. Dann kann ich sie besuchen gehen. Die Gräber meiner Familie. Auch wenn sie hier gestorben sind, werden die Toten, wenn möglich, immer noch nach Taminga gebracht und in einen der aktiven Vulkane geworfen. Dann bleibt nur noch ein Namensschild mit den Geburts- und Sterbedaten in einer der „schwarzen Säulen der Trauer“ und die schmerzende Erinnerung.

Der Wagen wird langsamer und die Durchsuchung der Wagen beginnt. Die Soldaten haben nichts anderes zu tun als zu überprüfen, ob die Anzahl der Arbeiter gleich ist und dass nichts Verdächtiges mitgenommen wird. Rein wie raus. Als wir die verschiedenen Sicherheitszonen überwunden haben, kommen wir in das eigentlich Dorf. Hier würde man fast denken, man sei auf Taminga, wenn nicht die große Mauer im Hintergrund aufragen würde. Die hiesigen Steine sind schwarz und rot angemalt, so dass es wirkt als wären die Häuser aus Vulkanstein gebaut. Ich spring von der Ladefläche herunter. Im Dorf selber ist man sicher. Zumindest relativ betrachtet. Deswegen hier auch Kinder leben. Dennoch sollte man niemals vergessen, dass Torak ein einziges Kriegsgebiet ist. Ich habe die Gefahr damals unterschätzt und jetzt sind meine beiden Kinder und meine Frau tot.

Ich gehe zu dem großen Haus in dem ich mein Quartier habe. Es ist eins der Häuser für die alleinstehenden Arbeiter. Aber nicht alle in diesem Haus haben keine Familie. Sie leben hier unten nur allein und ihre Kinder und oder Frauen auf unserem Heimatmond. Nur die Kinder, deren Eltern beide Arbeiter sind, leben hier. Allerding auch nur die Kleinen ganzjährig. Ab sechs herrscht Schulpflicht und da hier unten keine Schule existiert, müssen alle Kinder in ein Internat auf dem Heimatmond. Dara und Leo waren drei und eineinhalb. Wären sie so alt wie Sams Sohn gewesen, wären sie zu der Zeit in der Schule und nicht auf Torak gewesen. Sie hätten nicht sterben müssen. Auch Halia nicht. Wäre sie nur nicht eine Torak-Arbeiterin geworden. Aber als sie schwanger war, wollte sie in meiner Nähe sein und ich war zu dieser Zeit halt noch Soldat.

Aber sich jetzt noch Vorwürfe zu machen, brachte auch nichts. Schließlich hätte ich auch einen Job auf Taminga annehmen können und unsere Kinder dort großziehen können. Dann wären wenigsten sie noch am Leben. In meinem Zimmer angekommen wasche ich mich kurz und ziehe mir frische Kleidung an. Auf dem Nachttisch neben meinem Bett steht ein Familienbild aus glücklicheren Zeiten. Ich führe die Finger meiner linken Hand an meinen Mund und drücke sie dann sanft auf den Rahmen des Bildes, bevor ich zu der sogenannte „Suppenküche“ gehe. Dort essen alle Soldaten und alle Arbeiter, die keine eigne Küche besitzen. Die Köchin ist wirklich scharf. Ich sollte sie wirklich mal fragen, ob sie mit mir ausgeht. Einer der jüngeren unverheirateten Arbeiter saß mir direkt gegenüber und immer, wenn sich unsere Blicke kreuzten, konnte ich für einen kurzen Moment seine Gedanken hören. Ich ignorierte diese ungewollten Einblicke und versuche mich auf das eigentliche Gespräch meiner Nachbarn zu konzentrieren.

Junger familienloser Arbeiter. Diese Beschreibung könnte sich genauso gut auf mich beziehen. Nur fühle ich mich alt. Sam denkt immer, dass ich in den letzten zwei Jahren seelisch um 10 Jahre gealtert bin. Demnach wäre ich jetzt 33. Also genauso alt wie er. Aber an manchen Tagen fühle ich sogar noch älter. Älter als Sam mit seinen kindischen Anwandlungen. Nach dem Essen finde ich mich auf dem Dorfplatz ein, wo sich alle Arbeiter versammeln, die zu der Nachtschicht in der Schmiede eingetragen sind. Die Schiede ist genaugenommen eine Fabrik. Dort wird das geschürfte Metall gereinigt und in transportable Größe umgeschmolzen. Der Schmelzofen steht niemals still. Auch nachts nicht. Allerdings ist die einzige Aufgabe der Nachtschicht, dafür zu sorgen das der Ofen nicht ausgeht und die Maschinen zu warten. Es ist nicht so hektisch wie tagsüber. „Es wird wieder eine lange Nacht, nicht war Jungs?“ Die Soldaten die heute Wache schoben, sahen sehr jung aus.

Es waren auch zwei Frauen unter ihnen. Zufällig sah ich einer direkt in die Augen. Er hat einen Ehering. Schade, die Besten sind immer schon vergeben. Ich sehe beschämt weg. Ja, ich trage meinen Ehering noch, aber vergeben bin ich nicht mehr. Sam drängt mich schon seit einiger Zeit ihn abzulegen und mir eine neue Frau zu suchen. Dabei denkt er immer so was wie: Er ist noch jung. Er kann noch mal eine neue Familie gründen. Aber ich bin nicht bereit dazu und schon gar nicht hier auf Torak. Sollte ich mich wirklich irgendwann eine neue Frau suchen, dann eine, die auf Taminga arbeitet. Aber nicht heute und auch nicht morgen. Obwohl man das mit den morgen nicht überstrapazieren sollte. Es konnte sehr schnell kein morgen mehr geben. Das hat mir mein Leben auf die harte Tour gezeigt. Die Nacht in der Schmiede verlief ziemlich Ereignislos.

Doch kurz vor Sonnenaufgang, wurden mit einmal die Alarmglocken geschlagen. Es war das Signal für die Flieger. „Die Bato kommen! Sichert den Ofen!“, brülle ich und renne zu dem Kontrollraum um die Produktion ganz nach Vorschrift zu stoppen. Die verdammten Bato! Sie waren die besten Flieger aller Mondvölker. Sie konnten sogar die meisten Luftabwehrsysteme umgehen und so weiter in ein Feindliches Gebiet fliegen als jeder andere und diesen meist auch noch ohne große Verluste auf ihrer Seite verlassen. Allerdings gelang ihnen das meist nur mit den kleineren Fliegern und nicht mit den schweren Bombern. Ich hoffe das es auch jetzt so ist, denn die hiesigen Luftschutzkeller sind nicht für größere Bomben ausgelegt. So sind zumindest alle Arbeiter und vor allem alle Kinder in Sicherheit. Nachdem ich alle Maschinen gestoppt habe, begebe ich mich in den Bunker der Schmiede. Jetzt heißt es warten. Am liebsten wäre ich rausgerannt und hätte mitgekämpft, aber damit wäre auch keinem geholfen.

Es ist Selbstmord, ohne Schutzkleidung und Waffe hinauszugehen. Auch wenn die Taminga die Nahkampfspezialisten der Mondvölker sind, so können wir sehr wohl auch einen Fernkampf führen. Das heißt auch eine einzige gut abgefeuerte Kugel von uns kann doch einen von deren Fliegern herunterholen. Ich habe das in meiner Zeit als Soldat mehr als einmal geschafft. Obwohl ich zu geben muss, dass ich nie freiwillig gegen die Leumir einen Fernkampf bestreiten würde. Denn sie haben die besten Scharfschützen und ich bevorzuge doch den Nahkampf. Ich sehe in die Augen meiner Arbeitskollegen um die Stimmung im Bunker besser einschätzen zu können. Bitte Torak! Lass die Bato schnell vorüberziehen und nur wenige Opfer fordern!

Der Arbeiter vor mir ist der älteste hier. Er hält das Amulett vom Schutzpatron Torak fest umklammert. Seine eingeflochtenen tamingatypischen Haare sind mehr grau als schwarz, was ihm eine weise Aura verlieh. Vor allem da sich das grau sehr stark von der schwarzen Haut abhob. Wir Taminga haben alle diese Hautfarbe. Das ist der Grund, warum wir meist in der Nacht angreifen. Außerdem können wir so einen Nahkampf provozieren. In die Augen meines direkten Nachbarn kann ich nicht sehen, aber auch er scheint zu beten. Alle hier scheinen das zu tun. Also senke auch ich meinen Blick und bete zu Torak. Bitte! Mach das Sam und seine Familie in Sicherheit sind!

Die Stimmung im Bunker verändert sich, als es eine Erschütterung gibt und Staub von der Decke rieselt. Alle sehen erschrocken nach oben. Die Bomber sind da. Die braunen Augen meines Nachbarn sind vor Angst geweitet. Meine Familie ist da oben! Wir sind alle Soldaten gewesen, deswegen sollten wir keine Angst haben, aber ich denke gerade desswegen haben wir Angst. Wir wissen wie das ausgeht. Einer der Arbeiter fängt an, ein Lied zu singen. Dieses Lied handelt von einer fernen Zeit ohne Krieg als die Taminga friedlich lebten. Nach und nach stimmen alle mit ein. Wir versuchen unsere Angst weg zu singen. Als ob das funktionieren würde. Unsere Gedanken kreisen alle um Freunde und Familie, die jetzt in einem nicht so sicheren Bunker wie wir sitzen. Wenn wir eins aus den Jahren gelernt haben sollten: Der Krieg nimmt nur und gibt nicht.



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