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My bloody Soulmate

von

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Den ersten Schock der Woche hatte ich schon mal verarbeitet. Schneller, als man es sogar von mir erwartet hätte und ohne, dass ich dafür auf etwas beißen musste. Kira hatte mir versichert, dass sie schon länger über das Angebot von Sei nachgedacht hatte. Als ich sie fragte, was sie damit meinte, antwortete sie mir, dass er sie schon vor mehr als einer Woche gefragt hatte. Ihm war aufgefallen, dass einige mehr berüchtigte Vampire ein Auge auf sie geworfen hatten. So konnte auch Beliebtheit festgelegt werden, was? Aber anscheinend waren sie dazu in der Lage, am Geruch festzustellen, wie süß das Blut eines Menschen war. Es ekelte mich an und widersträubte mir, auch nur daran zu denken oder es mir bildlich vorzustellen, aber anscheinend hatte Kira eine sehr anziehende Blutgruppe für die meisten. Gut, dass das bei mir nicht der Fall war. Oder zumindest nicht so extrem wie bei meiner Freundin, sodass sogar ein Älterer einschreiten musste. Wir unterhielten uns an dem Tag noch eine ganze Weile und ich sammelte Inspiration für mein neues Werk. Ich fühlte, wie mir die Geschichte zu entgleiten begann, sie strickte sich selber und ich war kaum noch Meisterin der Geschehnisse. Ich ließ meiner Hand freien Lauf, als sie die Worte zu Papier brachte. Kira schaute immer mal auf das Blatt, wurde aber von Sei ermahnt, dass man einer Autorin nicht in die Karten gucken sollte. Ich lachte leise auf und bedankte mich bei dem Vampir für das Verständnis. Er hingegen zuckte nur grinsend mit den Schultern und lehnte sich nach hinten, stützte sich dabei mit den Händen ab, um nicht im Gras zu landen. Wir hatten uns auf die Wiese gesetzt, immerhin war es noch einer der wenigen wärmeren Tage. Bald würde der Herbst über uns herein brechen und dann würde auch der Winter nicht mehr lange auf sich warten, wobei ich diese Jahreszeiten dem Sommer allemal vorzog. In der Hitze konnte ich nicht nachdenken und wenn es kalt war, hatte ich mehr Inspiration. Lusia hatte einmal gescherzt, dass es an meiner kalten Ader lag. Ich hatte sie scherzend angefunkelt, bevor ich darüber lachte. Ich kannte meine Freundinnen, sie scherzten gerne übereinander, ohne sich gegenseitig anzuzicken. Klar, es gab auch hie und da mal Drama, nichts ging perfekt von Statten. Aber unsere Freundschaft hielt jetzt schon seit drei Jahren. Und das erste Mal seitdem wir uns kennen gelernt haben, hatte ich das Gefühl, dass sie mir entglitten. Ich hätte zwar die Chance, nach Hause zu gehen, aber ich hatte vergessen, meine Eltern zu benachrichtigen. Immerhin begegnete ich hier Problemen, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Und ja, ich meinte damit das L-Problem. Kira neckte mich schon darüber, wie oft ich mich über diesen Kerl aufregte. Wir hatten vor den Ferien tagtäglich miteinander zu tun gehabt, was dem verschuldet war, dass wir ja in eine Klasse gingen und sogar gelegentlich als Projektpartner eingeteilt wurden. Und dann war da noch die Sache mit der Dienerschaft. Zum Glück hatte er nicht mehr die Zeit, mich deswegen zu nerven und ich konnte mich etwas entspannen. Genervt schnaubte ich, schon wieder schwirrte er mir durch den Kopf. Nervensäge! Frustriert schloss ich den Block und legte ihn beiseite.

"Keine Ideen mehr?", fragte Kira und legte den Kopf schief.

"Blockade", meinte ich daraufhin nur und strich eine lose Strähne hinter meine Ohren. Im selben Atemzug nahm ich meine Brille ab und legte sie in ihr zugehöriges Etui. In den Ferien waren wir zwar nicht gezwungen, unsere Uniform zu tragen, eine Gelegenheit, die wir auch nutzten, aber meine angewohnte Frisur und meine Brille konnte ich trotzdem nicht ablegen. Die Kleinere hingegen sah jeden Tag anders aus. Mal hatte sie einen Zopf, an einem anderen Tag zwei, dann auch mal wieder geflochtene oder offene. Sie experimentierte mit ihren Haaren herum, während ich mich immer für ein und dieselbe Frisur entschied. An irgendeinem Morgen meinte sie mal, dass sie neidisch auf meine Haarlänge sei und ich doch so viel damit anstellen könne, ich nur die Chancen nicht nutzte. Ich hatte lediglich mit den Schultern gezuckt und sie wie gewohnt hochgesteckt, bevor ich in den Vorsaal trat, um mich damals für den Schultag fertig zu machen.

Inzwischen meckerte niemand mehr über meinen 'langweiligen Anblick', auch Neva nicht. Sie war die erste, die sich beschwert hatte, dass ich mich doch mal mehr um mich selber kümmern sollte. Vielleicht würde ich eines Tages auch darauf eingehen, aber das würde noch eine ganze Weile dauern.

"Wenn die Damen mich entschuldigen würden", meldete sich Sei zu Wort und erhob sich von der Stelle. Mit einer geschmeidigen Handbewegung richtete er sich seine Sachen und lächelte uns an.

"Ich muss noch mit Miss Legrand sprechen. Sie wird sich über ihre neue Schülerin sicher freuen" Bei diesen Worten blickte er zu Kira und zwinkerte ihr zu, seine violetten Augen glänzten bei der Geste unter seinen schwarzen Haaren hervor. Mir war aufgefallen, dass er während der Ferien einige rote Strähnen hinzugefügt haben musste. Ob er einfach nur cooler aussehen wollte? Was für ein amüsanter Versuch. Das 'Coole' war einfach nicht sein Image. Er war eher der elegante Gentleman, der einer Frau ohne nachzufragen helfen würde, wenn sie ein Problem hätte, welches sie nicht allein bewältigen könnte.

"Wir sehen uns", verabschiedete er sich nun und ließ Kira und mich allein auf der Wiese zurück. Einige andere Schüler passierten unseren Sitzplatz, aber wie erwartet interessierten sie sich nicht für uns und kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten.

"Kaum zu glauben, dass wir nur noch Fünf Tage haben", brach Kira die Stille und sah in den Himmel, wobei sie den Kopf in den Nacken legte. "Und in drei Tagen kommen die anderen zurück. Es ist schon eigenartig ohne sie, oder?"

Da konnte ich ihr nur zustimmen. Auch wenn ich es mir nicht gerne eingestand, aber ohne diese Vampire war es eindeutig zu still. Neva hielt uns mit ihrer verrückten Art einfach immer auf Trapp und sorgte dafür, dass kein Tag langweilig war. Yakeno ging zwar nicht in unsere Klasse, aber die Pausen, in denen er vorbei kam, um mit uns zu reden, waren lustig. Meistens zankte er sich mit seiner Schwester auf eine liebevolle Art und Weise. Zum einen musste ich darüber lachen, aber es stimmte mich auch etwas melancholisch. Nur versuchte ich, dieses Gefühl zu unterdrücken um die Laune der anderen nicht zu verderben. Ich war die ersten Wochen schon unangenehm genug gewesen.

Luc war der neueste Zugang zu unserer kleinen Gruppe, doch sagte er nicht viel. Er war schweigsamer als Kira und schüchterner als Sei. Irgendetwas an ihm war eigenartig, aber vermutlich lag es einfach nur daran, dass er im Gegensatz zu uns einfach riesig war und er sich dadurch eine extreme Unsicherheit angeeignet hatte. Manchmal fragte ich mich, was die Jahre noch alles für uns parat hielten. Wir hatten gerade mal ein Drittel von diesem Jahr abgeschlossen und mich ließ das Gefühl nicht los, dass es noch längst nicht alles war.
 

Gegen Nachmittag entschuldigte sich Kira von mir und ging zum Schulgebäude. Sie meinte, sie habe noch etwas im Sekretariat abzugeben, was sie vollkommen vergessen hatte. Vermutlich handelte es sich hierbei um diese Bluts-Maid Geschichte, denn mit dem Titel war eine Menge an Bürokratie verbunden. Was genau alles dahinter steckte, wollte ich nicht wissen. Was für mich gerade zählte war, dass ich momentan allein auf der Wiese saß und die anderen Schüler und Lehrer beobachtete. Allein saß ich gerade mal wenige Minuten da, bevor ich mich erheben wollte. Ein entrüstetes Stöhnen lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Unweit von mir hatte sich Caleb auf eine Bank gesetzt, die Arme über die Lehne ausgestreckt und den Kopf in den Nacken gelegt. Es wunderte mich kaum, wie seine Freizeitkleidung ausfiel – Ein T-Shirt mit einem recht weiten V-Ausschnitt und eine schlichte, dunkelblaue Jeans mit schwarzem Schnallengürtel. Um den Hals trug er eine Kette und um seine Handgelenke jeweils ein Armband. Alles in allem ... sah er ziemlich leblos aus, selbst für einen Vampir. Ich konnte zwar sehen, dass er atmete, aber er war eindeutig fix und fertig. Seine Eltern mussten ihn ordentlich striezen. Gut so, das konnte er gut gebrauchen.

"Mann eh", maulte er zu sich, richtete seine Sitzposition und fuhr sich genervt durch die Haare. Als er sich umsah, traf sein Blick auf meiner und verharrte eine Weile auf mir. Auch ich, ohne es zu wollen, konnte meine Augen nicht von ihm abwenden. Es war, als würde mich eine unsichtbare Macht an ihn heften und ich konnte nichts dagegen tun. Wir starrten uns eine Weile stillschweigend an, bis ich mich aus meiner Trance befreien konnte, indem ich den Kopf schüttelte. Was war das denn eben? Gehörte das zu seinen Fähigkeiten, wie es bei Yakeno das Sehen war. Dabei handelte es sich um eine Fähigkeit, im Wachen Zustand in eine Art Traumwelt einzutauchen. Er bekam alles um sich herum noch mit, konnte aber auf Visionen und Träume anderer zugreifen. Setzte er diese Fähigkeit kontrolliert neben einer schlafenden Person ein, so konnte er sogar deren Träume manipulieren. Vielleicht hatte Caleb die Fähigkeit, einen mit seinem Blick zu fesseln. Ich schüttelte mich, um dieses eklige Gefühl loszuwerden, dass mich schon seit Wochen verfolgte. Ich erhob mich von meinem Platz und nahm Block und Federmappe gleich mit. Mit einem Blick vergewisserte ich mich, auch ja nichts liegen gelassen zu haben, bevor ich mich auf den Weg zurück zu meinem Wohnblock machte.

"Amand", hielt mich der Vampir auf, als ich gerade an ihm vorbei gehen wollte, ohne ihn ein weiteres Mal anzublicken. Ich hatte die Wahl, einfach weiter zu gehen und ihn zu ignorieren oder mich auf das Gespräch einzulassen. Bei ersterem gab es dann auch zwei verschiedene Möglichkeiten: Entweder war er zu erschöpft und genervt, um mir zu folgen, oder er würde aufstehen und mich davon abhalten, zu gehen. Murrend blieb ich also stehen und wandte mich dem Kerl zu. Überrascht über diese Entscheidung hob er eine Braue, als er mich musterte.

"Du spurst ausnahmsweise. Brav" Dafür hätte ich ihm am liebsten eine geklatscht, aber ich stand zu weit weg und wollte diese Distanz zu ihm nicht verlieren. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken.

"Hör zu, das ist mein letztes ... Angebot. Werd' meine Bluts-Maid. Sonst hebe ich meinen Schutz auf" Schutz?

"Ich brauche deinen 'Schutz' nicht, was auch immer du dir darunter vorstellst. Vielen Dank", murrte ich ihn an. "Meine Antwort bleibt also dieselbe: Nein. Nur über meine Leiche"

Er seufzte und murmelte etwas zu sich selber, was ich nicht verstand. Mit einem 'Gut, komm aber nicht angekrochen, wenn dir jemand wehtut' ließ er mich dann gehen und jammerte weiter leise vor sich hin. Verwirrt sah ich ihn noch eine Weile an, setzte aber schließlich meinen Weg fort. Von was für einem Schutz hat er bitte gesprochen? Als ob ich die Hilfe von diesem Kerl brauche, um an dieser Schule zu überleben. Bislang genieße ich den Respekt von genügend Leuten, um meinen Abschluss erfolgreich einzusacken und zu gehen. Auch ohne jemals eine Bluts-Maid gewesen zu sein.

Nachdenklich betrat ich mein Zimmer. Noch war Kira nicht da, die Angelegenheit musste recht ernst gewesen sein. Ich legte meinen Schreibblock, aufgeschlagen auf der Seite des aktuellen Kapitels, auf den Tisch und startete meinen Laptop, um mein Konzept umzusetzen. Während ich schrieb, schaltete mein Bewusstsein fast vollkommen ab. Ich konzentrierte mich nur noch auf die Wörter vor mir, auf das Tippen meiner Finger und den klang meiner Tastatur. Alles andere interessierte mein Geist nicht mehr, die Tasten begannen, mit mir zu reden und erzählten die Geschichte nach, die ich mit ihrer Hilfe auf den Bildschirm brachte. Die erste Fassung schrieb ich immer in ein Textdokument, um alles auf Rechtschreibung und Tippfehler zu prüfen, bevor ich es online stellte. Als ich eine gute Hälfte des Kapitels fertig hatte – so weit gingen meine Notizen – speicherte ich das Dokument ab und streckte mich ausgiebig. Weiter hatte ich noch nicht gedacht. Mein Minimum an 4000 Wörtern hatte ich noch nicht ganz erreicht und ich hatte auch noch nicht das Gefühl, das Kapitel auch nur im Geringsten beendet zu haben. Etwas Entscheidendes fehlte. Ein Handlungsstrang, der das Ganze noch interessanter machte. Meine Protagonistin besorgte sich momentan einige Informationen über ansässige Vampire, die für Unruhe sorgten. Als Jägerin verdiente sie ihr Geld mit Kopfgeldjagden, für welche sie speziell angeheuert wurde. Ich wollte in diesem Kapitel es etwas ruhiger angehen und sie nicht wieder einen der Blutsauger erledigen lassen. Im Internet suchte ich nach Inspiration. Während ich die Seiten durchforstete, bemerkte ich ein neues Update von Yakenos Geschichte. Deren Namen auszusprechen wollte ich gar nicht versuchen, es war irgendetwas Griechisches und stand für 'morbider Traum'. Ich las die Vorschau des Kapitels. Zum einen hatte der Junge einen echt interessanten Schreibstil, zum anderen hatte er aber auch die Kunst gemeistert, einen mit einfachen Worten und Beschreibungen anzuekeln. Mit seinen Geschichten wollte er nichts ausschmücken, sondern die kalte Wahrheit der Welt darstellen, wie er sie durch seine Augen sah. Und es konnte einem Angst einjagen.

Nach einigen Stunden hörte ich, wie hinter mir die Tür aufgeschoben wurde. Ich drehte mich um und entdeckte eine über beide Ohren strahlende Kira.

"Na, dein Treffen mit den Sekretären muss ja richtig gut ausgegangen sein", bemerkte ich und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.

"So ziemlich", gab Kira zurück und setzte sich auf ihr Bett. "Sogar Miss Legrand war anwesend. Sie hat mich persönlich in ihrem Kurs willkommen geheißen. Sie ist eine echt fantastische Frau!" Das war mir auch nicht entgangen. Die Dame mit Hand zu Barock und Romantik, wie man ihrer Kleidung entnehmen konnte, vereinte Fröhlichkeit und Eleganz in einer Person. Obwohl sie manchmal aufgeregt wie ein Kind war, hatte sie es dennoch geschafft, sich den Respekt der Schülerschaft zu verdienen. Viele schauten zu ihr auf, wie ich mitbekommen habe war sie ein Vorbild für einige Schülerinnen, sogar mehr als die Direktorin. Apropos, den beiden Direktoren lief man so gut wie gar nicht über den Weg. Ich wusste, dass sich ihr Büro über dem Sekretariat befand, aber man sah nie, wie sie es betraten oder verließen. Manchmal ertappte ich mich, wie ich darüber nachdachte, ob es noch einen Geheimgang gab. Oder ob sich Vampire teleportieren können. Oder noch Klischeehafter: Ob sie sich tatsächlich in Fledermäuse verwandelten! Meisten vertrieb ich diese Gedanken mit einem Schmunzeln und wandte mich danach wieder der Realität zu. Sich bei einigen anderen vorzustellen, wie sie sich in Fledermäuse verwandelten, war nur allzu komisch.

"Wusstest du, dass Sei gar nicht geplant hatte, bei dieser Herren-Diener-Sache mitzumachen? Es war so süß! Miss Legrand neckte ihn richtig deswegen. Du hättest dabei sein müssen, das hätte dir gefallen"

"Das glaub ich dir nur allzu gern." Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie Sei neben der schmalen Dame stand und peinlich berührt seinen Nacken rieb. Eine seiner Angewohnheiten, wie mir aufgefallen war. Kira kicherte leise in ihre Hand, während sie über die Ereignisse nachdachte.

"Ich habe nur ein wenig Angst, sobald er das erste Mal Blut braucht. Ich weiß nicht, ob es weh tun wird" Das klang ja fast, als würde sie über ihre Jungfräulichkeit und nicht über das Trinken von Blut reden. Ich unterließ es, sie darauf hinzuweisen und gab ihr einen tatsächlich gutgemeinten Ratschlag: "Frag doch die älteren Schüler. Viele von ihnen haben es doch schon durchgemacht und können dir sicher mehr erzählen"

"Stimmt", sagte sie und nickte mir zu. "Danke. Ich hätte nicht gedacht, dass du mir dabei so hilfst"

Ja, von mir würde man eher das Gegenteil erwarten. Ich war nach der Versammlung auch drauf und dran, dieses System in die Hölle zu verfluchen und mich darüber auszulassen.

"Ich kann dir schlecht verbieten, diese Entscheidung zu treffen. Und das mindeste, was ich tun kann, ist, dir ein paar Sorgen abzunehmen. Und ich glaube kaum, dass wenn es weh tun würde, viele Diener und Maids bei den Vampiren bleiben würden, selbst nach ihrer Schulzeit" Die Brünette verstand und nickte mir zu. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich dermaßen mit diesem Thema befassen würde. Nun fand ich mich aber in der Situation wieder, dass Kira meine Hilfe benötigen könnte. Und, dass es vermutlich nicht bei Caleb bleiben würde, der mich nach meinem Blut fragen würde. Ah ja ... die Sache mit dem Schutz. Vor was? Und warum? Der Kerl machte überhaupt keinen Sinn. Manchmal fragte ich mich, ob er sich selber reden hörte. Ob er überhaupt nachdachte, bevor die Worte seinen Mund verließen. Ach, ich sollte mir nicht immer so viele Gedanken darüber machen.
 

Am nächsten Tag war ich diejenige, die ziemlich lange schlief. Kira war schon längst weg und ich entschied mich dazu, meinen Tag schlicht zu verbringen: Ich schnappte mir zunächst meine Schwimmsachen und ging ein wenig schwimmen, bevor ich mich weiter an meine Geschichte setzte. In der Halle traf ich auf bekannte und weniger bekannte Gesichter. Eine kleine Gruppe an Mädchen vergiftete mich regelrecht mit ihren Blicken. Tja, wenn Blicke töten könnten, hätte ich wohl ins Gras gebissen. Zunächst entschied ich mich dazu, die drei zu ignorieren und meine Runden zu drehen. Als jedoch eine von ihnen zu mir rüber kam – und mit ihr auch der Rest des kleinen Grüppchens – blieb mir kaum etwas anderes übrig, als mich ihnen zuzuwenden.

"Wynne Luria Amand", sprach mich die Orangehaarige an. Mit ihren grünen Augen und Sommersprossen sah sie weniger angsteinflößend aus, als man es von der Anführerin einer kleinen Mädchengruppe erwarten würde. Mit verschränkten Armen stand sie vor mir und starrte mich an.

"Du bist also die Bitch, die Caleb als Bluts-Maid will. Ich kann kaum glauben, dass du tatsächlich so eingebildet bist, dass du es ablehnst" So ganz war ich mir nicht sicher, ob mir meine Ohren einen Streich spielten oder ob dieses Weib mich gerade tatsächlich beleidigt hatte. Genervt hob ich eine Braue und wartete auf den Rest der Ansprache.

"Dir ist klar, was einige von uns dafür geben würden, um mit dir zu tauschen?"

"Oh, ich wette, ihr würdet euer letztes Unterhöschen dafür verticken. Zu dumm", entgegnete ich ihr trocken und unbeeindruckt. Sie hingegen schnalzte mit der Zunge, während ihre Freundinnen mich warnten, darauf zu achten, was ich sagte.

"Du hast kein bisschen Würde in dir, Amand. Wenn es so wäre, hättest du nämlich anders entschieden. Den Kontakt mit einem Vampir wie von Caleb's Abstammung zu pflegen ist eine Goldmiene", beteuerte sie mich und schüttelte mitleidig den Kopf.

"Ich glaube, du hast das Konzept von Würde nicht ganz verstanden. Im Gegensatz zu euch vertraue ich auf meine eigene Stärke, um es im Leben zu etwas zu bringen. Ihr hingegen wollt euch darauf verlassen, dass ihr einem Vampir die Füße genug küsst, damit er oder sie euch weiter bringt. Tja, während ich mit erhobenem Haupt durchs Leben schreite, verbringt ihr die Zeit auf euren Knien. Und vermutlich liebkosen eure Lippen dann noch ganz andere Dinge, so verzweifelt wie ihr seid" Den eintretenden stechenden Schmerz von der folgenden Ohrfeige sah ich als Triumph. Die Orangehaarige war vor Wut rot angelaufen und ihre Hand zitterte, so sehr verkrampfte sie sich. Ich hingegen lächelte sie nur an, hielt mir nicht einmal die schmerzende Stelle. Ein Punkt für Wynne, Null für Miss Schlampe. Als eindeutiger Sieger dieser kleinen Auseinandersetzung schnappte ich mir meine Sachen und kehrte in die Umkleideräume zurück, um mich wieder umzuziehen.

Als ich die Schwimmhalle verließ, war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich täuschte oder meine Brille angelaufen war. Man konnte die Hand vor lauter Nebel kaum sehen, geschwiege denn dass man den Weg finden würde, wenn man sich hier nicht bereits auskannte. Ich fand auch nur mit gut Glück zurück, da ich mir grob gemerkt hatte, wo ich entlang musste. Meine Sachen gab ich im Vorbeigehen bei der Wäscherei ab und kehrte dann in mein Zimmer zurück. Noch war Kira nicht wieder da und ich vermutete, dass sie ihre Zeit mit Sei verbrachte. Vielleicht fragte sie ihn sogar über dieses 'erste Mal' aus. Ich musste lachen, als ich mir sein knallrotes Gesicht vorstellte. Er würde das ganze sicherlich falsch verstehen.

Mit etwas Schwung warf ich meine Tasche aufs Bett und setzte mich an den Schreibtisch. Bevor ich dazu kam, meinen Laptop anzuschalten, entdeckte ich einen kleinen Zettel neben dem Gerät.

Die Dienerschaft ist nicht das, was sie vorgibt, zu sein. Triff uns um 22 Uhr am Eingangstor. Wir kennen das Geheimnis.

So verlockend wie es auch klang, das roch doch geradezu nach einer Falle. Ich war mir nicht ganz sicher, wie dieser Zettel in unser Zimmer und noch dazu auf meinen Schreibtisch gelangt war, aber ich vermutete, dass jemand Kira damit beauftragt hatte. Sei vielleicht? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Wenn es etwas gäbe, das er wüsste, hätte er uns es schon längst erzählt. Die Dienerschaftssache war ja schon längst kein Geheimnis mehr im ersten Jahrgang.

Ich legte den Zettel weg und versuchte, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen. Jedoch ein kleiner, irrationaler und naiver Teil meines Gehirns wollte wissen, was dieses Geheimnis war. Und aus irgendeinem Grund gewann dieser Teil die Oberhand. Ich schaute auf die Uhr. 17 Uhr. Noch hatte ich Zeit. Bis dahin war der Gedanke vielleicht auch wieder verflogen.

Ich irrte mich gewaltig. Je näher die Zeit kam, zu welcher ich mich am Eingangstor befinden sollte, so stärker wurde auch der Drang, dorthin zu gehen. Schlussendlich merkte ich nur noch, wie ich meine Jacke schnappte und mich auf den Weg machte. Die Sonne war längst am Horizont verschwunden und je näher ich dem Tor kam, desto lauter schrie eine Stimme in meinem Hinterkopf Falle. Doch ich konnte nichts dagegen tun. Ich weiß nicht, was mich da trieb, aber ich spürte, dass ich keine Macht darüber hatte.

Am Tor angekommen erwartete mich bereits jemand. Aus den Schatten kam mir die Gestalt entgegen und kaum fiel das Mondlicht auf ihn, erkannte ich ihn an seiner Engstirnigkeit.

"Louis, Caleb's Schoßhündchen", stellte ich fest. Genannter Vampir knirschte mit einem Grinsen die Zähne, als wöllte er jegliches Kommentar unterdrücken. Er öffnete das Tor und deutete mit einer Handbewegung, dass ich nach draußen gehen sollte. Was bildete er sich ein? Niemals würde ich um diese Uhrzeit das Gelände verlassen! So dachte ich zumindest, bis sich meine Beine wie von selbst bewegten.

Kurze Zeit später befanden wir uns auf dem Wanderpfad. In der Ferne erkannte ich das Flackern eines Lichtes, vermutlich das eines Lagerfeuers. Diesem kamen wir jedoch auch nach einer langen Weile nicht näher und ich merkte, wie dieser Vampir mich immer weiter vom eigentlichen Wanderweg abdrängte. So abgelegen musste man das auch nicht besprechen, hörte ich die naive Stimme in meinem Kopf sagen. Ich murrte verzweifelt, denn der rationale Teil meines Gehirns wusste genau, dass etwas nicht stimmte. Diese Annahme wurde nur bestätigt, als mir Louis mit einem mal an die Kehle ging und mich mit Leichtigkeit würgte.

"Du bist genauso ein Dorn wie dein missratener Bruder", zischte er mich an und drückte fester zu. Ich versuchte, mich zu wehren, krallte mich in seine Haut, bis er davon zu bluten begann. "Wir hätten dich schneller loswerden sollen. Beinahe wärst du uns entglitten. Gut nur, dass du deinen Dickschädel hast, du dumme Pute" Ich hätte nicht gedacht, dass ein Schüler der Insignia-Akademie mit dermaßen viel Hass einem anderen entgegnen konnte. Mit jedem Schritt, den er auf mich zu tat, trat ich zurück. Ich dachte eigentlich, dass ich irgendwann einen Baum treffen würde. Oder dass mir vorher die Luft ausging. Aber dieser Typ mochte es, mich leiden zu sehen. Es gefiel ihm, wie ich versuchte, gegen ihn anzukämpfen und um mein Leben bangte. Meine Atemzüge wurden immer kürzer, doch bevor er mir auch das letzte bisschen aus der Luftröhre quetschte, stolperte ich über einen Stumpf und fiel mitsamt Vampir um. Um sich nicht zu verletzen, löste er seinen Griff um mich und ich konnte tief einatmen, kurz bevor ich mir meinen Kopf an etwas anderem Aufschlug.

"Fuck", hörte ich ihn gedämpft murmeln, gefolgt von anderen Worten, welche in der aufkommenden Schwärze verschwanden. Mein Kopf tat weh. Das war alles, was ich spürte, bevor ich die Augen komplett schloss.
 

Vor Schmerz stöhnend wachte ich auf. Die Sonne schien durch die Baumkronen auf den Waldboden. Ich zitterte und mir war unglaublich kalt. Ich brauchte mich nicht umzusehen um zu wissen, dass es an meinem Blutverlust lag. Angestrengt versuchte ich, mich an die Ereignisse des Vortages zu erinnern. Ich war schwimmen ... hatte .. eine Auseinandersetzung mit diesen Mädels. Hab an meiner Geschichte geschrieben ... und mich mit Louis getroffen. Louis. Mich an diesen Namen zu entsinnen half mir, mich an den Abend zu erinnern. Wut brodelte in mir auf. Mein Körper war noch längst nicht bereit, einfach so aufzugeben. Ich weiß nicht, wie viel Blut ich verloren hatte. Es musste einiges, aber nicht zu viel gewesen sein. Er hingegen war einfach abgehauen. Er wollte mich tot sehen. Aus irgendeinem mir unbekannten Grund, wollte dieser Vampir mich tot sehen. Das würde er noch bereuen. Nur gut, dass ich schon öfter in dem Wald war. Schwankend und schwach trat ich den Rückweg an, verfolgte dabei auch die Spuren, die der Vampir intelligenter Weise hinterlassen hatte. Ich spürte, wie ich noch immer Blut verlor. Es lief meinen Nacken herunter und verklebte meine Haare, welche sich inzwischen aus der gesteckten Frisur gelöst hatten. Immerhin bedeckten diese somit meine verdreckte Jacke.

Das Eingangstor stand unbewacht, ich wurde also noch nicht als 'vermisst' gemeldet. Während der letzten Ferientage sollte mich das nicht wundern, außerdem wurden wir auch nicht als 'hat das Gelände verlassen' verzeichnet. Schlauer Kerl, das musste ich ihm lassen. Er hatte jedoch nicht mit einem Dickschädel wie mir gerechnet. Denn obwohl ich merkte, dass ich gar nicht auf den Beinen sein sollte, lief ich weiter über den Campus.

In meinem Kopf hämmerte es, es waren unausstehliche Schmerzen. Aber ich hatte eine Rechnung zu begleichen und ich würde meinem Körper nicht eher erlauben, nachzugeben, bis ich es geschafft hatte. Wie gut nur, dass das Schoßhündchen wieder bei Caleb war. Den beiden begegnete ich auf dem Vorhof, wobei es mich nicht interessierte, was der Lecrune außerhalb seines Unterrichts mit seinen Eltern machte. Ich ging geradewegs auf sie zu, verlor dabei Louis nicht aus meinem Blick. Als die beiden mich entdeckten, weiteten sich ihre Augen. Ich musste wie eine wandelnde Leiche aussehen, so wie ich mich über den Schulhof schleppte. Mir war vorher schon aufgefallen, dass ich ein ziemlicher Blickfänger war, aber das brachte mich nicht von meinem Ziel ab.

"Looouis ...", säuselte ich wie eine Gestalt, die ihn heimsuchte. Ich schlürfte näher zu den beiden Männern, Caleb hatte inzwischen seine Aufmerksamkeit von mir auf den Vampir verlegt. Für einen kurzen Moment hätte ich schwören können, dass ich Sorge und Wut in seinen Augen aufblitzen sah.

"Was hast du gemacht?!", fragte er seinen Kumpel, welcher neben ihm immer kleiner wurde. Ich verzog meine Lippen zu einem grässlichen Grinsen und trat näher, bis ich dicht bei ihm stand, eine Hand an seinem Kragen, damit er ja nicht weglief.

"Das nächste Mal ... wenn du jemanden umbringen willst ... geh sicher, dass derjenige auch wirklich tot ist ..." Mit diesen Worten ließ ich ihn los und kurz in dem Glauben, dass er so davon kommen würde. Neben mir wiederholte der Schwarzhaarige die Worte 'Umbringen' und 'Tot' und wurde nur noch furioser. Ich im Gegenzug hob zitternd eine Hand um zu signalisieren, dass das meine Angelegenheit war. Mit einem Lächeln auf den Lippen ballte ich meine Hand zur Faust und rammte sie mit aller Kraft, die ich mustern konnte, in das Gesicht des nun weiß angelaufenen Vampirs. Dieser ließ sich von der Kraft mitreißen, schwankte kurz und kippte schließlich um. Verängstigt hielt er sich die Nase. Gut so. Fürchte dich. Fürchte dich vor mir, denn ich bin dein wandelnder Albtraum.

Langsam verließ mich das Adrenalin in meinem Körper und ich spürte, wie der Boden unter mir nachgab. Der einzige anwesende, der noch stand, stützte mich.

"Amand! Scheiße. Wynne! Bleib wach!", forderte er und legte eine Hand auf meinen Hinterkopf, kurz bevor er diese fluchend wieder entfernte und das Blut daran musterte. Jegliche Aufregung rundherum verschwamm zu einer einzigen Masse, bis ich langsam taub wurde und wieder in die angenehme Finsternis eintrat.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Narudia
2018-10-09T12:11:07+00:00 09.10.2018 14:11
Hallo,
hui deine Geschichte ist bisher wirklich interessant und ich hoffe du hast noch vor weiter daran zu schreiben.
Oha ob Louis weis was er da getan und und was wohl Caleb mit Schutz gemeint hat und was wohl wirklich an dieser Dienerschaft dran ist? Und wie kommt Caleb als unausstehlicher Typ gegenüber Wynne dazu ausgerechnet sie als Bluts-Maid haben zu wollen. Fragen über fragen
lg Narudia
Von:  Manulu420
2018-09-26T19:45:59+00:00 26.09.2018 21:45
Als ich anfangs die Kurzbeschreibung deiner Geschichte las, war ich ehrlich gesagt skeptisch und dachte mir es würde wieder so eine Teenie Twilight kacke. Du hast mich aber überzeugt. Ich habe die Kapitel verschlungen wie nichts und bin ehrlich enttäuscht, dass du deine Leserschaft mit so einem Cliffhanger sitzen lässt... Ich hoffe das neue Kapitel kommt bald online. Eine neue treue Leserin hast du damit gefunden!
Antwort von:  Thane
30.09.2018 01:00
Zugegebener Maßen, die Antwort-Funktion habe ich sehr spät entdeckt xD
Also ... freut mich, dass ich dich vom Gegenteil überzeugen konnte~ Ich stehe selber sehr wenig auf dieses rückgratlose Etwas aus der Twilight-Saga oder allgemein allen typischen, berühmten Romanzen. Deswegen, auch wenn Wynne oftmals in prikäre Situationen kommt, wird sie nie ein Fußabtreter.


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