Zum Inhalt der Seite

[Volatile] - Inception

‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

We‘re in this together

Eames

Das Erwachen kam schlagartig über ihn. Weit entfernt von dem sachten Dimmern, das man spürt, wenn man frischen, altrosa Sonnenstrahlen wach geküsst wurde. Es war hart und plötzlich und er hätte sicherlich erschrocken aufgeschrien, wenn er nicht noch immer intubiert gewesen wäre.
 

Sein Körper schüttete eine Menge Adrenalin aus, er zitterte und befreite sich grobschlechtig von Tubus und Kathetern, ehe er den ersten wackligen Fuß auf den kalten Boden stellte. Er röchelte, übergab sich, schwitzte kalten Schweiß.

Was er ahnte: es war Zeit vergangen. Sein Körper fühlte sich kraftlos, schlaff und eigenartig nüchtern an und er hatte seltsame Erinnerungsfetzen. Yusuf, Dom und Mal, Ramadi und Archie, aber vor allem Arthur. Er hatte keine Ahnung was, aber er wusste, dass etwas passiert war.

Die andere Sache, die er mit Sicherheit wusste, war dass er so gut wie tot war, wenn die Italiener ihn in die Finger bekamen. Sie hatten Jobs gekriegt, er hatte den verdammten Chip geklaut... und dann? Dann hätte er innerhalb eines Tages Geld von Jesse erhalten müssen, welches dann umgehend an die Arschgeigen in Anzügen gehen sollte. Leider konnte er mit Sicherheit sagen, dass Letzteres nicht geschehen war, da er sich nicht darum gekümmert hatte. Und natürlich war niemand sonst eingeweiht gewesen. Arthur hätte ihn die Hölle heiß gemacht... Jesse vermutlich auch.
 

Die blanke Panik packte ihn. Vielleicht hatten sie ihn längst gekriegt? Vielleicht waren Arthur und Yusuf längst tot, während er sich ausgeruht hatte.

Er stand auf, krachte wieder in sich zusammen, schaffte es aber alsbald seinen Kreislauf zu stabilisieren und seinen Körper wieder unter Kontrolle zu kriegen.

Wackel mit dem rechten Zeh – Uma Thurman hatte ihm gezeigt wie das geht.

Am Ende hatte er es ein bisschen einfacher, als Uma, da seine Beine nicht komplett versagten.
 

Er ahnte, dass Yusufs Kumpel es nur gut mit ihm meinte, als er ihn am Gehen hindern wollte. Er erwischte ihn, als er sich die Treppen hoch in den Laden geschleppt hatte. Dabei war er zugegebenermaßen nicht sonderlich leise gewesen. In seinem panischen Delirium wusste er sich jedoch nicht anders, als mit einer Waffe gewaltsam nach draußen zu verhelfen, um so schnell wie möglich abzutauchen.
 

Viel Geld wechselte den Besitzer, aber es war zu spät. Die Mafia ließ bekanntlich nicht mit sich reden. Lorenzo war rasend; nicht einmal seine Eier auf einem Silbertablett hätten ihn zufrieden gestellt. Es war ein kurzes Telefonat, aber seit diesem Augenblick befanden sich Thomas Eames und die Mafia tatsächlich im Krieg. Als Staatsfeind Nr.1 hatte er keine Wahl als komplett von der Bildfläche zu verschwinden; das bedeutete auch keinen Kontakt zu Arthur, Yusuf oder sonst wem aufzunehmen, den diese Kerle beschatten würden. Sie würden ihnen nichts tun, da war er sich zu gut geschätzten 85% sicher; trotzdem hielt sich Eames eine Hintertür offen, um über das Wohlergehen seiner „Verbliebenen“ im Bilde zu bleiben.
 

– – – -
 

Es waren runde sechs Wochen. Längst nicht so lang wie die sechs Monate, die er das letzte mal weg gewesen war, aber lang genug in Anbetracht dessen, was zwischen Arthur und ihm vorgefallen war. Wahrscheinlich war er verwirrt... höchst wahrscheinlich stinksauer. Dennoch blieb Eames nichts anderes übrig, als ihn direkt zu kontaktieren, wenn sie diese Sache überleben wollten. Jesse hatte ihm einen alarmierenden Hinweis gegeben, dem er sofort nachgehen musste...
 

Er wunderte sich, dass ein vorsichtiger Typ wie Arthur die Schlösser nach all der Zeit nicht ausgetauscht hatte. Vielleicht war dies jedoch auch einfach nur ein freundlicher Hinweis darauf, dass er die Sache zwischen ihnen noch nicht abgeschrieben hatte. Der Strohhalm an dem Eames sich festhielt.
 

Die Verkleidung, die er sich für diesen Anlass besorgt hatte, um unbemerkt in das Gebäude zu kommen, hängte er an der Garderobe auf. Ein langer, schrecklich geschnittener Trench-coat der an Inspektor Gadget erinnerte. Den Bart und die Brille hatte er auf dem Wohnzimmertisch liegen gelassen, nachdem er sich unter Schmerzen von dem Hautkleber befreit hatte. Daneben ein kleiner Strauß Tulpen, den er aus einem Impuls heraus für Arthur als Besänftigungsversuch gekauft hatte.

Die Sonne ging gerade unter, aber noch war es hell genug, um alles ohne eingeschaltete Lichter sehen zu können. Er konnte nicht riskieren durch Lampenschein auf sich aufmerksam zu machen. Er wusste, dass die Piranhas im Becken darauf lauerten, dass Arthur oder er eine Bewegung machten.
 

Die Ärmel seines fragwürdig gemusterten Hemdes hatte er hoch gekrempelt, eine neue fette Golduhr schmückte sein Handgelenk. Keine frischen Wunden im Gesicht und die Rippen waren verheilt, nur den abgebrochenen Zahn hatte er nicht richten lassen.

Er fühlte sich eigenartig nüchtern, als er hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss bewegte und er wünschte er hätte sich vorher irgendetwas rein gezogen, um dieser Situation gelassener entgegen treten zu können.

Er ließ ihm ein paar Sekunden Zeit, sicherlich hatte er längst gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Die Bude sah wieder so steril aus wie vorher, jede kleine Veränderung würde ihm sofort ins Auge springen - es war immer noch Arthur.
 

»Nicht schießen!«, bat er, dann trat er mit erhobenen Händen aus der Küche heraus ins zwielichtige Wohnzimmer. In seinem Blick sprach nichts mehr als Reue; die selbstsichere Gewissheit, dass er mit seinem Dickmove durchkommen würde, war jedoch auch nicht ganz zu übersehen.
 

»Glaub mir, ich kann kaum ausdrücken wie sehr es mir leid tut, aber du musst mir jetzt zuhören Arthur.«, sprach er ruhig.
 

Arthur

Noch bevor er nach Hause fuhr, hatte er andere Dinge zu regeln, wichtige Dinge, um einfach verschwinden zu können. Auf dem Weg zur U-Bahn erhielt er eine Mitteilung, dass jemand seine Wohnung betreten habe. Ob die Italiener nun doch wagten, das Haus zu betreten? Oder gar Ted?

Arthur ging in den nächsten Starbucks, zog seinen Laptop aus der Tasche und ging ins Netz, um die Kamera im Flur anzuzapfen. Was er zu sehen bekam, war merkwürdig, skurril irgendwie. Da spazierte Eames nach sechs Wochen einfach bei ihm hinein, in Verkleidung und so selbstverständlich, dass seine Zähne knirschten. Ja, er hatte darüber nachgedacht, das Schloss auszuwechseln. Jetzt ärgerte er sich, dass er es nicht schon längst getan hatte.

Dass er es sein musste, lag daran, dass nur er außer seiner Mutter einen Schlüssel hatte. Der Gang war zudem unverkennbar.

Zumindest vereinfachte das die Suche. Er packte den Laptop wieder ein, nahms seinen Kaffee mit und fuhr nach Hause. Durch die Rush Hour war der Weg lang genug, um zu versuchen, seine Vernunft am Leben zu halten.
 

Vor der Haustür zückte er seine Waffe, entsicherte. Dann öffnete er die Tür, betrat die Wohnung mit vorgehaltener Clock. In ihm brodelte es. Der Flur war frei, zügig ging er zur Tür ins Wohnzimmer. Er wusste, wie er über den Holzboden gehen musste, damit er nicht laut war. “Nicht schießen!“, hörte er nun, während er sich in den Türrahmen stellte, die Waffe auf Tom gerichtet. Seine Miene war versteinert, nur sein Blick wanderte über den Körper des anderen, der sich offenbar gut erholt hatte. Die nun folgenden Worte, bewirkten ein sehr kaltes Lächeln auf seinen Lippen.
 

„Dann lass es lieber. Ich glaube es dir wirklich nicht“, sagte er schneidend. „Komm zum Wesentlichen. Du hast drei Minuten, mir mitzuteilen, wie ich die Arschlöcher da unten und damit auch dich wieder loswerde. Danach überlege ich mir, ob ich deiner ersten Bitte nachkomme.“

Sein Blick glitt kurz zur Uhr. „Der Countdown läuft“, sagte er und fixierte wieder Eames. Einen Moment hatte er gesehen, was auf dem Tisch lag. Blumen? War das sein Ernst?! Vielleicht sollte er den Countdown auf ein paar Sekunden verkürzen.
 

Eames     

Okay, er war sauer. Das war jetzt nicht mehr zu übersehen. Und konnte man es ihm denn verübeln? Nun, vielleicht ein bisschen, denn er hatte ja noch nicht die ganze Geschichte gehört... außerdem hatte Blumen und er lebte noch, verdammte Axt, war das denn gar nichts wert?

Er ließ die Arme sinken.

»Sicher, kein Problem. Wärst du so gut und nimmst die Waffe runter? Du willst mich nicht erschießen, wo ich gerade erst wieder gekommen bin, oder?«
 

Arthur

Arthur hob eine Augenbraue, ein spöttisches Schnauben kam über seine Lippen.

„2Minuten 35Sekunden“, entgegnete er einfach nur.
 

Eames

Ihm entkam ein störrisches Schnaufen, wie von einem jungen Hund der spuren musste. Die Hände blieben trotzdem unten, was wollte er denn machen?

»Manche Sachen ändern sich wohl nie.«, seufzte er, leicht entnervt. Es half jedoch nichts, er musste wohl reden bevor er Arthur dazu bewegen konnte die Waffe sinken zu lassen.

»Ich musste untertauchen, weil ich ein paar Männern eine Menge Geld geschuldet habe. Ich war wohl eine Weile ausgeknockt nach dem Job, deswegen konnte ich meine Frist nicht einhalten.«, er zuckte die Schultern, als wäre es eine Kleinigkeit.
 

»Mich von dir fern zuhalten war der einzige Weg sicher zu gehen, dass diese Arschlöcher dich nicht kriegen. Glaub mir, ich hätte mich gemeldet, wenn es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte.«, er wusste nicht mehr, ob er sich selbst glaubte was er sagte. Er war bereits im Spielmodus.
 

Hey you

Baby blues

Show me whatcha gonna do
 

Er konnte sich nicht helfen, so war es eben. Arthur würde ihn nicht erschießen und Eames würde sich nie einer Entschuldigung zu schade sein.

Vielleicht hätte es Möglichkeiten gegeben sich unbemerkt bei ihm zu melden, aber er hatte selbst genug um die Ohren gehabt und er wollte einfach kein Risiko eingehen. Dazu war ihm Arthur einfach zu wichtig. Sollte er doch rasend vor Wut sein; wichtiger war, dass er lebte.

»Ich bin seit einer Woche in Kontakt mit Jesse. Deswegen bin ich hier. Die machen ernst.«, er deutete auf eins der Fenster. Die Männer, die draußen auf der Straße, die in ihrem schwarzen Alfa Romeo saßen.

»Wir müssen hier weg.«
 

Arthur

Arthur überging den ersten Kommentar ungerührt. Er war es leid, sich mit solchen Dingen zu belasten. Bei Eames war es ihm immer schwer gefallen, in seinem Modus eben zog es einfach durch.

Endlich begann er eine Antwort zu bekommen - nein, Eames begann zu reden. Eine Antwort gab es nicht.

Zunächst erfuhr er Dinge, von denen er schon ausgegangen war. Wie konnte es auch anders sein. Fristen - Im Grunde wusste er es von dem Moment an, als Thomas neben ihm im Terra Blues aufgetaucht war.

Mit einer gewissen Erleichterung las er zwischen den Zeilen, dass Tom sich über seinen komatösen Zustand voll bewusst war und sich offenbar nicht an Arthurs Besuch im Komatraum erinnerte. Aber vielleicht war da auch nur der Wunsch Vater des Gedankens. Das bliebe noch abzuwarten.

Was nun folgte, zeigte ihm einmal mehr, dass Eames ihn nicht für voll nahm. „Das ist dir ja fantastisch geglückt, mein Held! Wie nobel von dir“, sagte er trocken, höhnisch. Dass er dafür verantwortlich war, dass die Italiener ihn gefunden hatten, war gerade nebensächlich. Er war sauer! Dass Tom mal wieder gemeint hatte, dass er kein Mitspracherecht hatte, schmeckte bitter. Noch bitterer war die Lüge, er hätte sich nicht melden können. Wann würde dieser Mensch jemals ehrlich sein können?

Dass Jesse seit mindestens einer Woche wusste, dass Tom lebte, fühlte sich ähnlich beschissen an. Weniger der Fakt, dass der Hacker Eames gegenüber loyal war. Eher der Fakt, dass auch das nach einer Lüge klang.

Arthurs Blick huschte auf die Uhr, dann wieder zu Eames.

„Du hast noch eine Minute und mir noch immer nicht meine Frage beantwortet. Stattdessen tischst du mir nur heuchlerische Scheiße auf. Die waren heute schon vor dem Bürohaus, in dem auch Ariadne sitzt! Mir ist vollkommen klar, dass ich hier weg muss. Meine Frage war: Wie werde ich sie los?! Und wage ja nicht, mir zu sagen, dass du schon alles im Griff hast, einen deiner tollen Pläne gefasst hast - in denen ich keine Rolle spiele. Wenn ich dich erschieße und ihnen vors Auto werfe, bin ich sie auch los. Klingt gerade sehr verlockend. Das scheint mir sicherer, als deinem Gerede zu trauen. Also: 60 Sekunden.“
 

Eames

»Okay, verstanden.«, grummelte er, stützte die Hände in die Hüften und grübelte ein paar Sekunden. Er stand im Schach. Der Groll saß tief bei Arthur. Offenbar hatte er endgültig den Kaffee auf. Anstrengend.
 

Eames presste die Lippen unzufrieden aufeinander und fixierte sein Gegenüber missmutig. Darum ging es hier also; Arthur fühlte sich von der Planung ausgeschlossen – buhu. Er wollte also ein Teil dieses ganzen Scheißhaufens sein? Nun, dem stand im Grunde nichts im Wege, oder? Eigentlich doch, und wenn er so darüber nachdachte ahnte er auch, dass das Problem auch bei ihm lag, nicht nur bei Arthur. Nun hatte er jedoch keine Zeit für psychologische Analysen, geschweige denn Lust.
 

»Fein.«, ein giftiger Unterton, aber die Resignation folgte in seiner Körperhaltung. Seine Schultern sanken unter einem lautlosen Seufzen; der Blick für wenige Sekunden auf die eigenen Schuhe gerichtet, als stünde dort die passende Antwort.

Er war sich ziemlich sicher, dass Arthur ihn nicht abknallen und denen zum Fraß vorwerfen würde. Aber es würde nicht leicht werden ihn wieder friedlich zu stimmen, das stand wohl außer Frage.

»Du willst die Wahrheit hören? Ich habe es nicht im Griff – nicht mehr.«, gestand er. Es hatte ihm nie so schwer gefallen den Blick wieder zu Arthur aufzubauen, wie in diesem Moment. Für niemand anderen hätte er dieses Eingeständnis gemacht – wenn das keine Liebe war...

»Es gibt nur eine Chance, die wieder los zu werden: Wir misten das Rattennest aus. Gemeinsam.«

Er kam langsam auf Arthur zur, hob dabei besänftigend die Hände, streckte die Rechte nach ihm aus.

»Ich bitte dich, Arthur. Ich kann nicht zulassen, dass dir was passiert.«
 

Arthur

Arthur sah, dass Eames mit sich haderte. Sollte er ruhig! Solange er ihm nur am Ende nicht wieder mit irgendwelchem Scheiß kam. Er war es so leid! Dass Tom diese Situation, dieser Zwang nicht gefiel, ging ihm ehrlich gesagt sonst wo vorbei. Er hörte es deutlich, sah es, als ihr Blick abriss und Tom auf den Boden blickte und es schien, als sinke jener in sich zusammen. Einen Moment verspannte sich Arthur. Er wollte nicht riskieren, dass Tom ihn ablenkte und dann versuchte, ihn zu entwaffnen. Doch das geschah nicht. Stattdessen hörte er Worte, die er so nicht erwartet hätte.

Tom gab zu, dass er nichts mehr im Griff hatte? War das wirklich die Wahrheit? Oder war es nur das, was er hatte hören wollen und Tom tat ihm den Gefallen? Hatte er ihm die Worte nur in den Mund gelegt, oder stimmten sie? Arthur betrachtete sein Gegenüber musternd, rührte sich nach wie vor nicht.

Als jener nun aber den Blick hob, wusste er, dass es wirklich so war. Der verletzte Stolz, der schier zu körperlichem Schmerz zu führen schien, war sichtbar. Arthur spürte Erleichterung. Dennoch ließ er die Waffe noch nicht sinken und blieb ungerührt stehen, hörte sich den Plan an. Das Rattennest ausmisten? Bei all der Wut, die er in sich spürte, hörte sich das verdammt gut an. Richtig gut.

Tom kam auf ihn zu, streckte die Hand aus. Arthurs Blick richtete sich auf diese, während er nachdachte. Die letzten Worte perlten an ihm ab. Sie waren nicht wichtig – selbst wenn er wusste, dass sie wahr waren. Er trug für sich selbst die Verantwortung. Er kannte die Risken und er konnte sich gut einschätzen, besser als Tom sich selbst einschätzen konnte vermutlich. Er brauchte keinen Beschützer, nicht in diesem Sinne. Er brauchte jemanden, der ihm das zutraute und ihm den Rücken stärkte.

Arthur sicherte seine Waffe, steckte sie ins Holster und blickte auf, sah Tom an.

„Das Rattennest ausmisten klingt nach einem guten Plan“, sagte er dann leise aber bestimmt. Es war sein voller Ernst. Schließlich waren diese Leute dafür verantwortlich, dass sein Leben mal wieder ins Chaos gestürzt worden war. „Ich bin dabei. “ Mit festem Blick sah er Tom einen Moment an. Dann trat er einen Schritt nach vorne, um ganz durch die Tür ins Wohnzimmer zu treten, wendete sich dann jedoch von Eames ab, die Hand ignorierend. „Ich hole meine Sachen und deinen Koffer“, erklärte er knapp und ging hinüber zum Schlafzimmer. Dort blieb er einen Moment stehen, drehte sich noch einmal zu Tom um. „Wisch die Flächen ab. Hier darf kein Fingerabdruck von dir zu finden sein, nichts das auf dich hinweist. Das NYPD ist an dir interessiert“, sagte er knapp, während er sein privates Handy aus dem Jackett zog. „Und nimm das Grünzeug weg“, fügte er noch an, wobei er in Gedanken noch ein: „Das entsorgen wir lieber gleich.“ hinzufügte. Er wollte nicht irgendwann hierher zurückkommen und dann vergammelte Blumen irgendwo finden.

Dann betrat er das Schlafzimmer, ging in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Während er die Tür zum Panikraum öffnete, rief er seine Nachbarin an. „Mrs. Norris“, begrüßte er sie freundlich. „Hier spricht Arthur Moore. Ich bin momentan auf Geschäftsreise, aber bei meiner Abfahrt ist mir ein Auto aufgefallen, das gegenüber unseres Hauses geparkt stand. Es schien mir so, als beobachteten sie das Haus. Könnten Sie bitte…“ Er musste gar nicht aussprechen, da bestätigte sie ihm die Anwesenheit des Autos schon. „Wären Sie so lieb, und informieren die Polizei? Nicht, dass das … Genau… Vielen Dank! … Nein, ich weiß es noch nicht. Es wird sich wohl etwas hinziehen. … Danke! Bis bald!“ Vermutlich würde sich in spätestens 5 Minuten ein Streifenwagen dem Auto annehmen und sie von dem Haus ablenken. Arthur hoffte, dass sie dann wussten, dass er weg war. Er hoffte, dass sie dann an dem Haus und auch am Büro kein weiteres Interesse haben würden. Ariadne hatte er schon tagsüber eine Nachricht geschrieben, dass sie ein paar Tage von zu Hause aus arbeiten sollte und auf sich aufpassen musste.
 

Wenig später kehrte Arthur mit den beiden Koffern ins Wohnzimmer zurück. Wenn sie das Nest ausräuchern wollten, dann würden sie nach Europa fliegen. Er reichte Tom seinen Koffer. Einen kurzen Moment berührten sich ihre Hände. Arthur zog die Hand zurück und blickte Eames an. „Ich bring uns hier ungesehen raus“, sagte er dann. „Rom? Palermo? Genua? Mailand? Oder erstmal nur in die Nähe, um die Lage zu sondieren? In meinem Auto zum JFK oder mit dem Taxi? Musst du noch irgendwo hin?“

Struktur. Das half, mit der Situation umzugehen.
 

Eames

Die Hand, die er ihm hinhielt ballte sich verschmäht zur Faust. Nicht aus Wut, eher wegen der hals-abschnürenden Mischung aus Reue, Scham und verletztem Stolz. Er wusste, dass er Mist gebaut hatte und nun bekam er die Verachtung von Arthur zu spüren, die er verdient hatte – auch wenn er insgeheim gehofft hatte, dass er ihn auffangen würde; dass die Wiedersehensfreue überwiegen würde. Er wusste doch wie sehr Arthur darauf stand sein weißer Ritter zu sein und manchmal wünschte er sich die Maschine würde schneller funktionieren und ihm die dummen kleinen Fehler nachsehen, die nun mal sein Charakter waren.

Vielleicht doch zu viel verlangt..
 

Es würde dauern bis sie wieder an dem Punkt waren, den sie kurz vor dem Jobs Fall erreicht hatten. Wenn er an die ganzen unangenehmen Gespräche dachte, die es noch zu führen gab, wurde ihm ein bisschen schlecht. Andererseits... wenn er Arthur ansah, mit seinen geschmeidigen Bewegungen, mit seiner tödlichen Präzision und diesen Lippen, die ihm gehörten, wusste er, dass er es wert war. Er war eben der eine Mensch für ihn; Ende der Geschichte.
 

»Sicher.«, bestätigte er und machte sich an die Spurenvernichtung, während Arthur seine Vorbereitungen traf. Er schnappte sich eine Tüte und entsorgte die Blumen, die würden draußen auf dem Müll landen. Fingerabdrücke beseitigte er nach bestem Wissen und Gewissen; war ja nicht sein erstes mal.
 

Zunächst hinterfragte er nicht den Koffer, den er von Arthur erhielt. Natürlich wusste er was er tat und er hatte eine Weile Zeit gehabt sich Gedanken um die Bedrohung zu machen, die ihm bevorstand.

»Ich hab einen Wagen vorbereitet. Er steht einen Block weiter in einer Tiefgarage.«, erklärte er. Geklaut; ja nun. Mit ausgetauschten Kennzeichen nicht mehr nachvollziehbar, wenn man es richtig machte.

»Wir fliegen nach Deutschland.«, fuhr er fort.

»Ich kenne ein Hotel in dem wir uns unbemerkt vorbereiten können. Vielleicht auch mal kurz durchatmen.«, und reden, war der unausgesprochene Vorschlag. Und um nicht denselben Fehler wieder und wieder zu begehen hängte er noch etwas hinten dran:

»Bist du... einverstanden?«, die Frage allein fühlte sich eigenartig an, aber es war ernst gemeint. Erst mal kleine Brötchen backen.
 

Arthur

Ob er einverstanden war? Arthurs Mundwinkel zuckte einen kurzen Moment. War da doch jemand lernfähig? Offenbar sollte er ihm öfter eine Knarre vorhalten...

“Deutschland klingt gut. Aber ich suche das Auto aus und ich fahre!“

Er war einmal in Deutschland gewesen. Er kannte sogar einen Extraktor, der mittlerweile sein eigenes Team dort hatte. Arthur hatte es geliebt, dass es keine Geschwindigkeitsbegrenzung in Deutschland gab. Er war oft nachts einfach nur gefahren. Außerdem waren in Deutschland die Wege im Vergleich so schön kurz. „Dann nach München. Müsste non Stop gehen. Über London sollten wir vermutlich vermeiden.“
 

Sie verließen das Haus über den Keller und die Verbindungstür zum Waschsalon, Tom brachte sie zum Wagen. Nach Deutschland durfte man auch Waffen einführen, solange man entsprechende Papiere dabei hatte. In Eames Koffer hatte er neben dessen Klamotten noch ein wenig Equipment hineingepackt. Seine Laptoptasche würde er als Handgepäck mitnehmen.

Im Auto blickte er zu Thomas. Er sah gut aus, erholt. Bei weitem nicht so beschissen, wie er. Die letzte Nacht, in der er hatte gut schlafen können, lag sieben Wochen zurück.

Arthur blickte wieder aus dem Fenster, atmete tief durch, während sie sich in den Verkehr einreihten. Eigentlich der perfekte Ort zum Reden, oder?

„Ist Berretta der, der hinter dem ganzen Müll steht?“, fragte er direkt. „Er profitiert von Jobs Fall.“
 

Eames

Sie machten einen kurzen Abstecher zu Eames' Wagen, damit er die wenigen Habseligkeiten, die er noch dabei hatte, abholen konnte. Eine schwarze, unscheinbare Sporttasche war im Grunde alles womit er die letzten eineinhalb Monate überlebt hatte. Seit er aus dem Koma erwacht war, war er auf der Flucht gewesen und somit auf leichtes Gepäck angewiesen.
 

Auf den Beifahrersitz degradiert fühlte er sich etwas verloren, gerade in einer Situation, die er sich in Gedanken ganz anders ausgemalt hatte. Keine Kontrolle. Schlussendlich wusste Arthur was er tat; dem zu vertrauen war jedoch eine ganz andere Geschichte.

Er sah aus dem Seitenfenster, als Arthur seine unverblümte Bemerkung äußerte.

»Wäre möglich.«

Er beobachtete die Leute auf der Straße, auch wenn die Chance gering war, dass man sie im Auto erwischte.

»Woher weißt du von ihm? Hattet ihr bereits das Vergnügen?«
 

Arthur

Wäre möglich? Fing ja mal wieder gut an. Konnte er nicht mit klaren Aussagen versuchen, ihm wenigstens etwas von dem großen Ganzen mitteilen?

Die Gegenfragen wog er einen Moment ab. Er könnte nun ähnlich dämlich antworten, aber das war albern. “Heißt das, dass du es nicht genau weißt, wer dir den Arsch aufreißen will?“, fragte er nach und der Missmut kam ein wenig durch.

„Ich hab einzig die Wirtschaftsnachrichten verfolgt“, fügte er an. „Und gelegentlich kann ich Eins und Eins zusammenzählen.“ Die Rushhour war so gut wie durch und der Verkehr ging zügig. Er überprüfte immer wieder, ob sie verfolgt wurden, konnte aber nichts verdächtiges sehen.

“Jobs kommt ursprünglich eher aus dem Süden. Beretta aus dem Norden. Ich wette, die beiden können sich nicht ausstehen.“
 

Eames

Eames wusste ziemlich genau wer ihm den Arsch aufreißen wollte. Folgen von Jobs' Niedergang, Kriminelle, die aus dem Absturz eines wichtigen MoneyGram CEO's Profit schlagen könnten und so weiter, hatte er allerdings nicht bedacht. Sicherlich war er in den Jahren bedächtiger geworden, aber großteils war sein Motto eher „nach mir die Sintflut“.
 

Er beschloss die Privatsphäre des Wagens zu nutzen, um ein wenig ehrlich mit Arthur zu sein: er erzählte von seinen Raubzügen in Sizilien. Es gab quasi kein Casino an der südlichen Küste der Insel, dass nicht von ihm bestohlen worden war. Das schlimme daran war wohl, dass er von Anfang an gewusst hatte, wen er da bestahl.

»Ich hab mich für besser gehalten, als die.«

Eine bewusst falsche Formulierung.. er hielt sich noch immer für besser. Er hatte einfach einen dummen Fehler gemacht, den er so schnell nicht wieder machen würde. Sein Selbstvertrauen war in Bezug auf solcherlei Betrügereien ungebrochen. Das konnte man arrogant nennen, wenn man wollte, hatte aber keinen Einfluss auf Eames' eigene Beurteilung der Lage.
 

»Lorenzo Lombardo. Das ist der Name, den ich kenne. Ich schätze mal es geht noch weiter nach oben, vielleicht sogar bis zu Beretta. Aber Lorenzo ist der Typ, den wir uns vorknüpfen. Und den ganzen Rattenschwanz der an ihm hängt.«

Sie saßen nebeneinander in der Economy Class der Turkish Airline und konnten nur flüstern, wenn es um den Fall ging. Vollkommen aus dem Kontext gerissen, fuhr er fort:

»Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen, Arthur.«, sein Ton war genauso gesenkt, er lehnte sich sogar noch näher zu seinem Sitzpartner.

»Es ist so viel passiert... auch als ich weggetreten war. Ich weiß, was du für mich getan hast. Gib mir eine Chance die Sache richtig zu stellen.«
 

Arthur

Arthur entspannte sich, als Tom endlich den Mund aufmachte und sprach, erzählte, was nun wirklich geschehen war. Es tat ihm gut, dass er endlich die ganze Geschichte dahinter hörte. Er stellte Fragen, bekam Antworten. Immer mehr drängte sich ihm der Gedanke auf, warum er ihm das nicht einfach von Anfang an erzählen hatte können. Wovor wollte er ihn mit seinen löchrigen Geschichten eigentlich schützen? Vor den Menschen, mit denen er sich anlegte? Oder vor ihm selbst und diesem Charakterzug, vor dem Betrüger und Dieb?

Arthur kannte ihn. Er kannte seine Spieler-Natur, seine Leidenschaft für den Thrill, seine Gier nach Nervenkitzel, sein Bedürfnis nach Geld, das er auf den Kopf hauen konnte. Zudem kannte er Eames‘ Talent und unfassbares Vermögen, zu betrügen, ohne dass man es merkte. Tom setzte gewiss auch Dreamsharing für genau diese Zwecke ein und war damit erfolgreich. Er war nicht nur gut darin, er war verdammt gut darin!

Hatte er ein Problem damit? Arthur müsste bei dieser Frage nicht lange überlegen. Er verurteilte ihn dafür nicht. Er war so und langsam glaubte er zu ahnen, weshalb er so geworden war. Im Grunde würde er ihm niemals einen Vorwurf daraus machen - solange er ihn nicht belog und betrog.

Dass er andere bestahl kümmerte ihn gar nicht. Nicht bei diesen Menschen, nicht bei Geld, das selbst auf verbrecherische Weise erbeutet worden war. Er hatte seinen Vater erlebt, als sie nach New York kamen und das wenige Geld, das er als Wachmann verdiente, anfangs lieber dem einarmigen Banditen spendete, als der Familie, während seine Mutter weinend in der Küche stand und überlegte, wie sie alle satt bekam. Er hatte kein Mitleid mit Menschen, die selbst stahlen. Und moralische Bedenken hatte er ohnehin nicht.

»Ich hab mich für besser gehalten, als die.«

Arthur wendete den Blick, sah Eames skeptisch an. Was sollte das denn? Für besser gehalten? Und jetzt? War er nicht besser gewesen? Nur, weil er einen Fehler begangen hatte? Sentimentalität im Alter? Seltsame Einsichten? Selbstreflexion? Selbstzweifel? Sollte er ihm jetzt Honig ums Maul schmieren? Er zögerte, ob er darauf überhaupt etwas sagen sollte. Sein Blick ging wieder nach vorne, während er den Wagen zu den Parkplätzen des Flughafens lenkte.

„Was soll die Scheiße?“, antwortete er schließlich, mit einem gewissen Grad an Genervtheit in der Stimme. „Du weißt, dass du der beste bist. Aber auch der beste macht Fehler. Das ist bei dir nicht anders als bei mir. Kein Grund für Selbstmitleid. Wenn ich dir helfen soll, brauche ich dein Wissen darum, dass du der beste in dem bist, was du tust. Also erzähl mir nie wieder so einen Bullshit!“ Er hatte sich vor einem halben Jahr sehr darüber geärgert, einen Fehler gemacht zu haben. Es waren Cobb, Ariadne und vor allem auch Eames gewesen, dank denen dieser Fehler nicht in einer Katastrophe geendet hatte.
 

Sie waren am Flughafen angekommen, hatten das Auto abgestellt, hatten Glück, sogar sehr bald einen Flug nach München bekommen. Arthur schwieg in dieser Zeit, brauchte einfach Zeit für sich alleine. Tom so nahe zu haben, war schwierig. Er freute sich, dass es ihm gut ging. Doch war da die Wut, der Schmerz und die Enttäuschung, die das Verhalten des anderen mit sich brachte. Und da war dieses Wissen, dass das, was ihn für fünf Tage glücklich gemacht hatte, nur eine Illusion war.
 

Als sie im Flugzeug saßen und gen Europa flogen, griff der andere ihr Gespräch wieder auf. Arthur nickte, als Tom erklärte, um wen es ging. Den Namen kannte er von seinen Recherchen hinsichtlich Jobs und Beretta. Er schien einer der Spielbanken-Mogule des Südens zu sein. Ob er unabhängig war und von Beretta angeheuert worden war? Vielleicht. Aber dadurch war er käuflich. Oder war das Geld, das er nicht erhalten hatte, die Bezahlung dafür, dass er Jobs aus dem Weg geräumt hatte?

Arthur schwieg, füllte seine neueste Pinnwand. Beretta - Jobs - Lombardo... Lombardo - Beretta - Jobs. In Italien waren alle irgendwie miteinander verwandt. Ob es wirklich ausreichte, Lombardo auszulöschen? Irgendwer wird sich auf den Slips getreten fühlen, irgendwer wird sich verpflichtet sehen, dass er ihn rächen musste. Es würde einen Domino-Effekt auslösen. Sie brauchten einen Plan, der ermöglichte, dass sie ihre Spuren gänzlich verwischten. Es musste ein verdammt guter Plan sein. Am besten einer, bei dem alle hinterher glücklich waren – sie selbst und vermeintliche Rächer. Beretta – Lombadro – Jobs… Was will wer? Womit ist wer glücklich? Was glaubt wer? Wer arbeitet für wen? …
 

Gerade wollte er etwas sagen, darauf hinweisen, dass sie noch viel Informationen brauchten, als Tom das Thema so unerwartet wechselte, dass er ihn kurz ansah. Er spürte die Nähe des anderen. Er spürte den Atem auf seiner Haut, die geflüsterten Worte rieselten seinen Rücken hinunter., Er spürte die Wärme des ihm so bekannten Körpers durch den Stoff seines Hemdes am Oberarm. Diesmal wich er nicht zurück, Wie auch? Er konnte der Dame neben sich schließlich nicht auf den Schoß kriechen.

Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen…. Ich weiß, was du für mich getan hast… Eine Chance…

Arthur schluckte, schwieg. Seine Augen ruhten in denen des anderen. Gib mir eine Chance - hatte er das nicht vor kurzem erst in einem anderen Zusammenhang gehört?

Richtig stellen? Was gab es da richtig zu stellen? „Du hast darüber nicht zu entscheiden, wann und für wen ich mich in Gefahr begebe oder nicht“, sagte er schließlich leise aber eindringlich. „Das entscheide ich ganz allein. Ich bin nicht mehr der kleine Student, den du einmal kennen gelernt hast, auch wenn du mich immer noch so behandelst.“ Er atmete langsam ein, senkte den Blick und zog die Kopfhörer für sein Handy aus seiner Hosentasche und verband sie mit dem Handy. „Ich frage mich, wie viele Chancen du noch gerne haben willst.“ Er öffnete sein Handy, die Musik-App, steckte die Kopfhörer ein. Ende des Gesprächs.
 

Die Zufallswiedergabe entschied sich für Ferrari von The Neighbourhood. Arthur schloss die Augen, lehnte sich an die Kopfstütze jenseits von Tom. Ein Schmunzeln lag einen Moment auf seinen Lippen, als der Text einsetzte.

I want a new yellow Ferrari from the nineties in the driveway

But I know that you wouldn't like that

Ja, diesen Wunsch konnte er verstehen. Wäre aber sicher nicht das richtige Auto für das, was sie vorhatten. Vielleicht ergab sich ja im Anschluss eine Gelegenheit dazu.

Sein Lächeln starb, als der Text weiterging.

Don't tell me about the rules and break them

And don't tell me about mistakes

And make the same ones I have made before

Don't say you love me more

Better not say it

Arthur öffnete die Augen, blickte auf einen unbestimmten Punkt.

You and I are two oceans apart

We're on earth to break each others hearts, in two

And it's hard with you

When I'm too far from you

I look at the stars, do you?

Arthur klickte ein Lied weiter und schloss erneut die Augen. Linkin Park – In the end. Besser.

Noch immer spürte er den Arm des anderen an seinem. Eine Ruhe überkam ihn, die er vermisst hatte. Als er einschlief fand sein Kopf von allein den Weg zu jener Schulter, an die gelehnt er am besten schlafen konnte. Er hatte seit sieben Wochen nicht mehr so gut geschlafen.
 

Ankunft pünktlich. Die Fragen zu seinen Waffen mit der Identität eines Sicherheitsbeauftragten schnell und ohne Aufsehen beantwortet. In Europa war ähnliches Frühlingswetter wie in NY. Gut geschlafen habend fühlte Arthur sich besser. Er war froh gewesen, dass Eames geschlafen hatte, als er selbst aufgewacht war und sich an jenen gelehnt wiederfand.

Der schwarze Cayenne war das passende Auto. Auch hier half die andere Identität, die passenden Ausweise. Die Autos des Mietwagenverleihs waren exklusiv und waren firmenintern alle in Hamburg zugelassen. Die Gegend um München war reich, teuerste Stadt Deutschlands, höchstes Durchschnittseinkommen. Da fuhren die Leute gerne mal am Wochenende mit ihrem Porsche rüber nach Italien, um in Mailand zu shoppen.

Arthur strich über das lederne Lenkrad. Bei Autos war er doch irgendwie immer der kleine Junge. Das zufriedene Lächeln blieb, als er Tom ansah. „Welche Adresse?“
 

Eames

'Du hast darüber nicht zu entscheiden, wann und für wen ich mich in Gefahr begebe oder nicht'

Das war der Satz der Eames immer und immer wieder durch den Kopf ging und ihn sogar bis in den Schlaf verfolgte. Er wusste um seinen scharfen Verstand genauso gut wie um seine bocksture Art. Das machte es ihm schwer in Betracht zu ziehen, dass er eventuell einen falschen Schluss über Arthur gezogen hatte. Schlimmer noch: dass er etwas entscheidendes übersehen haben sollte.
 

Er erhaschte einen Blick auf Arthurs schlafendes Gesicht, als sie nebeneinander im Flieger saßen. Friedliches Rauschen der Turbinen im Hintergrund, der Servierwagen klimperte leise, als er vorbei geschoben wurde.

Wann hatte Arthur aufgehört dieser „kleine Student“ zu sein? Hatte er den Moment verpasst? Wollte er ihn überhaupt erlebt haben, war wohl die wichtigere Frage.
 

Den Jetlag würde er dieses mal ganz gut wegstecken, dachte er. Er war fit und clean und hatte gut im Flieger geschlafen, trotz zeitweise kreisender Gedanken. Schlussendlich wusste er, wie es laufen würde: Arthur würde ihm verzeihen und sie konnten da weitermachen konnten, wo sie aufgehört hatten, bevor er für ein paar Tage weggetreten war.
 

Er gab Arthur die Adresse des Hotels; Mittelklasse im Münchner Süden. Sie würden ohnehin nicht lange bleiben. Ein paar Tage vielleicht, um zu planen, sich zu sortieren, vielleicht zu reden. Es gab da so ein paar Baustellen, das wusste Arthur genauso gut wie Eames, auch wenn er sich im Augenblick lieber auf den Job konzentrierte. Sie hatten anscheinend die Rollen getauscht, zumindest was dieses Bedürfnis anbelangte.
 

Auf dem Beifahrersitz des Luxusschlittens (Porsche war eindeutig eher Arthurs Geschmack, als seiner) war genug Platz, um bequem die Beine übereinander zu schlagen und seinen italienischen Sprachführer zu studieren. Hin und wieder sprach er ein paar Worte und Sätze laut aus, ohne Hintergedanken ein Gespräch zu starten, eher für sich selbst, während deutsches Radio in adäquater Lautstärke lief.

NF klang gerade an mit „Let you down“. Nicht sein Musik, aber ein kleiner Stich in das Hirnareal, wo sein schlechtes Gewissen sitzen sollte.
 

In Anbetracht dessen, dass Arthur von sich aus genug Schießeisen für sie beide mitgenommen hatte, sollte klar sein, was sie tun würden, wenn sie nach Sizilien führen. Trotzdem schwebte diese Tatsache ebenso seltsam unausgesprochen über ihnen, wie so vieles andere.

Sie waren bereits eine Weile unterwegs, als Eames sein Buch beiseite legte und die Hände ineinander verschränkte. Die Kälte zwischen ihnen war furchteinflößend.
 

»Vielleicht hältst du die Frage für überflüssig, aber ich will, dass wir uns richtig verstehen.«, leitete er ein und sah aus dem Fenster. Sie waren fast da.

»Mit Rattennest Ausmisten, meinte ich, wir fahren hin und legen sie um. Alle die uns Probleme machen. Bist du sicher, dass du das durchziehen willst?«

Immerhin sprachen sie hier von nichts geringerem als Mord. Egal, was die bösen Kerle selbst schon angerichtet hatten.
 

Arthur

Arthur hing seinen Gedanken nach, während Eames offenbar sein Italienisch auffrischte. Die Stimmung war angespannt, aber Arthur war das egal. Der Ozean zwischen ihnen schien mal wieder unüberwindbar. Aber das war ja nichts Neues. Vielleicht würde Eames ja doch mal reden wollen. Sie fuhren um München herum. Als sie südlich in Richtung Alpen fuhren, schien Eames die Stille nicht mehr auszuhalten. Eames Worte wunderten ihn nicht. Arthur hatte in Eames Bewusstsein vermutlich noch nie real getötet. Träume ließen sich nicht mit der Realität mithalten oder verglichen werden. Sein Leben und seine Erfahrungen konnte nicht mit denen eines Soldaten vergleichen. Er war ein Denker, Aristokrat, studiert. Das reichte  aus, um dem Klischee, dem Bild zu entsprechen, das Tom vermutlich von ihm hatte.
 

„Ja, das ist mir durchaus bewusst“, antwortete er schließlich und suchte Eames‘ Blick. „Keine Sorge. Ich habe damit gar kein Problem. Diese Typen bedrohen mein Leben und das meiner Freunde. Ich freue mich darauf, etwas Energie loszuwerden.“ Er blickte nach vorne, kaute nachdenklich auf seiner Lippe. „Ratten vergiftet man, dann zwingt man sie aus dem Bau, damit sie draußen verrecken.“ Das Navy lotste ihn von der Autobahn hinunter. „Vielleicht müssen wir gar nicht selbst viel tun, wenn wir sowohl Lorenzo, als auch Jobs mit falschen Infos vergiften.“ Arthur konnte töten, hatte getötet. Aber er war jemand, der plante, nicht loszog und ballerte.  
 

Eames

Der Gedanke die zwei Parteien gegeneinander auszuspielen entsprach dem was Eames von Arthur erwartet hatte. Er hatte selbst mit dem Gedanken gespielt einen Lockvogel ins Boot zu holen, oder sich über die Fehden zwischen den italienischen Familien zu informieren, um sie für ihr Vorhaben zu nutzen. Arthurs Idee schien jedoch eine einfachere und effizientere Lösung zu sein.

Er lächelte kühl, nickte langsam, während er einen zustimmenden Laut brummte. Dabei sah er jedoch weiterhin aus dem Fenster.
 

Diese Erkenntnis lenkte ihn jedoch nicht von dem eigentlichen Grund dieses Gesprächs ab.
 

»Energie loswerden, hu?«, griff er auf und sah zu seinem Fahrer. Er konnte sich Arthur nicht wie jemanden vorstellen, der im echten Leben eine Waffe auf einen anderen Menschen abfeuerte; geschweige denn schon geübt darin war.

»Klingt als hättest du Erfahrung.«, stellte er unverblümt fest.

»Wen hast du umgebracht?«, vielleicht würde das Bild in seinem Kopf mehr Sinn ergeben, wenn er mehr Informationen hatte.
 

Arthur

Dass Eames nachfragen würde, hätte ihm klar sein müssen. Aber wollte er darauf antworten? Während Eames nun ihn ansah, blickte er aus dem Fenster, folgte der Straße, die sie in ländlicheres Gebiet brachte. Bald wären sie da. Perfekte Möglichkeit, da Gespräch zu unterlassen, oder? Ging es Tom etwas an? Andererseits musste jener darauf vertrauen können, dass Arthur nicht wegbrach, wenn sie das durchzogen.

“Der erste war Alexej Drugov. Ein Mitschüler. Er hat mich...“ Einen Moment wog er seine Worte ab. „... provoziert. Ich war 16. Er war der Anführer einer Gang. Dann hatte er einen Unfall, nachdem er meine Schwester angemacht hat.“ Damals hatte er begonnen, schießen zu üben. Mit einer Kugel hatte er erst viel später getötet.

Er blickte zu Eames, setzte den Blinker und fuhr in den Hof eines nett wirkenden Hotels. Sie waren vormittags gelandet. Die Sonne schien. Er blickte sich etwas um. „Sieht schön aus.“

Arthur hatte das Brummen als Zustimmung erkannt. Dann könnten sie also mit der Planung beginnen.
 

Eames

Diese Geschichte offenbarte Eames eine Facette von Arthur, die er lieber nicht entdeckt hätte. Ein hässlicher Fleck auf seiner weißen Rüstung.

Er schwieg zu dieser Offenbarung, nickte nur als Zeichen, dass er verstanden hatte. Der Punkt war klar: Arthur hatte die Erfahrung, die Eames ihm nicht zugestehen wollte. In diesem Augenblick wünschte sich Eames er hätte Arthur einfach fortgeschickt und wäre allein nach Italien geflogen. Dann gäbe es noch diese alberne Illusion von dem Typen, den er zu kennen glaubte.
 

»Reizend.«, kommentierte er eher semi-beeindruckt über das Hotel. Er war kein Land-Mensch; so gar nicht. Eher der Stadt-Wolf.
 

Sie checkten ein. Eames hatte in seinem Übermut ein Doppelbettzimmer gebucht. Daraus wurde an der Rezeption schnell ein Zwei-Bett-Zimmer, der größtmögliche Kompromiss zu diesem Zeitpunkt. Am Folgetag könnten sie sogar getrennte Zimmer haben, wenn sie denn wollten, so das zuvorkommende Angebot.
 

Sie verfrachteten das Gepäck in ihr Zimmer im zweiten Stock. Eames gönnte sich einen Apfel aus der Obstschale und öffnete die Glastür des Balkons um ein wenig frische Luft rein zulassen. Er war müde, die Zeitumstellung nagte noch etwas an ihm, aber würde bis zum Abend durchhalten.

Die Aussicht war ländlich, friedlich. Ein kleines Wäldchen schloss an eine große Wiese an. Rührende Idylle...

»Also Darling, wie ist der Plan?«, begann er und merkte, dass er die Frage nicht eindeutig genug gestellt hatte.

»Dein Plan für heute. Gönnst du uns ein klärendes Gespräch? Vielleicht beim Dinner?«

Er war vorsichtig, spielte erst mal den zurückhaltenden Löwenbändiger.
 

Arthur

„Reizend.“ Arthur sah Eames einen Moment verwundert an. Bezog er das auf seine Geschichte? Oder auf das Hotel? Der Unterton war eindeutig abwertend, zumindest klang es so. Zu beidem passte es nicht wirklich. Was hatte Eames denn erwartet? Glaubte jener wirklich, dass er auf Traumebene töten konnte, Leute in die Luft sprengte, etc. ohne auch anderweitig Erfahrung zu haben? Langsam fragte er sich immer mehr, was Tom für ein Bild von ihm hatte. Oder haben wollte? Oder gab er ihm dieses Bild?

Aber warum wunderte er sich? Es passte doch genau zu der Erkenntnis, die er in den letzten Wochen gehabt hatte: Tom schuf eine Parallelwelt, in der er ihn offenbar genau nach dessen Vorstellung idealisierte. Und vielleicht war ihm das viel zu lange recht gewesen, weil er Angst davor hatte, was geschehen würde, wenn er ihn sah, wie er wirklich war. Arthur schob diesen Gedanken beiseite. Spielte es eine Rolle? Im Moment nicht - später? Vielleicht.
 

Als er ausstieg, atmete er tief durch. Diese Diskussion würden sie nicht jetzt und hier führen müssen. Also sollte er das „reizend“ lieber auf das Hotel beziehen. Die Lage war gut: schnell zur Autobahn Richtung Italien. Dass sie außerhalb Münchens waren - nunja. Sie würden keine Ewigkeit bleiben. Ihm wäre München definitiv auch lieber, als mit Geranien behängte Holzbalkone. Andererseits war es vermutlich sicherer hier.
 

Der Ärger, den er so dringend versuchte nicht Oberhand gewinnen zu lassen, erhielt an der Rezeption nur noch mehr Nahrung. War das Toms Ernst? Doppelbett? Hatte er wirklich erwartet, dass er vor Glück darüber, dass er sich bequemt hatte, wieder Kontakt aufzunehmen, direkt dort weitermachen konnte, wo sie aufgehört hatten? Glaubte er wirklich, dass er alles schluckte? Er hatte nur eine verfickte Bedingung an ihr Scheiß something gestellt!! Aber ging es eigentlich noch darum?

Wie auch immer. Eine Nacht, ein Zimmer mit zwei Betten. Wird schon irgendwie gehen. Das Zimmer war schön, die Aussicht im Grunde wirklich klasse. Allerdings stellte Arthur fest, dass es keinerlei Lichtquelle geben würde. Eine Nacht in Dunkelheit. Eine Nacht mit Tom so nah und doch unabdingbar fern. Eine Nacht ohne Schlaf.
 

Arthur holte sein MacBook aus der Tasche, drehte die Sicherheitsvorkehrungen hoch und loggte sich ins W-LAN ein. Er überprüfte, ob wichtige Nachrichten an sein ausrangiertes Arbeits-Handy gegangen waren, aber es war nichts von Belang. Seine Wohnung hatte auch niemand versucht zu betreten.

Als Tom ihn fragte, was seine Pläne seien, sah er irritiert zu ihm, der offenbar die Aussicht begutachtet hatte. Was sollte die Frage? Unabhängig von dem Darling, das ihn nach wie vor störte. Im Grunde war der Plan doch...

Der Nachsatz und die anschließenden Fragen präzisierten das Gesagte. Fast erstaunlich, dass Tom darauf drängte, das alles, was zwischen ihnen stand zu ‚klären‘. Doch darüber dachte er jetzt nicht weiter nach. „Aber sicher können wir das machen“, sagte er leichthin, lehnte sich zurück und musste fast schmunzeln. „Ein klärendes Gespräch wäre mal eine erfrischende Abwechslung und etwas völlig Neues. Gerne auch zum Dinner, dann bleibt zumindest der Ton gewahrt.“ War er streitlustig? Vermutlich - nein, ziemlich sicher sogar. Zu viel gehrte in ihm.

Er stand auf, überlegte, ob sie das Gespräch nicht doch vorziehen sollten. Aber im Moment war er zu streitlustig. Es wäre wenig zielführend. Und da war dieser Gedanke, dass Tom diesmal offenbar nicht den Weg des Todschweigens gehen wollte (wie sonst immer), der ihn etwas zurückpfiff. Es schien jenem wichtig zu sein, dass sie etwas ‚klärten‘. Hatte Tom doch etwas wie ein Gewissen? Etwas wie Schuldbewusstsein? War er ihm doch wichtig? Im Grunde wusste er ja, dass es so war. Dennoch war es gut, es auch zu merken.

Er öffnete seinen Koffer, holte sich frische Klamotten raus, etwas weniger Förmliches. „Ich geh duschen. Danach würde ich gerne mit dir Informationen abgleichen“, sagte er und ließ seinen Worten Taten folgen. Sie waren hier, um einen nicht ganz einfachen Plan auszuarbeiten. Das war die oberste Priorität. Alles andere kam dann. Unter der Dusche ließ er lange das Wasser einfach nur über sein Gesicht fließen. Er spürte, dass er müde war. Die wenigen Stunden Schlaf reichten nicht. Dennoch musste er bis abends durchhalten, um sich schnell zu akklimatisieren. Aber Kaffee wäre nicht schlecht...
 

Als sie sich schließlich hinsetzten, öffnete er die Dateien, die er über Jobs und Beretta gesammelt hatte. „Lass uns schauen, was wir schon wissen“, begann er. „Dann finden wir sicher den richtigen Ansatzpunkt, wie wir die beiden gegeneinander ausspielen können. “
 

Eames

Er wollte den Ton wahren, so so. Es wäre ein leichtes gewesen auf diese Provokation einzugehen. Würden sie nicht gerade so einen Hochseilakt mit ihrer Beziehung betreiben, hätte er es vielleicht sogar getan. Stattdessen erwiderte er schlicht:

»Wunderbar. Dann heute Abend beim Dinner.«, als hätten er gerade ein Geschäftsessen mit seiner Sekretärin vereinbart.
 

Während Arthur duschte besorgte Eames ein Nüsse aus einem Snack-Automaten und ein paar koffeinhaltige Heißgetränke für sie beide. Auch er hatte das starke Bedürfnis nach etwas aufputschendem, um den Rest des Tages zu überstehen.

Der Schreibtisch war klein und die Stühle relativ unbequem. Wenigstens hatten sie von dort aus einen guten Blick auf die friedliche Frühlingslandschaft. Hin und wieder dachte Eames, dass jeden Augenblick eine Heidi über die Blumenwiese hüpfen müsste...
 

Er kaute etwas lustlos auf seinen Nüssen herum, während Arthur sich vorbereitete. Er selbst hatte das meiste im Kopf.
 

»Jobs hat seine Karriere und einen Großteil seines Vermögens verloren; der Mann hat im Grunde nichts zu verlieren.«, eigentlich ein guter Ansatzpunkt.

»Ich denke es wird kein Problem ihn zu manipulieren. Schwierig wird nur nicht sein nächstes Ziel zu werden, sollte er sein Geld in Sizilien nicht zurück bekommen.«
 

Arthur

Der Geruch von Kaffee, der den Raum erfüllte, fühlte sich gut an. Er griff zu seiner Tasse, während er Toms Erklärungen folgte und trank einen Schluck. Lebensgeister!

Arthur nickte und öffnete eine Karte, die er erarbeitet hatte. „Dass er nichts zu verlieren hat, ist eine gute Voraussetzung. Der Typ ist eh strange. Erinnerst du dich an die Stimmung in seinem Traum. Ziemlich spooky. Ich denke, er will Blut sehen.“ Arthur deutete auf die Karte. „Die blauen Punkte sind alles Orte, an denen Berretta Firmen etc. hat oder unterstützt. Alle im Nordwesten, Genua, Mailand, Turin bis runter nach Florenz. Die Grenze zu den Venezianern scheint Verona zu sein. Jobs hat Familie im Süden, Calabrien bis Neapel, ein wenig auf Sizilien. Wenn Lombardo Sizilien beherrscht, sieht das für mich so aus, als habe Berretta Lombardo gekauft, um dessen Job zu bekommen. Dafür bekommt Lombardo Kohle und er kann sich weiter nach Calabrien ausdehnen.“ Er betrachtete die Karte einen Moment. „Die Firma, die Jobs Vater hochgezogen hat, ist immer noch in seiner Hand, auch wenn er nicht offiziell der Inhaber ist. Das habe ich den Unterlagen entnommen, die ich auf seinem Schreibtisch gefunden hatte. Sie handeln viel mit Produkten aus seiner Heimat – neben der Geldwäsche natürlich. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich beruflich wieder in die Richtung orientiert. Aber er braucht die Kohle zurück. Du hast recht damit, dass das der Punkt ist, an dem wir ihn bekommen. Wir sollten ihn kontaktieren und ihm unsere Hilfe anbieten, sein Geld zurück zu holen. Wir könnten behaupten, dass du von Lombardo hintergangen worden seist und wir uns rächen wollen.“ Er tippte sich nachdenklich an die Unterlippe und betrachtete die Karte. „Wenn er glaubt, dass wir auf seiner Seite sind und nur durch uns sein Geld zurückbekommt, dann sind wir da erstmal sicher. Dennoch sollten wir zusehen, dass niemand übrigbleibt, der etwas von uns weiß. Lombardo nicht und Jobs nicht.“ Er blickte einen Moment zu Tom. „Das gleiche gilt für Lombardos Männer. Die Italiener sind nachtragend, das Wort Vendetta wird dort großgeschrieben. Es wird uns nicht nutzen, Lombardo hier auszuschalten, aber seine Leute in New York kennen noch unsere Namen. Ich war zwar eine ganze Weile erleichtert, sie vor meinem Haus zu haben. Schließlich bedeutete das, dass du noch lebtest. Aber wenn sie die Info bekommen, dass wir ihren Chef getötet haben, sind wir sie nicht los. Eher im Gegenteil. Die waren jetzt ja schon kurz davor, mich einzukassieren. Dann geht der ganze Mist nahtlos weiter - ein Dominoeffekt. Das sollten wir vermeiden. Schließlich können wir nicht ganz Italien dem Erdboden gleichmachen.“ Er schnaubte etwas, dachte einen Moment nach, kaute auf seiner Unterlippe und blickte auf den Bildschirm. „Wir müssen es so aussehen lassen, als ob wir uns stellen. Lombardo muss kommunizieren, dass wir nicht mehr in NY sind und dass wir kooperieren. Die dort drüben müssen glauben, dass Jobs ihn getötet hat und wir nichts damit zu tun haben. Nur dann haben wir endlich Ruhe vor ihnen.“ Er sah wieder zu Tom. „Was hat Jesse dir eigentlich gesteckt, dass du dann dachtest, doch mal auftauchen zu müssen?“
 

Eames

Er nickte und kaute nachdenklich.

Spooky traf es ganz gut.

Psychopaths dream in black and white; er wusste nicht woher der Spruch kam, wahrscheinlich aus irgendeinem Zeitungsbericht, den er auf einem seiner Langstreckenflüge gelesen hatte. Ein Traumbild, das ihm spontan eine Gänsehaut bereitet hatte, war ihm bis zu diesem Zeitpunkt auch unbekannt gewesen und er war auch nicht scharf darauf noch tiefer bei diesem Kerl zu bohren. Es reichte, wenn sie ihn für ihre Zwecke missbrauchen konnten und danach nie wieder begegnen mussten.

In Eames Kopf ratterte es gewaltig. Der Flug hatte ihn ausgemergelt und der Stress davor so wie so. Trotzdem formten sich halbwegs klare Gedanken, auf der Basis von Arthurs Informationen. Er nickte, hielt jedoch inne, als Arthur weitersprach.

Ein kleines, schuldbewusstes Lächeln formte sich auf seinen Lippen, als Arthur davon sprach, dass er die Anwesenheit der Kriminellen als ein Lebenszeichen von Eames interpretiert hatte. Wenn Arthur ihm zuhörte, würde er verstehen, dass er sich nicht hatte melden können. Nun war der Schaden jedoch angerichtet und Eames würde versuchen das Teetässchen wieder zusammenzukleben so gut er konnte. Etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig. Solange war es OK das Arschloch zu sein.

Er wollte gerade seine eigenen Ideen zu Arthurs Plan ergänzen, als Arthur noch eine Frage nachschob.

Er sah ihn einige lange Sekunden lang an, ehe er antwortete.
 

»Er hat gesagt, dass sie kommen, um dich zu holen.«, erklärte er ruhig.

»Mein Plan ist nicht aufgegangen. Ich hatte gedacht, dass ich dich am besten dadurch schütze, indem ich alle Seile löse, damit keine Spur bei Yusuf oder dir endet. Aber es hat nicht funktioniert.«, er klang nüchtern, sein Ärgernis über den misslungenen Plan schwang jedoch mit. Es wäre alles so viel leichter gewesen, wenn er es geschafft hätte sie von Arthur fern zu halten. Er wäre vielleicht weg gewesen, aber hätte ein einziges mal alles richtig gemacht.

»Sie haben unser Mikrofon gefunden und sind der Spur zu dir gefolgt.«
 

Es hatte keinen Sinn in diesem Augenblick darüber zu diskutieren.

Stattdessen lenkte Eames das Thema schnell wieder auf den Fall. Er musste Arthur an diesem Punkt recht geben: Sie mussten erst den Plan festlegen, bevor sie irgendetwas klärten. Zumindest brauchten sie einen groben Durchblick bevor sie sich mit den vielleicht einflussreichsten, kriminellen Familien Italiens anlegte.
 

Eames überlegte laut ob sie über Jobs nicht genug Druck auf Lombardo aufbauen könnten, damit dieser seine Männer aus New York abzog. Schließlich hatte Jobs ebenfalls Familie dort und könnte die Anwesenheit von Lombardos Männern als Bedrohung interpretieren. Jobs war vielleicht geschwächt, aber besaß noch immer genug Einfluss und genug Willen wieder an die Spitze zu kommen. Man könnte ihm eintrichtern, dass Lombardo scharf auf seinen Einflussbereich war und ihm anbieten dabei zu helfen, stattdessen Lombardos Revier zu infiltrieren. In Berettas Gunst zu geraten ist hier vielleicht das Stichwort.
 

Arthur

Arthur hatte einen Moment geglaubt, dass er keine Antwort mehr erhalten würde, während Eames ihn nur ansah. Es hätte ihn nicht gewundert. Als er dann doch erklärte, was geschehen musste, damit sich jener dazu bequemte, zu ihm zu kommen, wusste er nicht, was er denken oder fühlen sollte. Die darauf folgenden Worte machten es ihm nicht leichter.

Sicher war es in gewisser Weise durchaus… ‚nett‘, dass er ihn beschützte, dass er ihn beschützen wollte. Ja, irgendwie war das wirklich ‚lieb‘. Er konnte es irgendwie nachvollziehen, dass sich das für Tom vielleicht richtig anfühlen musste. Schließlich war er ja auch untergetaucht, um Ariadne zu schützen.

Aber… es schmerzte ihn gleichzeitig unglaublich.

Das Gefühl in seinem Magen war drückend. Er blickte aus dem Fenster mit versteinerter Miene. Er löste also lieber alle Seile und ließ ihn im Ungewissen, ließ ihn mit seinen Sorgen und Ängsten alleine, ließ ihn lieber in den Qualen der Gedanken zurück, ihm könne etwas zugestoßen sein, er könnte gar gestorben sein, als dass er ihm nur eine Nachricht zukommen ließ. Es gab in der heutigen Zeit so viele gottverdammte Wege, ihm seine Sorgen zu nehmen. Es gab so viele Wege… Alles wäre so viel einfacher gewesen, wenn sie das gemeinsam beschlossen hätten. Wenn sie gemeinsam beschlossen hätten, diesen Weg zusammen zu gehen. Es wäre so viel besser, so viel leichter gewesen.

Ihm kamen die Foo Fighters in den Sinn, während er aus dem Fenster blickte und ihm alles surreal vorkam, das Grün, der blaue Himmel, die Sonne. Let it die

Heart's gone cold and hands are tied

Why'd you have to go and let it die

Why'd you have to go and let it die
 

Do you ever think of me

You're so considerate

Did you ever think of me

Oh, so considerate
 

Er blickte kurz auf seine Finger, als er das „unser“ hörte. Auch er hatte vorhin das „Wir“ benutzt. Dieses Wir existierte nur, wenn er der Pointman und Eames der Extraktor oder Forger war. Ansonsten gab es kein Wir, nicht für Tom. Und jetzt auch nicht mehr für Arthur.
 

Er nickte sacht, ließ es kommentarlos zu, dass Tom das Thema wechselte. Er musste ohnehin kurz verdauen. Fokussiert bleiben auf das Wesentliche, auf den Job. Alles andere kam dann… irgendwann.

Arthur zog aus seiner Tasche sein Notizbuch, öffnete es, schrieb auf eine Seite drei Namen: Jobs, Lombardo, Beretta

Während er nachdachte, zeichnete er - Verbindungslinien, Symbole, Muster, einzelne Worte, die Gesichter von Jobs und Beretta. Er zeichnete gerne, während er nachdachte. Und er kippelte dabei mit dem Stuhl. „Ich war doch in Jobs Haus. Was meinst du, was Jobs macht, wenn wir ihm Informationen zukommen lassen, dass Beretta jemanden sein Haus ausspionieren hat lassen, der sich als Architekturstudent ausgegeben hat? Schwarze Haare, ich könnte als Italo durchgehen. Und wenn wir ihm gleichzeitig stecken, wo Lombardos Leute in New York sind?“, überlegte er laut und blickte Tom einen Moment an. „Gleichzeitig sollten wir einen Ort wählen, an dem alle Parteien aufeinandertreffen. Jobs sagen wir, dass sich dort Lombardo mit denjenigen treffen wird, die ihm in den Rücken gefallen sind. Ein Treffen, bei dem sie sich absprechen, um sich an seinen Gebieten zu bereichern. Lombardo stecken wir, dass sich Jobs Berrettas Gunst zurückholt und sie ihm in den Rücken fallen wollen.“ Er zog einen Strich zwischen Lombardo und Jobs, grübelte etwas. „Wenn du ihm das Geld zurückgegeben hättest, könnten wir in eines seiner Casinos spazieren und die Naiven spielen und so tun, als gingen wir davon aus, dass alles in Ordnung sei. Dann könnten wir beiläufig fallen lassen, dass sich Jobs mit Beretta zusammenschließt und sie sich an eben jenem Ort treffen, um zu überlegen, wie sie Lombardo überrumpeln können. Vielleicht wäre es auch gut, das Gerücht in Umlauf zu bringen, dass Jobs bereits begonnen hatte, Lombardos Leute zu bestechen und auszuschalten. Wenn er wirklich in New York Lombardos Männer aufmischt, dann passt das ins Bild.“

So langsam formte sich ein verwirrendes Geflecht aus Lügen und Intrigen, das die beiden Parteien vermutlich wirklich gut gegeneinander aufbringen würde. „Beretta weiß ja weiter nichts von dir, right? Dann wird er glauben, Jobs hätte sich einfach nur rächen wollen. Ihm kann es letztlich alles völlig egal sein.“
 

Die Zeit schritt voran. Arthur machte sich Notizen, zeichnete in sein Buch, war froh darüber, Tom nicht ansehen zu müssen, während sie alle Vor- und Nachteile, alle Unwägbarkeiten und Risiken besprachen. Gerade die Idee, eines der Casinos zu besuchen, war sehr gewagt. Es konnte gut nach hinten losgehen.

Für die Hinweise an Jobs bräuchten sie vermutlich Jesse.

Nach und nach formte sich ein Plan.

„Dann sollten wir bald nach Italien, um den perfekten Ort zu finden, an dem wir sie aufeinanderprallen lassen. Meine Gedanken dazu: ein altes Industriegelände. Davon gibt es viele in Süditalien. Ich könnte mir auch etwas Explosives vorstellen, um ganz sicher zu gehen, dass niemand übrigbleibt.“ Sprengstoff war etwas, womit er sich wirklich gut auskannte. Chemie und Physik in einem - genau sein Ding.

Zumal er lange mit dem Gedanken gespielt hatte, auch einmal ein Geburtstagsgeschenk zu verschicken, sobald er wusste, an wen er adressieren müsste.
 

Eames

Diese Idee, dass sie versuchen könnten Jobs zu verkaufen, dass es sich bei Arthur um einen Spitzel Lombardos gehandelt hatte, fand Eames recht 'putzig'. Er sprach es zunächst nicht aus, aber er war klar dagegen. Immerhin würde das bedeuten, dass Jobs' Leute Arthurs Gesicht nie wieder vergessen würden, wenn sie einmal herausgefunden hatten, wer er war. Sollte ihr wunderbarer Plan nicht funktionieren, wäre New York kein sicheres Pflaster mehr für Arthur und das wollte Eames ihm nicht antun.
 

Bis auf eine andere Kleinigkeit klang Arthurs Plan jedoch recht passabel. So als könnte es tatsächlich funktionieren. An manipulativen und kriminellen Energien mangelte es ihnen jedenfalls nicht.
 

Eames war ein weiteres mal nach unten gegangen um Tee und Kaffee zu besorgen, außerdem ein wenig Obst. So langsam bekam er Appetit. Die Verzögerung schien sich jedoch zu lohnen; sie kamen voran.

Er massierte sich mit dem Daumen die Schläfe, um rieb sich die Stirn hinter der sich ein leichter Druckschmerz formte. Dann schnaufte er und lehnte sich zurück.

»Gute Arbeit.«, merkte er an und ließ seinen Kugelschreiber sinken, mit dem er ebenfalls ein paar Notizen gemacht hatte. Sicher nicht so anschauliche wie die von Arthur.

Er war vielleicht ein Meister darin Unterschriften nachzuahmen und im Fälschen von Dokumenten war er mittlerweile auch ganz passabel, aber wenn es zu seiner ganz eigenen „Privat-Schrift“ kam, gab es wohl keine bessere Beschreibung als „unterirdisch“.

»Ich habe nur einen Änderungsvorschlag. Sagen wir zwei.«, er gestikulierte locker.

»Erstens: Wir sollten die Möglichkeit bedenken, dass Lombardo und Jobs trotz Ankündigung nicht persönlich erscheinen. Für diesen Fall brauchen wir einen Plan, wie wir zumindest Lombardo ausfindig machen und eliminieren. Zweitens...«, man merkte ihm an, dass er über die Formulierung nachdachte.

»... ich halte es für keine gute Idee, wenn du mich in Lombardos Casino begleitest.«

Es war allein der Gedanke daran, dass Arthur ein weiteres mal mit einer seiner tiefsten Abgründe konfrontiert wurde... Spielsucht, kriminelles Millieu, Drogen, Sex, Alkohol. Und das war längst nicht alles. Er konnte nicht riskieren, dass sie Arthurs Gesicht kannten.

»Du willst sicher nicht mit auf der Abschussliste stehen. Und ich kenne die Jungs ganz gut, lass mich die Sache klären.«
 

Arthur

Arthur streckte sich, dehnte seinen Rücken, kippelte etwas nach hinten, überhörte die Feststellung, dass ihr Gespräch produktiv war. Seit acht Jahren machte er vor allem eines: genau solche Pläne aufzustellen. Auch wenn es sonst nicht darum ging, andere Menschen auszuschalten, so ging es dennoch auch darum, Menschen so zu manipulieren, dass sie zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt an einem ganz bestimmten Ort waren.

Er stellte wieder alle vier Füße seines Stuhls auf den Boden, als Eames die Änderungsvorschlage ankündigte. Er hatte eine Ahnung, an welchem Punkt er schrauben wollte. Abwartend blickte er ihn an.

Erster Punkt war richtig. Für diese Situation brauchten sie einen Plan. Und vor allem brauchten sie Jesse (oder jemanden wie ihn), der ihnen half, die beiden Männer zu überwachen. Theoretisch könnte er das selbst auch tun. Aber nicht, wenn sie unterwegs waren.

Der zweite Punkt schien für Eames der heiklere zu sein und Arthur musste sich zusammennehmen, um nicht zu schmunzeln. Als Eames es endlich herausbrachte, zuckte doch ein Mundwinkel. Hatte er also richtig gelegen.

Einen Moment sah er ihn an, das amüsierte Schmunzeln bekam er nicht weg. Dann lehnte er sich wieder zurück, seine Zunge glitt kurz über seine Lippen, auf die er sich kurz biss, während er nun seinerseits seine Worte zurechtlegte.

„Bei ersterem gebe ich dir vollkommen recht“, sagte er dann. „Wir müssen an sie herankommen und sie überwachen. Bei Jobs könnte uns Jesse helfen. Wenn er nach Europa fliegt, werden wir ihn erwischen. Vielleicht können wir ihm mitteilen, dass das Geld beim Treffen übergeben werden soll. Vielleicht ist das Anreiz genug, um persönlich anwesend zu sein. Lombardo müssen wir im Auge behalten. Kennst du jemanden, der nah genug an ihn herankommt und der Interesse daran hätte, Lombardo eine reinzudrücken? Eine Geliebte? Etwas in der Art?“ Wenn jemand so jemanden kannte, dann vermutlich Eames. Wenn er in den Casinos unterwegs gewesen war, hatte er sicher die ein oder den anderen aufgerissen, um an Informationen zu kommen. Er schwieg einen Moment.

„Zu zweitem bleibt mir nur zu sagen: Niemals! Ich gehe mit und niemand wird mich daran hindern. Schließlich brauchst du jemanden, der dich rausholt, wenn sie dir wieder die Rippen brechen möchten. Oder du brauchst jemanden, der zuerst abdrückt, wenn sie sich die Zeit des Rippenbrechens sparen wollen.“ Seine Mine hatte sich verdunkelt, sein Blick war fest. Nein, er würde sich da auf nichts anderes einlassen. Er hatte sich von Eames zu oft abschütteln lassen, wegstoßen lassen, ausschließen lassen. ‚Casino‘ war ohnehin etwas, was in ihrer gemeinsamen Vergangenheit einmal zu einem absoluten Bruch geführt hatte. Damals hatte er darauf vertraut, was Eames tat. Nun, jener hatte es auch gewusst. Aber Arthur nicht die Wahrheit darüber verraten. Arthur spürte den Würfel aus jenem Casino in Tokyo in seiner Jackettasche.

„Warum willst du mich nicht dabeihaben?“, fragte er mit provokantem Unterton nach. Sein Blick war unverwandt auf Eames gerichtet. „Ich stehe eh schon auf der Liste, sonst wären sie nicht bei mir in der Arbeit aufgetaucht. Und das weißt du. Was ist es also sonst, was du befürchtest? Oder liegt es daran, dass du mir nichts zutraust?“
 

Eames

Er nickte und machte sich eine lockere Notiz. Jesse war eine wunderbare Idee. Er war sich ziemlich sicher, dass jener an Board war, wenn es darum ging Jobs nach Europa zu locken und dass er dazu vermutlich nicht einmal seinen geliebten Arbeitsbunker verlassen musste.
 

Leider war Arthur nicht sonderlich kooperativ, als es um den Besuch im Casino ging.

»Es geht nicht darum, wie viel ich dir zutraue.«, schmetterte er ab. Diesmal nahm er die Provokation gern auf. Vielleicht mussten sie sich streiten, um sich endlich wieder vertragen zu können.

»Diese Typen sind keine kleinen Fische. Kann sein, dass Jobs dir am Arsch klebt, schön und gut. Jobs ist aber ein verdammter Sesselfuzer. Er hat Geld und Einfluss und viele böse Cousins, aber vertrau mir... Lombardo ist eine andere Hausnummer.«

Er griff nach Arthurs Unterarm, der auf dem Tisch lag und hielt ihn fest.

Eindringlich: »Gib mir Rückendeckung, Arthur. Ich kann das klären.«

Bei jedem anderen wäre es ihm vermutlich egal gewesen. Dom oder Yusuf hätte er ohne Bedenken mitgenommen. Und ihm dämmerte, dass diese Denkweise stark damit verknüpft war, was für ein Bild er von Arthur hatte. Aber auch damit wie viel er ihm bedeutete.
 

Arthur

„Ach ja?!“, fragte Arthur schnaubend gegen, als Eames ihm weismachen wollte, es habe nichts mit Zutrauen zu tun. Zumindest schien er nun endlich aus der Passivität zu treten und Arthurs Wut in seinem Blut schrie erleichtert auf.

“,aber vertrau mir“ Die Worte hallten in ihm wieder. Arthur schnaubte genervt, blickte einen Moment nach draußen, wo sich die Dämmerung ankündigte und den Himmel in ein intensives Rot verwandelte.

Als er die Hand auf seinem Arm spürte, blickte er überrascht zu dieser, sah sie an, wie einen unerwünschten Besucher.

»Gib mir Rückendeckung, Arthur. Ich kann das klären.«
 

Arthur musste sich einen Moment sammeln, blickte weiter auf die Hand, die durch sein Shirt auf seiner Haut brannte und zwei völlig gegensätzliche Gefühle in ihm auslöste. Schließlich richtete er sich auf, zog den Arm unter der Hand des anderen heraus und lehnte sich wieder zurück, Eames anblickend.

„Rückendeckung bin ich nur dann wirklich“, sagte er sehr nüchtern und ernst, „wenn ich dabei bin. Wenn alles gut geht, muss Lombardo nie erfahren, dass wir zusammengehören. Wenn etwas schiefgeht, bin ich da.“

Seine vom inneren Chaos schier schwarzen Augen fixierten die sturmgrauen des anderen.

„Du sagst, ich solle dir vertrauen“, stellte er fest. Ein ungläubiges Lächeln umspielte sacht seine Lippen. „Weißt du, was lustig ist.“ Er schwieg kurz, überlegte, wie er es sagen wollte. Sein Blick glitt zu dem roten Himmel. „Ich dachte immer, ich könnte und würde dir nicht vertrauen. Und in mancher Hinsicht tue ich das wirklich nicht. Aber nicht im Job. Da vertraue ich dir, auch wenn ich gern das Gegenteil behaupte. Ich vertraue dir, weil ich weiß, dass du darin der beste bist. Auch wenn ich deine Methoden selten durchschaue und mir das Angst macht.“ Er sprach ruhig, nachdenklich. Nun sah er wieder zu Eames. „Ich vertraue dir auch darin, was deine Einschätzung zu Jobs und Lombardo betrifft. Im Grunde geht es nicht darum, dass ICH dir nicht vertraue. Es ist genau anders herum: Wer nie vertraut, das bist DU. Du hast mir noch nie vertraut. Du traust mir nichts zu. Nicht, dass ich mit solchen Situationen umgehen kann. Du traust mir nicht zu, mit dir und deinem Leben umgehen zu können. Du vertraust dich mir nie an. DU traust MIR nicht.“

Sich das aussprechen zu hören, schmerzte genauso, wie es gut tat.

Eames versuchte immer, ihn zu schützen. Das hatte er ihm im Flugzeug erst gesagt. Er hat außerdem gesagt, er wünschte, er wäre bei Enyas Tod bei ihm gewesen. Er hatte Enya gesagt, er würde auf ihn aufpassen. Nun beschützt er ihn vor den Mafiosi, vor der Wahrheit hinter dem großen Ganzen; in gewisser Weise war das ja auch schön, dass er ihn nicht in Gefahr bringen will und nicht zulassen könnte, dass ihm was passiert. Irgendwo berührte es ihn wirklich.

Aber darüberhinaus beschützt Eames ihn auch stets vor ihm selbst, vor seiner Vergangenheit, seinem Dasein als Dieb und Betrüger, der Gefahr, in die er sich so gerne begab, vor all dem, das nicht in ihre Illusion passte.
 

Am liebsten würde er eine rauchen gehen. Aber vielleicht war es an der Zeit, ein paar Dinge zu sagen und nicht zu fliehen.

„Wovor willst du mich schützen? Vor Lombardo oder vor dir?“, sagte er nun unvermittelt.

Eames versucht alles auf seine Schultern zu laden, ihn abzuschirmen, ihn nicht zu belasten. Aber er dachte nie darüber nach, ob es wirklich eine Belastung wäre. Er fragte ihn nicht, was er darüber dachte. Er entschied für sich und über Arthurs Kopf hinweg.

Aber wenn er ernsthaft etwas mit Bestand haben wollte, müsste er Arthur die Chance geben, Teil seines Lebens zu werden mit allen Facetten, die dazugehören. Den guten, wie den schlechten. (Wenn man überhaupt so denken wollte)

Arthurs Blick würde sich nicht ändern. Eames hatte es ihm einmal gesagt: er könne ihm zeigen, was er wolle, es würde nichts ändern. Das gleiche galt doch auch für ihn, verdammte Scheiße!!

Arthur hatte gedacht, dass Eames sich öffnen würde, wenn er sich öffnete. Doch es hatte nicht funktioniert. Es hatte ihn nur angreifbar gemacht. Er wusste noch nicht, ob er es bereute.
 

Der Moment, an dem er beschlossen hatte, sich gänzlich auf ihn einzulassen, ihm wieder auch hinsichtlich ihrer Beziehung vertrauen zu wollen, ihn so zu akzeptieren, wie er war und ihn deswegen nicht ständig zu kritisieren, sondern zu versuchen, es einfach als gegeben anzunehmen, es zu akzeptieren und ihm Zuneigung zu schenken, war das Gespräch mit Candela, darüber was Eames für sie getan hatte. Eames‘ eigentlich so großes Herz war es gewesen, warum er seines hatte öffnen wollen. Nicht seine Fähigkeiten, sein so schöner Körper, sein Charme, seine Beharrlichkeit - einfach nur sein Herz.

Aber offenbar traut dieses ihm nicht zu, das tragen zu können, was Eames auch ausmacht. Offenbar ist er darin nicht wichtig genug. Oder zu wichtig?

Arthur schwieg zu diesem Gedanken. Es spielte gerade keine Rolle mehr.

„Ich sage es dir gerne noch einmal: Du hast nicht über mich zu entscheiden, weniger denn je!“
 

I don't want to be your cigarette

I don't want to be your ashtray

I don't want to be your door mat

'Don't want to be ignored

All o' sudden you're not into me

And maybe it's not deliberate

And I know you never asked me

I just gotta put it out there

I don't pull myself out there

Usually I stay tucked away

Cause I was a loner until I met you
 

And I let you in after all the persuasion

Mind games, manipulations.

That's why I'd rather be a loner
 

Eames

Die Mühlenräder drehten sich sich langsam und schwerfällig. Eames hatte geahnt, dass es nicht leicht sein würde Arthur von seiner Meinung zu überzeugen, aber dass es nun plötzlich grundlegend um Vertrauen und ihre gemeinsame Zukunft ging, traf einen wunden Punkt.
 

„Du hast mir noch nie vertraut. Du traust mir nichts zu. Nicht, dass ich mit solchen Situationen umgehen kann. Du traust mir nicht zu, mit dir und deinem Leben umgehen zu können. Du vertraust dich mir nie an. DU traust MIR nicht.“
 

Das tat weh. Eames Blick verriet, dass er sich dessen bewusst war, aber es kam nichts über seine Lippen.
 

I'm taking a ride

With my best friend

I hope he never lets me down again
 

Diese ganze „Vertrauenskiste“ war schwierig; vermutlich zurückführbar auf sein katastrophales Verhältnis zu seiner Familie. Lang vergrabene Probleme; eingefleischte Selbstschutzrituale. Wie alle anderen versuchte Eames auch nur zu überleben.
 

Er starrte ihn eine Weile an, angespannt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Arthur, als versuchte er anhand seiner äußerlichen Erscheinung abzuschätzen, was das beste war. Er stand im Schach, er hatte nicht viele Möglichkeiten.

»Fine.«, erwiderte er endlich.

»Wir gehen zusammen.«, die Worte kamen nicht leicht über seine Lippen. Er spürte eine Enge in seiner Brust beim bloßen Gedanken daran. Bisher hatte es immer wunderbar funktioniert; aber offenbar konnte er nicht die Vorteile ihrer Romanze genießen, wenn er nicht auch bereit war hin und wieder in den sauren Apfel zu beißen.

Sein Blick hatte etwas warnendes – wie eine stumme Aufforderung an Arthur sich zu beweisen. Er war ganz und gar nicht begeistert.

Eigentlich ging Eames nicht davon aus, aber wenn alles schief lief, war Arthur am Arsch. Dann könnte er direkt bei Eames einziehen. Erst mal ein interessanter Gedanke... auf der anderen Seite...

»Die Feinheiten besprechen wir auf der Fahrt, würde ich vorschlagen.«

Auch sein Blick huschte über den blutroten Horizont und er spürte eine weitere Welle der Müdigkeit über sich hinweg rollen.

Er schnaufte, stand auf und verschwand kommentarlos im Bad, um zu duschen.
 

Arthur

Die Stille war drückend. Die Körpersprache des anderen sprach Bände. Abwehr, Anspannung, Widerwille, vielleicht auch Wut, mindestens Ärger über sein Verhalten, seine Worte. Arthur erwiderte den Blick mit ruhiger Gelassenheit, auch wenn er innerlich aufgewühlt war. Er durfte nicht klein beigeben, nicht jetzt. Sonst würde sich nie etwas ändern. Und auch wenn er ihre Beziehung im Moment auf einem Tiefpunkt sah, so hoffte er, dass sie irgendwann wieder ins Positive gehen würde. Dann nämlich, wenn Tom ihn teilhaben lassen würde. Nur dann, so hatte er sich vorgenommen, würde er sich diesem wieder öffnen.
 

Arthur spürte seinen Puls, rechnete damit, dass Eames ihn gleich versuchen würde mit Sarkasmus vorzurechnen, dass er ihm durchaus vertraute (vielleicht bei der Wahl seines Hemdes?). Oder er rechnete ihm vor, wie oft er ihm deutlich gemacht hatte, dass er ihm nicht vertraute (und das war wirklich oft gewesen!).

Doch als Eames endlich etwas sagte, war das schlimmer als jedes Gewitter, mit dem er gerechnet hatte. Die bedrohliche Ruhe in den Worten, die schneidende Beherrschung, die beunruhigende Zustimmung – Arthur hatte es vielleicht provoziert, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass es so kommen würde.

Er hatte mit deutlich mehr Widerstand gerechnet. Nun aber lag etwas so Mahnendes und Warnendes in Eames‘ Blick, dass es Arthur nervös machte. War das wirklich alles? Keine weitere Diskussion? Keine weiteren Verletzungen? I need noice…

Das konnte doch nur zwei Dinge bedeuten: entweder Eames gab ihm insgeheim recht und wollte auf Biegen und Brechen nicht mit ihm streiten, ihm lieber eine Chance geben und dadurch ihr something nicht gefährden, oder er hatte einen Plan B, den Arthur noch nicht durchschaute. (Da war es wieder, das mangelnde Vertrauen…)

Beide Optionen irritierten ihn. Seit wann gab ein Thomas Eames so klein bei, selbst wenn der andere recht hatte? War es wirklich ihr something? Arthur konnte das kaum glauben.
 

Daher schaffte er es nicht ganz, die Verblüffung aus seinem Blick zu wischen, während er nickte und etwas brauchte, bevor er ein „So machen wir es.“ herausbrachte.

Kaum hörte er die Badtür, ging er auf den Balkon und steckte sich eine Zigarette an. Tief inhalierte er den Rauch, während er dem Sonnenuntergang zusah. Irgendwie schmeckte ihm das nicht. So ganz und gar nicht. Andererseits: Er hatte die Chance gefordert. Nun würde er sie ergreifen. Was fehlte, war das Wissen um die Konsequenz. Er hatte Tom gerade die Pistole auf die Brust gesetzt, wenn auch nur verbal. Nun musste er beweisen, dass er den Vertrauensvorschuss wirklich verdiente. Und wenn es klappte? Was dann? Würde sich dann etwas zwischen ihnen verändern? Oder würde Tom wieder das Weite suchen, mehr als je zuvor? War das dann der Preis, den er führ seine Forderung nach mehr Teilhabe zahlen würde? Eames schaffte es doch immer irgendwie, dass er letztlich als der Dumme dastand… Aber wenn es so auseinanderging, dann hatte er ja auch das, worüber er die ganze Zeit nachdachte: einen Schlussstrich.

Und wenn es nicht klappte? Wenn alles schief ging? Wenn er ihn enttäuschte? Nun, dann war vermutlich ohnehin alles egal.
 

Hungrig war er nicht. Eher im Gegenteil. Aber er sollte etwas essen. Die Dame an der Rezeption hatte ihnen ein Restaurant in der Ortsmitte empfohlen und da es nicht weit war, liefen sie zu Fuß durch die kalte Abendluft. In Italien war es jetzt schon wärmer. Besonders im Süden, dort wo sie letztlich ihr Endziel haben werden. „Fahren wir gleich morgen weiter?“, fragte Arthur, das letzte Thema aufgreifend und damit die Stille durchbrechen, die zwischen ihnen stand. „Und hast du jemanden, über den wir an Waffen kommen können? Was ich mitgenommen habe, wird unter Umständen nicht reichen.“

Ganz gewiss sogar nicht. Und gerade in diesem Hinblick sollten sie kein Risiko eingehen!

Was das betraf war es mit Dom schon sehr bequem, wenn sie mit einem Privatjet unterwegs waren. Da gab es weit mehr Möglichkeiten entsprechende Ausrüstung mitzunehmen.
 

Eames     

Seit sie auf dem Weg zum empfohlenen Restaurant waren, wurde nur das nötigste gesprochen.
 

'Du traust mir nicht zu, mit dir und deinem Leben umgehen zu können.'
 

Wieder und wieder lief das selbe Lied in seinem Kopf. Klang ein bisschen wie "You're The One That I Want", aber anders. Und dann diese Worte, die Arthur ihm vor etwa einer Stunde gesagt hatte.
 

'Du vertraust dich mir nie an.'
 

Er überlegte, ob ihn diese Unterstellungen wütend machen sollten. Ja, vielleicht war Wut der richtige Weg, um Arthur zu zeigen, wie falsch er lag.. auch wenn ein Teil von Eames wusste, dass dem nicht so wahr.
 

Die Frage kam Eames ganz gelegen. Er hatte kein Interesse mehr sich über diesen ganzen Quatsch Gedanken zu machen. Er fühlte sich elendig daran zurück erinnert wieso er ein Einzelgänger-Dasein bevorzugte.
 

»Der Plan steht, wir sollten keine Zeit verlieren, oder?«

Es war nicht allzu kalt, aber feucht genug, dass sie kleine weiße Wölkchen um Nase und Mund bildeten, als er antwortete. Noch ein Grund mehr schnell von hier zu verschwinden. Er hatte das verdammte kalte Wetter.

»Ich kenne jemanden, der uns aushelfen kann. Dazu müssten wir allerdings über Verona statt Venedig fahren.«

Ein bisschen Romeo und Jula Flaire; alle mal besser als stinkende Kanäle.

»Mach mir eine Liste, ich leite sie weiter.«, wenn es um Sprengstoffe ging war Arthur versierter, wahrscheinlich hatte er einen Plan. Alle anderen Spielzeuge könnten sie noch immer gemeinsam entscheiden.
 

Der Laden war ein überraschend schicker Schuppen. Eames hatte mit etwas rustikalem gerechnet, etwas typisch Deutschem eben. Stattdessen gab es LED-Elemente in den Fließen und postmoderne Einrichtung. Es lag etwas von diesem „Brand-Neu-Geruch“ in der Luft, den Möbel nur haben, wenn man sie frisch aus der Folie pellt. Die Kellner waren alle jung und gutaussehend, als wäre das die Grundvorraussetzung um in diesem Restaurant arbeiten zu dürfen. Außerdem lächelten sie einen mit diesen beneidenswerten, geraden, weißen Zähnen an.

Eames orderte einen Tisch für zwei in eingerostetem Deutsch und ließ sich von „Manuel“ zu ihrem Tisch bringen. Sie schienen nicht die einzigen zu sein, die an diesem Abend auf die Idee gekommen waren auswärts essen zu gehen, dennoch ließ sich etwas für die beiden in einer gemütlichen Ecke organisieren. Eames mochte es mittendrin, hatte aber genauso gern alles im Blick.

Nach wenigen Minuten entspannte er sich merklich. Er hatte sich gefasst, er saß im Warmen, es gab Bier und eine Augenweide saß ihm gegenüber – es könnte alles wirklich schlimmer sein.

»Also, Darling.«, begann er, mit Blick in die Karte.

»Wie feiern wir deinen Geburtstag nach?«
 

Arthur

Arthur nickte Eames Kommentar ab. Ja, im Grunde stand der Plan. Unterwegs war genug Zeit, die verschiedenen Vorgänge einzuleiten. Sie brauchten Zeit vor Ort, um die Falle optimal vorzubereiten. Sie mussten sich perfekt auskennen, um den Italienern überlegen sein zu können. Zumindest er brauchte diese Zeit, ER musste sich perfekt auskennen. Er war der Trickreiche, nicht der, der mit brachialer Gewalt vorging. Er hatte keine militärische Ausbildung. Er hatte etwas in der Art vorher nur in Träumen gemacht. Wenn er das überleben wollte, müsste er den Ort sein eigen machen. Auch wenn sich die Mafiosi im besten Fall gegenseitig auslöschten. Aber das würde definitiv nicht komplett funktionieren. Zudem hatte Eames recht, wenn er sagte, dass nicht garantiert war, dass Jobs und Lombardo persönlich erscheinen würden. Für diesen Fall mussten sie auch gewappnet sein. Wobei die Planung eines Attentats letztlich sein Ding war.

Als Eames ihm erklärte, wo er jemanden kannte, über den sie an Waffen etc. herankamen, blickte er auf. Das Licht der Straßenlaterne, der Atem des anderen, die Silhouette des Gesichts, das er so gut kannte… Verona - klar! Italiens Stadt der Liebe. Shakespeare hatte er komplett zu Hause stehen, die Sprache war toll. Wenige Stunden des Literaturunterrichts, die er damals genossen hatte. Wobei er Hamlet lieber mochte, als Romeo und Julia. Er hatte bisher nie verstehen können, wieso sich Romeo vergiftet, nur weil sie tot war. Arthur blickte wieder nach vorne. Das letzte Mal, als sie zum Essen gelaufen waren, hatte Eames irgendwann seine Hand genommen.

„Dann fahren wir die Innsbrucker Autobahn“, sagte er knapp. Die Liste war bereits in seinem Kopf im Entstehungsprozess. Darauf musste er sich konzentrieren. Nur darauf. Wenn alles gut war, wenn die Gefahr gebannt war, dann würde er sich wieder dem zuwenden, das sie ihr something nannten. Irgendwie hatte er das Gefühl, schon einmal ganz ähnlich gedacht zu haben. Irgendwie fühlte es sich seltsam falsch an.
 

Das Restaurant war schick. Fast fühlte er sich underdressed, weil er auf ein Hemd verzichtet hatte, sondern nur ein Langarmshirt unter dem Jackett anhatte. Wenn er in Italien war, würde er gern shoppen gehen.

Trotz der modernen Einrichtung wirkte das Restaurant aber gemütlich und angenehm. Seinen Geschmack hatten die Innenarchitekten in jedem Fall getroffen. Arthur blickte sich um, sammelte Impressionen und folgte Tom und dem Kellner zu ihrem Tisch.

Sein Blick glitt über die Speisekarte. Er hatte wirklich so gar keinen Hunger. Aber wenn er ein Bier trinken wollte – und das wollte er unbedingt! – sollte er etwas dazu essen. Das Essen im Flugzeug war lange her, der Kaffee im Magen hatte schon am Nachmittag geschmerzt. Gedankenversunken versuchte er sich zu erinnern, was er das letzte Mal in Deutschland gegessen hatte. Er konnte sich nur an Currywurst in Berlin erinnern. Die war aber lecker gewesen.
 

»Also, Darling. Wie feiern wir deinen Geburtstag nach?«

Irritiert blickte Arthur auf. Er schluckte. Der Gedanke an seinen Geburtstag kam überraschend und war wenig positiv, eher im Gegenteil. Der Tag war vermutlich der Schlimmste in diesen beschissenen 6 Wochen der Ungewissheit gewesen. Und nun wollte Tom ihn mit ihm nachfeiern?

Etwas in ihm schrie laut auf, dass er gehen sollte, dass er Eames sitzen lassen sollte und das Weite suchen sollte. Dass er ihm sagen sollte, dass man manche Dinge nicht nachholen könne, dass sie für immer zerstört waren. Er hatte vor dem Koma gehofft gehabt, an seinem Geburtstag mit Tom in Mombasa zu sein, auf seiner Dachterrasse mit einem Cocktail in der Hand zu sitzen und auf Enya anzustoßen. Diese Träume waren in Rauch aufgegangen. Stattdessen hatte er den Tag mit viel zu viel Whiskey zu Ende gehen lassen, um ihn irgendwie ertragen zu können.

Aber da war noch eine andere Stimme, die ihm weismachte, dass der Gedanke, es nachzuholen doch eigentlich ein schöner war. Dass es schön war, dass Eames sich daran erinnerte, dass er an ihn dachte, an diesen Tag dachte. Es war auch diese Stimme, die ihn daran erinnerte, dass sie schon einmal zusammen seinen Geburtstag gefeiert hatten, vor sieben Jahren, vor Tokyo. Sie waren in Kopenhagen gewesen, Dom, Mal, Eames und er. Sie hatten den Chef einer Reederei im Visier. Einer ihrer ersten großen Aufträge. Er war lukrativ gewesen - und ein Kinderspiel.

Er hatte Mal eindringlich darum gebeten, es niemandem zu sagen, dass er an dem Tag Geburtstag hatte. Sie hatte genickt und gesagt: „Ich werde es den beiden nicht sagen.“ Dann hatte sie sie alle vor den Tivoli bestellt und darauf bestanden, dass sie hineingingen. Arthur wäre am liebsten im Erdboden versunken, als innen jemand vom Personal mit einem Helium-Luftballon stand, auf dem ‚Happy birthday!‘ gestanden hatte. Sie hatte ihr Versprechen gehalten. Dennoch hatten sie in diesem letztlich viel zu kitschigen Vergnügungspark seinen Geburtstag gefeiert. Es war eine schöne Erinnerung. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie bei einer Schießbude gewettet hatten - Dom, Eames und er: Wer wohl die meisten Aliens abschoss. Sie hatten schon etliche Magazine durch. Dann hatte Mal Dom abgelenkt, danach hatte Eames absichtlich danebengeschossen, hatte eine der Plastik-Rosen heruntergeschossen. Er hatte das gar nicht so mitbekommen, darauf konzentriert, den letzten Alien zu erledigen, um die Wette zu gewinnen. Erst später war ihm das bewusst geworden, als Eames ihm die Rose in einem ruhigen Moment überreichte, zusammen mit dem Vorwurf, dass er ihm nichts gesagt habe. Diese Rose gab es noch immer, auch wenn er sie damals nur als Synonym für Toms ‚Versagen‘ bezeichnet hatte.
 

Arthur senkte den Blick, schwieg noch immer. Noch immer unschlüssig darüber, was er sagen sollte, sah er ihn schließlich wieder an. „Ich weiß nicht wie“, sagte er ehrlich. „Beim Feiern bist doch du der Experte!“ Ein leicht spöttischer Unterton. Er biss sich auf die Unterlippe. Sollte er ihm was vor den Bug knallen, damit er das wieder vergaß? Sein Geburtstag. War er überhaupt wichtig genug, das nachzuholen? „Ich weiß nicht, ob ich ihn ‚nachholen‘ möchte. Es war der beschissenste Tag in den letzten sechs Wochen. Im Grunde bestand mein Geburtstag dieses Jahr nur in einem 5 Minuten Gespräch mit Dom.“ Eames kannte mittlerweile die Zusammenhänge.

Arthur merkte, dass er es nicht schaffte, einfach Nein zu sagen. Egal, wie sehr Eames Verhalten ihn auch oft kränkte und in letzter Zeit besonders schmerzte: Alle guten Vorsätze, all das zu beenden, was sie hatten, wurden blasser, wenn er ihn sah. Dafür fühlte sich der Gedanke, diesen Tag mit Tom nachzuholen irgendwie auch schön an. Vermutlich würde es ohnehin nicht klappen. Irgendwas würde sicher noch passieren. Und wäre es vielleicht besser, den Geburtstag nachzuholen, wenn Jobs und Lombardo hinter ihnen lagen? Wieder dieses ‚nach dem Job‘... „Vielleicht bei einem Cocktail am Strand mit Blick auf das Mittelmeer?"
 

Eames     

Das lange, nachdenkliche Schweigen war erdrückend. Anscheinend hatte er mit dieser Frage mehr zu kämpfen, als Eames vorhergesehen hatte. Die Antwort war eines Arthur Darlings würdig: nüchtern.
 

„Beim Feiern bist doch du der Experte!“
 

Er überlegte, nickte abwägend, aber schließlich doch zustimmend. Sicher war er bessere im Feiern. Er hatte ja auch nicht diesen überaus hinderlichen Stock im Arsch. In diesem Fall ging es jedoch nicht darum, wie man am besten auf den Putz haute, sondern darum was sich Arthur wünschte.
 

„Vielleicht bei einem Cocktail am Strand mit Blick auf das Mittelmeer?"

»Was für ein Zufall, dass wir ab morgen in diese Richtung fahren.«
 

Er lächelte. Sicher stand da noch ein Elefant im Raum, vielleicht auch mehrere, aber Eames war gut darin Dinge weit weit weg zu schieben, wenn sie ihm lästig waren. Er wusste eigentlich immer ziemlich zielsicher wann er sich mit welchen Problematiken beschäftigen wollte und wann nicht. Jetzt war die Zeit wieder ein bisschen Normalität zwischen ihnen schaffen.
 

»Ich wüsste da ein Eckchen das dir gefallen könnte. Lass dich überraschen.«
 

Sie bestellten; Eames entschied sich für das Tagesgericht: irgendein besonderes Stück von einer toten Kuh. Dazu mehr Bier für mehr Glückshormone auf beiden Seiten. Ihr erstes Date in Deutschland lief ganz in Ordnung für die katastrophale Vorgeschichte.
 

Arthur

»Was für ein Zufall, dass wir ab morgen in diese Richtung fahren. Ich wüsste da ein Eckchen, das dir gefallen könnte. Lass dich überraschen.«

Arthur musste das Lächeln unwillkürlich erwidern. Er war sich sicher, dass niemand ‚Eckchen, die ihm gefallen würden’, besser kannte, als Eames. Allein schon deshalb, weil eben jener selbst dabei wäre. Die Frage war nur jedes Mal die selbe: würden sie dort auch ankommen. (Neben der Frage, mit wie vielen anderen er bereits dort gewesen war - auch wenn Arthur wusste, wie selbstzerstörerisch diese Frage war und er sie daher einfach nicht zulassen durfte)

Arthur wollte jetzt nicht schon wieder nur das Negative sehen. (Auch wenn er sich mal wieder vornahm, nicht enttäuscht zu sein, wenn es nicht klappte) Immerhin dachte Eames an seinen Geburtstag, immerhin machte er sich Gedanken dazu, immerhin schien es ihm doch bemerkenswert.

Dennoch ärgerte er sich auch über sein Lächeln. Wie schaffte es Tom nur immer wieder, dass all die Wut und der Missmut verschwanden, dass alle Vorsätze, Antworten mit Nachdruck zu verlangen, in den Hintergrund gedrängt wurden?

Kryptonit

Gleichzeitig wurde ihm in solchen Momenten auch bewusst, dass er nie so gleichgültig war, wie er es gern vorgab zu sein. Nicht wenn es um Eames ging. Auch das machte ihm Angst. Es machte so verletzlich. Arthur hatte das Gefühl, oft genug verletzt worden zu sein.
 

Er bestellte sich ein Schnitzel mit Kartoffelsalat - das kannte er immerhin. Es war wirklich gut, nur viel zu viel. Eames sprach ihn aufAriadnes und seinen Auftrag an und Arthur erzählte über das Projekt, das an sich gut lief und wie sie es geschafft hatten, ihre Auftraggeber durchaus zu beeindrucken. Smalltalk at its best.

So entspannte sich auch Arthur immer mehr. Auch wenn eine Stimme in seinem Kopf ihn daran erinnerte, was Tom ihm eigentlich für dieses Abendessen versprochen hatte.

„Gönnst du uns ein klärendes Gespräch? Vielleicht beim Dinner?“

War das Toms Art die Dinge zu klären, die zwischen ihnen standen? Dass er ihn davon ablenkte? Ihn mit emotionalen Dingen aufwartete, damit er nicht darüber nachdachte, was ihn sonst beschäftigte?
 

Als der Kellner fragte, ob sie noch einen Kaffee oder Nachtisch wollten, winkte Arthur für sich ab. Er musste schlafen können. Das Bier, das er sich erst noch bestellt hatte, war da definitiv hilfreicher.

„Weißt du, worauf ich mich freue?“, sagte er unvermittelt, als sie wieder alleine waren. „Auf den ersten Espresso nach der Grenze. Und ich freue mich tatsächlich schon auf das Essen in Italien. Irgendwo, wo man nur Italienisch spricht und es keine Karte gibt, sondern es das gibt, was die Köchin morgens auf dem Markt gekauft hat.“

An solche Orte würden sie aber vermutlich erst südlich von Rom kommen. Das wusste er. Eine ganz schön lange Fahrt stand da vor ihnen. Arthur merkte, dass er sich darauf freute. Nicht nur, weil er Italien vermutlich als eines der Länder betiteln würde, die er am liebsten mochte, sondern auch, weil sie wirklich mal nur zu zweit unterwegs waren. Auch wenn das Ziel einen Endpunkt genauso wie einen Scheitelpunkt darstellte. Ausgang ungewiss.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück