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Ocarina of Time

von

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Spieglein, Spieglein

Freudestrahlend schnallte Link den Hylia-Schild ab, um ihn gegen den Spiegelschild auszutauschen. Unterdessen flaute Navis Euphorie ein wenig ab und sie legte grübelnd die Stirn in Falten.

Als der Herr der Zeiten die Miene seiner Begleiterin bemerkte, fragte er in irritiertem Ton: „Was hast du? Wir haben den Spiegelschild – und damit ein Mittel gegen die Twinrova – gefunden. Das ist doch ein Grund zur Freude, oder nicht?“

Noch immer nachdenklich drein schauend gab Navi zu: „Natürlich ist es das.“ „Aber weshalb siehst du dann aus wie sieben Tage Regenwetter?“

„Es ist nur so“, setzte die Fee zu einer Erklärung an, „Raurus Eule hat uns zwar verraten, dass wir den Spiegelschild brauchen, um die Twinrova besiegen zu können, aber sie hat uns nicht gesagt, wie genau uns dieses Relikt dabei helfen soll die alten Hexen in ihre Schranken zu verweisen.“

Während er Navis Worten gelauscht hatte, hatte sich Erkenntnis auf Links Antlitz breit gemacht – nur um kurz darauf einem angestrengt wirkenden Ausdruck zu weichen. Egal wie sehr er sich auch bemühte, der junge Krieger konnte sich nicht an den Wortlaut der Unterhaltung mit dem mystischen Vogel erinnern. Der Schock über Naborus Entführung hatte sich bedrückend scharf in sein Gedächtnis gebrannt, aber die Minuten davor waren wie von einem schwarzen Schleier verhangen.

Als ihm dann doch noch eine Kleinigkeit einfiel, empfand Link beinah denselben Triumph wie bei der Entdeckung des Spiegelschilds kurz zuvor. „Hieß es nicht, die Twinrova könnten nur durch ihre eigene Magie besiegt werden?“

Navi zog die Augenbrauen zusammen, als sie sich an diesen Hinweis zu erinnern versuchte und nickte dann zaghaft. „Ja, du hast Recht.“

„Aber wie soll uns der Spiegelschild dann von Nutzen sein?“ Man hörte Links Stimme seine Zweifel hinsichtlich der Worte von Raurus Eule überdeutlich an.

Navi betrachtete das uralte Gerudo-Relikt mit neuem Interesse und überlegte laut: „Vielleicht lassen sich damit Zaubersprüche auf den Anwender zurückwerfen?“

Der Herr der Zeiten zog ein skeptisches Gesicht und zuckte dann mit den Schultern. „Solange wir die Hexen nicht gefunden haben, spielt es eh noch keine Rolle. Ich schlage vor, ich suche nach ihrem Versteck und du zerbrichst dir unterdessen dein hübsches Köpfchen über unsere Kampfstrategie.“

Für einen Moment war Navi verlegen, dass Link sie hübsch genannt hatte. Doch anstatt ein Wort darüber zu verlieren, fragte sie mit geröteten Wangen: „Ich dachte, dein Augenmerk läge vor allem darauf, so schnell wie möglich Naboru zu finden?“

Bei diesen Worten verdüsterte sich Links Miene schlagartig und er presste grimmig die Lippen aufeinander. „Stimmt. Aber so langsam beschleicht mich mehr und mehr das Gefühl, dass wir Naboru genau in dem Moment finden werden, in dem wir das Versteck der Twinrova entdecken. Außerdem befürchte ich, dass wir die Hexen so oder so töten müssen, bevor Naboru ihrer Bestimmung folgen kann – nach dem, was Dinah und die anderen erzählt haben, bin ich mir sicher, dass Naboru unter einem Bann oder Zauber steht, der ihren Willen steuert. Denkst du nicht?“

„Ich fürchte, da könntest du Recht haben.“ Navi seufzte tief und gestand sich stumm ein, dass ihre insgeheime Hoffnung, sie könnten die sechste Weise erwecken, ohne sich den Twinrova stellen zu müssen, von Anfang an naiv gewesen war.
 

Da ihr Gespräch nun beendet zu sein schien, drehte Link sich auf den Hacken seiner Stiefel um die eigene Achse und strebte zurück in den Tempel. Der junge Mann brannte darauf, seinen frisch erhaltenen Ausrüstungsgegenstand auszuprobieren – und er wusste auch schon genau, wo.

Durch den vom Kampf mit dem Eisenprinz gezeichneten Thronsaal gelangten der Herr der Zeiten und seine Fee zurück in den Raum mit dem Sonnenschalter, den Link zuvor erfolglos zu aktivieren versucht hatte.

Der Armos-Ritter, der den beiden Abenteurern unfreiwillig bei der Entriegelung des Weges zum Thronsaal geholfen hatte, hatte sich glücklicherweise auf seinen angestammten Platz zurückgezogen, wo er nun wieder so stumm und unbewegt stand wie eine echte Statue. Trotzdem trat Link so leicht auf wie möglich, um keine unnötige Gefahr einzugehen.

Kaum, dass er den Lichtkegel auf der anderen Seite des Raums erreicht hatte, riss sich der Herr der Zeiten den Spiegelschild vom Rücken und richtete ihn auf den an der gegenüberliegenden Wand angebrachten Sonnenschalter. Navi drückte reflexartig die Daumen, obwohl sie keinen Zweifel daran hatte, dass Links Vorhaben gelingen würde.

Und tatsächlich!

Nach nur wenigen Sekunden erstrahlte der Kristallkern der aufgemalten Sonne wie von innen beleuchtet und ein leises Klicken verriet, dass sich die verschlossene Tür neben dem Schalter jeden Moment öffnen würde.
 

Doch sobald die beiden Abenteurer über die Schwelle traten, machte sich Ernüchterung breit: der so gut geschützte Raum war winzig und bis auf eine kleine Holztruhe vollkommen leer.

„Das… das ist nicht, was ich erwartet habe…“ Link schritt, sich selbst um die eigene Achse drehend, tiefer in den Raum hinein, aber die Enttäuschung blieb.

Nirgendwo war ein versteckter Durchgang oder dergleichen zu entdecken.

Navi, die genauso konsterniert wirkte wie ihr Schützling, stimmte zu: „Man sollte meinen, in einem Raum, den man offenbar nur dann betreten können soll, wenn man im Besitz eines der bedeutendsten Relikte der Gerudo ist, sei etwas Wichtiges versteckt.“

Sich an ein letztes bisschen Hoffnung klammernd deutete Link mit dem Kinn auf die unscheinbare Holzkiste. „Schauen wir mal nach, was sich dort drin verbirgt. Vielleicht ist der Inhalt ja wertvoller als das Äußere vermuten lässt.“

Geschmeidig wie eine Katze ging der Kämpfer vor der kleinen Truhe in die Knie, wobei das lange Loch, das vor geraumer Zeit ein Kakteenmonster bei einem beinah tödlichen Angriff in Links Kettenanzog gerissen hatte, weit auseinander klaffte. Navi erschauerte bei diesem Anblick, weil es ihr zu deutlich vor Augen führte wie nah ihr Freund den ewigen Jagdgründen gewesen war.

Der Truhendeckel knarrte leise, als Link ihn behutsam anhob und damit den Blick auf das Innere der Kiste freigab. Auf einem mit rostbrauner Seide bezogenen Kissen lag dort ein filigraner, mit vielen Schnörkeln verzierter Schlüssel.

Der Herr der Zeiten nahm seinen Fund behutsam aus der Schatztruhe und drehte ihn langsam zwischen den Fingern.

Einen so hübschen, wenn auch nur aus einfachem Eisen bestehenden Schlüssel hatte Link in noch keinem Tempel gefunden.

Das musste doch etwas bedeuten… oder nicht?

Mit einem Lächeln hielt Link den Schlüssel seiner Fee unter die Nase und formulierte seine wiederaufkeimende Hoffnung: „Der Weg hierher scheint nicht völlig umsonst gewesen zu sein. Oder was meinst du? Ich finde, der Schlüssel sieht aus als wäre er durchaus wichtig!“

Navi, die nicht vorschnell wieder euphorisch werden wollte, nickte zaghaft und wandte ein: „Damit könntest du durchaus Recht haben, aber wir haben keine Ahnung, wo sich das dazugehörige Schloss befindet.“

Für einen kurzen Moment versetzen diese Worte Links Laune einen Dämpfer, doch dann erinnerte sich der Recke an etwas und er platzte begeistert hervor: „Wir wissen zwar nicht genau, wo sich das Schloss zu diesem Schlüssel befindet, aber wir haben zumindest einen Ansatzpunkt.“

Als er die irritierte Miene seiner Fee sah, führte Link aus: „In dem Raum, wo wir vorhin die Anubis-Füchse getroffen haben, befand sich noch eine weitere Tür. Wir sollten dort suchen.“ Bei dem Gedanken an die drei verfluchten Füchse stahl sich Trauer auf das Antlitz des Kriegers.

„Du hast Recht!“ Im Gegensatz zu Links Gesicht strahlte Navis vor Begeisterung und die Fee klatschte tatkräftig in die Hände. „Los! Lass uns nachsehen, was sich hinter Tür Nummer zwei verbirgt!“
 

Doch egal wie sehr Link am Knauf der besagten Tür drehte, rüttelte und zog, sie ließ sich nicht öffnen.

Irritiert und entmutigt ließ der Herr der Zeiten die Hände sinken und warf seiner Begleiterin einen besorgten Seitenblick zu. „Ich verstehe das nicht. Wieso lässt sie sich nicht öffnen?“

Navi zuckte mit den Schultern und antwortete in einem Ton, dem man deutlich anhörte, dass ihr diese Möglichkeit überhaupt nicht gefallen wollte: „Vielleicht ist sie nicht echt.“

„Du meinst, sie könnte eine Illusion sein?“ Link klang geschockt. Abgesehen von dieser Tür hatte er absolut keine Idee mehr, wo es tiefer in den Tempel hinein gehen könnte.

Er hatte keine Lust und womöglich auch keine Zeit, jeden einzelnen Raum noch einmal gründlich durchsuchen zu müssen!

Entsprechend heftig wandte er gegen Navis Befürchtung ein: „Aber ich kann ihren Knauf berühren und an ihm drehen!“

„Das bedeutet gar nichts“, schmetterte die Feenfrau das Gegenargument ihres Schützlings ab. „Das könnte genauso gut ein hervorstehendes Stück Felswand sein, das durch einen Zauberglanz aussieht und sich anfühlt wie ein Türknopf. Oder…“

„Schon gut! Schon gut!“, unterbrach Link ihren Wortschwall, bevor sie richtig in Fahrt kommen konnte. „Ich hab’s ja schon verstanden.“ Mit diesen Worten holte der Krieger sein Auge der Wahrheit hervor und hielt es sich vors Gesicht.

Im ersten Moment sah Link nichts Ungewöhnliches – die Tür war noch immer da und sah genauso aus wie zuvor. Doch dann bemerkte der Herr der Zeiten ein verräterisches Funkeln, das ihn in lautes Lachen ausbrechen ließ.

Angesichts dieser Reaktion zog Navi verwirrt die Augenbrauen hoch und fragte: „Was hast du? Ist an dieser Wand statt einer Tür eigentlich ein Gemälde von Ganondorf wie er als Kleinkind mit nacktem Hintern durch die Stube der Twinrova krabbelt?“

Bei dieser Vorstellung verschluckte Link sich augenblicklich, was ihn einen grunzenden Laut ausstoßen ließ.

Navi wartete ungeduldig darauf, dass ihr Freund sich wieder fing und atmete ein wenig erleichtert auf, als Link mit noch immer heftig vibrierender Stimme erklärte: „Das wäre sicherlich sehenswert, aber eigentlich musste ich lachen, weil die Lösung dieses Rätsels dermaßen banal ist.“

„Wieso?“ Navi machte große Augen und betrachtete die Tür vor sich mit neuem Interesse. Link verstaute unterdessen das Auge der Wahrheit wieder in seinem Wunderbeutel und holte den erst vor wenigen Minuten gefundenen Schlüssel hervor, um ihn seiner Fee vors Gesicht zu halten. „Deswegen.“

Als Navi ihn daraufhin verständnislos ansah, deutete Link auf die Stelle im Türblatt, die er beim Gebrauch seiner magischen Linse hatte aufleuchten sehen. „Es ist so klein, dass es leicht zu übersehen ist, aber da ist ein Schlüsselloch.“

Seiner Begleiterin klappte vor Überraschung der Mund auf und die Feenfrau schüttelte ungläubig mit dem Kopf, was Link zum Schmunzeln brachte. „Manchmal sind wir ganz schön dumm, was?“

„Darauf kannst du Gift nehmen!“ Navi war froh, dass ihr Schützling die Situation offenbar mit Humor nahm. Sie hatte bereits befürchtet, er verfiele womöglich wieder in Selbstvorwürfe, weil sie kostbare Zeit verschwendet hatten.

Doch anscheinend hatte der Fund des Spiegelschilds neue Hoffnung und Mut in Link keimen lassen, was Navi übermäßig euphorisch klingen ließ, als sie forderte: „Jetzt mach schon endlich die verdammte Tür auf! Ich will wissen, was sich dahinter verbirgt!“
 

Der nächste Raum, den die beiden Abenteurer betraten, war schmal, sehr hoch und von einem schleifenden Geräusch erfüllt. Neugierig legten Krieger und Fee die Köpfe in den Nacken, um nach der Geräuschquelle zu suchen und staunten nicht schlecht.

Die Wand rechts von ihnen war ab Kopfhöhe aus etwa ein Meter breiten, sich hin und her bewegenden Gesteinsplatten zusammengesetzt.

Navi deutete auf eine von ihnen und sagte: „Schau mal, Link. Es sieht so aus als wäre ein Teil jeden Streifens so gemacht, dass du daran hochklettern könntest.“

Der Herr der Zeiten betrachtete den ihm gezeigten Abschnitt und nickte. Tatsächlich standen bei diesem Part genügend große Brocken aus dem Fels hervor, dass er sich daran würde hochziehen können.

Doch was sollte er tun, wenn er am Ende dieser Platte angekommen wäre?

Konzentriert betrachtete der junge Mann die Bewegungen der Wandteile. Glücklicherweise waren die Kletter-Abschnitte so platziert, dass sie einander immer wieder passierten. Es wäre also möglich, die gesamte Wand empor zu klettern.

Aber an einigen Stellen würde Link eine Weile anhalten müssen, um darauf zu warten, dass er den nächsten Abschnitt erreichen konnte. Sich unbewegt an einer Wand festhalten zu müssen, hatte Link von jeher als deutlich anstrengender empfunden als das Klettern selbst.

Mit Sorge dachte der Kämpfer an seine verletzte Schulter, die er sich bei einem Angriff eines verzauberten Kruges geprellt hatte. Er hatte keine Ahnung, ob er die Kraft für diesen Aufstieg würde aufbringen können.

Doch hatte er eine Wahl?

Nein…

Er musste es versuchen und auf das Beste hoffen!

Hart schluckend griff Link nach dem ersten hervorstehenden Stein und atmete noch einmal tief durch, bevor er sich an den Aufstieg machte.

Die sich bewegenden Gesteinsplatten vibrierten leicht, was das Festhalten zusätzlich erschwerte. Schon bald breitete sich ein dumpfer, lähmender Schmerz von der Schulter ausgehend Links Schwertarm aus.

Dicke Schweißtropfen rollten über das Gesicht des Recken und brannten in seinen Augen, während Link verzweifelt versuchte, sich mit purer Willenskraft an der Wand zu halten.

Dabei hatte er erst die Hälfte des Aufstiegs geschafft…

Navi sprach ihm unterdessen unaufhörlich Mut zu: „Du machst das super! Nicht mehr weit und dann hast du es geschafft!“ Unterdessen streichelte sie unaufhörlich über Links Hals, obwohl sie nicht sagen konnte, ob sie damit ihren Schützling oder sich selbst beruhigen wollte.

Je näher Link dem Ende der Kletterwand kam, desto zuversichtlicher wurden die beiden Abenteurer.

Doch einen knappen Meter bevor Link es endlich geschafft hätte, passierte, wovor Krieger und Fee sich gefürchtet hatten: Links linker Arm war inzwischen vollkommen taub und verweigerte seinen Dienst ausgerechnet in dem Moment, in dem der junge Mann mit der anderen Hand nach dem nächsten hervorstehenden Stein griff.

Der Herr der Zeiten verlor augenblicklich das Gleichgewicht und stürzte hintenüber.

Navi krallte ihre winzigen Hände in den Stoff seiner Tunika und kreischte. Für einen beschämend langen Moment ging ihr nur der Gedanke durch den Kopf, dass so etwas genau die Situation war, vor der ihr es seit der Verletzung ihres Flügels gegraut hatte: Link stürzte ins Verderben und sie konnte sich nicht fliegender Weise in Sicherheit bringen!

Link hingegen reagierte überraschend schnell und überlegt: Nach einer kurzen Schrecksekunde riss er so geschwind wie möglich seinen Enterhaken aus dem Wunderbeutel und zielte grob auf einen der Kletter-Abschnitte.

Die Kette des Enterhakens sirrte mit lautem Rasseln durch die Luft und bohrte ihre Spitze knapp unterhalb des Wandendes in den Stein.

Sofort betätigte Link den Aufrollmechanismus und klammerte sich mit beiden Händen an den Griff seines Utensils. Der Ruck, der durch den Körper des Recken ging, als er plötzlich aus dem freien Fall heraus in Richtung Decke gerissen wurde, war schmerzhaft und presste Link die Luft aus den Lungen.

Entsprechend zitterten dem jungen Mann die Knie, als er sich die letzten Zentimeter zu dem über sich liegenden Podest empor zog.

Doch zum Durchatmen blieb dem Herrn der Zeiten keine Gelegenheit: Kaum, dass er sich hochgezogen hatte, wurde er von zwei Strahlenzyklopen beschossen, deren Laserstrahlen sich mit einem Unheil verkündenden Zischen trafen.

„Pass auf!“ Die Panik machte Navis ansonsten melodische Stimme schrill und noch höher als sonst.

Links Körper reagierte beinah automatisch auf den Warnruf seiner Fee und der Kämpfer sprang mit einem Hechtsprung über die Laserstrahlen der stählernen Zyklopen hinweg, rollte sich ab und sprintete zur gegenüberliegenden Tür.

Er konnte nur hoffen, dass er nicht schon wieder vom Regen in die Traufe kam…
 

Glücklicherweise war der Flur, in den die beiden Abenteurer Hals über Kopf stürzten, vollkommen leer und ruhig. In einer letzten Aufbietung seiner Kräfte trat Link die Tür zwischen sich und den Strahlenzyklopen ins Schloss und brach dann flach auf dem Rücken liegend zusammen.

Navi ließ sich von seiner Schulter auf den Boden rutschen und kuschelte sich in die Halsbeuge ihres Schützlings. Obwohl sie selbst körperlich nichts geleistet hatte, fühlte sie sich vollkommen ermattet, so als hätte die Panik alle Energie aus ihrem Körper gesaugt.

Eine Weile lagen die Beiden einfach nur da, atmeten schnaufend und warteten darauf, dass sich ihre Herzschläge wieder beruhigten.

Es war Link, der nach langen Minuten das Schweigen brach: „Ich hab gedacht, dieses Mal wäre es wirklich aus.“

„Dafür hast du erstaunlich schnell reagiert.“ Navi hatte den säuerlichen Geschmack der Scham auf der Zunge, als sie sich daran erinnerte, dass sie nur an ihr eigenes Ende und ihre Angst davor hatte denken können, nachdem Link das Gleichgewicht verloren hatte und gefallen war.

Dieser seufzte nun und zuckte leicht mit den Achseln, was Navi beinah umschubste. „Ich wusste nicht, ob es funktionieren würde. Ich glaube immer noch, dass der Haken an einem glatten Teil der Wand abgeprallt wäre. Es war nur Glück, dass wir nicht in den Tod gestürzt sind.“

Die Traurigkeit in Links Stimme zog Navi das Herz schmerzhaft zusammen.

Gab er sich etwa die Schuld daran, dass er den Halt verloren hatte?

Haderte er mal wieder damit, dass seine Kräfte begrenzt waren und es bei dem, was ihm abverlangt wurde, nur natürlich war, dass er irgendwann am Ende war?

Um ihren Schützling wieder etwas aufzubauen, schluckte Navi ihren erneut aufflammenden Zorn auf die Göttinnen hinunter und beeilte sich klarzustellen: „Glück und deine schnelle Reaktion. Wenn du nichts unternommen hättest, wären wir auf jeden Fall in den Tod gestürzt.“

Ein zaghaftes Lächeln huschte über Links Lippen und eine leichte Röte machte sich auf seinen Wangen breit, während er leise Dankesworte hauchte. Dann schwang der Herr der Zeiten sich wieder auf die Füße und sah sich aufmerksam um.

Vor ihnen führte eine Treppe zu einem höhergelegenen Teil des Flures, wo sich eine weitere Tür befand. Allmählich kam Link sich vor wie in einem Irrgarten. In keinem anderen Tempel hatte es so viele Gänge, Räume und Türen gegeben.

Bald musste er jedoch alles der antiken Gebetsstätte gesehen haben, oder nicht?

Der Kämpfer beantwortete seine eigene, unausgesprochene Frage mit einem Schulterzucken und blickte zu seiner noch immer auf dem Boden sitzenden Fee. „Wie fühlst du dich? Bist du bereit, weiterzumachen?“

Navi seufzte tief und nickte dann. Die Energie, die ihr Schützling an den Tag legte, empfand die Feenfrau als beinah beängstigend.

Woher nahm er nach einer so kurzen Rast schon wieder die Kraft weiterzumachen?

Sie selbst fühlte sich noch immer wie erschlagen.

Während sie auf Links dargebotene Hand kletterte, um sich auf seine Schulter setzen zu lassen, wurde ihr jedoch bewusst, dass alles, was den jungen Mann bei der Stange hielt, vermutlich die Aussicht darauf war, dass bald alles vorbei sein würde.

Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck ballte die Feenfrau die Hände zu Fäusten und drückte insgeheim die Daumen dafür, dass Links Hoffnung nicht enttäuscht werden würde.

Doch wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht absehen wie lange ihr gemeinsames Abenteuer noch dauern würde. Nicht einmal Shiek schien eine Ahnung zu haben, wo sich der siebte und letzte Weise aufhielt.

Link bemerkte nichts von den düsteren Gedanken seiner Fee und machte sich, nachdem seine Begleiterin auf seiner Schulter Platz genommen hatte, unbeschwert auf den Weg die Treppe hinauf.
 

Durch die Tür am Ende des Flurs gelangten die beiden Abenteurer in einen großen Raum, dessen linke Seite mit Metallstäben gesäumt war, durch die man in die angrenzende Höhle blicken konnte. Auf der anderen Seite des Raums ging es etwa einen Meter in die Tiefe zu einem runden Podest, das mit dicken Ketten in der Decke verankert war.

Während Links Aufmerksamkeit vor allem den möglicherweise verzauberten Krügen im Raum galt, sah Navi sich durch die Eisenstäbe hindurch in der Höhle nebenan um. Obwohl weit und breit kein Sonnenlicht zu sehen war, stand dort eine der Kobrastatuen, deren in den Nackenschild eingelassener Spiegel im Fackelschein leuchtete.

„Hey, Navi, sieh dir das an!“ Nachdem Link sich vergewissert hatte, dass die in der Nähe stehenden Steinkrüge ungefährlich waren, hatte er sich das mit Ketten befestigte Podest in Augenschein genommen und deutete nun auf die gegenüberliegende Wand. Dort befand sich ein weiterer der inzwischen gut vertrauten Sonnenschalter, dessen goldene Farbe allmählich abblätterte.

„Sieht so aus als bräuchten wir hier ein wenig Sonnenlicht. Hast du eine Ahnung, wo wir das herbekommen?“ Suchend sah sich der Recke im Raum um, bis seine Fee auf die angrenzende Höhle deutete und sagte: „Da hinten steht einer der Schlangenspiegel, aber leider bin ich mir nicht sicher, ob uns das weiterhilft.“

Leichtfüßig trabte der Kämpfer zu den Eisenstäben herüber und warf einen Blick hindurch. Im ersten Moment konnte er nichts entdecken, das die beiden Abenteurer vorangebracht hätte, doch dann hellte sich seine Miene sichtlich auf.

Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf einen Teil der Höhlenwand und rief: „Da scheint mal ein Durchgang gewesen zu sein. Vielleicht kann ich ihn mit einer Bombe wieder aufsprengen.“

„Gute Idee“, stimmte Navi zu, wandte dann jedoch ein: „Aber wie willst du dorthin kommen?“

„Hoffentlich durch diese Tür dort.“ Mit dem Kinn nickte der Herr der Zeiten nach rechts, wo sich eine unauffällige Holztür befand, die seiner Begleiterin bisher entgangen war. „Oh…“ Navi blinzelte irritiert ob er Tatsache, dass sie etwas dermaßen Offensichtliches nicht bemerkt hatte, was Link ein leises Lachen entlockte.
 

Tatsächlich führte die Tür in eine Höhle, jedoch offenbar nicht in jene, die die beiden Abenteurer zuvor gesehen hatten. Dennoch hoben sich Links Mundwinkel zu einem breiten Grinsen, als er das Loch in der Decke bemerkte, durch das silbernes Mondlicht auf einen weiteren Schlangenspiegel fiel.

Navi legte den Kopf in den Nacken und staunte: „Ich hab gar nicht mitbekommen, dass es schon dermaßen spät ist! So hoch wie der Mond steht, muss es beinah Mitternacht sein!“

Link schüttelte mit dem Kopf und verdrängte das Gefühl bleierner Müdigkeit, das sich in seinen Gliedern breit machen wollte. „Ich glaube, das täuscht. Als wir den Spiegelschild gefunden haben, ging die Sonne gerade erst unter – und so lange haben wir bis hierher auch wieder nicht gebraucht.“

Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, meldete sich eine leise, stichelnde Stimme in seinem Hinterkopf.

War er sich wirklich sicher, dass seit Entdecken des Spiegelschilds nicht doch mehr Zeit vergangen war?

Wie lange hatten sie nach Erklimmen der Kletterwand gerastet?

Und war er dabei nicht eingenickt, was ihn jedes Zeitgefühl hatte verlieren lassen?

Der Herr der Zeiten hatte jedoch keine Zeit, sich mit seinen Zweifeln auseinanderzusetzen. Denn just in diesem Moment traten aus den Schatten am anderen Ende der Höhle zwei Schwert schwingende Echsenkrieger hervor.

Bei diesem Anblick hielt Navi den Atem an und krallte sich in Links Tunika fest. Wenn ihr Schützling in Kämpfe verwickelt wurde, hasste sie ihre Flügelverletzung ganz besonders.

Nicht nur, dass sie sich selbst nicht in Sicherheit bringen konnte – sie konnte auch nicht ihren Schützling unterstützen indem sie beispielsweise seine Gegner durch Herumgeschwirre um seinen Kopf irritierte.

Link zog unterdessen Schwert und Schild und beobachtete die herannahenden Gegner genau. Mit Schrecken erinnerte er sich an die Begegnung, die er als Kind mit einem dieser Wesen gehabt hatte. Echsenkrieger waren schnell und wendig, hatten eine große Reichweite und verfügten über erstaunliche Kräfte.

„Navi, verkriech dich in meiner Hemdtasche.“ Der Recke bemühte sich, ruhig und leise zu sprechen, um die Echsenwesen vor sich nicht zu provozieren – doch ohne Erfolg.

Wie auf ein geheimes Stichwort hin sprang einer der Reptilienkrieger nach vorn und ließ sein Schwert auf Link herabsausen.

Dieser konnte mit einer flinken Drehung seines Oberkörpers noch knapp ausweichen, aber dabei wurde seine Fee von seiner Schulter geschleudert. Mit einem dumpfen Aufprall landete Navi auf dem sandigen Boden, überschlug sich ein paar Mal und blieb dann knapp vor den Füßen des zweiten Echsenkriegers liegen.

Bei dem Anblick der krallenbewehrten, schuppigen Zehen kreischte die Feenfrau laut auf, was das Reptil vor ihr überrascht zusammenzucken ließ. Panisch rappelte Navi sich auf und stürzte in Richtung der Schlangenstatue davon. Der Echsenkrieger hatte sich jedoch inzwischen von seinem Schreck erholt und hob den Fuß, um Navi wie ein lästiges Insekt zu zertreten.

Der Boden vibrierte, als der Echsenfuß nur Millimeter neben Navi aufstampfte. Die flüchtende Feenfrau stolperte und stürzte der Länge nach in den Sand, wo sie sich schnell auf den Rücken rollte und verzweifelt rückwärts kroch.

Wenn sie nur Link auf sich aufmerksam machen könnte…

Doch dieser war in ein intensives Duell mit dem zweiten Echsenkrieger verwickelt und Navi war sich nicht sicher, ob ihre Stimme ihr noch gehorchte.

Das Maul des mordlustigen Reptils schien sich zu einem gehässigen Grinsen zu verziehen, als es erneut den Fuß hob. Dieses Mal würde es sie erwischen, da war Navi sich sicher.

Wie gelähmt blieb die Fee am Fuß der Schlangenstatue hocken und starrte aus weit aufgerissenen Augen auf die Sohle des erhobenen Echsenfuchses.

Seltsam unbeteiligt wunderte sich ein Teil von ihr darüber, dass sie völlig stumm blieb. Sie war sich immer sicher gewesen, in einer solchen Situation würde sie schreien wie am Spieß, aber stattdessen schallte eine andere Stimme durch die Höhle: „NAVI!“

Mit einem gezielten Tritt gegen dessen Brust stieß Link den Echsenkrieger, mit dem er bislang gekämpft hatte, von sich, sprintete zu dem anderen Reptil herüber und warf sich im letzten Moment mit einem Hechtsprung gegen Navis Angreifer.

Da dieser nur auf einem Bein gestanden hatte, wurde der Echsenkrieger von der Wucht des Aufpralls sofort umgerissen und landete mit einem Fauchen auf dem Rücken. Link zog sich so schnell wie möglich hoch und drückte dem Reptil mit den Knien die Arme auf den Boden.

Der Reptilienkämpfer stieß ein weiteres bedrohlich klingendes Fauchen aus und schnappte nach dem Herrn der Zeiten, der zu Navis großer Überraschung mit der bloßen Faust zuschlug. Durch die Macht der Krafthandschuhe wurde der Kopf des Echsenkriegers heftig herumgerissen und einige seiner Zähne brachen aus seinem Kiefer.

„Ich werde dich lehren, was mit jedem passiert, der versucht, Navi auch nur ein Haar zu krümmen!“ Der Zorn in Links Stimme ließ seine Fee zusammenzucken. Zwar war es sehr schmeichelhaft, dass ihr Schützling um ihre Sicherheit besorgt war, aber die animalische Brutalität, die Link nun an den Tag legte, ließ sie ihren Freund nicht wiedererkennen.

Doch bevor der Herr der Zeiten seinen Aggressionen freien Lauf lassen konnte, stürzte von hinten der zweite Echsenkrieger heran.

Im ersten Moment dachte Navi, Link sei so blind vor Hass, dass er unaufmerksam geworden war. Aber noch bevor sie den Mund aufmachen konnte, um ihren Schützling zu warnen, stieß dieser sich mit den Beinen ab und sprang mit einem eindrucksvollen Handstandüberschlag auf die Füße.

Das Schwert des Echsenkriegers, das bereits auf ihn herab gesaust war, schnitt mit einem leisen Zischen durch die Luft und bohrte sich genau dort, wo Link nur Sekunden zuvor noch gekauert hatte, dem zweiten Reptilienkämpfer in den Bauch.

Die Echse stieß ein markerschütterndes Kreischen aus, das Navi das Blut in den Adern gefrieren ließ. Link jedoch wirbelte nur herum und hieb seinerseits das Master-Schwert dem stehenden Reptil in die Halsbeuge. Das Licht in den Pupillen des Angreifers erlosch augenblicklich und er stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum.

Das schmatzende Geräusch, als der Herr der Zeiten sein Schwert aus dem Körper des Echsenkriegers zog, drehte Navi den Magen um, aber noch schlimmer war der eigentümliche Gesichtsausdruck mit dem sich Link nun wieder dem am Boden liegenden Reptilienkämpfer zuwandte.

Das Schwert seines Kumpans steckte noch immer im Bauch der Echse und schien ihr höllische Qualen zu bereiten. Einige Herzschläge lang stand Link einfach nur da und blickte zu dem besiegten Gegner herab als würde er sich an dessen Leiden laben.

Doch dann siegte die mitfühlende Natur des jungen Mannes und er packte mit beiden Händen das Heft des Echsenschwertes.

Kaum, dass die Klinge ihn nicht mehr an den Boden heftete, rollte der Reptilienkrieger auf den Bauch, stützte sich auf alle Viere und sah aus kalt wirkenden Augen zu Link auf. Dieser erwiderte stumm den Blick und ließ das Schwert neben sich zu Boden fallen, um zu signalisieren, dass er nicht kämpfen wollte.

Als er dies sah, stieß der Echsenkrieger erneut ein Fauchen aus, wirbelte herum und schnappte nach Navi, die nun doch ihre Stimme wiederfand und einen schrillen Schrei ausstieß.

Die Feenfrau kniff die Augen fest zusammen und wartete auf den Schmerz, aber alles, was sie wahrnahm, war das Geräusch eines auf Sand fallenden Gegenstands und dann Stille.

Von Neugierde getrieben linste Navi vorsichtig durch halb geöffnete Lider und zuckte heftig zusammen, als sie direkt vor sich das Maul des Echsenkriegers entdeckte.

„Es ist vorbei, Navi. Du kannst die Augen wieder aufmachen.“ Link klang müde und resigniert, was Navis Herz krampfen ließ. Sie hatte sich doch so viel Mühe gegeben, ihren Schützling aufzuheitern.

Sollte das alles umsonst gewesen sein?

Etwas enttäuscht kletterte die Fee auf die ihr dargebotene Hand und ließ sich auf ihren Stammplatz auf Links Schulter setzen. Dieser starrte noch immer auf den – wie Navi jetzt sehen konnte – enthaupteten Echsenkrieger und seufzte: „Ich wollte ihm eine Chance geben. Wenn er sich einfach zurückgezogen und uns in Ruhe gelassen hätte, hätte ich ihn nicht töten müssen, aber er hat mir keine Wahl gelassen.“

„Es ist nicht deine Schuld.“ Am liebsten hätte Navi ihren Schützling geschüttelt, bis all die negativen Gedanken aus seinem Kopf gepurzelt wären.

Zu ihrer Überraschung nickte Link jedoch anstatt zu widersprechen und antwortete mit Grimm in der Stimme: „Ich weiß. Trotzdem sind es meine Hände an denen sein Blut klebt. Ich habe inzwischen so viele Wesen getötet, dass ich sie nicht mehr zählen kann – und ich bin es leid! Ich bin dieses ewige Kämpfen und Töten dermaßen leid!“

„Ich weiß…“ Navi brachte angesichts von Links Gefühlsausbruch nur ein leises Flüstern zustande.

Sie konnte ihn so gut verstehen!

Wie oft hatte sie selbst bereits sein Schicksal und die Göttinnen, die ihm eben jenes aufgebürdet hatten, verflucht?

Ihr war bewusst, dass sie seine Beschwerden beiseite wischen und ihn zum Weitermachen motivieren sollte. Das war eine der Aufgaben, die der Deku-Baum ihr seinerzeit aufgetragen hatte: wann immer der Auserwählte verzweifelte, sollte sie ihn weiter vorantreiben.

Doch sie konnte nicht…

Inzwischen war Link in erster Linie zu ihrem Freund geworden. Erst danach sah sie in ihm den Herrn der Zeiten, der das Schicksal Hyrules auf seinen Schultern trug.

Wenn er alles hinschmeißen und im Interesse seiner eigenen seelischen Gesundheit das Kämpfen an den Nagel hängen wollte, würde sie ihn nicht aufhalten.

Doch statt aufzugeben, wischte Link sich nur mit der flachen Hand über die Augenwinkel, um ein paar Tränen zu vertreiben und fügte mit noch immer grollender Stimme an: „Es wird allerhöchste Zeit, dass ich Ganondorf endlich aufhalte!“
 

Mit diesen Worten machte der Herr der Zeiten sich mit neuem Feuereifer daran, die Höhle zu untersuchen.

Der verbissen wirkende Zug um seine hart aufeinander gepressten Lippen machte Navi Sorgen und sie dachte mit Grauen an seinen beinah Kontrollverlust kurz zuvor. Auch wenn sie sich nicht sicher sein konnte, war sie fest davon überzeugt, dass Link den Echsenkrieger, der sie hatte zertreten wollen, zu Brei geschlagen hätte, wäre der Angriff seines Artgenossen nicht dazwischen gekommen.

Unter der Oberfläche brodelte sehr viel mehr Frustration und Zorn in Link als Navi es für möglich gehalten hatte.

Und es machte ihr Angst…

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ließ Link plötzlich die Hände, mit denen er die Höhlenwand abgetastet hatte, sinken und sagte: „Das vorhin tut mir leid.“ Der junge Mann sprach so leise, dass seine Fee Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen, obwohl sie so nah an seinem Mund saß.

„Ich… Ich wollte nicht so brutal sein. Es war nur… Ich…“ Er schien sich innerlich einen Ruck zu geben und dann purzelten seine Worte wie ein Wasserfall aus seinem Mund: „Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren. Dabei bist du doch irgendwie das Letzte, was mir bleibt. Ich hatte nie viele Freunde. Nur Salia, Darunia, vielleicht Ruto und dich. Aber bis auf dich sind alle tot, weil ihre Seelen ins Heilige Reich zurückkehren mussten. Ganondorf und der Kampf gegen ihn haben mir alles genommen. Bis auf dich. Und ich… ich ertrage den Gedanken nicht, dich auch noch zu verlieren.“

Navi schluckte an einem dicken Kloß in ihrem Hals.

Nie im Leben hatte sie geglaubt, dass Link so über sie denken würde, dass er ihrer Freundschaft solch große Bedeutung beimaß. Um seine Worte nicht überzubewerten, fragte sie ungewollt schroff „Was ist denn mit Shiek?“

Link stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fuhr mit dem Abtasten der Wand fort. „Shiek ist…“ Der Recke schluckte und setzte dann neu an: „Ich mag Shiek, aber ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen – jedenfalls nicht so richtig. Er ist immer da, wenn wir ihn brauchen und manchmal hab ich das Gefühl, dass ihm wirklich etwas an mir gelegen ist – an mir als Person, nicht als Herr der Zeiten – aber dann ist er wieder so distanziert und verschlossen…“ Link schüttelte mit dem Kopf und brach ab.

„Und was ist mit Prinzessin Zelda?“, versuchte Navi erneut, ihrem Schützling vor Augen zu führen, dass er nicht so allein war wie er glaubte.

„Hm…“ Für einen Moment schien Link seine Worte sorgsam abzuwägen. „Durch die Seelen der Lichtwesen, die in uns leben, werden die Prinzessin und ich uns wohl immer verbunden fühlen. Irgendwie fühlt es sich sogar so an als wäre ich in sie verliebt, aber seit ich Shiek getroffen habe…“

Der junge Mann lief von den Ohrmuscheln ausgehend puterrot an und beeilte sich fortzufahren: „Wie auch immer… Es ist egal, was ich für sie empfinde oder sie für mich. Sie ist die Thronerbin. Sobald Ganondorf besiegt ist, wird sie die neue Königin von Hyrule. Ich hingegen bin nur ein einfacher Bauerntrampel. Wir werden nie zusammen sein können. Vermutlich können wir nicht einmal befreundet sein…“

„Jetzt sieh doch nicht alles so verdammt negativ!“ Navi stemmte die Hände in die Hüften und sah ihren Schützling streng an. „Du bist der Herr der Zeiten. Du wirst derjenige sein, der Ganondorf besiegen wird. Du wirst ein Held sein! Dass sie dir einen Adelstitel verleihen, wird das mindeste sein, was sie tun werden, um dir zu danken!“

„Das ist es!“ „Ja?“ Für einen Moment war Navi irritiert, dass sie Links düstere Gedanken so leicht hatte vertreiben können, doch dann bemerkte sie, dass er gar nicht ihr Gespräch meinte.

Mit den Fingern fuhr der Recke eine Furche in der Wand entlang und erklärte: „Hier ist der verschüttete Durchgang, den wir vorhin schon von der anderen Seite gesehen haben!“ „Na dann: Feuer frei!“

So schnell er konnte, entzündete Link eine seiner Bomben an einer in einer Wandhalterung vor sich hin brennenden Fackel und platzierte sie vor besagtem Wandabschnitt, bevor er mit seiner Fee aus dem Raum hetzte.

Die folgende Detonation hallte ohrenbetäubend laut im ansonsten vollkommen stillen Tempel wider, erfüllte jedoch auch ihren Zweck: Zwischen den beiden Höhlenabschnitten klaffte nun wieder ein mannshohes, etwa zwei Meter breites Loch.

Link hielt Navi einen Finger zum Einschlagen hin und kehrte zu der mondbeschienenen Kobrastatue zurück, nachdem seine Fee abgeklatscht hatte.
 

Die beiden Schlangenstatuen in den Höhlen waren schnell in die richtige Position gedreht, sodass das mit Ketten befestigte Podest nun in silbernes Licht getaucht wurde.

Doch egal wie sehr Link sich auch bemühte, der Sonnenschalter ließ sich nicht aktivieren…

„Ich fürchte, es muss Sonnenlicht sein. Mondlicht scheint nichts zu nutzen.“ Navi legte den Kopf schief und betrachtete den Kristall in der Mitte des Schalters, der matt glänzte als würde das Mondlicht an ihm abperlen anstatt in sein Innerstes vorzudringen.

„Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig als eine Rast einzulegen.“ Bei diesen Worten entwischte dem Krieger ein herzhaftes Gähnen und er fügte mit einem verschämten Lächeln an: „Obwohl es mir nicht gefällt, Naboru noch länger warten zu lassen, kann ich nicht bestreiten, dass mir eine Pause ganz gelegen kommt.“

Navi grinste ihn von der Seite her an und antwortete: „Ich bin mir sicher, nach sieben Jahren in der Gefangenschaft der Twinrova kommt es auf einen halben Tag mehr oder weniger nicht an.“

„Ja, vielleicht…“ Link zuckte mit den Schultern und versuchte, das Brennen eines schlechten Gewissens beiseite zu schieben. Dann rollte er sich in einer Ecke nah des Podests zusammen und döste fast augenblicklich weg.

Er bekam nicht einmal mehr mit, dass Navi sagte: „Hey, weißt du, was praktisch wäre? Wenn man mit der Hymne der Sonne tatsächlich die Sonne kontrollieren könnte!“
 

Als Link einige Stunden später erwachte, fühlte er sich angesichts der Tatsache, dass er ohne Lager auf dem harten Steinboden geschlafen hatte, erstaunlich ausgeruht.

Im ersten Moment war der Recke etwas desorientiert, aber dann fiel sein Blick auf die weißgoldenen Sonnenstrahlen, die sich auf dem Podest vor ihm bündelten, und er sprang voller Tatendrang auf die Füße.

Navi, die noch immer in seine Halsbeuge gekuschelt geschlafen hatte, fiel bei der plötzlichen Bewegung herunter und konnte sich gerade noch am Zipfel von Links Tunika festhalten. „Was zum Deku soll das?!“

„Oh, entschuldige Navi! Ich bin dermaßen gespannt darauf, ob sich der Schalter jetzt aktivieren lässt, dass ich vergessen habe, dass du auf mir liegst.“ Link zog ein entschuldigendes Gesicht, das seine Fee, die am Stoff seiner Kleidung emporkletterte, nicht sehen konnte und ignorierte ihr Gemecker.

Navi war schon immer ein wenig morgenmufflerisch veranlagt gewesen und derart unsanft geweckt zu werden, würde wohl jedem die Laune verderben…

Während seine Fee auf seiner Schulter Platz nahm und sich den Schlaf aus den Augen rieb, begab Link sich auf das Podest und leitete mit Hilfe des Spiegelschilds das Sonnenlicht auf den Sonnenschalter.

Für einen aufreibend langen Moment geschah gar nichts, was sogar Navi vor Anspannung ihre Schimpftirade unterbrechen ließ. Doch dann – endlich – begann der Mittelkristall zu glühen und ein mechanisch klingendes Schleifen verriet, dass irgendein Mechanismus in Gang gesetzt worden war.

Suchend sahen sich Krieger und Fee im Raum um, als plötzlich der Boden unter ihnen vibrierte und das Podest mit erschreckender Geschwindigkeit durch den Boden nach unten gelassen wurde.

Link griff reflexartig nach einer der dicken Ketten und klammerte sich daran fest, bis der improvisierte Aufzug endlich wieder zum Stehen kam.

Als die beiden Abenteurer feststellten, wo sie sich nun befanden, staunten sie nicht schlecht: Das Podest hing nun genau vor dem Gesicht der Nure-Onna-Statue, die mit ihrem kalten Lächeln aus der Nähe noch Furcht einflößender wirkte als aus der Ferne.

Link warf vorsichtig einen Blick über den Rand des Podests und bekam sofort weiche Knie. Neben ihm ging es bestimmt zehn Meter in die Tiefe.

Die dicke Kette noch immer umklammernd wandte sich der Herr der Zeiten wieder der Statue zu und stellte die entscheidende Frage: „Und was… äh… bringt uns das Ganze jetzt?“

„Ich weiß nicht.“ Navis Stimme klang genauso unsicher wie Link sich fühlte. „Vielleicht war das hier mal ein Aufzug, der als Abkürzung zwischen dem Erdgeschoss und den oberen Stockwerken fungieren sollte.“

„Du meinst, das Ding hängt nur fest, weil der Mechanismus verrostet ist und könnte jeden Moment weiter in die Tiefe stürzen?!“ Link starrte mit panisch geweiteten Augen in Richtung Boden.

„Vielleicht. Aber… hey! Warte! Hörst du das?“ Navi schloss die Augen, um besser hören zu können.

War da nicht gerade Gemurmel gewesen?

Nein… Sie musste es sich eingebildet haben.

Doch gerade, als sie ihrem Schützling sagen wollte, sie hätte sich geirrt, vernahm sie die leisen Stimmen wieder.

„Link! Da sind Stimmen!“ „Was?“ Der Herr der Zeiten sah sich verwirrt um, wobei er sich vorsichtig um die eigene Achse drehte.

Von wo sollten so hoch oben Stimmen kommen?

Plötzlich knackte etwas hinter dem jungen Krieger und Link wirbelte wieder herum. Über das Gesicht der Nure-Onna-Statue zog sich auf einmal ein länglicher Riss.

„Was zum…?“ Irritiert legten Recke und Fee die Stirn in Falten.

Woher kam auf einmal dieser Riss?

Während Link damit rechnete, jeden Moment von den Twinrova angegriffen zu werden, kam Navi plötzlich eine Erleuchtung: „Das Licht!“

„Was?“ Der Herr der Zeiten sah seine Begleiterin ratlos an. Diese deutete daraufhin nach oben, von wo noch immer goldene Sonnenstrahlen auf das Podest fielen. „Als du dich vorhin gedreht hast, hat das Spiegelschild Licht auf das Gesicht der Statue geworfen. Es ist nur eine vage Vermutung, aber vielleicht hat der Riss etwas damit zu tun.“

Link zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen, machte sich aber dennoch daran, erneut Sonnenstrahlen auf das Gesicht der Nure-Onna abzulenken. In diesem Tempel hatte es bereits so viele Rätsel gegeben, die mit der Sonne in Verbindung standen.

Warum nicht auch noch dieses?

Und tatsächlich!

Nach nur wenigen Sekunden platzte das Gesicht der Statue noch weiter auf und bröckelte ab, bis darunter eine reich verzierte Tür zum Vorschein kam.

„Navi, du bist hochoffiziell ein Genie!“ Link schnallte sich den Spiegelschild wieder auf den Rücken, während seine Fee triumphierend strahlte und in neckendem Ton fragte: „Das fällt dir erst jetzt auf?“

Normalerweise hätte Link daraufhin die Augen verdreht, doch stattdessen kratzte er allen Mut zusammen, nahm er Anlauf und sprang über die schmale Schlucht zwischen Podest und Statue zur Tür herüber. Er war sich sicher, sie hatten das Versteck der Twinrova gefunden.

Endlich war die Zeit gekommen, Naboru zu befreien!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  obelix
2017-12-13T20:49:33+00:00 13.12.2017 21:49
hi Labrynna

das Kapitel ist gut zu lesen und spannend . mal sehen wie link sich mit Twinrova schlägt . link soll wirklich denn Adelstitel bekommen und auch Zelda Leibwache werde weil er ja schon viel drauf hat und er kennt sich mit gefahren aus . ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

mfg obi
Antwort von:  Labrynna
13.12.2017 23:08
Die Twinrova (oder im Deutschen "die Killah Omaz") waren immer mein absoluter Lieblingsboss.
Ich hoffe, ich hab sie in meiner Geschichte zumindest ein bisschen so hinbekommen wie im Spiel.


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