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Ocarina of Time

von

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Die Kraft des Silbers

Als Link am nächsten Morgen erwachte, glaubte er für einen Moment, die zurückliegenden Abenteuer nur geträumt zu haben. Durch die vertraute Weichheit seines eigenen Bettes fühlte er sich wieder in die frühen Tage seiner Kindheit zurückversetzt und war sich sicher jeden Moment von einem Streich der anderen Kokiri-Jungen aus dem Bett geworfen zu werden.

Doch dann hörte er neben seinem Ohr eine helle Stimme, die einen undefinierbaren Laut von sich gab, und die Erinnerung kehrte schlagartig zurück.

Die Augen aufreißend setzte der Junge sich auf und betrachtete seine Fee, die neben seinem Kissen auf der Matratze lag und noch immer selig schlummerte. Navi lag mit angewinkelten Beinen auf der Seite und hatte ihren Kopf auf einen Unterarm gebettet. Ihr langes Haar fiel ihr wirr ins Gesicht und bedeckte es wie ein Schleier aus Goldfäden.

Link ließ seinen Blick langsam an seinem Körper herabwandern. Obwohl die großen und kleinen Feen, die ihn immer wieder geheilt hatten, ganze Arbeit geleistet hatten, war seine Haut von unzähligen Narben übersät, die sich hell gegen den sonnengebräunten Untergrund absetzten. Lediglich das kreisrunde Wundmal auf seinem Fußrücken wies eine rosa Färbung auf. Alle anderen schimmerten in dem grauen Licht der Morgendämmerung weißlich-silbern.

Es war also tatsächlich alles passiert…

Je wacher Link wurde, desto realer fühlten sich seine Erinnerungen wieder an, bis sie das Gewand eines Traumes schließlich ganz abgelegt hatten. Etwas ernüchtert sah Link sich der Tatsache gegenüber, dass er wirklich der Herr der Zeiten war.

So sehr er sich auch wünschen mochte, noch einige Tage in seinem Heimatdorf zu bleiben, diesen Luxus konnte er sich nicht erlauben. Auf ihn wartete eine große Aufgabe.

Aber vielleicht…?

Link erinnerte sich daran, dass Shiek ihm damals – war das wirklich erst ein paar Wochen her? – erzählt hatte, dass er nach einer Zeitreise wieder an genau dem Moment, in dem er das Master-Schwert in den Zeitfels gerammt hatte, ankommen würde.

Eigentlich konnte er so viel Zeit in der Vergangenheit verbringen wie er wollte, ohne dass er befürchten musste, wertvolle Stunden zu verplempern.

Link schwang die Füße aus dem Bett und stützte grübelnd die Ellbogen auf die Knie.

Vielleicht sollte er sich ein paar Tage Urlaub von seinem Schicksal nehmen. Dann könnte er etwas mit Salia unternehmen und eine Weile so tun als wäre er ein ganz normaler Junge, dessen größte Sorge es war, mit was er die Zeit zwischen den Mahlzeiten füllen sollte.

Der Gedanke daran, einfach blau zu machen, war so verlockend, dass es Link beinah das Herz zerriss.

Nach seiner Kleidung greifend gestand der junge Recke sich jedoch ein, dass es nichts weiter war als ein schöner Tagtraum.

Wenn er ehrlich zu sich war, wusste er genau, dass er die freien Tage sowieso nicht würde genießen können. Seine Queste würde die ganze Zeit über wie Gewitterwolken am Horizont lauern und jeden Entspannungsversuch überschatten.

Wie sollte er faulenzen können, wenn er genau wusste, dass ganze Nationen darauf warteten, dass er Ganondorf endlich in seine Schranken verwies?

Also zog Link sich fix an und sammelte seine Ausrüstung zusammen, bevor er Navi sanft mit dem Zeigefinger anstupste. „Hey, Schlafmütze. Es wird Zeit.“

„Hm?... Was?“ Das Feenmädchen rieb sich verschlafen über die Augen und gähnte herzhaft. „Ist es schon Morgen?“ „Ja. Die Sonne geht bereits auf. Wir sollten uns von Salia und Tia verabschieden und uns dann auf den Weg machen.“

Navi nickte und murmelte: „In Ordnung… bin gleich soweit.“ Dann rollte sie sich herum und kuschelte ihr Gesicht tief in Links Kissen. Dieser lachte und sagte: „Alles klar. Ich geh schon mal vor. Komm nach, wenn du wirklich wach bist.“ „Hm-mh.“
 

Wenige Minuten später klopfte Link an Salias Tür und staunte nicht schlecht, als seine beste Freundin ihm mit einem gutgelaunten Morgengruß öffnete.

Über ihre Schulter hinweg konnte der Junge einen liebevoll gedeckten Frühstückstisch entdecken, auf dem frisch gebackene Nussbrötchen, Schalen mit Waldbeeren, ein voller Milchkrug und ein Blumenbouquet standen. Tia schwebte über dem Tisch in der Luft und zupfte an ein paar Blüten herum, um sie perfekt auszurichten.

Einer inneren Eingebung folgend fragte Link verblüfft: „Ist das für mich?“ Salia lächelte und gab die Tür frei. „Ich dachte mir, du könntest ein anständiges Frühstück vertragen, bevor du dich wieder auf den Weg machst.“

Mit zwei langen Schritten war Link neben seiner Freundin und zog sie in seinen Arm. „Du bist die Beste! Ich danke dir.“ Im ersten Moment wirkte Salia überrascht, doch dann lehnte sie sich gegen Link und schloss ihn ihrerseits in die Arme.

Für eine Weile hielten die Beiden sich schweigend aneinander fest, bis Navi durchs offenstehende Fenster hereinplatzte und schimpfte: „Warum hast du mich nicht geweckt?!“

Salia und Tia rissen überrascht die Augen auf, während Link sich glucksend zu seiner Fee umdrehte. „Ich habe dich geweckt. Aber du wolltest ja nicht aufstehen und bist wieder eingeschlafen.“

„Was?“ Navi blinzelte ihren Schützling irritiert an. Doch dann stiegen vage Erinnerungen an Links vorherigen Worte aus ihrem Unterbewusstsein auf und die Fee lief rot an. „Ups!“

Die anderen Drei brauchen in losgelöstes Gelächter aus und Link stupste seine Begleiterin spielerisch mit dem Finger an. Navi schlug leicht nach seiner Fingerkuppe und streckte ihm die Zunge heraus, was er ihr mit gleicher Münze heimzahlte.

Salia schüttelte mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf und sagte: „Also, ich habe inzwischen gewaltigen Hunger. Wer leistet mir beim Essen Gesellschaft?“

Schneller als sie gucken konnte, saß Link am Tisch und grinste sie über die Schulter hinweg an. Angesichts des überraschten Gesichtsausdrucks seiner besten Freundin zuckte er mit den Achseln und murmelte: „Was denn? Ich dachte, wir wollten essen?“

Während Salia sich kichernd zu ihm an den Tisch setzte, verabschiedeten Navi und Tia sich, um draußen auf dem Dach ein wenig Sonne zu tanken und ihrerseits zu frühstücken. Link machte sich wie ein ausgehungerter Wolf über das Essen her und seufzte wohlig auf.

Wie hatte er Salias Nussbrötchen vermisst!

Salia hingegen stocherte trotz ihres angeblichen großen Hungers nur in ihrer Waldbeerenschale herum und beobachtete ihren besten Freund mit einem wehmütigen Schatten in den Augen. Als er ihren betretenen Gesichtsausdruck bemerkte, würgte Link schnell den letzten Bissen seines Brötchens herunter und fragte: „Was hast du?“

„Nichts, schon gut.“ Das Kokiri-Mädchen versuchte zu lächeln, was ihm jedoch nur halb gelang. Link zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir das abkaufe.“

Ein tiefer Seufzer hob und senkte Salias Brust, bevor das Mädchen schließlich gestand: „Ich mache mir Sorgen um dich. Wenn es nach mir ginge, würdest du nicht wieder gehen. Aber ich weiß, dass meine Meinung hier nichts zählt. Das Thema hatten wir schon.“

Salia winkte resigniert ab, aber Link schob ihr über den Tisch hinweg eine Hand zu. Als Salia ihre darauflegte, umfasste er fest ihr Handgelenk und versprach geradezu feierlich: „Ich werde auf mich aufpassen.“

Ein weiteres halbgares, die Augen nicht erreichendes Lächeln huschte über das Gesicht des Mädchens. „Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst. Du weißt selbst nicht, was auf dich zukommt.“

Bei dem Gedanken an all die Gefahren, die womöglich auf ihren besten Freund warteten, zog sich alles in Salia zusammen und ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Um sich selbst davon abzulenken, fragte sie betont unbeschwert: „Kommst du mich in der Zukunft besuchen?“

Links Miene verdüsterte sich schlagartig und er zog seine Hand zurück. „Ja… Wir werden uns in der Zukunft wiedersehen.“ Salias Herz setzte einen Schlag lang aus und hämmerte dann fast doppelt so schnell wie normal.

Warum konnte er ihr auf einmal nicht mehr in die Augen sehen?

Was passierte in sieben Jahren?

Gerade, als sie ihn danach fragen wollte, schob Link geräuschvoll seinen Stuhl nach hinten und sagte: „Ich denke, es ist an der Zeit, aufzubrechen.“ Den Blick hielt er dabei stur auf die Tischplatte gerichtet, sodass ihm seine langen Ponyfransen tief ins Gesicht hingen und Salia seine Mimik nicht sehen konnte. Dann wandte er sich abrupt ab und marschierte nach draußen.

Salia sah ihm wie vom Donner gerührt hinterher und folgte mit einiger Verzögerung. Als sie draußen ankam, hatte Link sich bereits von Tia verabschiedet und eine blaue Okarina hervorgeholt. Sein Antlitz wirkte verschlossen, was Salia die Frage nach der Okarina, die sie ihm vor seinem Aufbruch geschenkt hatte, herunterschlucken ließ.

Stattdessen umarmte sie ihn nur und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich werde dich vermissen. Komm bald wieder. Und pass auf dich auf.“

Link drückte sie kurz an sich und entgegnete: „Mach dir keine Sorgen. Mir wird schon nichts passieren – schließlich hab ich ja Navi, die über mich wacht.“ In diesem Moment klang er fast wieder wie der alte Link und Salia versuchte, sich einzureden, dass sie sich seine merkwürdige Reaktion von vorhin nur eingebildet hatte.

Sobald Link und Salia sich voneinander gelöst hatten, hielt die Kokiri Navi einen Finger hin, um sich auch von der Fee zu verabschieden. Navi umfasste die Fingerkuppe mit beiden Händen und schüttelte sie, während Link die Okarina an seine Lippen führte und die Kantate des Lichts spielte.

Salia spürte noch den schwachen Druck von Navis Händen an ihrer Fingerspitze, als die beiden Abenteurer sich auch schon in eine Wolke aus gelb glühenden Lichtkugeln verwandelten und davon schwebten.

Während Salia den Lichtern zusah wie sie am Horizont verschwanden, liefen dicke Tränen über ihre Wangen. Tia strich ihr beruhigend übers Haar, doch Salia konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass etwas Schreckliches passieren würde.
 

Einen augenaufschlagkurzen Moment später fanden Link und Navi sich in der Zitadelle der Zeit wieder. Das silbrige Licht der Mittagssonne fiel schräg durch die vielen Bleikristallfenster und malte hübsche Muster auf den Boden.

Link hatte dafür jedoch keine Augen.

Er marschierte schnurstracks auf den Zeitfels zu, ohne nach rechts oder links zu blicken. Das Gespräch mit Salia hatte ihn daran erinnert, dass er in eine Zukunft zurückkehren würde, in der seine beste Freundin tot war und nur noch als körperlose Seele existierte. Genau wie Darunia, Ruto, Impa und bald auch Naboru.

Selbst wenn er Ganondorf besiegen würde, der Preis erschien ihm viel zu hoch.

Navi saß wie so oft auf seiner Schulter und betrachte besorgt die verbitterte Miene ihres Schützlings. Sie hatte Angst, dass all das Leid, dass Link auf seiner Queste sehen und erleiden musste, ihren Freund eines Tages brechen würde.

Wie viele Qualen konnte ein Geist ertragen, bevor er brach?

Um sich selbst von ihren düsteren Gedanken abzulenken, sagte sie in die Stille: „Ich bin gespannt, wie dir die Krafthandschuhe stehen werden.“

Link warf ihr einen Seitenblick zu und verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen: „Wenn sie meinem Teint nicht schmeicheln, lässt du sie mich bestimmt wieder ausziehen und zwingst mich dazu, die Mission abzubrechen.“

Im ersten Moment blinzelte die Fee irritiert, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie vor einigen Wochen darauf bestanden hatte, dass Link seine Mütze absetzte, weil sie farblich nicht zu der Goronen-Rüstung gepasst hatte. Rotanlaufend setzte Navi zu einer schnippischen Entgegnung an, doch dann lachte Link leise über ihr Erröten und sie schwieg.

Sie hatte Links betrübte Stimmung offenbar vertrieben.

Was wollte sie mehr?

Der Knabe hatte inzwischen das Master-Schwert erreicht und legte die Hände auf die Vogelschwingen-ähnlichen Parierstangen. „Diesen Teil mag ich nicht besonders“, gestand er mit resigniert klingender Stimme.

Seine Fee nickte verstehend. „Es fühlt sich widerlich an, wenn der Körper so schnell wächst“, stimmte sie ihm zu, „aber das Schlimmste sind die Knackenden Geräusche. Als würde ein Wolf Knochen zerbeißen.“

„Oder als ob meine Sehnen reißen.“ Link schüttelte sich bei der Erinnerung an die ihm bevorstehenden Minuten und seufzte dann auf. „Aber es nützt ja nichts…“

Mit diesen Worten umfasste er das Schwertheft und zog die heilige Klinge aus dem Portal.

Sofort schoss das bereits bekannte, blendende Licht aus dem Schlitz und hüllte die beiden Abenteurer ein. Kurz darauf begannen ihre Körper, sich zu verändern.

Der Junge kniff die Augen fest zusammen und umklammerte mit zusammengebissenen Zähnen den Griff seines Schwertes, während sein Kinderkörper zu dem eines Mannes heranwuchs. Navi krallte sich in seinen Haaren fest und stieß ein unterdrücktes Wimmern aus.

Nur Sekunden später zog sich das Licht wieder zurück und die Zeitreise war beendet.

Blinzelnd schlugen der Herr der Zeiten und seine Begleiterin die Augen wieder auf. Navi schüttelte ihre Glieder aus und brummte: „Dafür sollte es von den Göttinnen eine Extrabelohnung geben!“

Link schälte sich vorsichtig aus seiner zu klein gewordenen Kindertunika und lachte in sich hinein. „Ich glaube nicht, dass wir da etwas zu erwarten haben. Sowas gehört wohl zum Heldendasein einfach dazu.“

„Mag sein“, räumte die junge Fee ein und stieß sich von der Schulter ihres Schützlings ab, um ihn beim Umkleiden nicht zu belästigen. „Aber unfair ist es trotzdem.“

Link zog seinen Hylia-Schild sowie die Scheide des Master-Schwerts aus seinem Wunderbeutel und zuckte mit den Achseln. Dann schnallte er sich beides um, schob die heilige Klinge in ihr Futteral und holte die Krafthandschuhe hervor.

Die fein gearbeiteten Silberplatten sahen aus wie die Schuppen eines Reptils. Link erinnerte sich dunkel daran, was der Deku-Baum früher über Drachen erzählt hatte.

Manche dieser mystischen Wesen sollten fast genauso alt gewesen sein wie die Göttinnen selbst. Außerdem sagte man ihnen magische Fähigkeiten nach. Drachenblut heilte angeblich jede noch so schwere Verletzung, der Zahn eines Drachen sollte Mut verleihen und eine Rüstung aus Drachenhaut galt als undurchdringlich.

Mit einem Schauern dachte der Herr der Zeiten daran, wie schwer es gewesen war, Volvagias Panzer zu durchdringen und den Feuerdrachen niederzustrecken. Er konnte sich gut vorstellen, dass man aus der Haut des Lindwurms eine besonders robuste Rüstung hätte anfertigen können.

Es war zu schade, dass die sterblichen Überreste des Drachen damals in der Lava versunken waren. Link hätte einiges für einen Brustharnisch aus Drachenschuppen gegeben.

Ob die Silberplättchen auf den Krafthandschuhen tatsächlich von einem Drachen stammten?

Bezog das Relikt seine besondere Macht aus der Magie eines dieser mystischen Wesen?

Vielleicht waren die filigran gearbeiteten Platten jedoch auch nur die Arbeit eines wirklich begabten Schmiedes und die kraftsteigernde Wirkung der Handschuhe war das Ergebnis eines uralten Zaubers – oder nur eine Legende.

„Wird Zeit, diese Dinger mal auszuprobieren. Oder was denkst du?“ Link deutete mit dem Kinn auf die Handschuhe in seiner Hand und sah seine Fee erwartungsvoll an. Er wusste, dass sie ebenso wie er darauf brannte, zu erfahren, ob das alte Gerudo-Relikt tatsächlich funktionierte. Entsprechend begeistert nickte Navi. „Oh ja!“

So schnell er konnte, streifte Link die Krafthandschuhe über und staunte nicht schlecht. Es war fast als wären sie für ihn gemacht worden – sie passten perfekt!

Ansonsten passierte jedoch gar nichts und der Herr der Zeiten sah seine Mission bereits gescheitert.

Wie sollte er Naboru bloß aus den Fängen der Twinrova befreien?!

Doch dann ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper, so als würden sich all seine Muskeln gleichzeitig anspannen. Der junge Mann riss überrascht die Augen auf und keuchte, als ein reißender Schmerz in seine Oberarme schoss. Es fühlte sich an als schwellten seine Bizepse an, bis die Fasern unter dem Druck zerplatzten.

Dicke Schweißperlen traten ihm auf die Stirn und Navi legte besorgt die Stirn in Falten. „Was hast du?“ Link öffnete den Mund, um zu antworten, aber alles, was er herausbekam, war ein gequältes Keuchen.

Am liebsten hätte er sich die Handschuhe heruntergerissen, doch er war halsabwärts vollständig gelähmt.

Navi umflatterte aufgeregt seinen Kopf und streckte immer wieder die Hand nach ihm aus, berührte ihren Schützling dann allerdings doch nicht, aus Angst, seine Qualen dadurch noch schlimmer zu machen. „Was kann ich tun?“ Die Fee hasste es, mal wieder keine Hilfe sein zu können.

Nur langsam ließ der Schmerz nach und Link atmete erleichtert auf, als seine Beweglichkeit zurückerhielt. Vorsichtig beugte er die Arme, die nun nur noch leicht prickelten und vor Kraft nur so zu strotzen schienen.

Navi schwebte eine bekümmerte Miene ziehend vor seinem Gesicht. „Geht’s wieder?“ „Denke schon.“ Link klang noch ein wenig atemlos, aber allmählich wurde sein Körper von seinen Armen ausgehend von einem Pulsieren erfasst, das ihn sich so gut wie lange nicht mehr fühlen ließ.

Er fühlte sich auf einmal ausgeruht und fit – als könnte er Bäume ausreißen!

„Meinst du, es hat funktioniert?“ Navi schaute zweifelnd. Offenbar hielt sie Links Reaktion auf die Krafthandschuhe für ein schlechtes Zeichen.

„Das werden wir gleich sehen.“ Link steckte eine Hand in seinen Wunderbeutel und zog eine Deku-Nuss hervor. Seine Fee zog irritiert die Augenbrauen in die Höhe, sagte jedoch nichts.

„Die Schale dieser Nüsse ist unglaublich hart, richtig?“, wollte Link mit einem aufgeregten Funkeln in den Augen wissen. „Ja.“ Navi nickte. „Um sie zu öffnen, muss man sie mit voller Wucht auf den Boden werfen, weil man anders nicht genügend Kraft aufbringen kann, um ihre Schale zu zerbrechen, richtig?“

Was sollte dieses Ratespielchen?

Navi verschränkte die Arme vor der Brust und presste missbilligend die Lippen aufeinander. „Ja. Aber worauf willst du hinaus?“

Als Link daraufhin langsam die Hand schloss und seine Fee mit einem triumphierenden Grinsen ansah, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen!

Nur Sekunden später riss die Schale der Nuss mit einem lauten Knacken auf und gleißende Lichtstrahlen schossen zwischen Links Fingern empor. Navis Verblüffung wurde perfekt, als Link die Hand kurz darauf wieder öffnete und ihr die krümeligen Nussreste auf seiner Handfläche zeigte.

Er hatte nicht nur eine Deku-Nuss mit bloßer Hand geknackt – er hatte sie regelrecht pulverisiert!

Während Navi noch nach Worten suchte, wischte Link sich bereits die Hand sauber und sagte: „Ich würde sagen, im Geistertempel wartet ein ganzer Flügel darauf, von uns erkundet zu werden.“

Er hatte sich die Okarina der Zeit bereits an die Lippen gesetzt und wollte gerade anfangen, das Requiem der Geister zu spielen, als Navi ihre Sprache wiederfand: „Das ist fantastisch. Aber etwas stört mich.“

Überrascht ließ Link sein Instrument wieder sinken und sah seine Freundin fragend an. Dieser stahl sich daraufhin ein breites Grinsen auf die Lippen. „Mit den eingearbeiteten Rubinen passen die Krafthandschuhe viel besser zu deiner Goronen-Rüstung als zu der grünen Tunika…“

Link rollte zur Antwort mit den Augen. „Nein, Navi, einfach nur nein…“

Das Lachen der Fee hing noch in der Luft, als sich die Körper der beiden Abenteurer bereits in orange leuchtende Lichtkugeln aufgelöst hatten und in Richtung Wüste davon flogen.
 

Wenig später fanden sich der Herr der Zeiten und seine Fee auf der Teleportierplattform in der Nähe der Göttin der Zeit wieder. Während Navi zu der riesigen, steinernen Frau empor sah und wieder einmal von Bildhaukunst der Gerudos fasziniert war, trat Link an den Rand der Steinplatte und zog ein missmutiges Gesicht.

Beinah hätte er die mörderischen Kakteen-Monster vergessen, die tief im Sand verborgen lauerten. Als Kind war es verhältnismäßig leicht gewesen, vor ihnen davon zu laufen, doch als Erwachsener würde er wieder so tief im Sand versinken, dass an schnelles Rennen kaum zu denken war.

Aber vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Monster auszutricksen…

Als ihm eine Idee kam, schätzte Link sogleich die Entfernung bis zum Eingangsportal des Tempels und bewegte abwägend den Kopf hin und her.

Wenn er sich beeilte, war es vielleicht möglich… Mit etwas Glück…

„Was machst du da?“ Navi zog irritiert die Augenbrauen in die Höhe und beobachtete neugierig, wie ihr Schützling sich auf den Boden hockte und seine Stiefel auszog.

Dieser sah mit einem verschmitzten Grinsen zu ihr auf und sagte: „Ich überprüfe den Wahrheitsgehalt deiner Theorie.“ Noch verwirrter als zuvor blinzelte Navi zu ihrem Freund herunter. „Was meinst du?“

„Erinnerst du dich nicht? Als wir in der Vergangenheit hier ankamen, hast du vermutet, dass mich diese Kakteen-Viecher aufspüren können, weil ich auf den Sand trete oder so.“

„Durch die Bewegung, die durch deine Schritte zwischen den Sandkörnern entsteht und als Vibrationswellen über weite Strecken getragen wird, ja. Aber worauf willst du–“ Als Navi die Gegenstände erkannte, die ihr Begleiter aus seinem Lederbeutel zog, wurde ihr Links Plan schlagartig klar.

Die Pegasus-Stiefel!

Aber natürlich!

Dass sie selbst nicht auf diese Idee gekommen war!

Durch das Luftkissen, dass die Stiefel zwischen ihrer Sohle und dem Boden schufen, würden keine Vibrationswellen entstehen, wenn Link zum Tempeleingang herüberlief.

„Clever!“, lobte die Fee und lächelte ihren Schützling warm an. Dieser strahlte bei dem Lob wie ein Honigkuchenpferd, zog jedoch kurz darauf wieder eine ernste Miene. „Ich hoffe nur, dass die Wirkung der Stiefel lange genug anhält, um den Tempel zu erreichen.“

„Selbst wenn nicht“, Navi zuckte mit den Schultern, „du verschaffst dir auf jeden Fall einen Vorteil.“ Zustimmend nickend stand Link wieder auf, atmete kurz durch und rannte dann so schnell er konnte auf den Geistertempel zu.

„Es klappt!“ Navi jubelte und vollführte einen kleinen Freudentanz, während sie die Wüste vergeblich nach den Kakteen-Monstern absuchte. Nirgends war auch nur eine der stachelbewehrten Pflanzen zu sehen.

Mit einem Hechtsprung überbrückte Link die letzten Meter zum Eingangsportal des Geistertempels, bevor das Luftkissen unter seinen Sohlen aufgebraucht war. Es war knapp gewesen, doch er hatte es tatsächlich geschafft, ohne ein einziges Kakteen-Wesen hervorzulocken.

Während er wieder zu seinen üblichen Lederstiefeln wechselte, um Schuhwerk mit gutem Profil und damit festen Stand zu haben, schwebte Navi vor sein Gesicht und grinste ihn breit an. „Sag es“, forderte sie, „ich bin so gut!“

Link stieß ein leises Lachen aus. „Und vor allem so bescheiden… Aber ich gebe zu: Ohne deine ewige Klugscheißerei hätte mir wohl eine weitere Hetzjagd durch die Wüste bevor gestanden. Danke.“

Die Fee hob einen Zeigefinger und öffnete den Mund, schloss ihn jedoch sogleich wieder. Sie hatte keine Ahnung, wie sie auf die Entgegnung ihres Schützlings reagieren sollte.

Sollte sie beleidigt sein, weil er ihre gutgemeinten Ratschläge und Tipps als Klugscheißerei abgewertet hatte?

Oder sollte sie sich freuen, dass er sich einen ihrer Beiträge zu Herzen genommen und sich sogar bei ihr bedankt hatte?

Beim Anblick ihres rätselnden Gesichtsausdrucks, kicherte Link unterdrückt in sich herein. Dann deutete er mit dem Kinn auf den Tempeleingang. „Komm. Wir haben noch etwas zu erledigen.“
 

Das Innere des Geistertempels empfing die beiden Abenteurer mit dem wohlbekannten, leicht modrigen Geruch alter Gemäuer. Während Navi reflexartig die Nase kräuselte, hielt Link mit langen Schritten auf den dunklen Granitblock zu, der den Weg in die Tiefen des Tempels versperrte.

„Dann wollen wir mal sehen, zu was ich dank der Krafthandschuhe nun in der Lage bin.“ Der Herr der Zeiten verschränkte seine Finger ineinander, drehte seine Hände so, dass die Handrücken zu ihm zeigten und drückte die Ellbogen durch. Das Knacken der gedehnten Gelenke hallte unnatürlich laut durch die Stille des fast leeren Vorraums und ließ Navi sich angewidert schütteln.

„Ich hab dir schon hundert mal gesagt, dass du das lassen sollst“, tadelte die Fee mit beleidigter Miene, doch Link winkte nur ab. „Ja, ja, ich weiß. Es ist nicht gut für meine Gelenke und wenn ich mal alt bin, fallen mir die Finger ab. Blablabla…“

„Entschuldige, dass ich mir Sorgen um dich mache!“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust und reckte beleidigt das Kinn in Richtung Decke. Link grinste in sich hinein.

Es war so simpel, seine Fee zu ärgern, dass er es sich manchmal einfach nicht verkneifen konnte… Zum Glück war sie nicht besonders nachtragend und vergaß seine Neckereien schnell, sobald sich eine neue Situation ergab.

Also kümmerte sich der Herr der Zeiten überhaupt nicht um seine schmollende Fee und lehnte sich stattdessen gegen den Granitblock. Die Energie, die seit dem Anziehen der Krafthandschuhe durch seinen Körper pulsierte, schien sich noch zu intensivieren, als Link nun seine Muskeln anspannte und so kräftig schob wie er nur konnte.

Für einen kurzen Moment passierte gar nichts, doch dann ließ sich der riesige Steinklotz endlich bewegen. Das schleifende Geräusch, das dabei entstand, ließ Navi die Nackenhaare zu Berge stehen. Irgendwie erinnerte es sie an das schauerliche Kreischen von Fingernägeln auf Schiefer.

„Wie weit muss ich das Ding denn noch schieben?!“ Nach einigen Minuten stand Link der Schweiß bereits auf der Stirn und der junge Mann keuchte wie nach einem Dauerlauf. Obwohl die antiken Handschuhe seine Kraft mehrten, war es noch immer sehr anstrengend, den Granitblock zu bewegen.

Navi flog nah an den Steinklotz heran und versuchte, durch den schmalen Spalt zwischen Block und Wand hindurch zu spähen. „Keine Ahnung. Ich kann leider überhaupt nichts erkennen.“ „Na toll…“ Link seufzte tief auf und versuchte, seine verbliebenen Kraftreserven zu sammeln.

Nach weiteren drei Metern drohte der Herr der Zeiten allmählich schlapp zu machen. Gerade, als er mit dem Gedanken spielte, eine Pause zu machen, passierte jedoch etwas Unvorhergesehenes: der Granitblock kippte nach vorne und rutschte auf einmal rasend schnell nach unten. Das Dröhnen, mit dem der zentnerschwere Steinklotz auf dem Boden aufschlug, schien den ganzen Tempel erzittern zu lassen.

Link, der bei dem plötzlichen Wegrutschen des Blocks das Gleichgewicht verloren hatte und lang hingeschlagen war, rappelte sich langsam wieder auf und sah sich irritiert um. „Was ist passiert?“

Navi landete vor ihm und warf einen Blick über die Schulter nach hinten, dorthin wo der Granitklotz im Boden versunken zu sein schien. „Wie es aussieht, befand sich hier eine große Grube. Als du den Block weit genug über die Kante geschoben hast, kam die Schwerkraft zum Tragen und der Klotz ist von alleine ins Loch gerutscht.“

Der Herr der Zeiten wischte sich mit grimmigem Gesichtsausdruck ein wenig Blut von der Lippe, die er sich beim Sturz aufgebissen hatte. „Ein Warnhinweis oder so etwas in der Art wäre nett gewesen... ‚Vorsicht – Block verselbstständigt sich‘ oder so.“

Schmunzelnd erhob Navi sich wieder in die Lüfte. Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, fand sie, dass Link es durchaus verdient hatte, auf die Nase zu fallen. Das war die gerechte Strafe dafür, dass er sie zuvor geärgert hatte. Doch anstatt ein Wort darüber zu verlieren, sagte sie nur: „Wie auch immer. Du hast es geschafft. Der Weg ist endlich frei.“
 

Kaum, dass Link ein paar Schritte in den hinter der Grube liegenden Raum gemacht hatte, wurde er auch schon von einem ihm entgegen geschleuderten Feuerstrahl empfangen. Es gelang dem Herrn der Zeiten nur knapp, sich mit einem Hechtsprung aus der Gefahrenzone zu katapultieren.

„Pass auf, Link! Ein Strahlenzyklop!“ Navi deutete mit ausgestrecktem Arm auf eine schmale Statue in der Raummitte, deren oberster, wie ein Auge geformter Teil sich langsam um die eigene Achse drehte.

Link wusste bereits von früheren Begegnungen mit den Zyklopenstatuen, dass sie mit einem Zauber versehen waren, der sie Bewegungen wahrnehmen ließ. Sobald die Statuen eine Regung bemerkten, feuerten sie magische Flammen auf den vermeintlichen Eindringling.

„Danke für die frühzeitige Warnung…“, grummelte der Herr der Zeiten in sich herein, während er versuchte, absolut reglos auf dem Boden zu verharren. Selbst zu atmen erschien dem jungen Mann als zu riskant.

Erst, als sich das Auge der Statue von ihm abgewendet hatte, erwachte Link wieder aus seiner Starre. So schnell er konnte, holte er eine Bombe aus seinem Wunderbeutel. Bevor er diese entzünden konnte, musste er jedoch wieder erstarren, weil das Statuenauge zu ihm zurückkam.

Schon jetzt traten Link vor Anspannung dicke Schweißtropfen auf die Stirn, doch Navis plötzlicher Zwischenruf machte die Situation noch schlimmer: „Vorsicht, Link! Da sind Feuerflatterer! Ganz in deiner Nähe!“

Das hatte ihm gerade noch gefehlt!

Wenn er sich jetzt bewegte, würde der Strahlenzyklop ihn rösten. Wenn er jedoch darauf wartete, dass sich das Auge wieder genügend von ihm abgewendet hatte, würden ihn womöglich die Fledermäuse angreifen und verraten.

Im schlimmsten Fall würden sie sogar die Bombe zum Explodieren bringen…

Navi, die außer Reichweite des Strahlenzyklopen sicher in der Luft schwebte, kaute nervös auf ihrer Unterlippe, während ihre Blicke zwischen ihrem Schützling, der Statue und den schnell näher kommenden Flugtieren hin und her zuckten.

Wenn sie doch nur kämpfen könnte…

Dann hätte sie Link ein wenig Zeit verschaffen können!

Die Feuerflatterer hatten Link schon fast erreicht, als der Strahlenzyklop sein Auge endlich weit genug bewegt hatte. Obwohl die Statue nur Sekunden für eine ganze Umdrehung brauchte, fühlte sich die Wartezeit für den jungen Mann wie eine Ewigkeit an.

Da ihm nur wenig Zeit zum Handeln blieb, hechtete Link mit einem beherzten Sprung auf die brennenden Fledermäuse zu. Während er mit der rechten Hand die Bombenlunte an einem ihrer Flügel entzündete und die explosive Kugel zum Strahlenzyklopen herüberwarf, zog er mit der anderen das Master-Schwert.

Die heilige Klinge zischte durch die Luft und streckte die Feuerflatterer nieder, bevor diese ihre scharfen Krallen in Links Fleisch hatten schlagen können. Von dem lauten Knall der Explosion begleitet, landete der Herr der Zeiten sicher wieder auf dem Boden.

Der Körper des Strahlenzyklops wurde von der Detonation fast vollständig zerrissen. Vereinzelt war das Klacken kleiner, auf dem Boden auftreffenden Gesteinsbrocken zu hören, aber der Großteil schien zu Steinmehl zermalmt worden zu sein.

Der Statuenkopf hingegen war von der Detonationswelle vom Rumpf getrennt und hoch in die Luft geschleudert worden. Sich wild überschlagend stieß das Auge unkontrolliert magisches Feuer aus, bevor der Kopf gegen die nächste Wand prallte und explodierte.

Link, der wie durch ein Wunder von den Feuerfontänen nicht verletzt worden war, trat mit der Stiefelsohle kleine Flämmchen aus, die sich durch den nachtblauen Langflorteppich fraßen. Dann wandte er sich der rückwärtigen Wand zu.

Dort, wo der Kopf des Strahlenzyklopen aufgekommen war, prangte ein pechschwarzer Brandfleck. Interessanter waren jedoch die drei Türen, die aus dem Raum herausführten.

Die Tür direkt vor dem Herrn der Zeiten war mit einem massiven Schloss versehen, die beiden Türen links und rechts waren von dicken Eisenstäben versperrt.

„Hier muss es irgendwo einen Schalter geben, der die Eisenstangen verschwinden lässt. Hilf mir suchen“, wandte der junge Held sich an seine Fee. Diese sah ihn jedoch aus großen Augen an und deutete auf eine seiner langen Ponysträhnen. „Ähm… Link… du… äh… brennst.“

„Oh!“ Erschrocken machte der Recke einen Satz zurück, obwohl er rational wusste, dass er vor seinen eigenen Haaren nicht zurückweichen konnte. Dann beugte er sich vor, um etwas Abstand zwischen sein Gesicht und die Flammen zu bringen und schlug das Feuer mit seinen Handschuhen aus.

Erst danach machten Krieger und Fee sich daran, nach einem Schalter zu suchen – jedoch ohne Erfolg.

Navi hatte jede Ecke des Raums bereits mehrfach abgesucht, als sie sich schmollend auf Links Schulter hockte. „Es gibt hier keinen Schalter!“ „Es muss einen geben!“ Der Herr der Zeiten tastete zum wiederholten Male die Wand ab.

„Vielleicht haben wir etwas übersehen. Womöglich gibt es im Gang noch eine Abzweigung, die wir vorhin wegen des Granitblocks nicht bemerkt haben“, gab Navi zu bedenken.

Link ließ von der Wand ab und warf seiner Fee einen Seitenblick zu. „Meinst du?“ „Weiß nicht. Aber es könnte doch sein, oder nicht? Jedenfalls wäre es besser nachzuschauen als sich hier dumm und dämlich zu suchen.“ „Hm… Vermutlich hast du Recht.“

Der Herr der Zeiten wandte sich nickend um und wollte gerade den Raum verlassen, als ihm etwas an der Decke auffiel. „Hey, Navi, was ist das?“ Die Fee folgte seinem ausgestreckten Arm mit den Augen und betrachtete das oktaederförmige Glasgebilde, das von der Decke hing.

Zunächst hielt sie es lediglich für Deckenschmuck, doch dann erinnerte sie sich daran so etwas Ähnliches bereits im Wassertempel gesehen zu haben – kurz bevor sie sich so stark verletzt hatte, dass Shiek sie hatte heilen müssen.

„Link, du bist ein Genie!“ Ein breites Grinsen hatte sich auf die Lippen der Fee geschlichen und sie strahlte ihren Begleiter freudig an. „Ich denke, du hast den Schalter gefunden. Versuch’s mal mit dem Enterhaken.“

Nickend holte der Herr der Zeiten das angesprochene Werkzeug hervor und suchte sich einen festen Stand. Dann legte er an, zielte und schoss ab. Die scharfkantige Spitze des Enterhaken zischte vom Rasseln der an ihr befestigten Kette durch die Luft, knallte gegen das von der Decke hängende Gebilde, prallte ab und fiel zu Boden.

Das Gehäuse des Enterhakens noch in der Hand starrte Link wie gebannt auf das silbrige Innere des Oktaeders. Navi hingegen behielt die beiden Türen im Auge.

Für einen nervenaufreibend langen Moment geschah nichts, aber dann färbte sich das Oktaederinnere golden und kurz darauf erklang das schleifende Geräusch der in den Boden gleitenden Eisenstangen.

Link betätigte den Aufrollmechanismus und verstaute sein Werkzeug wieder in seinem Wunderbeutel, bevor er sich zu den Türen umwandte und murmelte: „Ene, mene, miste… Welchen Weg wollen wir nehmen?“
 

Navi wiegte den Kopf hin und her und zuckte ratlos mit den Schultern. „Weiß nicht. Als wir als Kinder hier waren, sind wir drüben im anderen Flügel zuerst nach rechts gegangen und das war falsch.“

„Na und?“ Link zog fragend eine Augenbraue in die Höhe und warf seiner auf seiner Schulter sitzenden Fee einen irritierten Seitenblick zu. „Was hat das denn damit zu tun?“

„Ist dir das noch gar nicht aufgefallen?“ Navi stand auf und machte eine Handgeste, die den gesamten Raum einschließen sollte. „Diese Seite des Tempels ist anscheinend ganz genauso aufgebaut wie der gegenüberliegende Flügel. Langer Flur, runder Raum, drei Abzweigungen…“

Der Herr der Zeiten nickte verstehend, als er die Ähnlichkeit des Aufbaus nun ebenfalls bemerkte. „Das bedeutet, rechts ist eine Sackgasse. Also gehen wir nach links!“

Noch bevor Link einen Fuß vor den anderen hatte setzen können, wandte Navi jedoch ein: „Vielleicht. Möglicherweise ist dieser Flügel aber auch spiegelverkehrt angeordnet.“

„Höh?“ Link zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Du hast doch gerade erst gesagt–“ „Ich weiß, was ich gesagt habe“, fiel Navi ihm ins Wort. „Aber überleg doch mal. Die beiden Flure führten in unterschiedliche Richtungen, so als wären sie an einer Längsachse gespiegelt worden. Womöglich gilt das für den ganzen Aufbau des Tempels.“

Grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne ziehend, fasste Link zusammen: „Das würde bedeuten, dass die rechte Tür die richtige ist.“ „Genau!“ Navi nickte eifrig. „Ich bin mir nur leider nicht sicher… Dieser Tempel ist voller Fallen… Vielleicht soll man auch nur denken, dass die rechte Tür richtig ist – dabei lauert dort nur der Tod.“

Die Fee zog ein bekümmertes Gesicht und krampfte sich die Hände in ihr langes Haar, während sie zu entscheiden versuchte, was das Logischste war.

Ihr Schützling zuckte jedoch nur die Schultern und beschied ihr: „Du denkst zu viel.“ Mit diesen Worten hielt er entschlossen auf die linke Tür zu.
 

Der Raum dahinter war sehr groß und durch einen breiten Graben in der Mitte geteilt. Der Herr der Zeiten trat an den Rand und grinste seine Fee breit an. „Du hattest Recht. Dieser Tempelflügel ist wirklich identisch aufgebaut wie der andere. Der einzige Unterschied ist, dass diese Kluft mit Sand gefüllt ist.“

Dann hob er den Kopf und suchte die gegenüberliegende Wand mit den Augen ab. „Irgendwo dort muss es einen Durchgang in den rechten Raum geben. Drüben war das jedenfalls so. Navi, kannst du mal rüber fliegen und dir das Ganze aus der Nähe ansehen?“

Anstatt auf die Bitte ihres Begleiters einzugehen, betrachtete die Feenfrau jedoch nur mit besorgter Miene die Grube vor ihnen. „Hey, Link. Findest du nicht auch, dass dieser Sand irgendwie merkwürdig aussieht?“

„Nein. Inwiefern?“ Der Herr der Zeiten machte große Augen und schüttelte den Kopf. Navi zog grübelnd die Augenbrauen zusammen, sodass eine tiefe Furche zwischen ihnen entstand. „Ich weiß nicht. Irgendwie sieht er aus als würde er sich bewegen. Irgendwo habe ich sowas doch schon mal gesehen…“

Irgendetwas war hier nicht in Ordnung.

Ihre Feensinne verrieten Navi deutlich, dass Gefahr drohte. Leider konnte sie sich keinen Reim darauf machen, worin die Gefahrenquelle bestehen sollte. Ein leerer Raum mit etwas Sand stellte wohl kaum ein Risiko dar.

Gerade, als Navi sich fragte, ob sie die Stimme des Tempels missverstand, ertönte von hinten ein schauriges Grollen.

Die beiden Abenteurer wirbelten herum und schnappten überrascht nach Luft. Ein riesiger, struppiger Wolf schlich sich in leicht geducktem Gang an sie heran und bleckte seine langen, gelblichen Zähne.

„D-Der sieht hungrig aus…“ Navi schluckte hart und wunderte sich stumm darüber, dass sie das wilde Tier bislang nicht bemerkt hatten.

Wo hatte es sich bloß versteckt?

War der schwarze Fleck dort hinten an der Wand womöglich kein Schatten, sondern eine kleine Höhle?

Link hob eine Hand zu seinem Schwertheft, ohne den Wolf aus den Augen zu lassen. Dabei bewegte er sich so langsam wie er nur konnte, um das Raubtier vor sich nicht zu einem Angriff zu provozieren.

Doch bevor der Recke seine Waffe ziehen konnte, spannte der Wolf plötzlich seine Muskeln an und katapultierte sich mit einem gewaltigen Sprung direkt gegen Links Brust. Während Navi sich gerade noch von der Schulter ihres Schützlings abstoßen konnte, stürzten Wolf und Krieger in die Grube.

Die rasiermesserscharfen Zähne des Tieres schnappten immer wieder knapp an Links Kehle vorbei in die Luft. Trotz der Kraft, die ihm seine besonderen Handschuhe verliehen, hatte der junge Mann ein wenig Schwierigkeiten, den Wolf von sich zu halten.

Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie dieser Kampf ausgesehen hätte, wäre er nicht im Besitz der Krafthandschuhe gewesen…

Nur mit Mühe gelang es dem Herrn der Zeiten, endlich sein Schwert zu ziehen und dem Wolf die Klinge ins Herz zu stoßen.

Doch damit war die Gefahr noch nicht vorbei…

Sich Geifer aus dem Gesicht wischend, wollte Link sich wieder aufrichten – jedoch ohne Erfolg.

Seine Glieder wurden wie von Geisterhänden immer tiefer in den Sand gezogen. Panik perlte den Brustkorb des jungen Kämpfers empor und er rief: „Navi! Hilfe! Ich versinke!“

Die Fee riss die Augen auf und schlug sich die Hände vor den Mund, während ihr durch den Kopf schoss: „Natürlich! Treibsand!“

Trotz ihrer eigenen Angst bemühte Navi sich um einen unbekümmerten Ton: „Beweg dich so wenig wie möglich! Je mehr du herumzappelst, desto schneller versinkst du. Ich… Ich lass mir etwas einfallen!“ „Beeil dich!“

Navis Blicke zuckten panisch hin und her.

Wie sollte sie Link bloß helfen?

Sie war viel zu schwach, um ihn rauszuziehen!

Wieso im Namen der drei Göttinnen gab es nirgendwo in diesem Raum etwas aus Holz?!

Link brauchte etwas, an dem er seinen Enterhaken befestigen konnte!

Links rechte Seite sowie beide Beine waren bereits fast vollständig versunken, als Navi endlich etwas ins Auge stach, das womöglich seine Rettung sein konnte.

So schnell sie konnte, sauste die Fee zu ihrem Schützling herunter und deutete auf die Wand vor ihm. „Siehst du das? Die Lücke zwischen den beiden Steinen? Mit etwas Glück kannst du den Enterhaken dort festhaken.“

Anstatt erleichtert zu reagieren, verzog Link die Lippen zu einem zynischen Grinsen: „Das ist ja super. Zu blöd, dass ich gerade nicht an meinen Enterhaken herankomme…“

Im ersten Moment war Navi von seinen Worten irritiert, dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: er trug seinen Wunderbeutel an der rechten Hüfte! Der Beutel war schon lange vom Treibsand verschluckt.

Tränen füllten die Augen der Fee und sie bettelte in flehentlichem Ton: „Du musst es trotzdem versuchen! Das hier kann nicht das Ende sein!“

„Tut mir leid, Navi…“ Link ließ den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen.

Es war unmöglich!

Selbst wenn er irgendwie an seinen Lederbeutel kommen und den Enterhaken herausholen könnte, müsste er blind zielen und den Haken unter der Sanddecke abfeuern. Abgesehen davon, dass er den Spalt so garantiert verfehlen würde, würden sich die feinen Sandkörner zwischen die Einzelteile der Mechanik setzen und den Enterhaken völlig lahmlegen.

Es gab keinen Weg an der traurigen Wahrheit vorbei: Es war aus.

Er hatte versagt.

Hyrule würde für immer in Ganondorfs Händen bleiben.
 

„Na, na, na… Wer wird denn gleich aufgeben?“ Bei der vertrauten Stimme riss Link den Kopf wieder in die Höhe, was von dem an ihm ziehenden Treibsand sogleich bestraft wurde.

Doch obwohl er ein gutes Stück weiter in die Tiefe rutschte und nun nur noch mit dem Kopf und dem linken Arm aus dem Sand herausguckte, machte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht breit. Auch Navi atmete erleichtert auf und wischte sich ein paar schillernde Tränen von der Wange.

Am Grubenrand kniete Shiek und maß die beiden Abenteurer mit einem leicht amüsierten Blick aus seinem unverhüllten Auge.

„Was würdest du nur ohne mich machen, Herr der Zeiten…“ Trotz der tadelnden Worte klang die Stimme des Shiekahs herzlich und warm.

Ohne eine Antwort abzuwarten, richtete Shiek sich wieder auf und wandte sich an Navi: „Du kommst am besten her, sonst wirst du noch verletzt.“

Obwohl Navi dem mysteriösen Mann inzwischen deutlich mehr vertraute als noch vor wenigen Wochen, zögerte sie. Es war nicht so, dass sie glaubte, Shiek wolle Links Lage ausnutzen und sie übers Ohr hauen. Es erschien ihr schlicht falsch, die Seite ihres Schützlings zu verlassen, während er in Schwierigkeiten steckte.

Als die Fee nach einem Zeichen von Link endlich neben Shiek in der Luft schwebte, zog dieser seine Lyra hervor. Navi blinzelte den Shiekah irritiert an und konnte sich nur mit Mühe den Kommentar verkneifen, dass dies wohl ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt zum Musizieren war.

Wie sollte eine Handharfe Link aus dem Treibsand befreien?!

„Die Okarina der Zeit ist nicht das einzige Instrument mit magischen Fähigkeiten“, erklärte Shiek plötzlich als hätte er Navis Gedanken gelesen. „Diese Lyra verfügt ebenfalls über ganz besondere Kräfte. Kombiniert mit Shiekah-Zauber kann sie wahre Wunder vollbringen.“

Mit diesen Worten schlug Shiek einige Saiten seines Instruments an. Zu Links Überraschung handelte es sich bei dem Lied, das der andere Mann spielte, um die Hymne des Sturms.

Nur Sekunden später jaulte eine gigantische Windhose durch den Raum. Der Wind war so kräftig, dass Navi sich an Shieks Kleidung festhalten musste, um nicht gegen die nächste Wand geschleudert zu werden. Der Shiekah formte unterdessen einige Handzeichen und versetzte die beiden Abenteurer in Erstaunen.

Es war als könnte der Shiekah den Wind kontrollieren!

Jedenfalls bewegte sich die Windhose genau auf Link zu, schloss ihn in sich ein und riss ihn mit gewaltiger Kraft in die Luft. Dann machte sie kehrt und trug den Herrn der Zeiten sicher zurück auf festen Boden. Kaum, dass sie Link vor Navi und Shiek abgesetzt hatte, löste sich die Windhose auf, so als wäre nie etwas gewesen.

„Wow… Das war einfach nur… unglaublich!“ Link, dem noch immer Sand aus den Falten seiner Kleidung rieselte, suchte nach Worten, um seine Verblüffung und Begeisterung auszudrücken.

Auch Navi starrte den Shiekah aus kreisrunden Augen an. „So etwas habe ich noch nie gesehen! Wie hast du das gemacht?!“

Der vermummte Mann zuckte sichtlich verlegen mit den Schultern. „Das tut doch überhaupt nichts zur Sache. Ich bin eigentlich aus einem völlig anderen Grund hier – und nicht, um meine magischen Fähigkeiten zu diskutieren.“

Die beiden Abenteurer spitzten gespannt die Ohren. „Weswegen denn?“ „Ich wollte mich, nachdem ich euch vorhin verlassen hatte, damit ihr in die Vergangenheit zurückkehren könnt, gerade auf den Weg zurück zur Gerudo-Festung machen, als mir etwas einfiel. Da ihr mit den Teleportierliedern in Sekundenschnelle reist und das Master-Schwert euch immer zu der Sekunde zurückbringt, in der du es in den Zeitfels gestoßen hast, dachte ich mir, dass ihr inzwischen wieder hier sein müsstet.“

„Jetzt spann uns nicht auf die Folter. Was ist dir eingefallen?“ Navi machte eine ungeduldige Handgeste und versuchte, das komische Gefühl zu vertreiben, das sie bei dem Gedanken daran, dass für Shiek seit ihrem letzten Treffen nur wenige Minuten vergangen waren, überkam.

„Als ich in der Bibliothek der Gerudo nach Aufzeichnungen über das Requiem der Geister gesucht habe, habe ich in einem Geheimversteck das Tagebuch einer Tempeldienerin gefunden.“

Während Link ein rätselndes Gesicht machte, wartete Navi gespannt wie ein Flitzebogen darauf, dass Shiek weitersprach.

„Allem Anschein nach war sie eine der letzten Tempeldienerinnen, bevor dieses Amt von den Twinrova abgeschafft wurde.“

Nun horchte auch Link auf und erwartete angespannt, worauf Shiek heraus wollte.

„Jedenfalls berichtete sie von einer riesigen Nure-Onna-Statue, die von den Twinrova nachträglich in den Tempel gebaut worden ist. Der Tempeldienerin zufolge ist diese Skulptur verflucht. Nachts soll sogar ein gespenstisches Flüstern aus dem Inneren der Statue zu hören sein. Die Twinrova haben diese Gerüchte wohl sogar noch geschürt, indem sie den Tempeldienerinnen den Aufenthalt in der Nähe der Skulptur untersagt haben.“

Navi riss den Kopf herum und starrte Link aus begeistert glänzenden Augen an. „Denkst du, was ich denke?“ Der Herr der Zeiten nickte. „Absolut. Die Statue muss etwas mit dem Versteck der alten Hexen zu tun haben.“

Shiek schien hinter seiner Vermummung zu lächeln, als er sagte: „Ich hab gehofft, dass euch diese Informationen nutzen würden.“ Dann fügte er, ohne den beiden Abenteurern eine Chance zur Entgegnung zu geben, an: „Ich muss nun weiter. Wir sehen uns bald wieder.“

Link wollte noch etwas erwidern, aber der Shiekah hatte bereits eines seiner sonderbaren Säckchen auf den Boden geschmissen und verschwand mit einem Lichtblitz.

Navi blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit und murmelte: „Es ist wirklich unheimlich, dass er immer genau dann auftaucht, wenn wir ihn brauchen. Aber, bei den Göttinnen, der Junge ist nützlich!“

Den restlichen Sand aus seiner Kleidung klopfend, brummte Link: „Oh ja. Dieses Mal wäre ich ohne ihn wirklich verloren gewesen!“

Während die beiden auf die Tür zuhielten, um sich den anderen Raum anzusehen, neckte Navi ihren Schützling: „Ich hab dir gesagt, der Flügel könnte auch spiegelverkehrt aufgebaut sein…“ „Blablabla…“ Die trotzige Reaktion ihres Begleiters quittierte die Fee mit einem breiten Grinsen.

Sie konnte gar nicht sagen, wie dankbar sie Shiek für die Rettung Links war!

Doch der Shiekah wurde immer rätselhafter…

Wie fand er sie immer im rechten Augenblick?

Und woher im Namen der Göttinnen hatte er diese überragenden magischen Fähigkeiten?!
 

Der rechte Raum hielt eine weitere Überraschung für die beiden Abenteurer parat: Riesige Steinkugeln walzten über den wie eine Dachrinne geformten Boden und drohten jeden, der zur Tür auf der anderen Seite gelangen wollte, zu zerquetschen.

Während Link versuchte, sich den Rhythmus der Kugeln einzuprägen, staunte seine Fee: „Ein perfektes Perpetuum mobile! Und ich dachte immer, so etwas gäbe es überhaupt nicht!“

„Perpetu-was?“ Der Herr der Zeiten hob fragend eine Augenbraue und warf seiner Begleiterin einen kurzen Seitenblick zu, obwohl er an einer Antwort nicht wirklich interessiert war. Er war geistig viel zu sehr damit beschäftigt, die Sekunden zu zählen, die die Kugeln von einer Raumseite zur anderen brauchten.

Wenn er sich beeilte, konnte er es unbeschadet bis zur Tür schaffen.

„Perpetuum mobile“, wiederholte Navi. „Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der bis in die Unendlichkeit immer weiterläuft, weil er selbst genügend Energie entwickelt, um sich am Laufen zu halten. Ich habe gelernt, dass es sich bei einem Perpetuum mobile lediglich um ein theoretisches Konstrukt handelt, das in der Wirklichkeit nicht umzusetzen ist – aber diese Felsen müssen schon seit Ewigkeiten hin und her rollen!“

Die Augen der Fee leuchteten auf, während sie diesen bemerkenswerten Fund bestaunte. Link hingegen zuckte gelangweilt die Schultern und gab zu bedenken: „Vielleicht ist Magie im Spiel. Immerhin leben die Twinrova hier…“

„Pssst!“ Navi schlug ihrem Schützling auf die Schulter und funkelte ihn erbost an. „Mach’s mir nicht kaputt! Das ist ein Perpetuum mobile und du hast keine Ahnung! Basta!“ „Na, meinetwegen…“ Unbeteiligt mit den Achseln zuckend, legte Link das Thema beiseite und machte sich innerlich zur Durchquerung des Raums bereit.

Sobald die erste Steinkugel an ihm vorbei gerollt war, sprintete der junge Held los. Da die Felsbrocken ein wenig versetzt anstatt symmetrisch durch den Raum rollten, musste Link immer wieder Zickzack laufen, um nicht unter einer der Kugeln zerquetscht zu werden.

„Oh, bei den Göttinnen, das wird knapp!“ Navi biss sich vor Anspannung auf die Unterlippe, während sie beobachtete wie ihr Schützling zwischen den Felskugeln hin und her huschte. Insbesondere zwei Steinbrocken in der Mitte des Raumes rollten so dicht an einander vorbei, dass zwischen ihnen kaum genug Platz für den Herrn der Zeiten war.

Glücklicherweise gelang es ihm dennoch, die Tür unbeschadet zu erreichen.

„Puh, das wär’s vorhin fast gewesen“, begrüßte er seine Fee, als sie mit etwas Verzögerung zu ihm aufschloss. „Ein Glück, dass du in letzter Zeit so wenig Gelegenheit hattest, Kuchen zu essen. Fünf Gramm mehr auf den Rippen und du wärst jetzt der neue Bodenbelag.“ Navi grinste ihn bei dieser maßlosen Übertreibung breit an und zwinkerte.

Bei den ständigen Gefahren, in die Link sich begeben musste, war der einzige Weg, den eigenen Verstand zu bewahren, brenzlige Situationen mit Humor zu nehmen.

„Kuchen… Hm… Ein Stück von Salias Nusskuchen wäre jetzt gut.“ Bei der Erinnerung an das Selbstgebackene seiner besten Freundin lief dem jungen Mann das Wasser im Mund zusammen und sein Magen knurrte leise. Es war bald wieder an der Zeit, eine kurze Rast einzulegen und etwas zu essen.

Durch die einfache, schmucklose Holztür gelangten die beiden Abenteurer in einen kleinen Raum, der bis auf eine hölzerne Truhe in der Mitte vollständig leer zu sein schien. Dennoch spähten der Herr der Zeiten und seine Fee vorsichtig in alle Ecken, um nicht wieder von einem Monster überrascht zu werden.

„Sieht so aus als wär alles sauber“, beschied Navi, nachdem sie ihren dritten Rundflug durch den Raum beendet hatte. „Sehr schön.“ Link trat mit langen Schritten vor die Truhe. „Dann wollen wir mal sehen, was hier drin ist.“ „Hoffentlich der Schlüssel für die verschlossene Tür!“

Ein kräftiger Tritt reichte aus, um das rostige Schloss aufschnappen zu lassen. Doch als sich daraufhin der Truhendeckel von alleine hob, mussten Fee und Krieger feststellen, dass Navi mit ihrem frommen Wunsch bezüglich des Truheninhalts leider weit danebengelegen hatte…

Von einem widerlichen Fauchen begleitet, schoss der glibbrige, madenartige Körper eines Raubschleims aus dem Truheninneren in die Höhe und baute sich vor dem Herrn der Zeiten auf. Bevor Link reagieren konnte, ließ das Monster sein mit nur wenigen, schmalen Zähnen versehenes Maul auf ihn zu sausen und verschlang ihn an einem Stück.

Navi kreischte bei diesem Anblick laut auf.

Was sollte sie nur tun?

Der Raubschleim ließ sich vornüber fallen und zog sich aus der Truhe. Dann kroch er langsam auf Navi zu. Die Bewegungen des Monsters erinnerten vage an die einer fetten Schlange oder eines dicken Wurms.

Panik kroch Navis Rückgrat entlang und lähmte die Feenfrau. Während der Vorbereitung auf diese Queste hatte sie sich ein umfassendes Wissen über Ungeheuer aller Art angeeignet – warum fiel ihr jetzt nichts ein?!

Wo befand sich der Schwachpunkt eines Raubschleims?

Gegen welche Art von Waffen war er besonders empfindlich?

Welche Strategie war gegen ihn am besten?

Navi wusste es nicht mehr.

Es war als wäre ihr Hirn auf einmal vollkommen leergefegt.

Als sie auf dem Boden einen langen, scharfkantig aussehenden Holzsplitter entdeckte, handelte sie aus reinem Instinkt heraus: So schnell sie konnte, stieß sie aus der Luft herab, hob den Splitter auf und rammte ihn mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, in das wabbelige Fleisch des Monsters.

Dieses fauchte empört auf, doch obwohl grünliches Blut aus der Wunde spritzte, schien es sich von der Verletzung nicht aufhalten zu lassen.

In ohnmächtiger Wut stach Navi immer wieder auf den Raubschleim ein, bis seine Haut beinah wie perforiert wirkte. Dennoch war das Ungeheuer weit davon entfernt, ernsthaft verwundet zu sein. Schwerfällig wie eine dicke Made kroch es unablässig weiter und Navi erkannte, dass sie sich geirrt hatte.

Das Monster war nicht hinter ihr her – es wollte zur noch immer offenstehenden Tür.

Aber wenn es in den angrenzenden Raum kriechen würde, würde es mit Gewissheit von den Felskugeln zermalmt werden. Und damit stürbe auch jede Hoffnung, Link doch noch irgendwie zu retten.

„Denk nach, Navi! Denk nach!“ Die zierliche Fee krampfte sich die Hände in die Haare und zog an ihnen, bis ihr die Tränen in die Augen traten. Leider half ihr das kein Stück. Ihr wollte noch immer nichts einfallen, wie sie den Raubschleim aufhalten könnte.

Die Tür war leider viel zu schwer für sie. Selbst wenn sie sich mit vollem Gewicht gegen das Türblatt geworfen hätte, hätte es sich keinen Millimeter bewegt, da war Navi sich sicher.

Dennoch wollte sie nichts unversucht lassen.

Sie schob und zerrte an der Tür, bis ihr der Schweiß in Strömen über den Körper lief – jedoch ohne Erfolg. Wie erwartet, konnte sie das Türblatt kein bisschen bewegen.

Gerade, als die junge Fee vor Angst und Frustration in Tränen ausbrechen wollte, hielt der Raubschleim plötzlich in der Bewegung inne. Im ersten Moment war Navi davon irritiert, doch dann bemerkte sie die immer größer werdende Beule in der Mitte des Monsterkörpers.

Was mochte das wohl sein?

Nur Sekunden später durchschnitt das Master-Schwert die dicke Haut des Raubschleims und Link kämpfte sich aus den Innereien des sterbenden Ungeheuers hervor.

Über und über von grünem Schleim bedeckt, zog der Herr der Zeiten ein angewidertes Gesicht und forderte mit quengelnder Stimme: „Ich will baden. Und zwar sofort!“

„Link!“ Navi war dermaßen erleichtert, ihren Schützling wiederzusehen, dass ihr der Glibber, der seine gesamte Haut überzog, vollkommen egal war. Aufschluchzend warf sie sich gegen seinen Hals und klammerte sich an ihm fest.

Von ihrer Reaktion gerührt, vergaß auch der Herr der Zeiten für einen Moment seinen Ekel und tröstete seine Freundin: „Hey, du weißt doch, so leicht bin ich nicht klein zu kriegen. Dafür braucht es schon mehr als ein hirnloses Schleimmonster.“

Schniefend ließ Navi seinen Hals wieder los, nickte und wischte sich die restlichen Tränen von der Wange. Als sie dabei den Glibber auf ihrer Haut berührte, verzog sie angewidert den Mund. „Örrrrgs…“

Link lachte bei ihrem Anblick auf. „Was glaubst du, wie’s mir geht? Aber die Sache hat auch etwas Gutes. Ich habe nämlich das hier im Magen des Raubschleims gefunden.“ Der Herr der Zeiten streckte die Hand aus und präsentierte seiner Begleiterin einen massiven Eisenschlüssel.

„Meinst du, er passt zu dem Schloss der verriegelten Tür?“, fragte Navi hoffnungsvoll, während sie erfolglos versuchte, den Schleim abzustreifen. Link zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht. Aber ich würde sagen: Versuch macht klug.“

„Hm-mh, ja, du hast Recht. Lass uns umkehren und es ausprobieren“, stimmte die Fee zu. Als sie das flehende Gesicht ihres Schützlings sah, fragte sie irritiert: „Was ist?“

„Können wir bitte zuerst zur Oase, damit ich baden kann? Bitte?“ Link legte den Kopf leicht schief und sah seine Begleiterin aus großen Augen an. Diese grinste ihn breit an und sagte: „Ich hab eine bessere Idee!“
 

Navis Einfall war schnell erklärt und Link nickte begeistert. „Du bist ein Genie.“ Die Fee lächelte ein wenig verlegen und winkte ab. „Eigentlich hab ich die Idee von Shiek geklaut. Ich dachte mir, wenn er Magie auf diese Weise nutzen kann, dann können wir das schon lange.“

Der Herr der Zeiten lachte leise in sich hinein. „Verstehe. Es geht dir gar nicht so sehr darum, Zeit zu sparen als zu testen, ob unsere magischen Fähigkeiten wenigstens ansatzweise mit denen Shieks mithalten können.“

„Das ist nicht–“, setzte Navi empört an, doch ihr Begleiter unterbrach sie: „Natürlich ist das wahr. Wie lange kennen wir uns nun schon? Ich weiß, dass du ziemlich konkurrenzbesessen bist und es nur schwer ertragen kannst, wenn andere etwas können, das du nicht kannst.“

Navi presste die Kiefer aufeinander, schürzte die Lippen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Es gefiel ihr nicht, dass sie sich dermaßen ertappt fühlte.

Was war denn schlimm daran, sich mit anderen zu messen und zu wetteifern?

Wenn man sich nie von anderen herausfordern ließ, entwickelte man sich auch nicht weiter und entdeckte nie, wozu man wirklich in der Lage war.

Durch ihre Scham fiel die Antwort der Fee rotziger aus als gewollt: „Ach, halt doch die Klappe und spiel einfach das blöde Lied!“ Glücklicherweise nahm Link ihren kleinen Ausbruch mit Humor und zog ohne einen weiteren Kommentar seine Okarina hervor.

Den Göttinnen sei Dank war das heilige Instrument im Wunderbeutel von dem Raubschleimglibber verschont geblieben!

Link wollte sich nicht einmal vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn die Okarina ebenfalls voller Schleim gewesen wäre… Es war ekelhaft genug, dass er selbst von Kopf bis Sohle von diesem stinkenden Monstersekret bedeckt war.

Es wurde allerhöchste Zeit, sich endlich von dem Glibber zu befreien!

So schnell er konnte, setzte der junge Krieger seine Flöte an die Lippen und spielte die Hymne des Sturms.

Die letzte Note war noch nicht verklungen, als eine steife Brise aufkam und Navis langes Haar wild umherpeitschen ließ. Der Herr der Zeiten biss sich von innen auf die Unterlippe und betete stumm zu den Göttinnen, dass der Plan seiner Fee funktionierte.

Er wollte sich so schnell wie möglich von diesem Schleim befreien!

Jedoch gab ihm zu denken, dass Shiek mit Gebrauch dieses Liedes nur eine Windhose, aber keinerlei Regen beschworen hatte. Wind brachte ihm in dieser Situation leider überhaupt nichts.

Kurz darauf konnte Link jedoch aufatmen: Den Sturmböen, die durch den engen Raum jaulten, folgten dicke, schwarze Regenwolken, die sich unter der Decke zusammenbrauten und wenige Augenblicke später ihre Pforten öffneten. Sofort ergoss sich ein heftiger Schauer auf Held und Fee, was diese erleichtert aufjauchzen ließ.

„Hm! Das tut gut!“ Link legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, um den beschworenen Regen auf sein Gesicht fallen zu lassen. Dann streckte er die Arme ab, um möglichst viel Fläche zu bieten.

Die dicken Tropfen tränkten seine Haare und Kleidung und wuschen endlich den Schleim ab. Obwohl er in dem kalten Wasser schnell fror, hatte Link sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt! Er war wieder sauber und stank nicht mehr nach dem Inneren eines Raubschleims!

Navi versuchte angestrengt, das Wasser aus ihren Wimpern zu blinzeln, jedoch ohne Erfolg. Wenigstens war auch sie von dem Monsterglibber befreit worden. Außerdem freute sie sich, dass ihr Plan funktioniert hatte.

Seit Beginn ihrer Reise war Link bereits so oft in gefährliche Situationen geraten, in denen sie rein gar nichts hatte tun können. Es war schön, ab und zu auch mal nützlich zu sein.

Als der Regen allmählich nachließ, wrang der Herr der Zeiten notdürftig seine Kleider aus – nur um dann mit den Schultern zu zucken und zu seiner Fee empor zu grinsen. „Sieht aus als würdest du doch noch deinen Willen bekommen.“

Im ersten Moment war Navi so irritiert, dass sie sich keinen Reim auf seine Worte machen konnte. Doch als er seine nassen Kleider auszog und in seinen Lederbeutel stopfte, erinnerte sie sich daran, dass sie Link in der Zitadelle der Zeit geneckt hatte, die Goronen-Rüstung würde farblich viel besser zu den Rubinen in den Krafthandschuhen passen.

„Ah, eine Wohltat für meine Augen“, witzelte Navi, als Link kurz darauf in der roten Tunika vor ihr stand. Dieser zwinkerte ihr zu und stupste mit der Stiefelspitze einen in einer Pfütze treibenden Holzsplitter an. Es war derselbe, den Navi zuvor als Waffe benutzt hatte. Sie hatte ihn fallen lassen, als sie sich ihrem Schützling an den Hals geworfen hatte.

„Was hast du damit eigentlich vorgehabt?“, fragte der Herr der Zeiten nun. Etwas verlegen zuckte die Fee mit den Schultern. „Ich weiß, es ist lächerlich, aber… es war die beste Waffe, die ich hatte.“

Überrascht riss Link die Augen auf: „Du hast versucht, zu kämpfen?!“ „Sicher. Du warst in Gefahr…“ Irgendwie verletzte die Verblüffung ihres Schützlings die sensible Fee.

Wusste er denn nicht, dass sie für ihn Kopf und Kragen riskieren würde?

Der Ausdruck absoluter Rührung, der sich auf Links Gesicht breit machte, versöhnte Navi jedoch schnell wieder.

Unterdessen kämpfte der junge Mann mit heftigen Emotionen. Auf der einen Seite war er unbeschreiblich dankbar, dass Navi ihn hatte retten wollen. Andererseits jedoch war er fast ein bisschen wütend auf sie, dass sie sich seinetwegen in so große Gefahr begeben hatte.

Wie konnte sie nur so dumm sein?

Ihm war nicht geholfen, wenn sie sich auch noch umbringen ließ!

Um sich von dem Gefühlschaos in seinem Inneren abzulenken, fragte er: „Wo hattest du das Ding überhaupt her?“ Navi zuckte mit den Schultern. „Es lag hier rum. Vermutlich ist es vom Türblatt abgesplittert oder so.“

„Ah ja, kann sein… Hier, die Stelle sieht aus als würde etwas fehlen.“ Link betrachtete die Tür als wäre die Herkunft des Splitters elementar wichtig.

Navi blinzelte ihren Schützling irritiert an.

Wieso verschwendete er ihre Zeit mit derlei Nichtigkeiten?

Sie wollte bereits eine bissige Bemerkung machen, als Link endlich sein inneres Gleichgewicht wiederfand und mit einem Kopfnicken in Richtung des angrenzenden Raumes deutete. „Wollen wir testen, ob der Schlüssel passt?“
 

Sehr zur Freude der beiden Abenteurer ließ sich der Schlüssel problemlos in das Vorhängeschloss hineinschieben. Die Ernüchterung war jedoch groß, als Link aufschließen wollte…

„Was ist los?“ Navi betrachtete ihren Schützling, der plötzlich ein verkniffenes Gesicht zog, von der Seite. „Der Schlüssel lässt sich nicht herumdrehen…“ „Was?!“ Die zierliche Fee warf einen schnellen Blick auf das Utensil in der Hand ihres Begleiters.

Der Schlüssel war kaum kleiner als Navi selbst und an einigen Stellen hatte sich die Magensäure des Raubschleims deutlich in das Eisen gefressen.

Ob das der Grund dafür war, dass der Schlüssel sich zwar einführen, aber nicht herumdrehen ließ?

Hatte der aggressive Magensaft des Monsters etwa entscheidende Teile des Schlüsselbarts abgefressen?

Um sich selbst Mut zuzusprechen, behauptete Navi in festem Ton: „Bestimmt ist das Schloss einfach nur eingerostet. Versuch es mit etwas mehr Kraft!“

„Meinst du?“ Link zog ein unschlüssiges Gesicht und betrachtete nachdenklich den Schlüssel in seiner Hand. „Ich hab mich immer noch nicht richtig an die Wirkung der Krafthandschuhe gewöhnt. Was, wenn ich den Schlüssel versehentlich kaputt mache?“

„Ach, quatsch!“ Navi winkte ab, obwohl sie unwillkürlich an die zermalmte Deku-Nuss denken musste.

Was war wohl stabiler?

Die harte Schale einer dieser Nüsse oder ein aus Eisen gefertigter, aber leicht angegriffener Schlüssel?

Mit einem wie sie hoffte zuversichtlichen Lächeln auf den Lippen legte Navi ihrem Schützling eine Hand gegen die Wange. „Ich glaub an dich. Du schaffst das schon.“

„Und wenn ich den Schlüssel kaputt mache, obwohl wir ihn an anderer Stelle noch benötigen werden?“ Der Herr der Zeiten sah noch immer unschlüssig aus.

Navi rollte genervt mit den Augen. „Bei den Göttinnen! Dann bist du offenbar stark genug, um solche Schlösser mit den Händen zu zerbröseln. Dann brauchen wir gar keine Schlüssel mehr! Aber wenn du dir so unsicher bist, zieh die Handschuhe doch einfach aus…“

Link zog die Unterlippe zwischen die Zähne und betrachtete die Krafthandschuhe. Wenn er sich darauf konzentrierte, konnte der junge Mann noch immer einen schwachen Nachhall des reißenden Schmerzes fühlen, der ihn beim Anziehen der Handschuhe überkommen hatte. Auf eine Wiederholung dessen hatte er absolut keine Lust.

Also atmete Link tief durch und versuchte erneut, den Schlüssel im Schloss zu drehen. Dieses Mal konzentrierte er sich jedoch darauf, die richtige Balance seiner Kräfte zu finden und den eingerosteten Schlossmechanismus zu bewegen, ohne den Schlüssel zu zerbrechen.

Navi beobachtete ihn dabei aus großen Augen und drückte ihm demonstrativ die Daumen, während sie ihn stumm anfeuerte. Ihrer Meinung nach hatte Link eine komische Vorstellung von Vorsicht.

Wenn nichts auf dem Spiel stand oder Alternativlösungen auf der Hand lagen, machte er sich häufig viel zu viele Gedanken. Wenn jedoch das Gefahrenpotenzial einer Situation nicht abzuschätzen war, stürzte er sich oftmals blindlings hinein.

Während der Herr der Zeiten mit viel Feingefühl an dem Schlüssel rüttelte und einen erneuten Drehversuch startete, fragte Navi sich, weshalb ihr Schützling offenbar mehr Angst davor hatte, einen leicht zu revidierenden Fehler zu machen als sein Leben zu riskieren.

Ob es damit zusammenhing, dass er als Außenseiter aufgewachsen war?

Hatten sich der Spott und die Hänseleien so tief in die Seele des «Feenlosen» gegraben, dass er sie mehr fürchtete als den Tod?

Navi betrachtete ihren Schützling auf einmal aus ganz neuen Augen und wurde von einer Flutwelle beinah mütterlicher Gefühle übermannt. Am liebsten hätte sie seine Vergangenheit geändert und all den erlittenen Schmerz von ihm genommen.

Da sie dies nicht konnte, wollte sie ihm zumindest etwas Aufmunterndes sagen, doch Link platzte in ihre Überlegungen: „Du hattest Recht! Er bewegt sich!“

Die Augen des jungen Mannes funkelten wie geschliffenes Glas, als er mit dem Kinn auf das Schloss deutete. Navi ließ ihren Blick von Links Gesicht zurück zu seinen Händen gleiten und – tatsächlich!

Der Schlüssel ließ sich zwar nur langsam bewegen, aber Link hatte ihn schon beinah halb herumgedreht.

Kurz darauf erklang das ersehnte Klicken und das Schloss sprang auf. Navi wollte bereits begeistert applaudieren, doch dann ertönte ein leises Knacken, gefolgt von einem beschämten „Ups!“

Als Navi ihren Schützling fragend ansah, streckte dieser wortlos die Hand aus. Auf seiner Handfläche lag der Schlüssel, der in der Mitte entzwei gebrochen war. „Ich bin wohl etwas zu enthusiastisch geworden, als ich ihn aus dem Schloss gezogen habe…“

Bei dem zerknirschten Ton, den ihr Begleiter anschlug, zog sich Navis Herz zusammen und sie musste an ihre vorherige Überlegung denken. So schnell sie konnte, riss die zierliche Fee Link die Schlüsselbruchstücke aus der Hand und schleuderte sie so weit weg wie möglich.

Bevor der völlig verdattert dreinblickende Herr der Zeiten fragen konnte, was das sollte, verkündete sie betont beschwingt: „Wie gut, dass wir ihn nicht mehr brauchen. Es gibt also keinen Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.“

Es dauerte einen Moment, bis Link verstand, was seine Freundin ihm damit sagen wollte. Dann zogen sich seine Mundwinkel wie von selbst wieder nach oben und er formte stumm mit den Lippen: „Danke.“

Navi wischte seinen Dank mit einer Handbewegung beiseite und deutete dann mit dem Kinn in Richtung des nächsten Raumes. „Nachdem wir so lange gebraucht haben, um sie zu öffnen, bin ich gespannt, was sich hinter dieser Tür verbirgt!“
 

Das Innere des nächsten Raumes war nach all dem Aufwand enttäuschend. Hinter der Tür befand sich nichts weiter als ein langer Gang, der lediglich zu einer Backsteinmauer führte und ansonsten vollkommen leer zu sein schien.

Ein grimmiges Gesicht ziehend wagte Link sich weiter in den Raum hinein und trat frustriert gegen einen Tonkrug, der gleich neben dem Eingang stand. Das Scheppern der berstenden Scherben hallte derart laut von den hohen Wänden wider, dass Navi ein wenig zusammenzuckte.

„Eine Sackgasse! Na toll… Was machen wir jetzt?“ Der Herr der Zeiten warf einen hilfesuchenden Blick über die Schultern hinweg zu seiner Fee, die skeptisch die restlichen im Gang verteilten Krüge betrachtete.

„Weiß nicht. Das Klügste ist es vermutlich, umzukehren und nach einer übersehenen Abzweigung zu suchen.“ Obwohl ihr der Gedanke, Zeit verschwendet zu haben, ebenfalls nicht behagte, versuchte Navi sich an einem aufmunternden Lächeln. Sie wusste, dass ihr überselbstkritischer Schützling diesen Rückhalt brauchte.

Link stieß einen knurrenden Laut des Unmuts aus und wandte sich wieder dem Ausgang aus zu. Der junge Krieger wollte sich gerade in Bewegung setzen, um nach einem anderen Weg zu suchen, als Navi plötzlich schrie: „Pass auf!“

Obwohl der Herr der Zeiten so schnell herumwirbelte wie er konnte, war es zu spät. Einer der Tonkrüge knallte mit voller Wucht gegen seine linke Schulter und zerbrach. Vor Schmerz sog Link scharf Luft ein, jedoch war ihm keine Atempause vergönnt.

Kaum, dass der erste Krug ihn getroffen hatte, erhoben sich auch die anderen wie von Geisterhand und sausten auf ihn zu.

Trotz der Schmerzen in seiner Schulter riss Link flink den Hylia-Schild nach vorn und blockte die verzauberten Geschosse ab. Die Scherben fielen klirrend auf den Steinboden, wo sie in noch kleinere Teile zerbarsten.

Navi funkelte die Bruchstücke zornig an und murmelte: „Ich hab gewusst, dass etwas faul war…“ Dann nahm ihr Gesicht eine besorgte Miene an und sie richtete ihre Augen auf Link: „Alles in Ordnung? Tut es sehr weh?“

Der Herr der Zeiten schüttelte seinen Schwertarm aus und ließ die Schulter kreisen. Bei jeder Bewegung fühlte es sich an als säßen kleine Nadeln unter die Haut, die sich in seinen Knochen bohrten.

„Ich glaube, die Schulter ist geprellt. Aber es wird schon gehen. Ich hab schon Schlimmeres überstanden.“ Nun war es Link, der sich um eine zuversichtliche Miene bemühte, die seinem Gefühl nicht ganz entsprach.

Der Gedanke, den Tempel mit einem verletzten Schwertarm zu durchforsten, war ihm ein Graus. Viel lieber hätte er sich einen warmen Breiumschlag machen lassen und die Schulter einige Tage geschont. Doch dafür hatte er keine Zeit.

Naboru brauchte ihn.

Ganz Hyrule brauchte ihn.

Also biss er tapfer die Zähne zusammen und tat so als wäre die Prellung nicht mehr als ein weiteres Hämatom – nur ein kleiner, blauer Fleck wie ihn sich jeder täglich zuzog.

Navi musterte ihren Schützling mit in Falten gelegter Stirn. Sie wusste, dass er log. Das sah sie ihm an dem verkniffenen Zug um seine Lippen und der steifen Haltung seines Armes. Dennoch nickte sie ihm lediglich zu und ließ das Thema auf sich beruhen.

Was hätte sie ansonsten auch tun sollen?

Sie konnte ihn leider nicht heilen und kannte ihn inzwischen lang genug, um zu wissen, dass er zu stur war, um einen Umweg zur großen Fee zu machen. So lange er noch in der Lage dazu war, zu kämpfen, würde er niemals den Tempel ohne Naboru verlassen.

Also flog sie nur stumm an die Seite, um Link zu signalisieren, dass er den Raum verlassen konnte, ohne vorher mit ihr über seine Verletzung diskutieren zu müssen. Allerdings hielt der junge Held mitten in der Bewegung inne und spitzte die Ohren, anstatt in den Vorraum zurückzukehren.

„Hörst du das?“ Link suchte mit den Augen die Decke ab und nahm eine kampfbereite Stellung ein. Zunächst verwirrte sein Verhalten Navi, doch dann bemerkte auch sie das schleifende Geräusch, das ihren Freund alarmiert hatte.

„Ich würde sagen, es kommt von dort hinten.“ Navi deutete auf den hintersten Bereich des Ganges, der im Halbdunkel lag. Link zückte das Master-Schwert und schlich sich auf leisen Sohlen näher an die Schatten heran. Dabei behielt er ständig die Decke im Auge, da er den Eindruck hatte, das Geräusch käme von oben.

Und tatsächlich!

Der Herr der Zeiten hatte kaum die dunkle Ecke erreicht, als er auch schon wieder einen großen Satz zurück machte. Nur ein paar Herzschläge später stürzte ein riesiger Raubschleim von der Decke herab und landete an genau der Stelle, an der Link zuvor gestanden hatte.

Das Monster riss mit einem fauchenden Laut sein rundes Maul auf und präsentierte lange, nadelspitze Zähne. Navi zog bei dem Anblick des zähflüssigen Sabbers, der aus der lippenlosen Maulöffnung tropfte, angewidert die Nase kraus. Auch Link, der offenbar an seinen Aufenthalt im Magen des anderen Raubschleimes denken musste, machte ein angeekeltes Gesicht.

Dann holte er weit aus und ließ seine heilige Waffe auf das Ungeheuer niedersausen. Das wabbelige Fleisch schien im ersten Moment nachzugeben und sich nur zu verformen, aber dann durchtrennte die scharfe Schneide die Haut des Raubschleims und schlitzte das Monster der Länge nach auf.

Bräunliches Blut und grünweißer Schleim ergossen sich über den Fußboden und ließen Navi heftig würgen.

Link hingegen beachtete das erschlagene Ungeheuer nicht weiter. Stattdessen musterte er mit zusammengekniffenen Augen die Decke. „Wenn das Vieh da oben geklebt und sich auf mich hätte fallen lassen, dann hätte ich es viel früher entdecken müssen… Navi, kannst du mir einen Gefallen tun?“

„Natürlich. Was kann ich tun?“ Bei der Aussicht darauf, sich mal wieder nützlich machen zu können, war die Fee sofort Feuer und Flamme.

Der Herr der Zeiten deutete zur Decke hinauf und erklärte: „Ich vermute, dass es dort oben irgendwo einen Zugang zu dem über uns gelegenen Raum gibt – ich sehe ihn nur leider nicht. Kannst du kurz hochfliegen und nachschauen, ob es dort irgendwo ein Loch gibt, das groß genug für einen Raubschleim ist? Wenn so ein fetter Wurm da durch passt, dann gilt dasselbe auch für uns.“

„Wird sofort erledigt!“ Grinsend salutierte Navi vor ihrem Begleiter in der Luft, dann sauste sie in Richtung Decke davon.

Hier oben schienen die Schatten noch dunkler zu sein und Navi freute sich einmal mehr über ihren Feenglanz. Dank dieser Fähigkeit musste sie nun nicht die Deckenplatten nach einem Loch abtasten. Ein kalter Schauer schüttelte die junge Fee, als sie sich vorstellte, beim Herumtasten versehentlich in Raubschleimglibber zu fassen.

Link verfolgte ihre Bewegungen derweil mit den Augen und trommelte nervös mit dem Zeigefinger auf seinem Oberarm. Er hasste es, untätig herumstehen zu müssen. Wann immer er abwarten musste, verselbstständigten sich seine Gedanken und es stahlen sich grausige Bilder vor sein geistiges Auge.

Was die alten Hexen wohl mit Naboru angestellt hatten, nachdem sie die rebellische Gerudo in die Hände bekommen hatten?

Wie sollte es weitergehen, wenn er irgendwann an seine Grenzen stoßen und einen Gegner nicht besiegen können würde?

Wo steckte Naboru, die Weise der Geister, in diesem Moment?

Der Herr der Zeiten hatte bereits das Gefühl, schreien zu müssen, um den Druck in seinem Inneren aushalten zu können, als Navi endlich rief: „Hier ist tatsächlich ein Loch!“

Die Fee ließ ihren Glanz so hell erstrahlen wie sie konnte, um die Schatten zu vertreiben und ihrem Begleiter ebenfalls einen Blick zu gewähren.

Als Link die große, quadratische Aussparung entdeckte, bogen sich seine Mundwinkel unwillkürlich nach oben.

Es gab einen Weg tiefer in den Tempel hinein!

Er musste nur noch herausfinden, wie er dort hinaufkam…

„Navi! Gibt es da oben etwas, an dem ich meinen Enterhaken befestigen kann?“ Link hatte eine Hand bereits an seinem Wunderbeutel, aber seine Fee dämpfte seine Begeisterung: „Leider nein.“

„Hm.“ Link zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne und verschränkte die Arme vor der Brust, während er seinen Blick unstet umher huschen ließ.

Konnte er sich aus irgendetwas eine Leiter bauen?

„Versuch doch, die Mauer hinaufzuklettern.“ Navi deutete auf die rückwärtige Wand, die sich an der Längsseite eine Kante mit der Aussparung teilte und deren ungleichmäßig behauenen Steine weit vorstanden.

Ja, das konnte vielleicht wirklich klappen!

Mit einem breiten Grinsen trat Link vor die Mauer und schob seine Finger zwischen die Fugen zweier Steine. Dann suchte er sich eine Lücke, die groß genug war, dass seine Stiefelspitze hineinpasste. Erst dann stieß er sich kräftig vom Boden ab und kletterte langsam die Wand hinauf.
 

Der obere Raum war beinah kreisrund und im hinteren Bereich lichtdurchflutet. Dort fielen goldene Sonnenstrahlen in breiten Bahnen durch ein reich verziertes Deckenfenster und ließen die feinen, in der Luft treibenden Staub- und Sandpartikel geheimnisvoll schimmern.

Das Auffälligste im Raum war jedoch die große Schlangenstatue, die inmitten des Lichtkegels stand.

Sie hatte die Form einer Kobra, wobei nur der Kopf und das Nackenschild vollständig ausgearbeitet worden waren. Der restliche Körper war zusammengeschrumpft dargestellt worden, sodass der lange Schwanz der Schlange lediglich als aufgerollt an der Seite der Statue angedeutet war.

Unterhalb des offenstehenden Mauls mit den bedrohlich spitzen und langen Zähnen war auf der Vorderseite des Nackenschilds ein großer, ovaler Spiegel angebracht worden, der einen Teil des Sonnenlichts ablenkte und an die gegenüberliegende Wand warf. Der Großteil der Sonnenstrahlen traf jedoch den Rücken der Kobra.

Von seiner Kletterpartie noch immer leicht außer Atem, trat Link an die Skulptur heran und betrachtete sie neugierig. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem den zwei langen Eisenstangen, die auf beiden Seiten der Kobra in den Stein eingelassen worden waren.

„Wozu das wohl gut sein soll?“, wunderte sich der junge Held und strich gedankenversunken über eine der Stangen. „Sieht ganz so aus als könnte man die Statue drehen. Aber wozu?“

„Ich denke, ich kenne die Antwort.“ Navi grinste wie ein Honigkuchenpferd, aber sie kam nicht dazu, ihrem Schützling ihren Verdacht mitzuteilen. Denn in just diesem Moment stöhnte der Herr der Zeiten plötzlich laut auf und krümmte sich vornüber als hätte er einen Tritt in die Magengrube bekommen.

„Was hast du?!“ Navi riss die Augen auf und musterte ihren Freund besorgt. Dieser atmete tief durch und richtete sich langsam wieder auf. „Ich… ich weiß nicht. Es war auf einmal als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Keine Ahnung, wo das herkam.“

Die Fee zog ein unglückliches Gesicht, während sie nicht sehr überzeugt überlegte: „Vielleicht hast du dich beim Klettern überanstrengt oder so.“

Link wollte nicken und das Thema zu den Akten legen, stattdessen spürte er einen harten Schlag gegen den Rücken und stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum. Über sein eigenes Keuchen, als der Aufprall ihm die Luft aus der Lunge presste, hinweg hörte er undeutlich wie Navi einen Laut des Erschreckens ausstieß. Ein reißender Schmerz schoss durch seine verletzte Schulter und ließ ihn leise wimmern.

Der junge Mann mühte sich nach Kräften, wieder auf die Beine zu kommen, doch es war als hielte ihn die Hand eines Riesen auf den Boden gedrückt. Link glaubte beinah, die einzelnen Finger auf sich zu spüren.

Navi landete neben seinem Gesicht und sah ihn aus geweiteten, angsterfüllten Augen an, während sie zaghaft einen Arm nach ihm ausstreckte. Offenbar glaubte sie, ihr Schützling habe spastische Zuckungen oder dergleichen.

Bevor die Fee irgendetwas sagen konnte, wurde sie jedoch ebenfalls von der unsichtbaren Macht erfasst und gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert.

„NAVI!“ Panik und Sorge explodierten in Links Brust und er stemmte sich noch verbissener gegen das unsichtbare Gewicht auf seinem Rücken. Dass sich dabei etwas Scharfkantiges in seine Seiten bohrte, ignorierte der junge Mann einfach.

„Ughn…“ Vor Schmerzen stöhnend kam Navi allmählich wieder zu sich, was Link erleichtert aufatmen ließ. Die Freude verflog jedoch schnell wieder, als der junge Mann den Knick in einem von Navis Flügeln entdeckte. Offenbar war er bei dem Aufprall kaputt gerissen.

Die Fee selbst schien sich um ihren Flügel nicht zu scheren. Stattdessen rief sie: „Es ist ein Todesgrabscher, Link! Du musst schnell wieder auf die Beine kommen!“

Der Herr der Zeiten versuchte es noch einmal mit aller Kraft, die er trotz seiner Prellung aufbringen konnte, doch das unsichtbare Monster war zu stark.

Auf diese Weise würde Link es nie schaffen, es abzuschütteln – ganz im Gegenteil. Wann immer er sich vom Boden hochstemmen wollte, bohrten sich die Krallen des Todesgrabschers noch tiefer in seine Seite.

Es war allein dem Kettenanzug zu verdanken, dass Link noch keine ernsthaften Verletzungen davon getragen hatte. Lange würden die Metallmaschen den Klauen jedoch nicht mehr standhalten können.

Er musste sich etwas anderes einfallen lassen – und zwar schnell!

Die Augen noch immer auf seine verletzte Begleiterin geheftet, kam Link eine Idee. Er musste es nur irgendwie schaffen, seine Hand in den Wunderbeutel zu schieben, obwohl der Todesgrabscher seine Arme fest an seine Seiten presste.

Das Monster verstärkte seinen Griff, als es die Bewegung unter sich registrierte, aber das hielt Link nicht auf.

Der Herr der Zeiten biss tapfer die Zähne zusammen und verrenkte sich beinah die geprellte Schulter, um an seinen Wunderbeutel heranzukommen. Als er es endlich geschafft hatte, zog er einen einzelnen Pfeil hervor.

Navi hielt ihren zerrissenen Flügel und blinzelte irritiert zu ihrem Schützling herüber.

Was wollte er in dieser Situation mit einem Pfeil?

Er hatte doch keinerlei Möglichkeit, seinen Bogen zu benutzen…

Wenige Herzschläge später wurde der Fee allerdings klar, dass sie sich geirrt hatte. Link hatte niemals im Sinn gehabt, seine Schusswaffe zu gebrauchen.

Stattdessen rammte er die Spitze des Pfeils blind in die Seite des unsichtbaren Monsters. Dieses quiekte vor Schmerzen auf und ließ für einen Moment locker genug, dass Link es abschütteln konnte.

So schnell er konnte, hievte sich der junge Kämpfer wieder auf die Füße und zog sein Schwert. Zunächst hatte er vorgehabt, das Auge der Wahrheit aus seinem Beutel zu holen, um zu testen, ob er den Todesgrabscher damit sehen konnte.

Wie sich herausstellte, war dies jedoch völlig überflüssig.

Das Blut, das aus der Wunde, die der Pfeil gerissen hatte, hervorquoll, verriet deutlich, wo sich das Monster befand.

Ohne zu zögern holte der Herr der Zeiten aus und ließ die Schneide des Master-Schwerts auf den Todesgrabscher niedersausen. Die geprellte Schulter protestierte mit einer starken Schmerzenswelle gegen die Bewegung, was dem Schlag einiges an Kraft nahm.

Glücklicherweise durchschlug die scharfe Klinge Haut, Fleisch und Knochen dennoch als bestünden sie aus nicht mehr als trockenem, bröckeligem Sand.

Im Tod fiel der Tarnzauber des Monsters von ihm ab und die zwei Hälften einer halbverwest aussehenden, knorrigen Hand wurden sichtbar.

Link stellte mit Grauen fest, dass Todesgrabscher beinah genau wie die Hände einer menschlichen Leiche aussahen. Die einzigen Unterschiede waren die Größe und die rasiermesserscharfen, spitzen Krallen, die an Stelle der Fingernägel saßen.

Schaudernd wandte Link sich ab und eilte mit wenigen langen Schritten zu seiner Fee herüber. „Wie geht es dir?“ Navi zuckte mit den Achseln und verzog sogleich das Gesicht zu einer Fratze des Schmerzes. „Ich werd’s überleben.“ Dann warf sie einen traurigen Blick auf ihren lädierten Flügel und fügte an: „Aber ich werde wohl so schnell nicht mehr fliegen können.“

„Ich könnte dich zur großen Fee bringen“, schlug Link vor, obwohl ihm der Gedanke, Naboru noch länger warten zu lassen alles andere als behagte.

Dementsprechend war er insgeheim erleichtert, als Navi abwinkte: „Nein, ist schon gut. Das eilt nicht. Lass uns zuerst Naboru aus den Fängen der Twinrova befreien. Danach können wir uns um meinen Flügel kümmern.“

Link nickte und streckte seiner Begleiterin eine Hand entgegen damit sie an seiner Kleidung zu ihrem Stammplatz emporklettern konnte. „Alles klar. Dann werde ich dich den Rest des Weges wohl tragen müssen.“

Navi stieg auf seine Handfläche und machte eine herrschaftliche Geste: „Diener, setz mich auf deine Schulter.“

In sich hereinlachend verdrehte Link gespielt genervt die Augen und tat wie ihm geheißen. „Du wirst deine Verletzung gnadenlos ausnutzen, um mich herumzukommandieren, oder?“

Die Fee grinste so breit, dass ihr beinah die Mundwinkel einrissen. „Worauf du dich verlassen kannst!“
 

„Deine erste Amtshandlung als mein neuer Leibdiener wird es sein, die Kobra-Statue zu drehen. Im Uhrzeigersinn.“ Navi grinste noch immer und schien sich über ihre neue Rolle als Herrin königlich zu amüsieren.

Link rollte dieses Mal ohne humoristischen Hintergrund mit den Augen und betete stumm zu den Göttinnen, seine Begleiterin möge schnell den Spaß daran verlieren, ihn wie einen Knecht zu behandeln.

Navi gegenüber entgegnete er jedoch nur: „Natürlich, Mylady. Aber verratet Ihr mir netterweise, wozu das gut sein soll?“

Die Feenfrau kicherte bei seiner förmlichen Sprache leise in sich hinein und fragte dann: „Siehst du diese sonnenförmigen Ornamente an den Wänden?“

Erst jetzt bemerkte Link, dass ein Teil der gemauerten Raumwände verputzt und mit goldenen Sonnen verziert worden war. Im ersten Moment fragte der junge Held sich verwirrt, was diese Ornamente mit der Statue zu tun haben sollten, aber dann kam ihm plötzlich die Erleuchtung.

„Das sind nicht einfach nur aufgemalte Sonnen“, stieß er ein wenig atemlos hervor. „Das sind die gleichen Licht empfindlichen Schalter, denen wir bereits im Westflügel begegnet sind!“

Navi nickte wohlwollend. „Genau. Ich bin mir sicher, dass einer von ihnen die Tür öffnen wird.“ „Und die anderen?“ Link blickte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu den Sonnenornamenten herüber.

Irgendwie hatte er auf einmal ein ganz mieses Gefühl…

Seine Fee hingegen zuckte leichthin mit den Schultern. „Die anderen sind vermutlich Attrappen und sollen uns verwirren.“

„Hm. Das erscheint mir zu einfach.“ Link konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Erbauer dieses Tempels, der vor raffinierten Abwehrmechanismen nur so strotzte, an dieser Stelle mit simplen Blendwerken zufrieden gegeben haben sollten.

Als Navi seine angespannte Miene sah, fragte sie in einem beinah beleidigend amüsierten Ton: „Was? Hast du etwa Angst vor irgendwelchen Fallen?“ Link presste die Kiefer fest aufeinander und nickte. „In diesem Tempel wimmelt es von Fallen. Weshalb sollte es hier anders sein?“

Für einen Moment legte Navi ebenfalls ihre Stirn in Falten und schien über Links Befürchtung nachzugrübeln. Aber dann brach sie auf einmal in Gelächter aus: „Seit wann bist eigentlich du der Vorsichtige von uns? Früher war doch immer ich diejenige, die sich zu viele Gedanken gemacht hat.“

Link warf ihr einen gekränkten Seitenblick zu und brummelte: „Vielleicht seit ich auf dieser Reise bereits mehrfach beinah draufgegangen wäre?“

Die Fee schien den Einwurf ihres Schützlings überhört zu haben. Jedenfalls klang sie noch immer amüsiert, als sie anfügte: „Du machst dir zu viele Sorgen, Link. Ja, in diesem Tempel gibt es haufenweise Fallen. Aber hast du auch nur eine gesehen, die nicht völlig verrostet und ungefährlich war?“

Der junge Abenteurer öffnete den Mund, um seiner Begleiterin einige der Gefahren aufzuzählen, denen sie im Geistertempel bereits begegnet waren – riesige, hin und her rollende Steinkugeln, Treibsand, Raubschleime, die sich in Truhen versteckten… – aber aus seinem Mund kamen zu seiner eigenen Überraschung ganz andere Worte: „Mag sein, dass ich übervorsichtig bin. Aber ich möchte halt keine unnötigen Risiken eingehen. Lass mich die Sonnen mit dem Auge der Wahrheit testen, bevor ich die Statue drehe.“

Gesagt, getan.

Allerdings musste Link feststellen, dass das alte Shiekah-Relikt in diesem Fall keine Hilfe war. Deswegen knurrte er, als Navi ihn fragte, was er sehe: „Nichts anderes als ohne das Auge der Wahrheit. Genauso gut könnte ich durch ein einfaches Monokel gucken.“

„Also sind alle Schalter echt“, schlussfolgerte Navi. „Also wird jeder von ihnen etwas auslösen?“ In Links Stimme schwang ein Ich-hab-dir-gesagt-dass-es-Fallen-sind-Unterton mit.

Seine Fee schüttelte jedoch mit dem Kopf. „Nicht zwangsläufig. Es bedeutet nur, dass die anderen Sonnen tatsächlich mit Farbe an die Wand gemalt worden und keine Illusion sind. Das Auge der Wahrheit lässt dich nur Magie enttarnen, mehr nicht.“

Tief aufseufzend ließ Link das Artefakt wieder in seinem Wunderbeutel verschwinden. „Mit anderen Worten: Mir bleibt nichts anderes übrig als jeden Schalter auszuprobieren und auf das Beste zu hoffen.“

Navi tätschelte ihm aufmunternd die Halsseite, während der Herr der Zeiten an die Kobra-Statue herantrat, sich einen festen Stand suchte und sich anschließend mit seinem gesamten Körpergewicht gegen eine aus dem Nacken der Statue herausragende Stange stemmte.

Die geprellte Schulter sandte dumpfe Schmerzwellen durch Links Körper, doch der junge Krieger biss tapfer die Zähne zusammen. Dicke Schweißtropfen bildeten sich auf Links Stirn, aber die Statue ließ sich keinen Millimeter bewegen.

Da sie ansonsten nichts tun konnte, um zu helfen, hievte Navi sich auf die Füße und begann rhythmisch zu klatschen und ihren Schützling anzufeuern.

Dieser war schon kurz davor aufzugeben, als aus Richtung des Statuensockels ein knirschendes Geräusch erklang und die Schlange sich endlich bewegen ließ. Offenbar war unterhalb der Statue eine Art Zahnradmechanismus angebracht, der das Drehen eigentlich hatte erleichtern sollen, nun aber dermaßen verrostet gewesen war, dass er selbst für die Macht der Krafthandschuhe ein würdiger Gegner war.

Schnaufend drehte Link die Schlangenstatue so, dass der große Spiegel auf der Frontseite das durch die Decke fallende Sonnenlicht auf die erste Sonne warf. Kaum, dass die reflektierten Sonnenstrahlen auf den Schalter trafen, rissen Hylianer und Fee überrascht die Augen auf.

Bislang hatten die Sonnenschalter angefangen, zu glühen, sobald sie mit Tageslicht in Berührung gekommen waren. Dieser Schalter jedoch fing Feuer und brannte innerhalb von Sekunden vollständig ab als bestünde er aus lampenölgetränkten Lumpen. Nicht mal eine halbe Minute später war alles, was noch von der goldenen Sonne zeugte, ein schwarzer Brandfleck an der Wand.

Navi wollte gerade sagen „Eine Attrappe, siehst du? Ich hab’s dir doch gesagt.“, als ein kalter Luftstoß sie innehalten ließ. Es hatte sich angefühlt als wäre etwas Großes unmittelbar neben ihr zu Boden gefallen.

Doch als sie sich nun umsah, konnte sie nichts entdecken…

Beinah panisch krallte sich die Fee in die Haare ihres Schützlings und rief: „Link! Pass auf! Irgendwo hier ist ein weiterer Todesgrabscher!“

Überrascht und reflexartig sein Schwert ziehend, wirbelte der junge Krieger herum und ließ seinen Blick auf der Suche nach dem Monster durch den Raum zucken, bis ihm mit einigen Sekunden Verzögerung wieder einfiel, dass sich Todesgrabscher häufig mit Unsichtbarkeitszaubern tarnten.

Während Link mit der rechten Hand nach seinem Lederbeutel tastete, um erneut das Auge der Wahrheit hervorzuholen, hielt er mit der linken das Master-Schwert abwehrend vor sich. Sobald er das antike Shiekah-Relinkt aus dem Beutel gezogen hatte, riss er es vor sein Gesicht – gerade noch rechtzeitig.

Denn genau in dem Moment, in dem Link den Todesgrabscher enttarnte, setzte dieser zum Sprung an, um den Herrn der Zeiten gegen die rückwärtige Wand zu schleudern.

Es gelang Link nur knapp, im letzten Moment auszuweichen. Dann wirbelte er sofort herum und versetzte dem Monster einen Stich mit seinem Schwert. Dieses stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung aus Quieken und Fauchen klang, und stieß sich von der Wand ab, um sich gegen Link zu katapultieren.

Unbeeindruckt von dieser erneuten Attacke, brachte Link sich mit einem kleinen Satz zurück aus der Gefahrenzone. Das Monster fauchte erbost, als es an Link vorbei durch die Luft flog, hart auf dem Boden aufprallte und schlitternd über die Steinfliesen rutschte.

Der Todesgrabscher bemühte sich sichtlich, wieder festen Stand zu erreichen, bevor der Herr der Zeiten seinerseits erneut attackieren konnte. Doch die tiefe Fleischwunde in seinem Rücken machte die Bewegungen des Ungetüms langsam und träge.

Mit nur wenigen Schritten hatte Link das Monster erreicht und ließ seine heilige Klinge auf es hinuntersausen. Grünliches Blut spritzte an die Wände und breitete sich zu einer großen Lache auf dem Boden aus.

Link rümpfte ein wenig die Nase und stupste Navi, die sich den ganzen Kampf über panisch in seinen Haaren festgeklammert hatte, sanft an. Ein wenig zögerlich schlug die Fee die Augen wieder auf und drehte ihren Kopf, sodass sie ihr Gesicht nicht länger in Links Pferdezopf vergrub.

Während des Kampfes hatte Navi sich nicht ansehen können, was passierte. Ihre Angst, Link könnte von dem unsichtbaren Gegner übermannt werden, war einfach zu groß gewesen.

Zu der Sorge um ihren Schützling war zudem auch noch die Sorge um sich selbst hinzugekommen. Bislang hatte sich die Fee immer wieder fliegender Weise aus brenzligen Situationen heraushalten können. Doch mit ihrem beschädigten Flügel fühlte sie sich wehrlos und ausgeliefert.

Wie sollte sie sich retten, wenn sie nicht wegfliegen konnte?

Sie glaubte nicht daran, dass sie schnell genug laufen konnte, um einem Monster zu entkommen.

Als sie nun die sterblichen Überreste des Todesgrabschers sah, atmete Navi daher erleichtert auf. Diese Gefahr war gebannt. Die Feenfrau wusste, dass ihnen in diesem Tempel noch unzählige andere Ungeheuer begegnen würden, aber fürs Erste waren sie in Sicherheit.

Link betrachtete ebenfalls den Kadaver des Todesgrabschers, zog dabei jedoch eine nachdenkliche Miene. „Was meinst du, wo das Vieh plötzlich herkam und warum es uns erst so spät angegriffen hat?“

Navi kreiste mit den Schultern als wollte sie ein unangenehmes Gewicht abschütteln und gab kleinlaut zu: „Ich glaube, es ist erst erschienen, als du den Sonnenschalter aktiviert hast… Vielleicht hat der Schalter eine Deckenklappe geöffnet oder so.“

Wie an Fäden gezogen, legte Link augenblicklich seinen Kopf in den Nacken und suchte die Decke mit den Augen ab. Schon nach wenigen Sekunden erhellte Erkenntnis das Gesicht des Recken.

Ziemlich genau über der Stelle, wo er und Navi gestanden hatten, als der Todesgrabscher plötzlich aufgetaucht war, baumelte das Verschlussbrett einer nun offenstehenden Luke von der Decke.

Der Sonnenschalter war also tatsächlich eine Falle gewesen!

Doch alles, was Link dazu sagte, war nur: „Sieht aus als müsste ich von nun an besonders aufmerksam sein, wenn ich einen der Schalter aktiviere.“
 

Auch die nächsten beiden Sonnenschalter gingen in Flammen auf, sobald die ersten Sonnenstrahlen sie berührten. Weitere Todesgrabscher tauchten jedoch zum Glück nicht auf. Stattdessen fielen aus den sich öffnenden Deckenluken kleine Holzkisten, die Link neugierig beäugte.

Anstatt die Statue weiter zur letzten Sonne zu drehen, kniete sich der Herr der Zeiten vor die zuerst heruntergefallene Truhe und kaute unschlüssig auf der Unterlippe. Navi betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen von der Seite und fragte: „Was ist? Warum öffnest du sie nicht?“

Grübelnd kratzte Link sich am Hinterkopf und antwortete: „Mein Instinkt sagt mir, dass es sich bei diesen beiden Kisten wieder nur um weitere Fallen handelt. Mein Verstand hingegen sagt mir, dass ich trotz meiner Angst vor Hinterhalten jede Truhe öffnen muss, die ich finde. Schließlich könnte in einer dieser Beiden ein Schlüssel sein, den wir später unbedingt brauchen, um weiterzukommen.“

„Dann öffne die Kiste!“ Navi sah ihren Schützling aus großen Augen auffordernd an. Dieser holte tief Luft und warf seiner Fee dann einen beinah ängstlichen Seitenblick zu. „Und wenn es doch nur wieder eine Falle ist?“

Link hatte damit gerechnet, dass Navi ihm wieder sagen würde, er denke zu viel. Doch stattdessen legte ihm seine Begleiterin eine Hand an die Wange und lächelte ihn warm an. „Dann wirst du auch diese Situation meistern. Ich glaube ganz fest an dich.“

Bei den Worten seiner Freundin zuckten Links Mundwinkel unwillkürlich nach oben und er setzte bereits zu einem „Danke“ an, als die sonst so verschlossene Navi ihm offenbarte: „Damals, als der Deku-Baum mich zu dir geschickt hat, war ich, ehrlich gestanden, entsetzt. Ich dachte: ‚Dieser ungeschickte, tollpatschige Knilch wird niemals schaffen, was der Deku-Baum von ihm verlangt‘. Ich glaubte fast, der Deku-Baum habe sich geirrt und du seist gar nicht der Auserwählte.“

Link runzelte die Stirn, bis über seiner Nase eine leichte Falte entstand und blickte seine Fee verständnislos an.

Hatte sie ihm nicht vorhin erst gesagt, dass sie an ihn glaubte?

Warum erzählte sie ihm dann nun, für was für einen Versager sie ihn von Anfang an gehalten hatte?

Als Navi weitersprach, erkannte Link jedoch, auf was sie hinauswollte, und die Stirnfalten wichen einem verlegenen Lächeln: „Doch dann bin ich mit dir zusammen in den Deku-Baum hineingegangen und habe dich kämpfen und leiden sehen. Und vor allem habe ich gesehen, wie du jedes Mal, wenn dich etwas zu Boden geworfen hat, wieder aufgestanden bist. Ich habe erkannt wie zäh und willensstark du bist. Das hat mir imponiert. Und mit jedem Abenteuer mehr, das wir zusammen durchgestanden haben, wurde ich mir immer sicherer, dass der Deku-Baum Recht hatte: Du kannst alles schaffen, solange du nur an dich glaubst.“

Navi sah mit vor Stolz und Zuneigung strahlendem Gesicht zu Link auf, aber dieser riss plötzlich den Kopf herum damit die Fee die Tränen nicht bemerkte, die ihm in die Augen gestiegen waren.

Außer Salia hatte er noch nie jemandem so viel bedeutet und er wusste für einen Moment nicht, wie er damit umgehen sollte.

Er dachte an all die langen Nächte im Kokiri-Dorf zurück, in denen er wachgelegen und sich eine Fee gewünscht hatte, die so unerschütterlich zu ihm hielt wie Navi es nun tat.

Damals hatte er sich nicht zu träumen gewagt, dass seine Traumfee ihn um seinetwillen dermaßen schätzte, dass er ihre Loyalität und Freundschaft sowie ihre Anerkennung womöglich sogar verdiente. In seinen Wachträumen war er stets nur davon ausgegangen, dass seine Fee zu ihm hielt, weil der Deku-Baum ihr gesagt hatte, dass sie das tun solle.

Dann dachte er an die unzähligen Gefahrensituationen, die Navi und er auf ihrer Reise bereits durchgestanden hatten. Es war oft verdammt brenzlig und häufiger als ihm lieb war sogar äußerst knapp gewesen. Doch Navi war immer an seiner Seite geblieben, hatte ihn angefeuert und motiviert.

Auch wenn es sein Pflichtgefühl Hyrule und Zelda gegenüber war, das ihn stets daran gehindert hatte, aufzugeben, wurde ihm nun bewusst, dass er die Kraft zum Weitermachen stets aus Navis Worten gezogen hatte.

Sie war der Grund, dass er nie den Glauben in sich selbst verloren und die Waffen gestreckt hatte.

Sie war diejenige, die immer wieder das Gefühl von Ohnmacht vertrieben hatte, das Link angesichts eines übermächtig wirkenden Gegners wie Ganondorf immer wieder überkommen hatte.

Ohne hinzusehen, legte er Navi sanft eine Hand an ihre Seite und genoss das kaum merkliche Gewicht ihres zarten Körpers an seiner Handfläche, als die Fee sich gegen sie lehnte.

Dann atmete er tief durch und wandte seiner Begleiterin langsam das Gesicht wieder zu. Die Tränen, die hinter seinem Unterlid gelauert hatten, waren inzwischen verschwunden, doch das Lächeln, das er Navi schenkte, wirkte trotzdem noch immer ein wenig wehmütig.

Die Feenfrau sah ihren Schützling abwartend aus großen Augen an, nur um dann etwas verwirrt drein zu schauen, als Link mit belegter Stimme ein „Danke“ hauchte. Noch immer gegen seine Hand lehnend, zuckte Navi mit den Schultern. „Ist nicht mein Verdienst, dass ich dich so sehe.“

Links schiefes Lächeln wurde noch ein wenig breiter, aber anstatt das Thema zu vertiefen, wandte sich der junge Hylianer wieder den beiden Truhen zu.

Vorsichtig löste Link seine Hand von Navi und klatschte dann voller Tatendrang in die Hände. „Also gut. Wollen wir mal sehen, was sich in Kiste Nummer eins verbirgt!“
 

Zu seiner großen Überraschung handelte es sich bei dem Truheninhalt nicht um eine Falle. Leider befand sich im Inneren der Holzkiste jedoch auch kein Schlüssel. Links Freude über seinen Fund stand ihm trotzdem ins Gesicht geschrieben. „Fünf Rubine! Super!“

Navi gähnte übertrieben und konterte: „Da hat ja meine Oma größere Reichtümer unter ihrem Kopfkissen…“ Als Link daraufhin kurz grinste, zeigte er seine gesunden, weißen Zähne. „Stimmt schon, fünf Rubine sind nicht viel. Aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Womöglich hätte ich mir demnächst etwas kaufen wollen und mir hätten genau diese fünf Rubine gefehlt, wenn ich die Truhe nicht geöffnet hätte.“

„Ja, ja, schon gut. Ich hab’s verstanden.“ Navi winkte ab und deutete dann auf die zweite Kiste. „Aber vielleicht ist da ja ein richtiger Schatz drin!“

Von seinem ersten Fund euphorisiert, öffnete Link ohne zu zögern die zweite Holztruhe.

Doch kaum, dass er das Schloss aufgebrochen hatte, bereute er dies auch schon…

Aus dem Inneren der Kiste erhob sich plötzlich ein eiskalter Wind, der dem Recken mitten ins Gebein zu fahren schien. Innerhalb weniger Sekunden waren sämtliche Gelenke des jungen Kriegers derart steifgefroren, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Nicht einmal den kleinen Finger konnte er noch rühren.

Während er das Gefühl hatte, auf seiner Haut würden sich dicke Frostbeulen bilden, versuchte Link einen Blick auf Navi zu erhaschen.

War sie ebenfalls zur Eissäule erstarrt oder hatte ihre Feenmagie sie vor dieser Falle schützen können?

Leider ließen sich auch die Augen des Kämpfers kaum noch bewegen, sodass er seine Schulter – und damit auch Navi – nicht sehen konnte. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass Links Blickfeld sich von den Rändern her zunehmend trübte, so als würden seine Augäpfel langsam von einer Eisschicht überzogen.

Auch sein Herz, das bislang wie wild gegen seinen Brustkorb getrommelt hatte, schlug allmählich immer langsamer.

Panik breitete sich von einem Punkt in der Mitte seiner Brust zunächst zu seinem Magen und anschließend im gesamten Körper aus.

Er konnte hier nicht sterben.

Er durfte hier nicht sterben!

Hyrule und Prinzessin Zelda brauchten ihn.

Und Navi glaubte an ihn.

Er konnte doch nicht eine seiner besten Freundinnen enttäuschen!

Verbissen kämpfte der junge Krieger gegen die Eisstarre in seinen Gelenken an. Doch allein bei dem Versuch, einen Finger zu krümmen, schoss ein unbändiger Schmerz durch seinen Körper.

Trotzdem wollte der Herr der Zeiten auf keinen Fall aufgeben!

Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, ballte Link eine Hand zur Faust und ignorierte dabei das Gefühl, seine Gelenke würden brechen, genauso wie die Tatsache, dass er inzwischen beinah vollkommen blind war. Außer einer weißen Fläche, aus der sich vereinzelte Details wie kleine Schneeberge erhoben, konnte Link nichts mehr sehen. Ihm war weder die Fähigkeit, Formen zu erkennen, noch das Farbsehen geblieben.

Doch auf einmal färbte sich die schneeweiße Fläche vor seinen Augen zunehmend terrakottafarben. Zusätzlich schälten sich immer mehr Details heraus, bis Link wieder die vor ihm stehende Truhe und die sandsteinfarbene Wand dahinter erkennen konnte.

Ungläubig blinzelnd stellte Link fest, dass sich von seinem Kopf ausgehend eine wohlige Wärme über ihn legte wie eine Decke. Allmählich schmolz das Eis in seinen Gelenken und auch sein Herz kehrte zu seinem normalen Tempo zurück, obwohl aus dem Inneren der Holztruhe noch immer ein Eissturm tobte.

Auf der Suche nach einer Antwort auf dieses Phänomen entdeckte Link Navi, die im Lotussitz auf seiner Schulter saß und wie ein Feuerball glühte. Bunt glitzernde Schweißtropfen liefen ihr übers Gesicht und klebten ihr die Haare an Schläfen, Stirn und Nacken.

Als die Fee bemerkte, dass ihr Schützling sich wieder bewegen konnte, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: „Schließ die Truhe. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen magischen Wärmeschild noch aufrechterhalten kann.“

Ohne zu zögern streckte Link eine Hand nach dem Truhendeckel aus, obwohl er dafür direkt in den Eissturm hineingreifen musste. Beim Anblick seiner Hand riss der junge Recke jedoch überrascht die Augen auf.

Sein gesamter Körper war von einem strahlenden Licht eingehüllt, das in genau derselben Farbe leuchtete wie Navi.

„Sie hat ihren magischen Schutzmantel auf mich ausgeweitet!“, schoss es Link unwillkürlich durch den Kopf. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie viel Kraft eine solche Aktion von einem abverlangte.

Um Navis Energiereserven so gut zu schonen wie möglich, knallte Link den Truhendeckel herab, sobald er ihn zu fassen bekam. Im ersten Moment wollten Krieger und Fee bereits aufatmen, doch dann erkannten sie, dass der Eissturm den Deckel problemlos wieder anheben konnte, da Link das Schloss aufgebrochen hatte.

Der Herr der Zeiten sah sich fieberhaft nach etwas um, mit dem er das Schloss blockieren konnte. Leider war weit und breit nichts in Sicht, das ihm hätte weiterhelfen können. Ein schneller Seitenblick auf Navi verriet ihm, dass zu allem Überfluss die Zeit drängte. Navis Feenglanz flackerte bereits verdächtig.

Wenn Link nicht schnell etwas einfiel, würden die beiden Abenteurer als Eiszapfen enden…

In einem Akt der Verzweiflung legte Link die Finger um das Truhenschloss und drückte zu. Vor Kraftanstrengung stieß er einen animalischen Schrei aus, der von den Wänden widerhallte und ohrenbetäubend laut durch den Raum schallte.

Der junge Kämpfer hatte das Gefühl, ihm müssten die Fingerknochen zerbröseln, weil er all seine Kraft in diesen Griff legte und zusätzlich die gesamte Macht der Krafthandschuhe ausnutzte.

Statt sich die Finger zu ruinieren, schaffte Link es jedoch, das Truhenschloss so zu verbiegen, dass es sich in sich selbst verkeilte und den Eissturm im Inneren der Kiste fest verschloss – gerade noch rechtzeitig.

Kaum, dass Link die Hände von der Truhe nahm, sackte Navi keuchend in sich zusammen und der rote Lichtschein, der sie beide eingehüllt hatte, verschwand.

Erschöpft ließ Link sich auf den Hintern fallen und schob sich mit den Füßen rückwärts, bis er mit dem Rücken gegen die nächste Wand stieß. Er zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub, konnte jedoch nicht sagen, ob es Spätfolgen der Eisattacke, seiner Panik oder seiner Erschöpfung waren.

So sanft er mit seinen unkontrollierbar zuckenden Fingern konnte, hob er Navi von seiner Schulter und bettete sie in seiner Hemdtasche, wo sie es weich und warm hatte. Die Fee war von ihrer Zauberei dermaßen ausgelaugt, dass es kaum eine Minute dauerte, bis ein leises Schnarchen an Links Ohren drang.

Der Herr der Zeiten lächelte angesichts dessen matt und lehnte den Hinterkopf gegen die Wand, um ebenfalls für einen Moment die Augen zu schließen und Kraft zu sammeln.
 

Als Link die Lider wieder aufschlug, musste die Sonne bereits tief am Himmel stehen. Jedenfalls hatte sich die Farbe der durch die Decke fallenden Lichtstrahlen von einem satten Gelb-Gold in ein dunkleres Rot-Gold verwandelt.

So schnell er konnte, rappelte sich der junge Recke wieder auf und schüttelte den Schlaf aus seinen Gliedern. Obwohl er unnötig Zeit verschenkt hatte, konnte Link sich nicht dazu durchringen, es von ganzem Herzen zu bereuen. Das Gefühl von neuer Energie, das in jeder seiner Zellen pulsierte, überzeugte ihn davon, dass er die Rast bitter nötig gehabt und der Schlaf ihm gut getan hatte. Selbst seine geprellte Schulter schmerzte nicht mehr so sehr wie zuvor.

Vorsichtig warf Link einen Blick in seine Hemdtasche, um nach seiner Begleiterin zu schauen. Navi lag auf der Seite, den Kopf auf einen Arm gebettet, und schlief noch immer selig. Ihre wirren Haare umrahmten ihr Gesicht wie Seetang und sie sabberte leicht, während ihre Augen hinter ihren Lidern hin und her zuckten.

Bei diesem Anblick bogen sich Links Mundwinkel unwillkürlich nach oben und er fragte sich, von was Navi wohl träumen mochte. Er hoffte, dass es etwas Schönes war und sie erholt und ausgeschlafen wieder erwachen würde.

Dann wandte der junge Kämpfer sich erneut der Schlangenstatue zu und drehte sie so, dass die reflektierten Sonnenstrahlen auf den letzten Schalter fielen. Link rechnete fast damit, dass die Sonne auch dieses Mal verbrennen würde, aber wie die Schalter aus dem Westflügel leuchtete die Sonne nur auf, bevor ein leises Klicken zu hören war und die Eisenstäbe vor der Tür hochgezogen wurden.
 

Als der Herr der Zeiten über die Schwelle trat, staunte er nicht schlecht: Er befand sich wieder in der großen Halle mit der riesigen Nure-Onna-Statue!

Im ersten Moment machte sich Ernüchterung breit in Link, da er diesen Ort bereits erkundet und nun das Gefühl hatte, in einer Sackgasse zu stecken. Doch dann schob er die negativen Gedanken beiseite.

Bestimmt konnte er nun als Erwachsener Dinge entdecken, die ihm als Kind verborgen bleiben mussten. So stand er nun zum Beispiel auf einem Treppenabsatz, den er als Kind nicht hatte erreichen können.

Mit neuem Mut eilte Link die Treppen vor sich hinauf, um sich einen besseren Überblick über die Halle zu verschaffen.

Das Erste, was er bemerkte, als er oben ankam, war eine weitere verschlossene Tür. Ansonsten war der Blick aus dem dritten Stock vor allem atemberaubend. Er befand sich nun auf Brusthöhe der gewaltigen Statue und die am Boden stehenden, fast mannhohen Fackeln sahen so winzig aus wie Einrichtung für ein Puppenhaus.

Außerdem konnte Link sehen, dass einzelne Platten ihres Brustharnisches tatsächlich mit Smaragden und grünen Achaten besetzt waren. Die Gerudo mussten ein unvorstellbar reiches Volk sein – auch wenn ein Teil dieses Reichtums sicherlich nicht ehrlich erarbeitet war…

Auf einer der ausgestreckten, Richtung Decke gedrehten Handflächen entdeckte der Herr der Zeiten ein Triforce-Emblem. Im ersten Moment ließ ihn dieser Fund stutzen.

Was hatten die Gerudo mit der hylianischen Königsfamilie zu tun?

Doch dann fiel ihm wieder ein, dass das Triforce in erster Linie ein religiöses Symbol und als solches im ganzen Land verbreitet war. Dass die königliche Familie von Hyrule das Triforce wie ein Familienwappen nutze, war erst sehr viel später Tradition geworden.

Link war sich sicher, das Triforce-Emblem hatte etwas mit der Lösung des Rätsels in diesem Raum zu tun.

Vielleicht brachte es ja etwas, wenn er sich daraufstellte und die Hymne der Zeit spielte?

Schließlich handelte es sich dabei ebenfalls um einen Teil uralter religiöser Rituale.

Leider war die Hand viele Meter von seinem Standpunkt entfernt – zu weit, um problemlos herüberspringen zu können.

Für einen Moment überlegte Link, ob er die Pegasus-Stiefel anziehen sollte. Er war sich ziemlich sicher, dass die Schwebefunktion dieses Schuhwerks ihn lange genug durch die Luft tragen würde, um zu der Statuenhand herüber zu gelangen.

Aber ziemlich sicher war Link in dieser Situation nicht sicher genug.

Wenn er sich verschätzte und abstürzte, würde dies seinen sicheren Tod bedeuten. Niemand konnte einen Sturz aus einer solchen Höhe überleben.

Anstatt einen Weg zu der Hand zu suchen, wandte sich der junge Abenteurer deshalb dem Schloss vor der Tür zu. Er hatte es schon einmal geschafft, ein Schloss zu verformen.

Wieso sollte er also nicht in der Lage sein, dieses hier aufzubrechen?

Ohne weiter über seinen Plan nachzudenken, ergriff Link das massive Vorhängeschloss mit beiden Händen, stemmte sich mit den Füßen gegen den steinernen Türrahmen und zog mit voller Kraft.

Es prickelte in seinen Armen, als die Krafthandschuhe ihren antiken Zauber entfalteten. Link hatte das Gefühl, seine Finger würden sich tief ins Metall graben, als der Verschlussbügel endlich herausriss.

Durch das plötzlich wegfallende Gegengewicht, verlor der Herr der Zeiten das Gleichgewicht, stürzte nach hinten und rollte sich überschlagend auf den Rand des Treppenabsatzes zu. Glücklicherweise gelang es ihm im letzten Moment, abzubremsen und keuchend auf dem Rücken liegen zu bleiben.

Just in dieser Sekunde streckte Navi gähnend ihren Kopf unter seiner Tunika hervor und fragte in vorwurfsvollem Ton: „Was zum Deku treibst du hier eigentlich? Da will man einmal in Ruhe schlafen und wird durchgeschüttelt wie die Milch im Butterkübel!“

Während Navi missgelaunt aus der Wäsche guckend zu ihrem Stammplatz kletterte, hievte Link sich wieder auf die Füße und verbesserte: „Butter wird aber gestampft.“ „Was?“ Die Feenfrau starrte ihren Begleiter verständnislos an. „Milch wird zu Butter gestampft. Nicht geschüttelt“, präzisierte Link, während er die Tür zum nächsten Raum aufstieß.
 

Dahinter befand sich ein kurzer Flur und ein Strahlenzyklop, der einen Laserstrahl auf die beiden Abenteurer abfeuerte und damit Navis bissige Antwort im Keim erstickte.

Es gelang Link mit einem schnellen Hechtsprung, sich und seine Begleiterin in Sicherheit zu bringen, doch das Dauerfeuer des Zyklopen machte jegliches Vordringen in den Raum unmöglich.

„Und was machen wir jetzt?“ Link warf Navi einen hilfesuchenden Blick zu. Diese überlegte eine Weile, bis sie entgegnete: „Versuch’s mal mit einer Bombe. Vielleicht können wir dieses Mistding ja in die Luft jagen, wenn du ihm eine Bombe genau vor die Füße wirfst.“

Die Hand bereits im Wunderbeutel, neckte Link: „Füße? Wo hat dieses Ding denn Füße?“ Navi rollte übertrieben genervt mit den Augen. „Du weißt genau, was ich meine!“

Das wusste Link allerdings.

Nachdem er die Bombenlunte an einer in der Nähe stehenden Fackel entzündet hatte, warf er die explosive Kugel so schnell wie möglich in den Flur. Da er auf Grund des Dauerfeuers des Zyklopen nicht viel Zeit zum Zielen hatte, bevor er wieder in Deckung gehen musste, konnte er nur hoffen, dass er sein Ziel traf.

Nur Sekunden später explodierte die Bombe mit einem lauten Knall und die Druckwelle pustete Staub, kleine Gesteinsbrocken, Teppichfetzen und Metallteile durch die Tür in die Nure-Onna-Halle.

Als Navis Blick auf die verbogenen und scharfkantigen Metallstücke fiel, sagte sie: „Sieht so aus als hättest du den Zyklopen erwischt.“ Dennoch lugte Link zunächst vorsichtig um die Ecke, bevor er sich erleichtert aus seinem Versteck neben dem Türrahmen wagte und in den Flur trat.

Obwohl die Bombe nicht allzu groß gewesen war, hatte sie Verheerendes angerichtet.

Das kleine Steinpodest, auf dem der Zyklop gestanden hatte, war vollkommen auseinandergerissen worden und lag nun in Form von Bruchstücken im ganzen Raum verteilt. In der Wand hinter dem ehemaligen Podest klaffte ein kraterförmiges Loch, das an den Rändern rußgeschwärzt war, und an einigen Stellen leckten kleine Flammen an dem, was von dem dunkelroten Teppich, mit dem der Flur ausgelegt gewesen war, noch übrig war.

Link trat im Vorbeigehen das Feuer aus, damit es sich nicht im gesamten Tempel ausbreitete, und gab sich ansonsten Mühe, die Verwüstung nicht zu beachten.

Es tat ihm in der Seele weh, den Geistertempel beschädigt zu haben – auch wenn es nur ein kleiner Raum war. Denn mochte sie heutzutage auch von bösartigen Hexen bevölkert sein, die Göttin des Sandes war eine uralte religiöse Stätte und noch dazu wunderschön. Kein Tempel, den Link bisher betreten hatte, war so reich und beeindruckend geschmückt gewesen.

Doch für derlei Gedanken oder gar Trauer hatte Link nun wahrlich keine Zeit. Also schüttelte er den Kopf, um wieder klar denken zu können, und konzentrierte sich auf den Moment.
 

Durch den Flur gelangten die beiden Abenteurer in einen Raum, dessen Bodenfließen größtenteils herabgebrochen war. Darunter war ein tiefer, klaffender Abgrund zum Vorschein gekommen, der nun nur noch von wenigen, schmalen Wegen durchzogen wurde.

Mit einem Stich im Herzen fragte Link sich für einen kurzen Moment, ob die Explosion im Flur dafür verantwortlich war, dass hier der Boden weggebrochen war.

War die Erschütterung womöglich doch stärker gewesen als gedacht?

Aber dann bemerkte der junge Recke, dass die Bruchkanten bereits ausgeblichen und von Staub überzogen – und damit schon älter – waren.

Erleichtert wagte Link sich weiter in den Raum und erstarrte, als sich drei Lumpenhaufen plötzlich erhoben und vor ihm in der Luft schwebten. Während Links Augen sich mit Tränen füllten, ballte Navi die Hände zu Fäusten und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Noch mehr Anubis-Füchse. Diese Frevler.“

Eine der Fuchsmumien schien unter ihren vergilbten Mullbinden den Kopf leicht schief zu legen und die beiden Abenteurer genau zu mustern. Kurz darauf hallte seine tonlose Stimme in Navis Kopf wieder: Ihr seid die beiden, die vor Jahren unseren Freund verbrannt haben.

Bei diesen Worten erbleichte die Feenfrau und sie hielt abwehrend die Arme vor sich. „Es war nicht so wie es vielleicht aussehen mag!“

Link warf ihr einen neugierigen Blick zu und schaute dann zu den Anubis-Füchsen zurück, die unbewegt in der Luft verharrten. Es machte den Herrn der Zeiten beinah wahnsinnig, dass unter den Stoffwickeln keine Mimik zu erkennen war. Navi wirkte alarmiert.

Doch drohte von den Fuchsmumien wirklich Gefahr?

Die letzte Mumie, die sie getroffen hatten, war eine arme geplagte Seele gewesen.

Ob diese Anubisse anders waren?

Wir wissen, wie es vor sieben Jahren gewesen ist, mischte sich ein anderer Anubis ein.

Als Navi den warmen Unterton in der Stimme des Fuchses bemerkte, atmete sie etwas auf. „Dann… dann sinnt ihr nicht auf Rache?“ Dass Links Blick bei diesen Worten zu ihr zurückzuckte, ignorierte die Fee geflissentlich.

Im Gegenteil, antwortete die erste Mumie. Euch gebührt unser Dank. Koume und Kotake haben unsere Seelen mit Hilfe schwarzer Magie in unseren toten Körpern gefangen und uns zu einem Leben als Untote verdammt. Sie wollen, dass wir ihren Tempel vor Eindringlingen schützen. Wir können leider nicht verhindern, dass wir euch angreifen werden, sobald ihr uns zu nahe kommt. Wir haben keine Kontrolle mehr über diese toten Körper. Sie folgen nur noch den Befehlen der Twinrova. Aber die alten Hexen konnten nie unsere Herzen manipulieren. Unsere Herzen gehören noch immer der Wüste.

Der sehnsüchtige Klang der letzten beiden Sätze, schnürte Navi die Kehle zu. „Ihr… ihr…“, setzte sie stammelnd an, musste jedoch immer wieder innehalten und neu ansetzen, weil ihre Stimme brach.

Wir wünschen uns, dass ihr uns genauso aus diesem unwürdigen Leben befreit wie unseren Bruder, stieß der dritte Anubis hervor.

Tiefe Trauer erfüllte Navis Herz. Sie wünschte sich so sehr, sie könnte irgendeine Form von Magie wirken, die die Anubisse von ihrem unglückseligen Schicksal befreien würde.

Als Link den Gesichtsausdruck seiner Fee sah, verstand er, ohne die Bitte der Mumien gehört zu haben. Die Kiefer fest aufeinander gepresst, schluckte er seine Emotionen, die ein wirres Knäul aus Trauer, Wut, Hass, Ohnmacht und Verzweiflung bildeten, herunter und trat näher an die Anubis-Füchse heran.

Dann blickte er jedem von ihnen in die Augen – oder zumindest in die dunklen Löcher zwischen den Mullbinden, wo er die Augen vermutete – und nickte anschließend. „Ich kann euch leider keinen Weg zurück zeigen. Das einzige Ende eures Leids, das ich euch bringen kann, ist der Feuertod. Ein endgültiger Tod, der eure Körper vernichtet und euch somit von dem Fluch der Hexen befreit.“

Das wissen wir, antwortete der erste Fuchs in Navis Kopf, aber der Tod ist allemal besser als dieses fremdbestimmte Nicht-Leben. Alles ist besser als das hier!

Nachdem der Anubis ausgesprochen hatte, nickte Navi ihrem Schützling mit traurigen Augen zu. Dieser holte mit steinern wirkender Miene Pfeil und Bogen sowie eine alte, verdreckte Kindertunika aus seinem Wunderbeutel hervor.

Fasziniert und ein wenig irritiert beobachtete Navi wie Link die bereits stark lädierte Tunika in Stücke riss und die Stoffteile anschließend um drei Pfeile wickelte. Erst, als er die erste der eingewickelten Pfeilspitzen an einer in der Nähe stehenden Fackel entzündete, begriff die Fee, dass ihr Begleiter sich Feuerpfeile gebastelt hatte und diese nutzen wollte, um die Anubis-Füchse aus der Distanz in Brand zu stecken.

Für einen Moment fragte Navi sich, warum Link nicht einfach Dins Feuersturm einsetzte. Das wäre deutlich schneller und weniger kompliziert gewesen.

Doch mit einem Blick auf den kaputten Boden beantwortete sich die Fee ihre Frage selbst: Link hatte Angst, nach Einsatz des mächtigen Zaubers von Schwindel geplagt zu werden und in den Abgrund zu stürzen.

Sobald die um die Pfeilspitze gewickelten Stoffbahnen Feuer gefangen hatten, legte Link den Pfeil auch schon ein und zielte auf den ersten Anubis. „Finde deinen Frieden.“ Obwohl seine Mimik gänzlich unbewegt blieb, zitterte seine Stimme leicht und verriet, dass ihn die Situation nicht so kalt ließ wie er Glauben machen wollte.

Navi legte ihm beruhigend eine Hand auf die Wange, glaubte aber nicht, dass Link dies überhaupt wahrnahm. Mit mechanischen Bewegungen legte er an, zielte und ließ den Pfeil von der Sehne sausen.

Die trockenen Stoffbinden der Mumie fingen sofort Feuer und es dauerte nur Sekunden, bis der Fuchs sich in eine riesige, schwebende Stichflamme verwandelte.

Link achtete jedoch gar nicht darauf. Stattdessen bückte er sich schnell nach dem nächsten Pfeil, den er neben der Fackel auf dem Boden abgelegt hatte, und wiederholte die Prozedur ein weiteres Mal. Und noch einmal.

Da diese Anubis-Füchse im Gegensatz zu ihrem Bruder, den Link als Kind getroffen hatte, über einem Abgrund schwebten, konnte der junge Kämpfer ihre Asche nicht einsammeln und draußen in der Wüste verstreuen. Stattdessen musste er mitansehen wie die unterschiedlich großen Ascheflocken auf Nimmerwiedersehen in die unendlich wirkende Tiefe hinabschwebten.

Dennoch hallte in Navis Kopf ein Chor aus drei Stimmen wider: Danke!

Der Fee lief bei dem Gedanken an eine solch immense Verzweiflung, die den Tod als lohnende Alternative erscheinen ließ, ein kalter Schauer über den Rücken. Sie konnte nur hoffen, dass sie und keiner, den sie liebte, je so etwas Furchtbares erleiden musste.
 

Sobald der letzte Fuchs verbrannt war, wurde offenbar ein magisches Siegel gebrochen, das über dem Raum gelegen hatte. Jedenfalls sanken plötzlich dicke Eisenstäbe von schleifenden Geräuschen begleitet in den Boden und gaben die hinter ihnen liegende Tür frei.

Als Link zielstrebig auf den neu entstandenen Ausgang zuhielt, merkte Navi an: „Da hinten ist noch eine Tür.“ Link folgte dem ausgestreckten Arm seiner Fee mit den Augen und zuckte dann leicht die Schulten, um Navi nicht zu sehr durchzuschütteln. „Ich will erst mal sehen, was sich hier hinter verbirgt. Sicherlich etwas Wertvolles, wenn man es mit dem Leben von drei Anubis-Füchsen zu sichern versucht.“

Durch die Tür gelangten die beiden in einen großen, rechteckigen Raum, der bis auf vier kleine Statuen, eine verrostete Kreiselklingenfalle und ein Sonnenornament an der Wand völlig leer zu sein schien.

Link hielt zielstrebig auf den Sonnenschalter zu und blickte sich suchend um. Durch ein Dachfenster fielen die letzten orange-roten Sonnenstrahlen des Tages in den Raum, aber es war weit und breit nichts zu sehen, mit dem sie sich reflektieren ließen.

„Versuch’s doch mal mit deinem Schwert“, riet Navi. Doch auch wenn das Master-Schwert über eine glänzende, reflektierende Klinge verfügte, reichte das zurückgeworfene Licht nicht aus, um den Schalter zu aktivieren.

Verstimmt wandte Link sich von der Sonne ab und fragte laut: „Und jetzt?“ Eigentlich hatte er die Frage an sich selbst gestellt, aber Navi war trotzdem diejenige, die antwortete: „Vielleicht finden wir da hinten bei den Statuen etwas Interessantes.“

Link machte ein mürrisches Gesicht, ging aber ohne zu zögern zur anderen Seite des Raumes herüber.

Tatsächlich gab es hier einen Bodenschalter, der die rechte, aus dem Raum führende Tür öffnete – doch zu Links Leidwesen blieb der Ausgang nur so lange geöffnet wie er auf dem Schalter stehen blieb. Sobald er zur Seite trat, schnellte der Schalter wieder in die Höhe und die Tür schlug mit einem lauten Knall ins Schloss.

Leider gab es auf dieser Seite keinerlei Möglichkeit, die Tür zu öffnen. Sie hatte weder Knauf noch Klinke.

„Vielleicht, wenn ich eine der Statuen auf den Schalter schiebe…“, überlegte Link laut, nur um sofort von Navi gebremst zu werden. „Finger weg von den Statuen! Das sind Armos-Ritter!“

Link erinnerte sich an seinen aussichtslosen Kampf gegen einen Armos-Ritter in Dodongos Höhle und seufzte auf. Damals war ihm nichts anderes als die Flucht geblieben.

Doch schon im nächsten Moment ging ein Strahlen über sein Gesicht und er forderte seine Begleiterin auf: „Halt dich gut fest, Navi. Ich habe eine Idee!“

Während sich die Fee an seiner Tunika und in seinen Haaren festkrallte und ihn neugierig ansah, stellte Link sich direkt vor die Tür und holte seinen Enterhaken hervor. Dann zielte er auf die Statue, die von ihm aus gesehen hinter dem Schalter stand und feuerte seinen Enterhaken darauf ab.

Die Kette raste klirrend durch die Luft und ein widerliches Kreischen von Metall auf Stein erklang, als die Spitze des Enterhakens eine tiefe Furche in die Statue schlug. Diese erwachte daraufhin mit wildem Gebrüll und Link beeilte sich, den Aufrollmechanismus seines Hakens zu betätigen.

Glücklicherweise hatte sich die Kette bereits wieder vollständig aufgerollt, bevor sich die Statue in Bewegung setzte. Springend kam sie auf Link zu und verursachte jedes Mal, wenn sie wieder auf den Boden auftraf, kleine Erdbeben.

Link achtete darauf jedoch gar nicht. Seine Aufmerksamkeit war fest auf einen bestimmten Punkt geheftet.

Sobald die Statue den Bodenschalter erreicht und diesen unfreiwillig betätigt hatte, warf Link sich mit einer Seitwärtsrolle durch die sich öffnende Tür. Nur Sekunden später war die Statue auch schon über den Schalter hinweggesprungen und die Tür schlug krachend wieder zu.

Navi ließ Links Haare und Tunika los und nickte ihm anerkennend zu. „Das war richtig clever!“ Normalerweise hätte ihr Schützling bei einem solchen Lob wie ein Honigkuchenpferd gegrinst, doch offenbar steckte ihm die Begegnung mit den Anubis-Füchsen noch in den Knochen. So zuckte er angesichts des Lobs nur mit den Schultern und wandte sich dann dem Raum vor sich zu.

Bevor Link etwas sagen konnte, sprach Navi aus, was er dachte: „Dieser Raum kommt mir bekannt vor.“ Der langgestreckte Flur mit der sich nur leicht drehenden Wendeltreppe, deren Stufen mit blutrotem Teppich ausgekleidet waren, erinnerte die beiden Abenteurer an den Gang, der sie zu dem Thronsaal des Eisenprinzen geführt hatte.

Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck erklomm Link die ersten Stufen und sagte: „Dann wollen wir mal sehen, was uns dieses Mal erwartet.“

Navi zuckte bei dem harten Klang seiner Stimme ein wenig zusammen. Es machte beinah den Eindruck als freute Link sich auf die Aussicht, fremdes Blut vergießen zu können.

Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich!

Andererseits konnte ein Mensch auch nur eine bestimmte Menge an seelischer Pein verkraften, bevor etwas in ihm zerbrach.

Vielleicht war die Begegnung mit den Anubis-Füchsen der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, und nun sann Link auf Rache?
 

Navi überlegte noch immer fieberhaft, wie sie ihren Schützling davor bewahren konnte, in dieses dunkle Loch zu fallen, als Link die Tür zum nächsten Raum dermaßen heftig aufstieß, dass sie laut krachend gegen die Wand schlug.

Wie Link erwartet hatte, befanden sie sich nun in einem weiteren Thronsaal, der eine exakte Kopie des Saals aus dem Westflügel zu sein schien. Sogar der Eisenprinz auf dem Thron sah nahezu identisch aus. Der einzige Unterschied war, dass dieser seine Axt bereits in den Händen hielt.

Der Herr der Zeiten trat nah an den Gegner heran, deutete mit dem Kinn auf die gewaltige Breitaxt des Eisenprinzen und höhnte: „Wie ich sehe, habt ihr in sieben Jahren dazugelernt.“

Navi kroch unter seine Tunika in die Hemdtasche und flehte im Flüsterton: „Bitte, sei vorsichtig! Provozier ihn nicht unnötig.“

Als hätte er Navis Bitte überhaupt nicht gehört, trat Link dem Eisenprinzen gegens Schienbein, was ein metallisches Scheppern zur Folge hatte – und, dass sich der Eisenprinz von seinem Thron erhob.

Sein Schwert ziehend rief Link seinem Kontrahenten zu: „Na endlich, du olle Blechbüchse. Ich hab schon gedacht, du stehst gar nicht auf!“

Navi ballte die Hände zu Fäusten und fluchte stumm.

Was genau hatte Link vor?

Wollte er sich umbringen?!

Er musste doch noch wissen, wie gefährlich ein Eisenprinz sein konnte. Ein in Rage geratener Gegner konnte nur noch schlimmer sein.

Tatsächlich stürmte der Eisenprinz vom lauten Klonk, klonk seiner Rüstung begleitet auf Link zu und schwang dabei seine Axt wie wild durch die Luft.

Der Herr der Zeiten, der mit einem derart kopflosen Angriff gerechnet hatte, sprang jedoch leichtfüßig aus der Gefahrenzone und lachte: „Ist das alles, was du draufhast? Das ist ja beschämend! Vielleicht sollte ich nach Kakariko zurückgehen und mich dort unter den Kindern umsehen. Da finde ich bestimmt einen würdigeren Gegner als dich.“

Vor Wut schäumend wirbelte der Eisenprinz herum und setzte zu einem knochenbrechenden Angriff an, doch Link wich erneut problemlos aus.

Tatsächlich schaffte es der junge Recke, stets außerhalb der Reichweite des Prinzen zu bleiben. Anstatt seinerseits anzugreifen, beleidigte er seinen Gegner in einem fort und machte diesen rasend.

Navi kaute nervös auf ihren Fingernägeln und fragte sich, welche Strategie Link verfolgte.

Was genau wollte er erreichen?

Es war inzwischen klar, dass ihr Schützling einen Plan hatte und nicht einfach nur blind seine aufgestauten Aggressionen herauslassen wollte.

Doch was war sein Ziel?

Nur wenige Minuten nachdem Navi sich diese Frage gestellt hatte, sollte sie eine Antwort darauf bekommen: Der wild um sich schlagende Eisenprinz war inzwischen dermaßen frustriert davon, dass sich der wie ein Floh umherhüpfende Link stets außerhalb seiner Reichweite aufhielt und ihn ununterbrochen verhöhnte, dass er seine mächtige Axt nach dem unverschämten Bengel warf.

Als Link sah, dass der Eisenprinz zum Wurf ansetzte, spannte er sich am ganzen Körper an. Dies war der gefährlichste Moment seines Plans.

Sobald der Prinz seine Waffe von sich geschleudert hatte, ließ Link sich flach auf den Rücken fallen. Seine geprellte Schulter protestierte mit einem heiß stechenden Schmerz und die scharfe Klinge der Axt zischte nur Millimeter über ihm durch die Luft, doch er hatte es geschafft.

Kaum, dass die Waffe des Eisenprinzen über ihn hinweggeflogen war, sprang Link wieder auf die Füße und sprintete auf den Prinzen zu. Dieser war offensichtlich verwirrt und ohne seine Breitaxt völlig hilflos.

Link stieß sich aus vollem Lauf vom Boden ab und sprang, nutzte den Helm des Eisenprinzen, um im Sprung erneut an Höhe zu gewinnen und sich um die eigene Achse zu drehen. Noch im Fallen riss er sein Schwert hervor und durchtrennte die Bänder, die den Brustharnisch des Prinzen zusammenhielten.

Wie schon der letzte Eisenprinz, fiel auch dieser danach einfach in sich zusammen und endete als ein Haufen Altmetall.
 

Als sie das verdächtige Klirren von Metall auf Stein hörte, kroch Navi aus ihrem Versteck hervor und bestaunte die umherliegenden Rüstungsteile. „Du… Du hast ihn besiegt, ohne auch nur einen Kratzer zu erleiden!“

Die Verblüffung seiner Fee schien Link zu amüsieren. „Ich hatte noch eine Rechnung offen mit seinesgleichen. Außerdem bin ich lernfähig, man soll’s nicht glauben.“

Navi öffnete den Mund, um zu entgegnen, dass sie sehr wohl wusste, dass er sehr schnell lernte, aber Link ließ sie nicht zu Wort kommen: „Nun wollen wir uns aber mal ansehen, was diese Blechbüchse beschützt hat.“

Mit diesen Worten wandte der Herr der Zeiten sich dem Ausgang hinter dem Thron zu und stieg die leichte Anhöhe hinauf. Oben angekommen, fanden die beiden Abenteurer sich – genau wie nach dem Kampf gegen den ersten Eisenprinzen – draußen wieder. Dieses Mal standen sie jedoch auf der anderen Hand der Göttin.

Zu Links großer Freude stand auch hier eine große, verlockend aussehende Holztruhe.

Mit schnellen Schritten eilte Link zu ihr herüber, schob den Riegel des Schlosses zur Seite und öffnete die Kiste. In ihrem Inneren lag auf einem mit roter Seide bezogenen Kissen der schönste Schild, den Link je gesehen hatte.

Die Oberfläche des Schildes war verspiegelt und mit dem Emblem der Gerudo versehen: ein von Sternen umrahmter Sichelmond. Die Rückseite des Schildes sowie die Halterung für den Spiegel waren aus feuerrotem Metall. Allerdings war die Halterung auf der Frontseite genau wie der Spiegel selbst von einer Schicht extrem harten und nahezu unzerstörbarem Glas überzogen, sodass das Metall beinah so wirkte als bestünde es aus geschmolzenen Rubinen.

Link blickte von dem Schild zu Navi auf und grinste. „Ich glaube, wir haben den Spiegelschild gefunden.“ Die Fee nickte und fügte an: „Die Twinrova sollten sich ab jetzt lieber vor uns in Acht nehmen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  obelix
2017-12-13T20:40:25+00:00 13.12.2017 21:40
hi labrynna

das Kapitel war intersannt und wieder mal ein mal ein Gefährlich Tempel Abenteuer . Link kann sich ja gleich setzt wie die beide Abenteurer Henry "Indianer" Jones und Nathan Drake.

mfg obi
Antwort von:  Labrynna
13.12.2017 21:47
Hehe, stimmt! Die Drei hab ich bislang nicht in Verbindung gebracht, aber jetzt, wo du es sagst... Link "Indina" Drake! :D


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