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Ocarina of Time

von

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Das Geheimnis des Brunnens

Einige Stunden später stand Link mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend vor dem Podest, aus dem er einst das Master-Schwert gezogen hatte, und drehte die heilige Waffe unschlüssig hin und her, sodass das durch die hohen Deckenfenster fallende Licht über die Klinge tanzte.

Navi saß auf seiner Schulter und machte ebenfalls ein zweifelndes Gesicht. „Hast du Angst?“, wagte sie sich ein wenig zögerlich vor, nur um bei Links Antwort von einem Schulterzucken durchgeschüttelt zu werden.

„Ich weiß nicht. Ich vertraue Shiek durchaus, doch dass ich gar keine Vorstellung von dem habe, was mich erwartet, macht mir Bauchgrimmen. Aber mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben als es einfach zu versuchen…“

Tief einatmend schloss der Herr der Zeiten die Augen und rammte das Master-Schwert tief in den Zeitfels.

Einen augenaufschlaglangen Moment geschah rein gar nichts, doch dann schoss eine Fontäne blauen Lichts aus den Ritzen rund um die Klinge hervor und umhüllte Link, der noch immer das Heft umklammert hielt. Selbst durch die geschlossenen Lider war das Licht noch immer hell genug, um den jungen Mann zu blenden.

Gerade, als er sich den Arm übers Gesicht legen wollte, um seine Augen zu schützen, schoss ein dermaßen schmerzhaftes Ziehen durch seinen Körper, dass er am liebsten laut aufgeschrien hätte.

Doch bevor auch nur ein Ton Links Lippen verlassen hatte, hatte sich der Schmerz zusammen mit dem Licht bereits wieder verzogen und nur ein dumpfes Kribbeln in der Brust hinterlassen.

Zögerlich öffnete Link die Augen und erschrak unweigerlich über das, was er sah.

Das Master-Schwert reichte ihm plötzlich wieder bis knapp unter die Augen, seine Handschuhe rutschten ihm von den Händen, sein Kettenanzug hing lose um seinen schmalen Körper und seine Tunika hatte auf einmal die Ausmaße eines bodenlangen Kleids. Sogar das Licht, das durch die Bleiglasfenster fiel, schien einen goldeneren Ton als zuvor zu haben.

Navi, die wieder mehr wie ein Mädchen als wie eine Frau aussah, sprang von seiner Schulter und flog vor ihren Begleiter, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen.

Nachdem sie ihren Blick an ihm hatte herabgleiten lassen, grinste sie ihn breit an: „Sieht so aus als hätten wir’s geschafft! Wir sind tatsächlich durch die Zeit gereist!“
 

Während seine Fee aufgeregt um ihn herum kreiste, ließ der Junge langsam den Schwertgriff los.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach all der Zeit wieder in seinem Kinderkörper zu stecken…

Obwohl er sich noch immer vertraut anfühlte, wirkte er irgendwie zu eng – so als wäre sein Geist in seinem erwachsenen Körper zu sehr gewachsen, um jetzt wieder in diese kleinere Version hineinzupassen.

Für derlei Gedanken hatte der junge Held jedoch keine Zeit, also entledigte er sich flugs seiner zu großen Kleider, stopfte sie in seinen Wunderbeutel und holte seine Kindertunika und Stiefel hervor, die glücklicherweise ein kluger Kopf hereingetan hatte, während er in seinem merkwürdigen Tiefschlaf gefangen gewesen war.

Anschließend warf er einen letzten Blick auf das Master-Schwert, das friedlich im Zeitfels ruhte und geduldig auf seine Rückkehr zu warten schien.

Einen Moment lang machte er sich Sorgen, jemand könne es rauben, aber dann fiel ihm wieder ein, dass nur der Herr der Zeiten in der Lage dazu war, die heilige Waffe aus dem Stein zu ziehen.

Als die beiden Abenteurer vor die Zitadelle traten, verschlug es Link ein wenig den Atem und er hielt einen Moment inne, um das sich ihm bietende Bild auf sich wirken zu lassen.

Das Wasser in den flachen Bassins neben dem imposanten Eingangsportal glitzerte wie geschliffenes Glas und die bunten, in großen Kübeln wachsenden Blumen schwängerten die reine Luft mit ihrem dezenten, süßen Duft.

Während all der Zeit in dem von Ganondorf geschundenen Hyrule der Zukunft hatte Link ganz vergessen wie traumhaft schön sein Heimatland eigentlich war.

Oder hatte er es früher als Selbstverständlichkeit angesehen und nicht genügend beachtet?

Mit einem Schulterzucken streifte der Junge seine Grübelei ab und schwor sich, diese Schönheit für die Zukunft zu bewahren und Ganondorf daran zu hindern, sie zu zerstören.
 

Einige Stunden später stand Link bereits vor dem Brunnen in Kakariko und blickte in das fast schwarz wirkende Wasser hinab. Navi balancierte über den Rand und musterte mit sorgenvoller Miene die gräuliche Gesichtshaut und die dunklen Ringe unter den Augen ihres Begleiters.

„Du siehst schrecklich erschöpft aus. Vielleicht sollten wir erst einmal eine Rast einlegen, damit du dich erholen kannst…“ Als Link mit einer kurzen Handbewegung abwinken wollte, insistierte die Fee: „Du hast dir schon seit Tagen keine Ruhe mehr gegönnt… Langsam wird es gefährlich. Wer sich in solche Gefahren begibt wie du sollte zumindest ausgeschlafen sein. Komm schon! Mir zu Liebe…“

Link seufzte und schubste einen kleinen Stein, der mit einem lauten, hallenden «Gluck» unterging, über den Brunnenrand ins Wasser. „Hab ich dafür überhaupt Zeit, während Impa im Schattentempel Hilfe braucht?“

Ein schelmisches Grinsen huschte über Navis Gesicht, als sie den übermüdeten Jungen erinnerte: „Hast du etwa vergessen, was Shiek gesagt hat? Egal, wie viel Zeit wir hier beziehungsweise im Jetzt brauchen – sobald du das Master-Schwert wieder aus dem Zeitfels ziehst, landen wir wieder genau bei dem Moment, an dem du es in der Zukunft hineingestoßen hast.“

Langsam erhellte Erkenntnis Links Züge und seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. „In Ordnung. Ich frage gleich mal in der Herberge, ob noch ein Bett frei ist. Aber zuerst kümmere ich mich um den Brunnen. Ist vielleicht sogar ganz gut, wenn wir uns danach erst mal für ein paar Stunden nicht blicken lassen. Im Morgengrauen schleichen wir uns dann raus und gehen der Sache auf den Grund.“

Mit diesen Worten wandte er sich vom Brunnen ab und strebte auf die Mühle zu.
 

Das Innere des Gebäudes sah genauso aus wie Link es in Erinnerung hatte. Anscheinend hatte Ganondorf kein großes Interesse daran, Lebensmittellieferanten zu schikanieren.

Link strich gedankenversunken über eine der holzvertäfelten Wände und blickte sich aufmerksam um. Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen wie dies alles in sieben Jahren aussehen und dass er gleich den Großteil der diesjährigen Kornernte ruinieren würde.

Navi, die sein Unbehagen zu spüren schien, legte ihm eine Hand auf die Wange und versuchte, ihm tief in die Augen zu sehen. „Du musst das hier tun“, flüsterte sie. „Für Hyrule. Für Impa. Für Zelda.“

Der Junge seufzte und nickte bloß. Ihm war bewusst, dass er seinem Schicksal nicht entkommen konnte.

Aber das hieß noch lange nicht, dass es ihm gefallen musste…

Langsam schritt Link auf der Suche nach dem Hausherrn durch die Mühle. Als er ihn schließlich im Kornlager fand, zuckte der junge Held vor Überraschung ein wenig zusammen.

Der Müller wirkte nicht nur wesentlich jünger, was logisch war, sondern auf seinem Kopf schimmerte auch noch ein voller, dichter Haarschopf im goldenen Nachmittagslicht.

Ob seine Haare aus Ärger über den kommenden Zwischenfall so sehr ausdünnen würden?

Oder war der schnelle, massive Haarausfall erblich bedingt?

Noch bevor Link den erneuten Anflug eines schlechten Gewissens zur Seite hatte schieben können, hatte der Müller ihn bereits bemerkt.

Ein Teil von Link erwartete eine ähnlich barsche Begrüßung wie bei seinem Besuch in sieben Jahren, doch der Müller lächelte ihn freundlich an und fragte mit warmer Stimme: „Nanu? Wer bist du denn und was machst du in meiner Mühle? Hast du dich verlaufen?“

Der Junge nickte stumm und warf einen hilfesuchenden Blick auf seine Fee, die neben ihm in der Luft schwebte und mit den Schultern zuckte. Am liebsten hätte Link sich dafür in den Hintern getreten, dass sie sich vorher keinen richtigen Plan zurechtgelegt hatten.

Im Schauspielern und Improvisieren war er doch schon immer eine Niete gewesen!

Mit einer langsamen, bedachten Bewegung kniete sich der Mann hin und lächelte seinen Besucher erneut breit an, fast so als wäre Link ein Kätzchen oder Kleinkind und nicht bereits ein Halbwüchsiger.

Als sein Gegenüber auch nach anderthalb Minuten noch nicht geantwortet und nur nervös auf der Unterlippe gekaut hatte, wagte der braunhaarige Müller einen weiteren Anlauf: „Kannst du womöglich gar nicht sprechen?“

Von diesem Gedanken überrascht, riss Link die Augen auf.

Das war eigentlich eine gute Idee!

So lange er sich stumm stellte, konnte er nichts Verräterisches oder Merkwürdiges sagen, das womöglich den Argwohn des Müllers geweckt hätte. Vielleicht würde der Mann ihn sogar für einen Idioten halten und sich nicht darüber wundern, wenn Link ohne ersichtlichen Grund anfing auf seiner Okarina zu spielen.

Ein wenig zögerlich nickte der Junge und legte den Kopf schief in der Hoffnung, er sähe dadurch beschämt oder beschränkt aus.

„Oh, das tut mir Leid für dich.“ In der Stimme des Müllers schwang echtes Mitgefühl mit und er tätschelte Link tröstend die Schulter. „Und nun hast du dich auch noch verlaufen. Kannst du mir vielleicht irgendwie anders einen Tipp geben, wohin du eigentlich wolltest?“

So unauffällig wie möglich kniff Navi ihrem Begleiter fest in den Oberarm und sah ihn eindringlich an. Dies war eine super Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt lassen sollten.

Schnell holte der Junge seine Okarina hervor und sah aus großen Augen zu dem Müller auf, der nachdenklich auf das Musikinstrument blickte. „Hm… Wenn du etwas mit Musik oder Musikern zu tun hast, sollte ich dich wohl am besten nach Hyrule-Stadt bringen la–“

Ohne den Mann aussprechen zu lassen, setzte Link seine Flöte an die Lippen und spielte die Hymne des Sturms, wobei Navi mit der Notiz auf seiner Schulter saß und ihm die einzelnen Töne direkt ins Ohr summte.

Einen Moment lang war der Müller sichtlich verdutzt, aber dann begann er wieder zu lächeln und nickte dem sonderbar wirkenden Jungen vor sich zu. „Ein sehr schönes Lied, wirklich. Der Rhythmus gefällt mir. Hast du es selbst geschrieben?“

Noch immer stumm schüttelte Link den Kopf, während er angespannt darauf wartete, dass etwas passierte.

Wo blieb denn bloß der Sturm?

Hatte er womöglich etwas falsch gemacht?

Gerade, als er einen besorgten Blick mit Navi wechselte, rollte endlich der erste, gewaltige Donner über Kakariko hinweg.

Überrascht sah der Müller auf und eilte zum nächstgelegenen Fenster, um sich das Spektakel draußen anzusehen. Riesige, tiefschwarze Wolken, in denen grellgelbe Blitze zuckten, türmten sich immer höher auf und wilde Orkanböen strichen pfeifend um Häuserecken.

„Bei den Göttinnen!“, stieß der entsetzte Müller aus. „So einen Sturm hab ich ja noch nie gesehen! Wo kommt der denn so plötzlich her? Vorhin schien doch noch die Sonne…“ Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich Angstschweiß von der Stirn.

Vor den Mächten der Natur hatte er schon immer riesigen Respekt gehabt.

„Vielleicht solltest du erst einmal eine Weile bei uns bleiben“, schlug der besorgte Mann vor. „Meine Frau hat bestimmt nichts dagegen einzuwenden. Bei diesem Wetter schickt man ja keinen Hund vor die Tür!“

Während er sprach, wandte sich der Müller wieder zu seinem Gast um, doch Link war längst verschwunden.

Irritiert blickte der Mann sich um und suchte hinter Mehl- und Kornsäcken nach dem Jungen, aber die plötzlich hereinströmenden Brunnenwassermassen verdrängten seine Sorge um den verschollenen Besucher sehr schnell.
 

Draußen hatte zeitgleich mit Links Verlassen der Mühle der unausweichliche Niederschlag eingesetzt. Doch anstatt dicker, wie Schnüre wirkender Regentropfen prasselten Hagelkörner vom Himmel herab. Manche der Eisklümpchen waren fast so groß wie Hühnereier.

Den Hylia-Schild über den Kopf haltend rannte der junge Herr der Zeiten auf das riesige Haus zu, das einst Impa gehört hatte und nun die einzige Herberge im Dorf war. „Ich frage mich, ob es nicht besser gewesen wäre, das Lied einfach auf dem Brunnenplatz zu spielen.“

Obwohl der Junge laut brüllte und Navi sich schutzsuchend dicht an seinen Hals schmiegte, verstand die Fee ihn wegen des tosenden Sturms kaum. Es war als würde der wütende Wind Links Worte hinfort reißen, sobald sie seine Lippen verlassen hatten.

„Nein“, schrie Navi zurück, „es musste so sein. Hättest du das Lied unbemerkt gespielt, hätte es in sieben Jahren keinen Zeugen gegeben, der dir das Lied hätte beibringen können. Also hättest du es nie gelernt und jetzt nicht spielen können – ein unmögliches Paradoxon. Es musste so sein.“

Link murrte unzufrieden, ließ das Thema aber auf sich beruhen.

Er wusste ja, dass Navi Recht hatte, auch wenn es ihm noch immer falsch erschien.

Als die Beiden völlig außer Atem die Herberge erreichten, wurden sie herzlich empfangen und sofort zu einem Platz am prasselnden Kaminfeuer geführt. Die hübsche Hausvorsteherin hatte Link sogleich wiedererkannt und versicherte ihm, er könne bleiben solange er wolle, und bot ihm an, zusammen mit ihr zu Abend zu essen, was der Junge dankbar annahm.

Nach einem einfachen Mahl, das aus grauem Brot, Wurst, Käse und frischer Kuhmilch von der Lon-Lon-Farm bestanden hatte, ließ Link sich schlaff auf sein Lager fallen, während Navi es sich in seiner abgelegten Mütze gemütlich machte und sofort wegdämmerte.

Doch obwohl ihm vor Erschöpfung und Müdigkeit jeder einzelne Muskel zu schmerzen schien, wollte sich bei dem jungen Helden kein Schlaf einstellen.

Wann immer er die Augen schloss, hatte er das freundliche Gesicht des Müllers vor sich, das sich in die hassverzerrte Fratze verwandelte, die Link aus der Zukunft kannte. Das schlechte Gewissen brannte wie Feuer in seinen Adern und er warf sich genervt von einer Seite auf die andere.

Als er endlich doch noch einschlief, war es bereits kurz vor Mitternacht.
 

Die Morgenluft war noch klamm, als Link und Navi auf leisen Sohlen die Herberge verließen. Es roch nach feuchter Erde und die Morgendämmerung malte erste zarte, rosafarbene Streifen an den Horizont.

Während sie stumm auf den Brunnen zumarschierten, betrachtete Navi sorgenvoll die dunklen Schatten unter den Augen ihres Begleiters. Irgendwie schienen sie trotz der Nachtruhe noch intensiver geworden zu sein als am Tag zuvor.

Am Brunnen angekommen beugte Link sich über den ein wenig brüchig wirkenden Rand und sah in die Tiefe.

Am Grund war noch eine kleine Pfütze, die im Dämmerlicht matt glänzte, aber ansonsten war der Brunnen tatsächlich vollkommen leer.

Bei dem Anblick des tiefen, dunklen Schachtes überkam Link ein unbestimmtes Gefühl von Furcht, so als ob ihm seine innersten Instinkte zur Flucht rieten.

Doch so wenig es ihm auch behagte, er hatte keine Wahl. Wenn er Impa zur Hilfe eilen wollte, brauchte er das Auge der Wahrheit!

Gerade, als er Navi als Zeichen des Aufbruchs zunicken wollte, hörten die Beiden es: laute, schaurige Klagelaute drangen aus den Tiefen des Brunnens zu ihnen herauf.

Sofort begann Links Puls zu rasen und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem gesamten Körper aus. Über all seine Bedenken was die Hymne des Sturms und den Müller anging, hatte er ganz vergessen, was dieser ihm über den Grund der Wandversiegelung erzählt hatte.

Mit einem ängstlichen Quieken verschwand Navi unter Links Mütze und krallte sich schlotternd in seinem Haar fest. Diese Geisterlaute, die zwischen wildem Brüllen, gequälten Schreien und schmerzerfülltem Stöhnen schwankten, waren das Schrecklichste, was die Fee in ihrem bisherigen Leben gehört hatte.

„Was im Namen der Göttinnen ist das?“, flüsterte sie mit angespannter Stimme.

Obwohl sie wusste, dass es lächerlich war, hoffte sie darauf, dass Link eine logische Erklärung für die Geräusche hatte und ihnen so den Schrecken würde nehmen können.

Doch der Junge zuckte nur mit den Schultern, während er sich darum bemühte, seine Furcht so weit hinunterzuschlucken, dass seine Stimme nicht mehr zittern würde. „Ich weiß es nicht…“, murmelte er schließlich, als es ihm gelang.

„Es klingt nach einem Tier, aber der Müller hatte Recht: Es scheint sich nicht um eine bekannte Art zu handeln. Vielleicht ist es ein Monster? Irgendwie erinnern mich diese Laute an Gohma. Dich nicht auch?“ Innerlich musste Link trotz der Anspannung über seinen Tonfall grinsen.

Er hatte schon immer dazu geneigt, zu plappern, wenn er nervös war.

Unterdessen spitzte Navi konzentriert die Ohren und schüttelte den Kopf. „Was auch immer es ist, es erinnert mich an nichts, das ich schon einmal gehört hätte. Ich kann diese Geräusche überhaupt nicht einordnen. Aber eines weiß ich ganz genau: Ich will, dass sie aufhören!“

Mit wild schlagendem Herzen nickte Link und wunderte sich selbst über seine scheinbare Sicherheit, als er sagte: „Dann werden wir der Sache mal auf den Grund gehen!“

Einen Moment lang wirkte die Fee so unglücklich über diesen Gedanken, dass man glauben konnte, sie würde ihren Begleiter zum Rückzug überreden wollen.

Doch dann besann sie sich wieder auf die Wichtigkeit dieser Mission, krabbelte unter der Mütze hervor und feuerte ihren Schützling an: „Genau! Das wäre doch gelacht! Wir lassen uns von ein paar gruseligen Geräuschen nicht in die Flucht schlagen!“

„So sieht’s aus!“, bekräftigte auch Link noch einmal.

Es war klar, dass sich die beiden Abenteurer mit diesem zur Schau gestellten Selbstvertrauen nur Mut machen wollten…

Dann atmete Link tief durch, versuchte, die nervöse Übelkeit, die sich seiner bemächtigt hatte, hinunterzuschlucken und machte sich an den Abstieg.
 

Durch einen Riss im Mauerwerk, der gerade groß genug war, dass Link sich knapp hindurchzwängen konnte, gelangten er und Navi in eine Art eingefallenes Gewölbe. Modrige, stechend nach verfaultem Fleisch riechende Luft schlug ihnen entgegen und ließ die Beiden würgen.

„Uah! Hier stinkt’s!“ Navi presste sich eine Hand aufs Gesicht und auch Link zog angewidert die Nase kraus. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich gerade bin, dass ich nie Wasser aus diesem Brunnen getrunken habe…“

„Das ist echt abartig!“ Diese Worte murmelnd verschwand Navi mal wieder unter Links Mütze und fragte sich, ob sie ihren Begleiter bitten sollte, sie wieder in den Wunderbeutel zu stecken.

Zwar würde ihr dort durch das schwerelose Herumgeschaukel mit Sicherheit wieder übel werden, aber ihr erschien alles besser als diese bestialisch stinkende Luft atmen zu müssen!

Mit einem Seufzen gestand sie sich jedoch ein, dass sie Link nicht alleine lassen konnte.

Schon im Wassertempel war sie schier wahnsinnig geworden, während sie sich gefragt hatte, ob er wohl auch ohne ihren Rat zurechtkam. Dabei hatte er dort über den kräftigen Körper eines erwachsenen Mannes verfügt und hatte sich nicht in einer dermaßen gruseligen Umgebung befunden.

Nein, ob sie wollte oder nicht, sie fühlte sich dazu verpflichtet, diesen Albtraum Seite an Seite mit ihrem Schützling durchzustehen.

Also hielt sie sich die Nase zu und betete stumm darum, dass die engen Maschen des Mützenstoffes den Gestank zumindest ein wenig herausfiltern würden.

Link zog sich in derselben Hoffnung den Kragen seiner Tunika schützend bis unter die Augen und atmete flach durch den Mund, während er langsam durch die unterirdische Höhle schritt. Hier und dort ragten Mauerreste wie faulige Zähne aus dem Boden und in einiger Entfernung ließen sich sogar noch die Überreste eines Türbogens erkennen.

„Was glaubst du, wo wir hier sind?“ Wegen der erschwerten Atembedingungen schnaufte der Junge beim Sprechen als sei er bereits völlig aus der Puste.

Navi zuckte ein wenig träge mit den Schultern, bis ihr einfiel, dass ihr Begleiter dies gar nicht sehen konnte. „Ich bin mir nicht sicher“, erklärte sie, „aber vielleicht war dies hier einstmals der Keller des Hauses, in dem der Shiekah aus der Geschichte des alten Bibliothekars gelebt hat.“

Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination betrachtete Link die riesigen Moderpilze, die große Teile der Wandreste und des Boden überwucherten, während er nachdenklich nickte. Angesichts der Umgebung klang Navis Theorie durchaus plausibel.

Der Raum nebenan war vollkommen zusammengestürzt. Wie gesplitterte Knochen ragten gebrochene Deckenbalken aus Geröll und Schutt hervor.

Generell strahlte alles hier eine Atmosphäre von Tod und Zerfall aus, sodass es Link eiskalt den Rücken hinunterlief.
 

„Was glaubst du, wo sollten wir mit dem Suchen anfangen?“, fragte der junge Recke, als er die Reste der Treppe entdeckte, die früher einmal ins Erdgeschoss geführt haben musste. Nun endeten die Stufen in einem undurchdringlichen Gemisch aus Gesteinsbrocken und verdichteter Erde.

Allem Anschein nach blieb den beiden Abenteurern zum Erkunden nur der modrige Keller.

Navi wagte einen kurzen Blick unter dem Mützensaum hervor, bevor sie sich schnell wieder verkroch. „Der Bibliothekar hat gesagt, der Shiekah sei vermutlich zusammen mit dem Auge der Wahrheit in seinem Bett von den Steinmassen begraben worden, nicht wahr?“

„Ja“, stimmte Link murrend zu, „aber wir können nicht in die höheren Stockwerke… Und irgendwie bezweifle ich, dass der Shiekah im Keller geschlafen hat.“ „Das ist in der Tat ein Problem“, stimmt Navi mit grüblerisch klingender Stimme zu.

„Hm…“ Link setzte sich auf die unterste Treppenstufe und legte eine kurze Pause ein, um darüber nachzudenken, wie die klügste Vorgehensweise aussah.

Die beiden Abenteurer waren noch immer am Überlegen, als das schaurige Geschrei von vorher, das ausgesetzt hatte, als Link den Keller betreten hatte, wieder erklang.
 

Vor Schreck zuckte der Junge derart heftig zusammen, dass er einen kleinen Hopser zur Seite machte, wodurch Staub und Dreck aufgewirbelt wurden. Das stöhnende Gekreische war so lange verstummt und Link dermaßen auf die Suche nach dem Auge der Wahrheit fixiert gewesen, dass er den Spuk tatsächlich schon wieder vergessen hatte.

Mit wild schlagendem Herzen lauschte Link den unnatürlich klingenden Geräuschen, die hier unten noch furchteinflößender klangen als zuvor. In das gequälte Stöhnen hatte sich nun zusätzlich ein eigentümliches Schleifen geschlichen, das dem Jungen die Haare zu Berge stehen ließ.

Es klang als würde irgendjemand oder irgendetwas einen schweren Gegenstand über den Boden ziehen – wie zum Beispiel einen vollen Mehlsack oder… eine Leiche.

Obwohl sein Magen immer mehr zu einem winzigen Eisklumpen zusammenschrumpfte, stemmte Link sich entschlossen auf die Füße und spitzte die Ohren, während er sich suchend in der durch Navis weitreichenden Glanz erhellten Dunkelheit umschaute.

Als er schließlich zu wissen glaubte, aus welcher Richtung die Geräusche kamen, atmete er so tief durch wie es bei der nach Verwesung stinkenden Luft möglich war und verkündete: „Ich fürchte, das Auge der Wahrheit muss ein wenig warten. Vorher will ich wissen, woher diese Geräusche kommen!“

Navi schluckte hart.

Obwohl sie auch durchaus neugierig war, erfüllte sie der Gedanke näher an den Ursprung des Spuks zu kommen vor allem mit Panik.

Dennoch nickte sie stumm. Ihr war klar, dass ihre Antwort sowieso keine Rolle spielte – ob Link sie nun sah oder nicht – denn wenn der Junge sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich sowieso nicht mehr umstimmen.
 

Immer seinen Ohren folgend eilte Link durch den verfallenen Keller, wobei er gleich mehrfach über herumliegendes Geröll stolperte und mit dem Gesicht voran im Schmutz landete.

Obwohl er sich dabei Hände und Arme aufschürfte, schob er den Schmerz bestimmt zur Seite und hastete weiter, ohne sich um den Staub an seinen Kleidern oder das Blut, das seine Unterarme entlang lief, zu kümmern.

Je lauter die gruseligen Geräusche wurden, desto schwerer ließ sich die faulige Luft atmen. Als der Junge schließlich an einem weiteren Raum, wo die Decke eingebrochen war, stehen blieb, war der Geruch nach Zersetzung bereits so intensiv, dass Link bei jedem Atemzug mit seinem rebellierenden Magen kämpfen musste.

Dunkle, schimmelfleckige Stofffetzen und pilzbewachsene Holzstücke ragten aus dem wie aufgeschüttet wirkenden Geröllhaufen hervor.

Wichtiger war jedoch, dass es einen schmalen Schacht gab, durch den man anscheinend unter dem Haufen hindurchkriechen konnte.

Als Link davor in die Hocke ging, schlug ihm ein Schwall fauliger Luft entgegen, deren Gestank so immens war, dass dem Jungen augenblicklich sein Mageninhalt im Mund stand.

Würgend spuckte er neben den Schacht, während er dankbar daran dachte, dass er nicht gefrühstückt hatte und so fast ausschließlich Magen- und Gallensaft ausspie.

Auch Navi hustete und kämpfte mit ihrem Brechreiz. Zu Links großem Glück verfügte seine Fee jedoch über mehr Körperkontrolle als er selbst.

Ein lautes Kreischen drang durch die schmalen Ritzen zwischen dem Geröll und ließ Link nicken: „Sieht so aus als hätten wir den Ursprung des Spuks gefunden.“ Noch immer rebellierte sein Magen schmerzhaft, doch seit er sich erbrochen hatte, fühlte er sich ein klein bisschen besser.

Navi, deren Stimme angespannt klang, murmelte: „Scheint so. Aber bist du dir wirklich ganz sicher, dass du dich da durchwagen willst?“

Mit nachdenklich kraus gezogener Stirn betrachtete Link zweifelnd den Schacht, der tatsächlich ziemlich einsturzgefährdet wirkte. Die Kiefer fest aufeinander beißend schob der Junge seine Sorgen jedoch bestimmt zur Seite.

Man wurde kein Held, indem man ängstlich und zögerlich war!

Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sich ein mulmiges Gefühl in seinem Magen einnistete und sein Herz in einem wilden Stakkato schlug.

Der Weg durch den Schacht hindurch war eine wahre Tortur.

Zu dem fauligen Gestank, der immer intensiver wurde und alles zu durchdringen schien, erschwerten nun auch noch Staub und herabrieselnder Dreck das Atmen zusätzlich.

Doch als Link das Ende des Schachts erreicht hatte, wäre er am liebsten gleich wieder hineingekrochen. Denn das, was er in dem dahinterliegenden, fast runden Raum entdeckte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  obelix
2017-11-29T12:08:40+00:00 29.11.2017 13:08
Hi labrynna

Das Kapitel ist gruselig und auch interessant. Das Abenteuer des Schreckens beginnt 😊. Wie du es beschrieben hast kann ich die gruselige töne und denn Gestank mir vorstellen Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

Mfg obi
Antwort von:  Labrynna
29.11.2017 13:49
Uah, der Brunnen... Was hab ich ihn gehasst - vor allem als Kind! Vor allem der Boss... Aber dazu kommen wir ja erst noch. ^^


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