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Ein Märchen

- nur für dich allein -
von

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Version 3

Ein Märchen

- nur für dich allein -
 

Nach langem anstrengendem Weg durch die Wildnis hatte ich es endlich gefunden, das sagenumwobene Schloss am Ende des Märchenwaldes. Ja, das musste es sein, auch wenn man es kaum erkennen konnte. Zu viele Wildrosenranken überzogen das wohl einstmals prächtige Schloss, in dem sich vor vielen, vielen Jahren der erbarmungslose Fluch dieser bis ins tiefste Herz gekränkten, mächtigen Fee erfüllte.
 

Es hieß, der unsterbliche Engel der Liebe, Endorphin, der in diesen einstmals sonnendurchfluteten Mauern sein irdisches Leben verbrachte, stach sich an einer tödlichen, verwunschenen Spindel und fiel sofort in einen todesähnlichen Schlaf. Nur durch die Unsterblichkeit des Engels, war es der verbitterten Fee nicht gelungen, Endorphin durch ihren Fluch gänzlich dem Tode zu überantworten. Die Schlossbewohner, die den lieblichen Engel fanden, betteten ihn zuallererst in das schönste Turmzimmer, das sie extra für Endorphin hergerichtet hatten und an die Decke ließen sie aus purem Gold einen großen siebenzackigen Stern malen, der als symbolisierter Glücksstern über den süßen Engel der Liebe wachen sollte.
 

In den ersten Tagen und Nächten beteten die Schlossbewohner ununterbrochen an Endorphins Bett für das Erwachen des geliebten Engels, der ihnen allen stets wohlgesonnen und liebevoll begegnet war und um ein Zeichen Gottes, doch als der Engel nach sieben Tagen und Nächten noch immer kein Lebenszeichen von sich gab, bekamen sie es mit der Angst zu tun und fürchteten, Gott hätte diese Mauern verlassen. So verängstigt, packten sie nach und nach allesamt ihre Habseligkeiten und verließen das Schloss.
 

Dies ist nun schon vor so langer Zeit geschehen, dass es niemanden mehr gab, der noch persönlich von den schönen Tagen und dem wundervollen und lieblichen Engel Endorphin berichten konnte. Nur in Erzählungen erinnerte man sich des verwunschenen Platzes, an dem der süßeste aller Schätze schlief, dessen Seele jedem, dem es vergönnt war, sie wahrzunehmen, als Glücksstern zur Seite stehen mochte. Doch davon gab es nicht viele und die meisten von ihnen hielten ihn nur für ein Produkt ihrer Fantasie.
 

So wäre es beinahe auch mir ergangen. Ich spürte seine warme Hand, sein liebevolles Wesen und fühlte mich, wenn ich den Hauch seiner Anwesenheit empfand in einer wundervoll wonnigen Stimmung. Doch dass dem allen eine wahre Existenz zugrunde lag, darauf kam ich nicht in meinen kühnsten Träumen. Bis ich eines Tages auf die Erzählung von dem verwunschenen Schloss und dem darin für immer schlummernden Engel der Liebe stieß. Sofort zog mich ein Verlangen, dieses Schoss und den Engel, meinen Glücksstern zu suchen, hinaus in die weite Welt.
 

Ohne Kompass oder Karte war ich unterwegs, nur auf mein Herz hörend und auf Gott vertrauend. Und nun stand ich vor diesem Schloss, das dermaßen über und über von Rosenblüten bedeckt war. Die dicht bedornten Rosenranken hielten es fest in ihren unerbittlichen Krallen, so dass sich die Kontur des Schlosses innerhalb des wundervollen, so unüberwindlichen und grausamen Grüns meinem Blick niemals offenbart hätte, wenn mich nicht ein so stark wie noch nie empfundenes Sehnen hätte innehalten lassen und mein Herz mir die Augen für das nicht Offensichtliche geöffnet hatte.
 

Kein Weg, keine Öffnung schien durch die betörend duftenden Rosen hindurch zu führen. So blieb mir nichts anderes übrig, als mein geschwungenes Schwert zu ziehen und den Kampf gegen diese wohlbewehrten Pflanzen aufzunehmen. Immer kräftiger hieb ich in das Grün, immer deutlicher spürte ich die Anwesenheit meines Glückssterns und immer wagemutiger stürzte ich nach vorne. Meine Kleidung, ja meine Haut erhielt immer heftigere Kratzer, immer größere Risse, immer tiefere Wunden, doch das war mir egal. Mein Verlangen, meinem Glücksstern nahe zu sein, verlieh mir übermenschliche Kräfte. Ich wusste, mein Glücksstern brauchte mich. Ich wusste, hier galt es, einen Fluch zu brechen und meinen unsterblichen Engel der Liebe, Endorphin, aus einem qualvollen Alptraum zu erwecken. Ein Blick aus seinen gütigen Augen sollte mein Lohn sein und für diese Belohnung allein war ich bereit alle Mühen und Gefahren auf mich zu nehmen.
 

Endlich hatte ich mich bis zum hölzernen Tor durchgeschlagen. Oh wie massiv und uneinnehmbar schien es mir. Mein Mut sank und mein Herz begann zu weinen. Ich drückte mich mit meinem Körper und meinem Gesicht an dieses schier unüberwindbare Tor. Als meine Tränen nun das Holz benetzten geschah etwas beinahe unglaubliches. Das eiserne Schloss zerbrach. Zuerst konnte ich es kaum glauben, doch der große schwere Torflügel schwang leicht in seinen alten Scharnieren auf, als hätte er nie etwas von Rost erfahren. Wie in einem Traum, meine sämtlichen Kräfte doch bereits im Kampf gegen diese dornigen Ranken aufgebraucht, hastete ich in den Innenhof, fand mich, als wäre ich hier zuhause, sofort zurecht und erreichte mit schlafwandlerischer Sicherheit das Turmzimmer, in dem mein Engel schlief. Mein Herz pochte so laut, dass ich schon glaubte, allein dadurch Endorphin aufzuwecken, doch als ich mich endlich traute und das Zimmer betrat, lag mein wunderschöner, süßer Engel der Liebe reglos mit gefalteten Händen auf einem wundervoll hergerichteten Bett. Das Haar wie ein dunkler goldener Schleier, floss bereits über den Boden und reflektierte jeden Bruchteil eines Sonnenstrahls, der es schaffte, durch das rosenbewachsene Turmfenster zu scheinen. Die zart rosa schimmernde Haut verlieh meinem Engel einen wahrhaft überirdischen Schimmer.
 

Nun schließlich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und näherte mich meinem Engel, der mir zum Glücksstern geworden war. Ich kniete mich vor ihm nieder. Seine Lippen leuchteten wie Rosenblüten und ganz vorsichtig näherte ich mich diesen süßen Verlockungen. Ganz sanft hauchte ich ihnen nun einen Kuss auf. ... ... ...
 

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und noch während ich mich wieder zurücklehnte, begann das Unglück seinen Lauf zu nehmen. Zutiefst erschüttert musste ich mit ansehen, wie zuerst nur ein haarfeiner Riss an Endorphins Oberlippe entstand. Doch dieser Riss wurde immer länger und breiter und in Windeseile entstanden von ihm ausgehend weitere Risse. Als bestünde Endorphins Körper aus feinsten Pigmentkörnchen, die nur auf wundersame Weise die Jahrhunderte in ihrer ursprünglichen Form überdauert hatten, fiel vor meinen fassungslosen Augen der Engel der Liebe in sich zu Staub zusammen, von dem sich lediglich ein wundersames Glimmern erhob. Doch kaum war dieser schreckliche Vorgang beendet erschallte ein dröhnendes Gelächter durch die Gemäuer und dachte ich im ersten Moment, ich würde vor Schwäche schwanken, so realisierte ich doch bald, dass auch der Boden unter mir und die Mauern des Schlosses zu erzittern begannen. Der Weg nach unten war weit, schoss es mir durch den Kopf, und ebenso war mir bewusst, dass ich sofort handeln musste um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, das Schloss noch verlassen zu können, doch ich war zu gelähmt vor Schreck, um auch nur einen Schritt machen zu können. Statt dessen fiel ich auf die Knie und umklammerte die Reste des herrlichen Gewandes, das bis gerade noch Endorphins Körper bedeckt hatte.
 

"Was habe ich getan! Oh mea culpa... mea culpa!" rief ich, bevor unter schrecklichem Getöse die Decke über mir zusammenstürzte und der Boden unter mir einbrach. Ich spürte nichts mehr, denn ich hatte das Bewusstsein verloren. Als ich wieder zu mir kam war eine tiefe Schwärze um mich herum, tiefer, als ich sie jemals erlebt hatte, doch schon bald entstand vor meinen Augen ein sanft schimmerndes Licht, das bald die Gestalt Endorphins annahm. Der Engel der Liebe sah mich sanft an, hielt mir seine durchscheinende Hand entgegen und sprach: "Ich danke dir von ganzem Herzen. Du hast mich endlich aus diesem Gefängnis befreit. Ich stehe tief in deiner Schuld und kann dir doch nicht mehr bieten, als meine Hand, meine Dankbarkeit und meine Hilfe, lieber Freund."
 

Ich blickte ihn verwundert an. Es dauerte eine Weile, bis seine Worte zu mir vorgedrungen waren. Des Denkens war ich in diesem Moment nicht fähig. Schweigend, streckte ich ihm meine Hand der seinen entgegen. Doch was war mit meiner Hand? Auch sie leuchtete und wirkte wie reine Aura und als ich weiter an mir heruntersah, da merkte ich, dass auch mein übriger Körper genauso beschaffen war. Erschrocken hielt ich inne. Ängstlich blickte ich meinem Glücksstern in die Augen, doch da war nur Wärme und Liebe und Zuversicht.

"Du hast einen hohen Preis gezahlt ohne dies zuvor zu wissen." Seine Hand, obwohl sie nur aus Licht zu bestehen schien, berührte sanft meine Wange und eine angenehme Wärme durchflutete augenblicklich meinen Körper. "Aber du brauchst nicht traurig sein, komm mit mir."
 

Und während er nun seinen Arm um mich legte und seine Energie, dort wo sie meine Aura berührte sich mit der meinen verband, wich die Dunkelheit Stück für Stück zurück und vor mir offenbarte sich eine wunderbare Welt voller Düfte und Klänge und Farben und Formen und Aromen. Und ebenso schienen auch wir nur Düfte, Klänge, Farben, Formen und Aromen zu sein und in dieser Welt aufzugehen, nur noch definiert durch unsere Aura. "Das ist das Chaos, mein Freund, seine Vielfalt ist unendlich und pflegt den Geist anfangs zu verwirren. Alles, was es jemals gegeben hat, gibt und geben wird ist hier. Hier gibt es keinen Anfang und kein Ende, keine Vergangenheit, keine Gegenwart und keine Zukunft, denn hier ist alles zusammen." Er sah mir tief in die Augen, bevor er mit gesenkter Stimme weitersprach: "Du hast viel aufs Spiel gesetzt um mich zu erlösen und Du hast dabei viel verloren. Ich kann die Geschehnisse auf Erden nicht ändern, aber ich bin in der Lage, dich zurückzuschicken, an einen Zeitpunkt deines Lebens den du bestimmen kannst. Und Du kannst dann dein Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Was meinst Du?"
 

Ich blickte den Engel nur an. Seine Worte brauchten wieder eine Zeit zu mir vorzudringen. "Wie schön Du bist und wie wundervoll dieser Ort hier. Sag, muss ich mich sofort entscheiden?" "Nein. Zeit spielt hier keine Rolle." "Das ist gut," strahlte ich, "da gibt es so viel zu überdenken. Das ist nicht einfach. Darf ich solange bei dir bleiben?" Ein Glänzen trat in Endorphins Augen als er schließlich ergriffen flüsterte: "Solange Du willst."
 

Wir umarmten uns inniglichst und waren endlich wieder EINS.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  shinjia
2003-10-24T09:49:47+00:00 24.10.2003 11:49
Ich glaub, das ist meine Lieblingsversion.
Du schreibst einfach wunderbar.

Würde mich sehr freuen, wenn du mal wieder was veröffentlichst ^_^


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