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Zwei Tiere in Ionia

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Mal ein Mega-Kapitel, was ich euch nach... eh... einem dreiviertel Jahr auch schuldig bin? Ehm ja... rip me. Ich wollte es einfach nicht aufsplitten. Ihr sollt nur wissen, dass legit kein Tag vergeht, an dem ich nicht an diese FF denke und mir überlege, was ich schreiben soll, aber am Ende schreibe ich alle paar Monate ungefähr zwei kleine Abschnitte.. und es nimmt einfach kein Ende... Komplett anzeigen

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Kapitel 52 - An der Klippe

...Als wir uns endlich von einander lösten, drehte ich mich zu Ashe, die geduldig gewartet hatte. ,,Als ich letztes Mal in Freljord war, wurden wir nicht so freundlich begrüßt", sagte ich schüchtern und machte mich klein, denn ich befürchtete, dass es wie eine Beleidigung klingen könnte.

 

Doch Ashe blieb ganz entspannt und vermutete: ,,Da ich bis vor kurzem noch nie von dir gehört habe, vermute ich, dass du damals nicht in Avarosa warst, sondern bei den Winterklauen. Sie neigen zur rauen Brutalität und können Fremde nicht ausstehen. Ich möchte mich für ihr Benehmen entschuldigen, da wir doch das gleiche Blut haben" ,,Ach, ist doch nicht nötig. Ich finde es nur schade, dass es immer noch solche Meinungsverschiedenheiten gibt", winkte ich lächelnd ab.

 

,,Das erinnert mich bisschen an die ganzen Spaltungen in Ionia", murmelte Yi und fasste sich dabei ans Kinn. Obgleich mir die politische Lage in Ionia noch nicht ganz bewusst war, konnte ich mir ein gutes Bild davon machen, was er meinte.

 

,,Was gedenkt ihr nun zu tun?", fragte Ashe und zwang sich ein perfektes Lächeln auf. ,,Ich weiß nicht... Was könnten wir denn tun?", ich sah hilfesuchend zu Yi, der zum Glück eine Idee hatte: ,,Yasuo meinte doch, dass seine Schülerin Taliyah sich zur Zeit hier aufhalten würde. Vielleicht besteht die Möglichkeit sie zu besuchen" Meine Augen leuchteten sofort auf. ,,Ja! Das wäre voll toll!" Abwechselnd sah ich Yi und Ashe mit einem Hundeblick an.

 

Die Königin nickte und teilte uns mit, dass Taliyah sich in einem Haus außerhalb der Mauern aufhalten würde. Da Ashe ungern die Stadt verlassen würde, solange ihr Mann auf Patrouille in den außerhalb liegenden Dörfern war, schickte sie zumindest zwei ihrer treuesten Wachen mit uns, sodass wir uns sofort auf den Weg machen konnten. Sie gab uns freundlicherweise noch etwas Proviant mit, da der Weg wohl bis zu zwei Stunden dauern könnte, jedoch war nach einer schon alles leer. Und ich bin unschuldig, ich schwöre!

 

Während der hohe Schnee den Leuten bei mir im Schlepptau den Weg wirklich erschwerte, nutzte ich unser Lauftempo aus um wild durch die Gegend zu rennen und alles zu erkunden. Diesmal gingen wir nicht durch das große Haupttor, sondern durch das westliche, welches versteckt in den Bergen lag. Doch sobald wir draußen waren, betraten wir den dichten, dunklen Wald. Das hatte zur Folge, dass ich mich oft außerhalb der Sichtweite aufhielt. Aber anhand von Yis sorgloser Konversation mit den Anderen über hauptsächlich das Leben in Freljord war mir klar, dass es ihn nicht störte. Solange kein Schnee fiel, war die Chance bei Null sie zu verlieren.

 

Wie sehr ich meine Wolf-Fähigkeiten doch liebte!

 

Also rannte ich einfach herum und erfreute mich über den Schnee. Anhand des schönen, sonnigen Wetters konnte ich mit gutem Gewissen sagen, dass Yi nicht frieren sollte, auch wenn wir größtenteils im Schatten der gigantischen Berge liefen. Wie gern ich doch einen davon besteigen würde. Aber sie waren viel zu steil, um da ohne Hilfsmittel hochzuklettern - selbst für mich. Mir blieb nichts anderes übrig als mit vor Sehnsucht glitzernden Augen zu diesen eisigen Wipfeln raufzuschauen. Sie glitzerten in der Sonne wie echte Diamanten, als würden sie mich ärgern wollen.

 

Ich wandte meinen Blick von ihnen ab, um mich nicht weiter von ihnen verspotten zu lassen, und rannte einfach weiter. Dabei schreckte ich Schneehasen auf, die im Schnee tatsächlich kaum zu sehen waren, wenn sie sich nicht bewegten. Nur ihre schwarzen Ohrenspitzen blitzten als kleine Punkte auf, als sie so schnell wie der Wind vor mir flohen. Ich sah ihnen nur fasziniert hinterher, denn weiße Tiere hatte ich bisher zu selten gesehen. Sie sahen immer so schön, majestätisch und rein aus.

 

Doch ich konnte diese kleinen Fellknäuel nicht lange bewundern, da der feine Geruch von menschlichem Blut meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Erst folgte ich ihm aus Neugier, doch die Verfolgung wandelte sich zu der Jagd eines Hais, je näher ich der Quelle kam. Tiefe Fußspuren zeigten mir, dass ich in die richtige Richtung lief. Zwar hatte meine Nase mich noch nie belogen, aber daran konnte ich gar nicht denken. Ehe ich mich versah, war ich in einen Rausch verfallen. Mein Gang wurde eiliger, aber vorsichtiger, und meine Ohren waren auf Alarmbereitschaft.

 

Dann das erlösende Geräusch: Schwere Schritte im leichten Schnee knisterten in der dünnen Luft und meine Pupillen weiteten sich für einen Moment, nur um mich von der Reflexion des Lichts im Schnee blenden zu lassen. Natürlich hielt mich das nicht lange auf und ich schlich um die nächsten Felsen, wo ich dann auch endlich eine Gestalt sah.

 

Ein Mensch, in dicke Pelze gehüllt, bahnte sich seinen Weg durch den Schnee. Ein Schwert an der Hüfte und eine Armbrust auf dem Rücken deuteten darauf, dass es ein Krieger sein musste. Unter den Pelzen, die wie lose Schale und Mäntel um ihn hingen, war eine einfache Lederrüstung zu erkennen, doch es gab keine Anzeichen davon, dass ihm kalt wäre. Dabei sah es ganz danach aus, als wäre er schon eine ganze Weile unterwegs.

 

Aus der voll beladenen Tasche, die ihm um eine Schulter hing, roch es nach Proviant - hauptsächlich getrocknetes Fleisch und Brot. Ein großer Ast aus dem Wald half ihm dabei sich besser fortzubewegen.

 

Sein Gesicht war unter der Pelzmütze verborgen, aber die sehr breite und gleichmäßige Statur machte klipp und klar, dass es sich um einen Mann handelte. Aber das war egal, da ich auf seiner Kleidung an der Schulter und an der Schwertscheide das Zeichen zweier gekreuzter Äxte erkannte; es gehörte dem Feind. Und irgendwo musste er gar verletzt sein. Ich bleckte die Zähne. Ich positionierte mich zum Sprung.

 

Die Person blieb ruckartig stehen und lauschte, dann sah er sich langsam um. Sobald sein Blick auf mich fiel, breitete sich blankes Entsetzen in seinen Augen aus. Doch es war zu spät. Die Kontrolle verlierend, hievten meine Beine mich in die Luft und er konnte nicht schnell genug nach dem Schwert greifen, da riss ich ihn schon zu Boden und jagte meine Zähne in seinen Hals. Für einige Zeit war meine Sicht rot. Ich sah nichts, meine Gedanken waren leer. Nur mein eigenes Knurren drang an meine Ohren.

 

Erst als der Rausch vorüber war, richtete ich mich wieder auf und betrachtete den rosa-roten Schnee um die Leiche der Winterklaue herum. Ein Gefühl der Leere und Kälte machte sich in mir breit, sodass ich die Ohren langsam anlegte. Doch beim nächsten Geräusch flogen sie wieder hoch. Jemand rief mich in der Ferne. Yi.

 

Ich blickte kurz verächtlich auf den zerstümmelten Körper herab und leckte alle Hinweise von mir ab, die darauf hindeuten könnten, was hier passiert war. Dann setzte ich wieder eine fröhliche Miene auf und rannte der süßen Stimme entgegen. Doch noch während ich lief, kroch so ein dunkler Schmerz um mein Herz, als würde es jemand mit seiner bloßen Hand zerquetschen wollen. Immer wieder keuchte ich auf, aber versuchte es so weit zu ignorieren, dass ich nicht mehr als ein unangenehmes Stechen verspürte, als ich bei den Anderen wieder ankam.

 

Mir wurde schmerzhaft bewusst, was gerade passiert war. Ich hatte wieder die Kontrolle verloren und gemordet. Doch diesmal war es nicht wie bei den anderen Malen, ich konnte mich an alles erinnern und war auch nicht besessen gewesen. Das war einfach nur meine eigene Schwäche, die dafür sorgte, dass ich mich so gedankenlos meinen Instinkten hingab. Das... durfte nicht passieren. Nächstes Mal hatte ich sicher nicht so viel Glück im Schutz der Berge und Wälder auf einen Feind zu treffen mit keiner Seele weit und breit.

 

Normalerweise kannte ich keine Gewissensbisse, auch wenn mir durchaus bewusst war, was richtig und was falsch war. Doch ich war nicht mehr allein, ich kam nicht mehr drum rum nicht daran zu denken, was Yi davon halten würde, wie er reagieren würde. Und was passieren würde, wenn man es herausfände.

 

Dennoch zwang ich mir ein perfektes Lächeln auf, als ich einige Meter vor meinem wahren Herzen im Schnee abbremste und tiefe Spuren hinter mir zog. Er lächelte mich an und ich erwiderte es. Dies genügte sowohl als Begrüßung als auch als Erklärung oder Entschuldigung für meine Abwesenheit. Zum Glück genoss ich stets sein vollstes Vertrauen, sogar mehr als mir selber lieb war. Aber wir gingen einfach wortlos weiter...

 

Nach vielleicht zwanzig weiteren Minuten kamen wir an einer tiefen Schlucht an. Als ich über ihren Rand lugte, schätzte ich, dass es dort mindestens fünfzig Meter in die Tiefe gehen sollte. Das Eis dort war dunkelblau von der Dunkelheit gefärbt. Langsam trat ich wieder von ihr weg, denn ich traute dem Boden nicht, wenn ich mir die ganzen Unebenheiten am Grund ansah, die dadurch entstanden waren, dass Bruchstücke runtergefallen sein mussten.

 

Als ich zu Yi und den Wachen blickte, zeigte einer der Letzteren gerade auf einem Punkt auf der anderen Seite der Schlucht. Mein Blick folgte ihm zu einer kleinen Hütte auf der anderen Seite der Schlucht, welche auf einem Felsvorsprung eines steilen Berges erbaut worden war. Selbst nach längerem Hinsehen schien es schier unmöglich zu Fuß dort hinzugelangen, erst recht für einen Menschen.

 

,,In diesem Haus wohnt Taliyah. Wir müssen sie auf uns aufmerksam machen", brach die kraftvolle Stimme des Wachmanns die dünne, eisige Luft, ,,danach wird sie uns selber rüberbringen" Erst jetzt fiel mir wirklich auf, dass die Luft hier tatsächlich kälter war, als noch einige Meter weiter, und der Wind schnitt leicht an uns vorbei. Ich vermutete, dass es an der Schlucht liegen musste. Wer hier alleine leben konnte - oder überhaupt wollte - kam mir nicht in den Sinn. Muss eine interessante Person sein, diese Taliyah.

 

Abermals prüfte ich den Felsvorsprung. Selbst wenn ich von der anderen Seite aus dort hin gelangen könnte, müsste ich erst einen Weg auf die andere Seite finden. Dann fragte ich: ,,Wie sollen wir überhaupt dort hin gelangen?" ,,Sie wird uns rüberbringen", antwortete er trocken. Ich verstummte. Lieber überlegten wir uns nun eine Möglichkeit, wie Taliyah auf uns aufmerksam werden könnte.

 

Meine erste Idee war es Steine herüber zu werfen, doch schien mir die Schlucht ziemlich breit. Aber außer rufen fiel mir auch nichts ein. Im Zielen war ich immer sehr schlecht gewesen, dennoch entschied ich mich dafür es paar mal zu versuchen.

 

Ich schaufelte etwas Schnee zur Seite, um dadrunter nach einem Felsbrocken zu suchen. Glücklicherweise wurde ich schnell fündig und holte einen Stein so groß wie eine Handfläche hervor, während die anderen drei mich nur beobachteten. Einmal wog ich ihn in meiner Hand ab, dann wollte ich gerade werfen, als Yi ihn mir aus der Hand nahm und ich ihn fragend und mit dem Kopf auf der Seite ansah. Er deutete nur auf meine entspannt im Schnee liegende Rute und ich folgte mit meinem Blick. Es machte 'klick' in meinem Kopf, denn ich verstand, und ich nickte ihm zu.

 

Nur einen Moment hatte ich um mich zu positionieren, bevor der Assassine den Brocken ziemlich senkrecht hoch in die Luft warf und mit einem Sprung sofort Abstand nahm. Während der Stein in der Luft hing, ging ich aufgrund der Länge meines Schweifes einen haben Schritt zur Seite und holte mit diesem aus, bis der Brocken wieder zu Boden stürzte. Dank meiner naturell hohen Geschwindigkeit konnte ich das Fallen als langsamer wahrnehmen als normale Menschen und den perfekten Moment für den Schlag ausmachen, der gekommen war, als das Stück auf der Höhe meines Kopfes war. Mit Schwung und Elan ließ ich meine Rute gegen den Stein prallen, wobei ich sie für einen unsichtbaren Moment so sehr anspannte, dass sie erhärtete. Wo die Reise des Steins nun hinging, war jetzt nur noch vom Zufall bedingt.

 

Doch Yi kümmerte es gar nicht, ob ich richtig gezielt hatte, er schaute mich nur mit leicht geweiteten, konzentrierten Augen an. Er ließ sich zwar ansonsten nichts anmerken, aber in seinen Augen tanzte das Glitzern von Faszination. Jetzt wunderte ich mich, ob er diesen kurzen, selbst für meine Augen nicht erkennbaren Moment wahrgenommen hatte. Das Gefühl machte sich in mir breit, dass er meine Bewegung auf irgendeine Weise mitgespürt hätte. Dieses Gefühl erzeugte einen imaginären, roten Faden, der uns verband.

 

Erst jetzt ließ ich meinen Blick zu der Hütte schweifen, doch es war nichts zu erkennen. Einer der Wächter murmelte: ,,Guter Schuss", was mich vermuten ließ, dass ich irgendwo, irgendwie getroffen hätte, es jedoch einfach zu weit weg war um es zu erkennen. ,,Wiederhol' das", meinte der andere und ich griff sofort in das Loch nach dem nächsten Stein. Ich übergab ihn wieder Yi, doch jener drehte sein Gesicht nur etwas zur Seite und mied den Augenkontakt. War er verlegen? Ich wusste nicht wieso, aber konnte auch nicht darüber nachdenken, denn die Prozedur wurde jetzt mit kurzen Abständen drei weitere Male wiederholt.

 

Diesmal baute ich eine halbe Drehung in die Bewegungen ein, die ich versuchte möglichst flüssig, elegant und anmutig rüberzubringen. Der Effekt, den es bei Master Yi auslöste, war unbezahlbar. Gebannt hingen seine Augen an mir und er blinzelte nicht ein Mal, als würde sein Leben davon abhängen. In seinen hellen Augen spiegelten sich Ehrfurcht und Faszination. In diesem Moment war mir klar, dass er gerade diese monströse Kraft und Geschwindigkeit bewunderte, die mich von Menschen so unterschied. Er liebte das Unmenschliche in mir genauso wie das Menschliche und kostete diesen Moment aus, indem er Ersteres bewundern konnte. Nun vermutete ich, dass der Grund für seine Verlegenheit darin lag, dass ihm aufgefallen war, dass er seine Gedanken nicht verborgen hatte.

 

Doch plötzlich wandelte sich diese Ehrfurcht zu Habgier. Sein Blick schien mich festzuhalten, zu konsumieren, als würde er ausdrücken wollen, dass er dieses Wesen vor ihm niemals hergeben würde. Wenn ich mir bisher nicht sicher war, ob Yi ein eifersüchtiger Partner war, war ich es spätestens jetzt.

 

Der Kontakt brach wieder ab, da ich einen weiteren Stein hervorholte. Sobald es möglich war, war er jedoch wieder so intensiv als hätte es keine Unterbrechungen gegeben. Bei diesem fünften und letzten Schuss bildeten seine Lippen lautlos das Wort 'wunderschön', als unsere Begleiter sich wieder regten und einer sagte: ,,Ich glaube, sie kommt raus" Meine Konzentration war ganz woanders. Wären wir allein, wäre ich ihm sogleich um den Hals gesprungen, doch so versuchte ich meine Gefühle ebenso zu unterdrücken. Mein Körper reagierte auf den inneren Stau, indem meine Pfoten von automatisch schnell auf den Boden hämmerten, als würde ich auf glühenden Kohlen stehen und nicht auf Schnee, aber keiner von uns ließ sich davon ablenken.

 

Jetzt erst wandten wir unsere Blicke ab und sahen zu der kleinen Hütte herüber, deren Tür nun offen stand. Hinaus trat ein Mädchen in königsblauem Mantel und dunkler Hose. Ihre langen, braunen Haare waren hinten locker zusammen gebunden, sodass sie verspielt abstehen. Sie schien dunkle Haut zu haben, aber das hatte ich von Yasuo schon mal mitbekommen. Mehr konnte ich auf die Entfernung auch nicht erkennen.

 

Nachdem sie uns erblickte und kurz musterte, holte sie mit ihren Armen von unten nach vorne aus und ich hörte Eis knacken. Aus dem Knistern und Bröckeln wurde binnen Sekunden eine dröhnende Geräuschkulisse von brechendem Eis und rollenden Steinen, deren Ursprung in der Schlucht sein musste. Zeitgleich blickten Yi, die Wächter und ich hinunter und sahen, wie der Boden in der Ferne sich bewegte. Langsam, aber stetig erhoben sich einzelne verschneite Felsbrocken, welchen weiteren folgten. Die ersten kamen gerade am Rand der Klippe zum Stehen und hingen in der Luft, bis die restlichen Teile hinterher gekommen waren und sie eine perfekte Reihe bildeten. Es war ein wirklich beeindruckender Anblick diese schwebende Brücke zu sehen, die uns zu dem Menschen bringen würde, durch den dieses Spektakel entstanden war.

 

,,Ich bleibe hier und warte auf Euch", entschied eine Wache und stellte sich an die Seite, die Axt griffbereit. Als auch der kleinste Stein nicht mehr zitterte, sah ich zu der Felsenweberin herüber, welche ihre Arme immer noch vor sich in Position hielt; offensichtlich musste sie das Gestein solange manipulieren, bis wir sicher auf der anderen Seite angelangt waren. Also verschwendete ich auch keine Zeit und zog die beiden Männer sofort mit mir. Schon auf dem ersten Stein ließ ich sie wieder los, denn ich wollte nicht ihr Gleichgewicht stören, und lief zuversichtlich voraus. Die hinter mir taten sich offensichtlich schwerer damit, sich mit dem schwebendem Untergrund anzufreunden, aber ich spürte, wie fest und sicher die Steine aneinander gereiht waren. Da steckte eine sichere Hand hinter.

 

Aus Solidarität senkte ich mein Tempo etwas, damit die Drei mich einholen konnten, ehe wir vor Taliyah standen. Natürlich hatte ich die Gelegenheit genutzt, wortwörtlich in den Abgrund zu starren, was mir in mir ein wenig Adrenalin erzeugte. So war ich noch wie unter Strom, wenn Taliyah mir mit ihren großen, braunen Augen in die meinen blickte. Es war, als würde sie versuchen, böse Absichten zu erkennen, aber ihr Gesichtsausdruck entspannte sich, als sie nicht fündig wurde.

 

,,Was führt Euch zu mir, Reisende?", fragte sie munter. Mit einem kleinen Kopfnicken grüßte sie auch die Wachmänner der Avarosa, welche die Geste erwiderte. Yi ergriff vor mir das Wort: ,,Unser Aufenthalt in Freljord dient als kleiner Urlaub und bei Gelegenheit wollten wir die Chance nutzen, um Dich kennenzulernen. Wir sind gute Freunde deines Lehrmeisters", - höflich wie eh und je.

 

Bei der Erwähnung Yasuos weiteten sich ihre Augen und strahlten wie die Sonne Shurimas. Sie lachte fröhlich auf und sagte grinsend: ,,Wirklich? Seine Freunde sind auch meine Freunde!", dann fielen ihr die Dampfwolken unseres Atems auf, ,,Kommt schnell rein! Ihr seid sicher schon eine Weile in der Kälte" Mit ihren Armen fielen auch die Steine und nach einem langgezogenen, gewaltigen Krachen würde keiner mehr darauf kommen, wie wir es hier rüber geschafft hatten. Schwungvoll betrat Taliyah ihre Hütte mit einem sehr federnden Gang und wies uns an, ihr zu folgen.

 

Der Wachmann schloss hinter sich die Tür und das Mädchen bedeutet uns, uns an den Esstisch zu setzen, was wir auch alle taten. Da die Hütte klein war, war es nichts verwunderliches, dass sie eine Wohnzimmerküche hatte und ihr Schlafzimmer nicht mehr als eine kleine Kammer mit einem Bett war. Doch das Haus war sehr sauber und gepflegt; die rustikalen Wände aus kompletten Baumstämmen anstatt Holzbrettern erzeugten eine sehr gemütliche Atmosphäre. Ein kleines, aber volles Bücherregal füllte eine Ecke aus, ansonsten war der Raum bis auf einen Hocker in der letzten Ecke leer. Gewobene Teppiche auf dem Boden und an den Wänden hielten die Kälte fern. Tatsächlich erinnerte die Hütte stark an ein Ferienhäuschen.

 

Kaum eine Minute später ertönte ein sehr hohes Zischen, welches immer lauter wurde, sodass ich die Ohren anlegen - oder wohl eher anpressen - musste. Schnell nahm Taliyah den Wasserkocher vom Herd und goss in eine Tasse ein. ,,Normalerweise bekomme ich nie Besuch, also müsst ihr euch wohl mit Orangen-Tee zufrieden geben", sagte sie mit einem verlegenen Lächeln. ,,Woher bekommen Sie denn solch eine exotische Ware?", meldete sich der Soldat zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten zu Wort. ,,Ich verbringe je ein halbes Jahr in Freljord und je ein halbes in Shurima. Immer, wenn ich nach Freljord reise, nehme ich mir große Vorräte an bestimmten Dingen mit, da ich weiß, wie schwer es hier ist, an irgendetwas heranzukommen", erklärte sie.

 

,,Aber eigentlich würde ich euch noch gerne Fragen stellen!", ihr Enthusiasmus war wieder geweckt und sie stellte vier dampfende Tassen samt Löffeln vor uns auf die hölzerne Tischplatte, dann zog sie einen Stuhl heran und setzte sich uns gegenüber. ,,Wie geht es meinem Meister? Ich habe von dem Blitzkrieg nur flüchtig etwas gehört..." Ihre Miene wurde ernster und ihre buschigen Augenbrauen zogen sich vor Sorge zusammen. Wie lange hatte sie nichts mehr von ihm gehört?

 

,,Mach dir keine Sorgen! Es geht ihm gut", versicherte ich ihr mit einem breiten Lächeln, ,,Er hat die Schlacht unversehrt überstanden. Er ist auch nicht mehr alleine" Sie zog dezent eine Braue hoch und sagte dann: ,,Entschuldigt, aber wir haben uns noch gar nicht richtig einander vorgestellt. Ihr wisst, wer ich bin, aber ich weiß nicht, wer Ihr seid" Ich lachte und stellte mich vor: ,,Es tut uns so leid für diese Unhöflichkeit! Mein Name ist Neru-Anne und das hier ist Master Yi", dabei deutete ich auf meinen Sitznachbarn. Jener lächelte und senkte seinen Kopf: ,,Freut mich" Doch bei Yis Namen weiteten sich Taliyahs Augen erstaunt. ,,Sie sind Master Yi?!", sagte sie mit vor Aufregung bebender Stimme, ,,Er hat mir so viel über Sie erzählt! Welch eine Ehre, Sie in meiner bescheidenen Berghütte willkommen heißen zu dürfen." Es war herzerwärmend dieses lebhafte Funkeln in ihren Augen zu sehen. ,,Die Ehre ist auch auf meiner Seite", erwiderte Yi und senkte seinen Kopf wieder, um seine Achtung zu zeigen. Seine Wangen waren tatsächlich etwas rosig - es schmeichelte ihn wohl, dass über ihn erzählt wurde.

 

,,Noch eine Frage!", wollte die Erdbändigerin das Gespräch voran bringen, ,,Sie haben gerade erwähnt, dass Yasuo nicht mehr allein wäre. Hat er etwa einen Weggefährten gefunden?" Man konnte ihr anhören, wie erleichtert sie darüber war, dass ihr Meister nicht mehr von Einsamkeit zerfressen wurde. Wahrscheinlich war das schon lange Zeit eine nie ausgesprochene Sorge von ihr gewesen. Ich schmunzelte mitfühlend und antwortete: ,,Ja, das hat er. Es handelt sich dabei um meine Schwester. Wir sind letztes Jahr nach Ionia gekommen und seit dem stehen sie sich sehr nah" Ich hatte gehofft mit der Aussage auf ihre Beziehung hingewiesen zu haben, doch das Mädchen wollte Gewissheit. ,,Wie nah? So nah wie Erde und Luft sich nur sein können?" Irgendwie mochte ich ihre Art der Umschreibung. ,,So nah, wie sich Feuer und Luft nur sein können. Sodass sie sich in einander vermischen und einander am Leben erhalten", erklärte ich es ihr unmissverständlich und tiefe Wärme legte sich in ihre dunklen Augen. ,,Es freut mich so sehr, dass er jemanden gefunden hat. In seiner Situation schien es ja fast unmöglich", sagte sie mit einer schweren und sanften Stimme. Man merkte sofort, dass sie deutlich erwachsener war, als ihr erster Eindruck es vielleicht vermuten ließ.

 

,,Aber heißt das dann, dass wir bald alle eine große Familie sind?", erklang ihre kindliche, positive Seite wieder. Sowohl mir als auch Yi wurde warm ums Herz bei dem Gedanken. ,,Das können wir alle wohl kaum erwarten", meinte ich sanft, auch wenn ich meine Schwester so einschätzte, dass sie sich mit so einer Entscheidung lange Zeit lassen würde, am Besten, bis Yasuo von seiner Schuld befreit war. Aber Taliyahs Auftreten und Ideen weckten Hoffnungen und Gedanken in mir, an die ich vorher nicht bewusst nachgedacht hatte. Als ich Yis Hand spürte, wie diese meine umschlang, wusste ich, dass er das gleiche dachte. Und wir sahen uns an und lächelten, ehe wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf unseren Gastgeber richteten.

 

Taliyah sah uns abwechselnd mit Interesse an und fragte dann: ,,Seid ihr euch auch so nah?" Aber diesmal spürte ich einen stärkeren Druck um meine Hand und Yi ergriff das Wort: ,,So nah, wie der Stahl und das Wasser, welches die Waffe reinigt und zum Glänzen bringt. So nah, wie Eisen und Feuer, in welchem es geformt und vollendet wird. So nah wie, wie das Metall und der Stein, das es wetzt und in dem es sich findet" Die Augen des Mädchens funkelten. Ich fühlte mich so geschmeichelt bei dieser Beschreibung. Vor allem konnte ich daraus lesen, wie er uns sah. Sich als die Waffe und mich als den Unterstützer, der sie aufbaut und perfektioniert, dem Besitzer hilft. Lustigerweise habe es bisschen anders herum gesehen, weil er derjenige ist, der mich festhält und aufbaut und ich jede Kugel für ihn fressen würde. Doch es war ein schönes Gefühl, so wichtig für ihn zu sein.

 

Aber man darf auch nicht durchgehend darin schwelgen. ,,Etwas interessiert mich noch brennend", sagte ich und Taliyah spitzte die Ohren, ,,Was ist dein Antrieb, an zwei Orten zu leben?" Ihr Lächeln wirkte, als hätte sie nur auf diese Frage gewartet. So antwortete sie: ,,Es geht dabei um mein Training. In Shurima gibt es nur Sand - denkt man - aber ich habe gelernt, die Erde tief unter dem Sand an die Oberfläche zu bringen. Das war nicht einfach, aber mittlerweile kenne ich die Sände und Böden Shurimas so gut, dass es mich keine Anstrengung mehr kostet. Ich brauchte eine Herausforderung. Deshalb bin ich hier. Der Grund ist hier aus seit Jahrtausenden gefrorenem Gestein und dementsprechend ist es auch deutlich schwerer ihm meinen Willen aufzuzwingen. Dennoch will ich mich nicht komplett von meiner Heimat lösen, dafür liebe ich Shurima zu sehr, ich würde es nicht ertragen"

 

Ihre Stimme wirkte schwerfällig, als sie über ihre geliebte Heimat sprach. Shurimaner protzten nicht mit ihrem Land wie mit einem Status, so wie man es vielleicht von Noxianern oder Demacianern kannte. Bei einem wahren Shurimaner lebt Shurima in ihm. Sie lieben und leben es. Wenn sie darüber sprechen, gehen sie mit Faszination und Liebe vor und erzählen am liebsten von den Landschaften oder der Geschichte Shurimas, die mit eine der ältesten und interessantesten Valorans ist. Und all das, sah ich in den Augen und hörte ich in der Stimme dieses Mädchens.

 

Doch jetzt schlug ihr Ton um und ihre Stimme war von Zuversicht erfüllt: ,,Aber eines Tages werde ich selbst Freljords größte Berge verschieben können" Harter Stolz und Optimismus war ihr anzusehen und riss mich mit. Ein beeindruckendes, wunderbares Mädchen. Irgendwie hatte ich sie zu schnell ins Herz geschlossen. Mit unseren Blicken wünschten alle Anwesenden ihr viel Erfolg bei diesem Ziel.

 

,,Wo kommst du eigentlich her, Neru?", richtete sie die Frage an mich. Ich lächelte im Gedankenfluss in mich hinein. ,,Aus Shurima", sagte ich mit der sanftesten, liebevollsten Stimme, die mir möglich war. Sie holte tief Luft und grinste, aber mehr sagten wir zu dem Thema nicht, auch wenn sie mich sicher auch gern über mein Leben in Shurima und den Wechsel nach Ionia gefragt hätte. Nur manchmal muss man die Atmosphäre belassen und genießen. Nicht jede Stille ist unangenehm. Für einen kurzen Moment der Seligkeit konnten wir Shurima in uns spüren, wie es uns erwärmte und ausleuchtete. Ich legte meine Hand aufs Herz, wo sich meine innere Sonnenscheibe befand, und atmete ruhig die trockene Luft der Wüste ein, ehe meine Sinne sich nicht mehr von Nostalgie beeinflussen ließen. Tatsächlich... hatte ich zum ersten Mal so etwas wie Heimweh verspürt.

 

,,Oh!", rief Taliyah mit Blick zum Fenster aus, ,,Die Sonne wird nicht mehr lange über den Bergen bleiben. Ihr solltet zurückkehren, wenn ihr euch nicht verlaufen wollt" Man konnte raushören, dass sie uns ungern rausschmiss, denn wann würde sie schon die nächste Gelegenheit kriegen? Aber sie weiß über das Leben in Freljord mittlerweile Bescheid und macht sich einfach nur Sorgen. Aufgrund der hohen Wipfel, hinter denen sich die Sonne gut versteckte - wodurch die Nächte hier paar Stunden länger wirkten als in Ionia - litt mein Zeitgefühl etwas.

 

,,Keine Sorge, ich kenne diese Gegend wie meine eigene Waffe", meldete sich der Wächter versichernd und klopfte auf seinen Gürtel. Dennoch tranken wir unsere Tassen aus, verabschiedeten uns herzlich und Taliyah ließ uns wieder über die Brücke. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass es diesmal deutlich weniger wirklich große Felsen gab. Wenn sie jedes Mal, wenn sie die Brücke beschwor und wieder fallen ließ, bei der Landung auseinander brachen, wie würde die Brücke dann bald aussehen?

 

Als wir endlich die Tore der Stadt erblickten, war es bereits stockfinster geworden. Ashe sahen wir an dem Abend nicht mehr; es war wahrscheinlich einfach zu spät. Die Wachen ließen uns allein, sobald wir das Schloss erreicht hatten, und wir trotteten nur noch erschöpft zu unseren Gemächern...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Äußere von Taliyah ist halt so gemeint, dass sie genauso aussieht wie beim Freljord-Skin - der verändert sie ja nicht wirklich - nur halt mit ihren normalen braunen Haaren, die sie in Freljord einfach auf die Länge wachsen lässt, die auch bei dem Skin zu sehen ist. Und wieso sie auf dem Splashart weiß sind, erkläre ich damit, dass der Atemdampf in ihren Haaren gefriert und sie dadurch die Eisfarbe annehmen, wenn sie lang genug in der Kälte ist. (Hab den Praxistest in Sibirien gemacht, ja)
Und bei Yis Umschreibung ist im spezifischen Edelstahl gemeint, sonst würde es ja vom Wasser rosten und das würde es ins Negative ziehen...
Interessiert sich überhaupt noch jemand für diese Geschichte?:'D Komplett anzeigen

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