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Raupe im Neonlicht

von

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Kapitel 52

Was zuletzt geschah:

Für Jonas beginnen die Weihnachtsferien alles andere als besinnlich. Die Ferienwohnung, die ihm seine Eltern zur Verfügung stellen ist genauso kalt wie der Empfang, den ihm seine Mutter zu teil werden lässt und auch, wenn sich der Rest der Familie redlich Mühe gibt, Jonas und Erik gebührend willkommen zu heißen, ist die Anspannung deutlich spürbar. Wird eine Tasse Kaffee helfen Brücken zu bauen, oder ist am Ende alles so trostlos wie zuvor?

 

Kapitel 52

Das Frühstück verlief beinahe so schweigsam wie das Abendessen am Tag zuvor. Gedankenverloren starrte Jonas auf sein Frühstücksei, unfähig die Erinnerung an das Gesicht seiner Mutter abzuschütteln. Diese grässliche Enttäuschung in ihren Augen, als hätte er ihr durch seine bloße Existenz das Leben versaut. Sein Handy vibrierte und sorgte so für kurzfristige Ablenkung. „Maria fragt, ob wir uns heute mit ihr treffen wollen.“

„Wir beide?“, hakte Erik nach.

„Klar. Wer sonst?“

„Ich dachte nur, dass ihr euch seit Monaten nicht mehr gesehen habt. Maria will dich doch sicher wenigstens ein paar Stunden für sich allein.“

Jonas schluckte seinen Protest herunter. Erik lag nicht völlig falsch, schließlich hatte Maria bereits eingestanden, dass ihre anfängliche Abneigung ihm gegenüber wenigstens teilweise auf Eifersucht gründete. Das würde kaum besser, wenn Jonas Erik zu jedem ihrer Treffen mitschleppte. Trotzdem … „Ich kann dich doch nich‘ hier alleinlassen.“

„Warum nicht? Dank dir weiß ich ja jetzt, wie ich den Ofen warmhalte und da warten auch noch ein paar Bücher auf mich, die seit Wochen gelesen werden wollen.“

„Bist du s–“

„Ja, Jonas, ich bin sicher.“ Aufmuntert lächelte Erik ihm zu. „Wir haben noch fast zwei Wochen, um auch mal etwas zu dritt zu unternehmen. Da könnt ihr ruhig einen Tag alleine miteinander verbringen.“

Noch immer nicht völlig überzeugt, aber auch nicht in der Lage ein Gegenargument zu finden, nahm Jonas sein Handy, um Maria zu antworten.

 

Schneeflocken bedeckten Baumwipfel wie Konfetti und Jonas‘ Atem verband sich mit Marias zu einer weißen Wolke, während der gefrorene Boden unter ihren Stiefeln knirschte.

Er hob seine Kamera und blickte durch den Filter ihres Suchers. „Manchmal denke ich, dass das hier der einzige Fleck auf der Welt is‘, der sich nie verändern wird.“

Warte mal noch ein bisschen“, erwiderte Maria gewohnt nüchtern, „in zehn Jahren führt hier wahrscheinlich eine Autobahn durch.“

„Jetzt lass mich das doch genießen!“ Jonas‘ Objektiv fing Felder, Wälder und das rote Ziegeldach des Hauses, in dem Marias Eltern lebten ein. Weit entfernt rauschte Verkehr über die einzige Straße, die zum Dorf führte.

„Euer Urlaub läuft bisher nicht so, wie du es dir vorgestellt hast, oder?“

Jonas war klar gewesen, dass er Maria nichts vormachen konnte, er hatte allerdings nicht damit gerechnet, schon so schnell durchschaut zu werden. „Nich‘ wirklich“, räumte er ein, leugnen war ohnehin zwecklos. „Oder sagen wir, er läuft nich‘ so, wie ich’s gehofft hatte. Meine Mum …“ Etwas in seiner Kamera knackte und er zwang sich, seinen Griff um sie zu lockern. „Es is‘ schwer für sie. Das weiß ich. Und ich versuch wirklich, Verständnis dafür aufzubringen. Aber fuck, es tut echt scheißweh so abgelehnt zu werden. Ich hab so lang gebraucht, um zu kapieren, dass ich nix dafür kann, dass ich auf Männer steh. Und nochmal länger, um zu checken, dass es nich‘ nur nich‘ meine Schuld is‘, sondern, dass auch nix dran falsch is‘. Aber, wenn ich mir anseh, was grad in meiner Familie abgeht, dann … dann komm ich ins Zweifeln, verstehst du?“

Maria antwortete nicht sofort, doch ihre in behandschuhten Finger tasteten nach Jonas‘ freier Hand. „Vielleicht solltest du dich mal damit auseinandersetzen, ob es nicht besser ist, den Kontakt eine Weile ruhen zu lassen.“

„Das hatten wir doch die letzten Monate schon. Hat nich‘ grad geholfen.“

„Es soll auch nicht deiner Mutter helfen, sondern dir.“ Marias Ton war kühl. „Ich kann sehen, wie sehr dich die ganze Situation quält und ganz ehrlich, immer nur zu versuchen, es deiner Mutter rechtzumachen, kann kaum der richtige Weg sein.“

„Sagst ausgerechnet du.“ Jonas hatte nicht geplant, so vorwurfsvoll zu klingen, aber jetzt war es zu spät. Unter dem Frust über seine derzeitige Situation war die Wunde, dass Maria ihren Eltern nachgegeben und ein Studium in München begonnen hatte, anstatt ihn nach Berlin zu begleiten wieder aufgeplatzt. Nicht einmal eine Entschuldigung wollte über seine Lippen kommen.

Maria schien es ihm nicht übel zu nehmen, erwiderte nur ruhig: „Ja, sage ausgerechnet ich. Eben, weil ich mich die letzten neunzehn Jahre damit gequält habe, es meinen Eltern rechtzumachen. Glücklich hat mich das nicht gemacht.“ Ihr Griff um Jonas‘ Hand verstärkte sich. „Ich bin ständig müde und mit den dümmsten Kleinigkeiten überfordert. Jedes bisschen Verwaltungskram ist eine Hürde. Auf meinem Schreibtisch liegen zwei Bücher, die ich seit Wochen in die Bibliothek zurückbringen müsste. Ich weiß, dass demnächst Mahngebühren anfallen, aber … Ich kann mich einfach nicht aufraffen.“

„Maria, das–“

„–ist ein Problem. Weiß ich. Deshalb muss sich etwas ändern.“ Sie blieb stehen und blickte zurück zu dem Dorf, in dem sie aufgewachsen war. „Ich wollte dir das eigentlich erst später erzählen, so als Weihnachtsgeschenk, aber dann tu ich’s eben jetzt. Zum nächsten Wintersemester wechsle ich nach Berlin.“

„Was?“

Maria schmunzelte; offenbar war Jonas‘ Reaktion ausgefallen wie erhofft. „Ich werde jetzt nicht sagen, dass Berlin eine wunderschöne Stadt ist. Eigentlich fand ich sie sogar ziemlich scheußlich. Aber du bist da und an Erik werde ich mich wohl auch gewöhnen. Und nachdem ich mich ohnehin für einen Fachwechsel entschieden habe, kann ich auch gleich einen kompletten Neuanfang star–hmpf!“ Der letzte Teil ihres Satzes verpuffte in der Kälte, weil Jonas‘ Umarmung ihr die Luft aus den Lungen presste. Lachend stemmte sie sich gegen ihn. „Ist ja gut, du Riesenwelpe! Aus! Platz! Geh in dein Körbchen!“

„Wuff!“

Arm in Arm schlenderten über den verschneiten Feldweg.

„Wo hast du eigentlich Erik gelassen?“

„In der Wohnung. Er wollte sich nicht immer zwischen uns drängen.“

„Das ist nett von ihm.“ Maria zögerte einen Moment. „Aber zwischen euch ist alles gut, oder?“

„Ich glaub schon. Ich mein, die letzten Monate waren echt ätzend und vor einer Weile gab es eine Phase da … Da war ich mir nich‘ sicher, ob wir’s schaffen. Aber wir haben viel drüber gequatscht und das hat echt geholfen. Ich hab immer noch Angst, dass er irgendwann die Schnauze voll hat von dem ganzen Drama mit mir“, ein schmales Lächeln schlich sich auf Jonas‘ Lippen, „bis jetzt sieht’s aber nich‘ danach aus.“

„Er hat auf mich jedenfalls nicht wie jemand gewirkt, der schnell aufgibt“, stimmte Maria zu. „Dabei habe ich mir in Berlin am Anfang echt Mühe gegeben, einen Keil zwischen euch zu treiben.“ Sie verzog das Gesicht. „Nochmal sorry dafür. War kacke.“

„Is‘ ja nix passiert. Wenn überhaupt, hast du uns näher zusammengebracht.“

„Gut.“ Marias Lächeln verschwand so schnell wie es gekommen war. „Aber ich kann mir schon vorstellen, dass die Sache mit deiner Mutter für euch beide ziemlich belastend ist.“

Zur Antwort seufzte Jonas. „Ganz ehrlich? Erik gibt sich so scheißviel Mühe. Is‘ immer für mich da, hört mir zu. Is‘ supernett und geduldig mit meinen Eltern. Du hättest mal hören sollen, wie meine Mum gestern mit ihm geredet hat. Als wär er ‘n selbstmordgefährdeter Junkie, der alles fickt, was bei drei nich‘ aufm Baum is‘ und ‘n Sammelsurium an Krankheiten mit sich rumschleppt, das jedes Labor für biologische Kampfstoffe vor Neid erblassen lässt. Aber er hat keine Miene verzogen und einfach bloß jede Frage ehrlich beantwortet. Und er sagt mir dabei immer, dass es okay is‘, dass er schon damit klarkommt, so durchleuchtet zu werden, aber …“

„Du glaubst ihm nicht.“

„Nich‘ wirklich.“

„Würde ich auch nicht“, gab Maria zu.

Jonas knabberte an seiner Unterlippe. „Vielleicht hat er mich deshalb auch allein losgeschickt. Damit er mal ‘n bisschen Zeit für sich hat und Abstand bekommt.“

„Möglich. Muss aber nichts Schlechts sein, oder? So könnt ihr beide getrennt voneinander Kraft tanken und dann wieder eine gute gemeinsame Zeit verbringen.“

„Hoffen wir’s.“ Jonas war froh, jemanden zu haben, mit der er über seine Probleme sprechen konnte, aber er weigerte sich, den kompletten Tag damit zu verplempern. „Hey, gibt’s den alten Jagdstand noch? Von da oben konnte man tolle Fotos schießen!“ Wenigstens ein paar Stunden wollte er sich mit etwas anderem als seinem verkorksten Familienleben beschäftigen.

 

„Ich bin wieder d–“ Jonas biss sich auf die Zunge.

Die langen Beine zu einer anatomisch unmöglichen Position zusammengefaltet, hatte sich Erik auf dem Sofa zusammengerollt und wandelte tief im Reich der Träume. Sein Buch, das er seit Wochen zu beenden versuchte lag vergessen neben ihm auf dem Fußboden, das Feuer im Ofen war schon lange verglüht.

Erst jetzt, als Schlaf Eriks Züge entspannte, realisierte Jonas die Veränderung. All die kleinen Falten, die er zunehmend für normal gehalten hatte waren geglättet und Eriks Lippen einen Spalt geöffnet, anstatt zu erzwungenem Schweigen zusammengepresst.

Aus Sorge, die quietschende Ofentür könnte ihn wecken, verzichtete Jonas darauf, das Feuer neu zu entfachen. Stattdessen holte er zwei Wolldecken aus der Truheneckbank, von denen er eine über Erik breitete und die andere um sich selbst wickelte, bevor er auf den Sessel neben dem Sofa sank. Die Decke roch ein wenig modrig, doch sie war warm und gemütlich.

Jonas hatte sämtliche neu geschossene Fotos auf seinen Laptop übertragen und war gerade damit beschäftigt, den Einfluss des Sonnenstands auf die Stimmung der Bilder zu studieren, als sich Erik zum ersten Mal regte.

Verwirrung verzerrte seine Züge, als er die Decke ertastete, bis er 1+1 zusammenzählte und zu Jonas blickte. „Wie lange sitzt du da schon?“ Seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern.

„Eine Stunde oder so.“

„Du hättest mich wecken können.“

„Oder ich hätte dich etwas Schlaf nachholen lassen können. Du bist nich‘ der Einzige hier, der sich auch mal ‘n bisschen allein beschäftigen kann.“

Noch alles andere als wach, blinzelte Erik in den schummrigen Raum. Sich aufzusetzen schien ihn an die Grenzen von Kraft und Konzentrationsvermögen zu bringen. „Wie geht’s Maria?“

„Gut.“ Jonas kletterte von seinem Sessel auf Eriks Schoß, um ihm jede Chance auf Flucht zu nehmen. „Und wie geht’s dir?“

„Abgesehen davon, dass du schwer bist und ich noch drei weitere Stunden schlafen könnte?“

„Japp, abgesehen davon.“

„Ah, es war ganz nett, mal einen halben Tag für mich zu haben.“

„Das is‘ alles?“

„Was willst du denn noch von mir hören?“

„Die Wahrheit.“ Zärtlich fuhr Jonas durch Eriks Haar, lehnte die Stirn an seine Schulter. „Ich weiß, dass ich dir in letzter Zeit echt scheißviel zugemutet hab. Ich war alles zwischen abweisend, anhänglich, überdreht und scheißunglücklich und irgendwie hast du’s geschafft, uns beide halbwegs heil durch dieses Chaos durchzumanövrieren. Du gibst dir so viel Mühe, es allen recht zu machen. Meinen Freunden, meiner Familie … Und ich weiß, dass das anstrengend für dich is‘. Du musst nich‘ so tun, als ob‘s das nich‘ wär. Also … Es is‘ toll, dass du das für mich durchziehst und ich bin dir so unendlich dankbar dafür, aber … sei wenigstens ehrlich mit mir, wenn ich dich frag, wie’s dir geht.“

„Es ist in Ordnung“, versicherte Erik wieder.

„Komm schon. Die Wahrheit. Einmal. Danach darfst du wieder dazu übergehen, so zu tun, als ob alles prima wäre.“

Erik wich Jonas‘ Blicken aus und die Finger, die bis eben locker auf seinen Hüften geruht hatten bohrten sich tiefer. „Es ist anstrengender als ich erwartet hatte“, gab er schließlich zu. „Immer Ruhe zu bewahren, weil ich ständig auf dem Prüfstand stehe ist eine Sache; dabei zusehen zu müssen wie du dich abstrampelst, um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen nochmal eine ganz andere. Das ist das Schwierigste von allem.“ Er zeigte ein wenig überzeugendes Lächeln. „Aber ich schätze, wenn es hilft, die Beziehung mit deinen Eltern zu kitten, dann ist es das wert.“

„Nee. Nee, eigentlich isses das nich‘ wert.“ Eriks und Marias Worte hallten in Jonas Kopf. Er traf eine Entscheidung. „Pass auf: Wir sagen den Kaffee mit meiner Mum morgen ab und machen uns stattdessen ‘nen schönen Tag. Bloß wir beide, niemand sonst. Scheiß doch drauf, was meine Eltern davon halten. Das is‘ unser Leben!“

Erik antwortete nicht sofort, auf seinem Gesicht spiegelte sich ein stummer Kampf. Er wirkte nicht glücklich mit dem Sieger, beugte sich aber. „Gegenvorschlag. Wir ziehen den Kaffee mit deiner Mutter durch, sind höflich und freundlich und versuchen, ihr ihre Ängste zu nehmen. Dasselbe machst du über Weihnachten nochmal, während ich mal sehe, was in Stuttgart so los ist. Und wenn die Feiertage gelaufen sind und du dein Versprechen deiner Familie gegenüber gehalten hast, dann gönnen wir uns so viele gemeinsame Tage wie wir wollen.“

Jonas zögerte. Es wäre so viel einfacher, seiner Mutter den Rücken zu kehren und einfach wegzulaufen. Nicht mehr in ihr versteinertes Gesicht blicken zu müssen, auf der Suche nach einer Spur der Liebe, die früher darin war. Nicht noch einmal dem betretenen Schweigen am Esstisch lauschen zu müssen, oder dem Murmeln, das sich erhob, sobald er den Raum verließ. Nur würde das nichts ändern und auch, wenn Jonas das zeitweise verdrängen konnte, vergessen würde er es nicht. „Okay, Deal“, murmelte er schließlich. „Wir spielen noch ‘n paar Tage mit und hoffen entgegen aller Hoffnung, dass das bei meiner Mum irgend‘nen Schalter umlegt, den sie bisher nich‘ gefunden hat. Aber davor muss ich dringend was für dich tun!“ Er hakte einen Finger in Eriks Hemdkragen, lupfte den Stoff nach oben und pustete. Erst über die linke Schulter, dann über die rechte.

Erik erschauderte unter dem Atem, der über seine nackte Haut strich. „Was tust du da?“

„Dir die Last von den Schultern fegen.“

„Bitte was?“

„Naja, ich mein, vermutlich sollt ich dir die Last einfach abnehmen, aber ganz ehrlich, ich will sie ja auch nich‘. Also muss sie weg.“ Wieder pustete Jonas, während Erik kichernd versuchte, dem kühlen Luftstrom zu entkommen. „Na-ah! Erst, wenn alles weg is‘!“

„Es ist weg!“, rief Erik. „Völlig weg!“

„Sicher?“ Stirnrunzelnd knöpfte Jonas Eriks Hemd auf. „Lass mich mal sehen. Nee, da is‘ noch was.“ Die Welt wurde schwarz. „Hey!“

Vergeblich kämpfte Jonas gegen den Kapuzenpullover, der ihm ohne Vorwarnung über den Kopf geschoben worden war. Zu allem Übel kitzelten nun auch noch Finger seine entblößten Seiten durch. „Aufhören!“ In der Hoffnung, seinem Peiniger zu entkommen, glitt er vom Sofa und landete prompt unsanft auf seinem Hintern. Das reichte jedoch nicht, um Erik abzuschütteln. Wie der Schuft, der er war, nutzte dieser Jonas‘ momentane Hilflosigkeit, um ihn gänzlich niederzuringen. Irgendwo auf halben Weg verschwand dabei Jonas‘ Pulli gänzlich von seinem Körper.

Plötzlich fand er sich flach auf dem Bauch wieder, Eriks Gewicht auf seinem Rücken, seine Handgelenke in Schraubstöcken. „Hab ich dich“, gurrte Erik in sein Ohr.

„Fuck!“ Jonas kämpfte gegen die Umklammerung, wollte sich herausschlängeln, aber er war nahezu bewegungsunfähig. Einzig mit dem Hintern konnte er wackeln. Hm. Vielleicht war es Zeit für einen Taktikwechsel. „Oh, bitte Gnade!“, flehte er. „Ich tu alles was du willst. Wirklich. Absolut. Alles.“ Jonas‘ Hintern rieb über Eriks Schritt und binnen Sekunden wusste er, dass sein Plan aufging. Der Griff um seine Handgelenke lockerte sich, die Aufmerksamkeit seines Kontrahenten war definitiv zu anderen Regionen gewandert.

Mit einer fließenden Bewegung befreite Jonas seinen rechten Arm, stieß sich vom Boden ab und nutzte den Schwung für eine wenig elegante, aber effektive Rolle, mit der er Erik auf den Rücken und sich selbst über ihn katapultierte. „Ha!“ Bevor Erik etwas tun oder erwidern konnte, küsste Jonas ihn. Hart. „Gewonnen!“

“Ich ergebe mich“, schnaufte Erik. „Hätte ich ein weißes Taschentuch, ich würde damit schwenken.“

Zur Antwort küsste Jonas ihn erneut, doch dieses Mal strich er nur zart über Eriks Lippen. „Ich liebe dich.“ Jonas‘ Fingerspitzen spielten mit Eriks langen Strähnen. „Dafür, dass du immer für mich da bist. Mir Halt gibst. Geduldig bist. Aber ganz besonders liebe ich dich dafür, dass du Du bist.“ Er wusste selbst, dass seine Worte entsetzlich kitschig klangen, doch sie zeigten Wirkung. Erik drückte das Gesicht in Jonas Halsbeuge, darum bemüht, jede Lücke zwischen ihren Körpern zu schließen.

Lange lagen sie in dieser Umarmung, genossen die Nähe des anderen, hauchten zarte Küsse auf Stirn, Wangen, Lippen und jede andere Stelle, die sie erreichten, ohne sich voneinander lösen zu müssen. Mit der Zeit wurden ihre Küsse intensiver, Lust schlich sich in die ursprünglich zärtlichen Gesten und Hände wanderten an Orte, die sie in der Öffentlichkeit lieber nicht berühren sollten.

Neugierig musterte Jonas Erik. „Schon mal vor ‘nem prasselnden Kaminfeuer gefickt?“

„Dieses Jahr noch nicht. Au! Nicht zwicken!“

Mit strengem Blick rappelte sich Jonas auf, um das Feuer in Schwung zu bringen – und bei dieser Gelegenheit auch gleich Gleitmittel und Kondome bereitzulegen. Von dem Moment, in dem die Flammen aufloderten, bis zu ihrem glühenden Höhepunkt trennten sich ihre Körper nicht mehr, gab es keine Sekunde, in der Jonas Erik nicht küsste, streichelte, ihm mit Berührungen zeigte, wofür Worte nicht reichten. Für einen viel zu kurzen Augenblick waren sie eins.

„Ich liebe dich“, raunte Erik, die Beine noch immer um Jonas‘ Hüften geschlungen. Winzige Schweißperlen standen auf seiner Stirn. „Und ich bin froh, dass wir hier sind, auch, wenn du mir das vermutlich nicht glaubst.“

Jonas küsste ihn ein letztes Mal, dann rollte sich zur Seite und streifte das Kondom ab. „Mal gucken, ob du das morgen immer noch sagst, wenn meine Mum da war.“

 

Die altersschwachen Dielen knarzten unter Jonas‘ nervösen Füßen. Ofenfeuer wärmte den Raum, der Küchentisch war gedeckt und nach einem spontanen Besuch im Dorfladen hatten Erik und er es sogar geschafft, ein Blech Weihnachtsplätzchen zu produzieren, die sie zum Kaffee reichen konnten. Jetzt musste nur noch seine Mutter auftauchen.

„Entspannt dich. Alles wird gut.“ So bedingungslos sich Erik Jonas am Abend zuvor hingegeben hatte, so stark waren seine Schultern in diesem Moment und Jonas war dankbar, sich daran anlehnen zu dürfen. Leider währte die Ruhe nur kurz.

Die alte Türglocke der Wohnung jagte ihn ins Erdgeschoss, da es seine Eltern nie für nötig befunden hatten einen Türöffner zu installieren. Seine Hand bereits nach der Klinke ausgestreckt, atmete Jonas noch einmal tief durch, bevor er sich seiner Mutter stellte. „Schön, dass du es geschafft hast.“ Er trat zur Seite, um sie ins Innere zu lassen. „Hattest du eine gute Fahrt?“

Sie musterte ihn kritisch. „Sind ja nur ein paar Minuten.“

„Jaah … ich dachte nur …“ Jonas verstummte, es hatte ja doch keinen Zweck, auf den Austausch höflichen Geplänkels zu bestehen. „Komm, der Kaffee ist gleich fertig.“

War die Wohnung zu warm? Hatte er es mit dem Feuer übertrieben? Oder brach ihm aus ganz anderen Gründen der Schweiß aus? Rasch wechselte Jonas einen Blick mit Erik, der aufgestanden war, sich mit einer Begrüßung jedoch zurückhielt, bis Jonas‘ Mutter seine Anwesenheit anerkannte.

„Herr Kolb“, sagte sie kühl, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, ihm die Hand zu reichen.

„Guten Tag, Frau Staginsky. Vielen Dank, dass sie heute gekommen sind.“

Oh, das Lächeln, das Erik da zeigte mochte oberflächlich als höflich durchgehen, aber Jonas wusste es besser. Eine Schweißperle rollte zwischen seinen Schulterblättern hindurch und Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus. „Setz dich doch, Mama“, bot er an, bevor die Stimmung zwischen ihr und Erik endgültig kippte.

Als alle platzgenommen und Jonas den Kaffee ausgeschenkt hatte, blickte seine Mutter erst ihn und dann Erik an. „Nur um das gleich klarzustellen, das hier ist kein Höflichkeitsbesuch. Ich bin nicht hier, weil ich einen netten Plausch führen will, oder weil ich gutheiße, dass ...“

Sie sprach nicht weiter und Jonas‘ Herz sank ein Stockwerk tiefer. Bis eben hatte er ihren Besuch als Friedensangebot gedeutet. „Warum bist du dann hier?“

„Ich bin eine Fremde in meinem eigenen Haus!“, zischte sie. „Meine älteste Tochter weigert sich, mit mir zu sprechen, meine eigene Mutter sieht mich an, als wäre ich die Enttäuschung ihres Lebens und mein Mann nimmt mir gegenüber das Wort Scheidung in den Mund!“

Stumm wiederholten Jonas‘ Lippen den letzten Satz. Was hatte er getan? Natürlich hatten seine Eltern gelegentlich gestritten, aber in den zwanzig Jahren, die er bei ihnen gelebt hatte, hatte er kein einziges Mal daran gezweifelt, dass sie eine glückliche Ehe führten. Eine starke Ehe. Und jetzt hatte er …

„Das tut mir sehr leid für Sie, Frau Staginsky“, drängte sich Eriks Stimme in Jonas‘ Bewusstsein, „aber das ist nicht die Schuld ihres Sohns.“

„Ist es nicht?“

„Nein.“ Erik klang so überzeugt, dass Jonas ihm einen Augenblick lang glaubte.

„Alles war gut, bevor …“ Sie gestikulierte in Eriks Richtung.

„Es war nich‘ gut, Mama“, flüsterte Jonas rau. „Nich‘ für mich.“

„Du warst immer ein fröhliches Kind!“

„Kind vielleicht. Später … nich‘ mehr so. Mama, ich …“ Jonas spielte mit seiner Kaffeetasse, beobachtete die Wirbel aus Milch, die die Oberfläche marmorierten. „Denk doch bloß mal ans letzte Jahr und sag mir, ob ich glücklich auf dich gewirkt hab?“

Eigentlich hatte er erwartet, dass seine Mutter seinen Hinweis sofort abschmettern würde, doch zu seiner Überraschung schüttelte sie den Kopf. „Nein, das hast du nicht. Ich wusste, dass etwas nicht mit dir stimmt. Diese Stadt–“

„–hatte nichts damit zu tun“, erwiderte Jonas. „Nich‘ wirklich. Eher damit, dass ich plötzlich irgendwie zwei völlig verschiedene Leben geführt und in keins davon reingepasst hab. Ich wollt euch nich‘ anlügen, aber … ich hatte Angst. Und jetzt is‘ genau das passiert, wovor ich mich gefürchtet hab.“

Schweigen trat ein, das erst nach langen Sekunden von Jonas‘ Mutter gebrochen wurde. „Ich verstehe nur nicht …“ Sie verstummte wieder.

„Was verstehst du nich‘?“, hakte Jonas nach. „Vielleicht kann ich’s dir erklären.“

„Warum?“

„Warum was?“

„Warum kannst du nicht einfach …“

„Normal sein?“ Jonas schnaubte. „Warum bist du hetero? Anstatt Papa hättest du dir doch auch einfach ‘ne heiße Braut suchen können. Wer weiß, vielleicht müsstest du dich dann jetzt nich‘ mit mir rumärgern.“

„Jonas!“

„Was? Isses nich‘ das, was du zurzeit denkst? Lieber gar keinen Sohn, als einen der schwul is‘?“

„Nein, das ist nicht … Ich liebe dich. Du bist mein Kind. Aber das alles hier …“ Hilflos gestikulierte seine Mutter zur Decke. „Das ist nicht gottgewollt.“

„Ich glaub, wir haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was Gott will.“ Das war die beste Antwort, die Jonas seiner Mutter geben konnte. Nächtelang hatte er sich gequält mit dem Glauben, der ihm von frühester Kindheit an eingeimpft worden war. Hatte damit gehadert, bis davon kaum mehr übrigblieb als das diffuse Gefühl, dass da mehr zwischen Himmel und Erde sein musste. Und selbst daran zweifelte er inzwischen.

Seine Mutter schien zu spüren, dass sie auf diesem Weg nicht weiterkam. „Warum jetzt? Du sagst, es hätte nichts mit deinem Umzug zu tun, aber all die Jahre davor hast du kein Wort darüber verloren.“

„Weil ich lang gebraucht hab, den Mut zu finden, es euch zu sagen. Und lang, es vor mir selbst einzugestehen.“

„Und wie soll das jetzt weitergehen? Wie stellst du dir deine Zukunft vor?“ War da Angst in ihrer Stimme?

„So, wie ich sie mir auch vorgestellt hätte, wenn ich auf Frauen stehen würde“, antwortete Jonas schlicht. „Guck mal, letztlich is‘ meine sexuelle Orientierung doch nur ein kleiner Teil meines Lebens und meiner Persönlichkeit. Klar, sie unterscheidet mich von anderen und ich werd mich mit Dingen auseinandersetzen müssen, die für viele Heteros total selbstverständlich sin‘, aber … Ich bin doch kein Ausgestoßener oder sowas. Hab zugegebenermaßen selbst ‘ne Weile gebraucht, um das zu kapieren.“

Resigniert schüttelte seine Mutter den Kopf. „Was ist mit Familie? Kindern?“

„Ach, Mama, das hatten wir doch neulich schon. Ich hab ‘ne Familie. Und Kinder …“ Jonas zuckte mit den Schultern. „Selbst, wenn ich auf Frauen stehen würd, könnt ich mich in eine verlieben, die keine will. Oder keine bekommen kann. Wer weiß, vielleicht schieß ich ja selbst mit Platzpatronen.“ Ein Schnauben neben ihm lenkte Jonas‘ Aufmerksamkeit auf Erik, der rasch die Hand vor den Mund schlug. „Lachst du grad über meine hypothetischen Nichtschwimmer?“

„Würde ich nie.“ Tat er doch.

„Was ist mit Ihnen?“ Der Blick, mit dem Jonas‘ Mutter Erik bedachte wischte jeden Ansatz eines Lächelns fort. „Wollen Sie keine Kinder?“

„Doch“, erwiderte Erik knapp.

„Wie stellen Sie sich das konkret vor?“

Ein Schatten huschte über Eriks Gesicht und die schmale Falte zwischen seinen Brauen erschien. „Ich denke, jeder Mensch muss im Laufe seines Lebens damit umgehen lernen, dass manche Wünsche unerfüllt bleiben.“

Mit dieser Antwort hatte Jonas‘ Mutter offenbar nicht gerechnet. Verdutzt verfiel sie erneut in Schweigen, allerdings ohne ihren Blick von Erik zu nehmen.

„Ähm“, setzte Jonas an, als er die Stille nicht länger ertrug. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte und wurde glücklicherweise von seiner Mutter unterbrochen, bevor er sich mit unzusammenhängendem Gestammel zum Deppen machte.

„Wie alt waren Sie, als Ihre Eltern verstorben sind?“

Jonas runzelte die Stirn. Warum fragte seine Mutter das?

„Fünfzehn.“ Wieder eine knappe Antwort. Ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass Erik ein Thema nicht vertiefen wollte.

„Standen Sie sich nahe?“

„Sehr.“ Nach einem langen Atemzug fügte Erik hinzu: „Es vergeht kein Tag, an dem sie mir nicht fehlen.“

„Denken Sie nicht manchmal, dass das ein Auslöser gewesen sein könnte? Vielleicht fürchten Sie sich deshalb, eine eigene Familie zu gründen.“

Jonas vermutete, dass sich das Unverständnis auf Eriks Gesicht auch in seinem eigenen zeigte. Er hatte keine Ahnung, worauf seine Mutter da hinauswollte. Außer …

„Ah. Fragen Sie mich gerade, ob mich der frühe Tod meiner Eltern schwul gemacht hat?“ Erik ließ Jonas‘ Mutter keine Zeit für eine Antwort, aber da zupfte tatsächlich ein Lächeln an seinen Mundwinkeln. Ob es ein gutes oder schlechtes war, konnte Jonas nicht sagen. „Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht der Fall ist. Meine Homosexualität ist mir schon ein paar Jahre zuvor bewusstgeworden. Übrigens haben mich meine Eltern immer unterstützt.“

„Ein paar Jahre zuvor? Obwohl Ihre Eltern so früh verstorben sind?“

„Mhm. Sie haben mir von Geburt an klar gemacht, dass es völlig egal ist, welches Geschlecht man liebt, aber ich denke, ich war dreizehn, als das Thema zum ersten Mal konkret auf mich bezogen aufkam.“

„So früh kann das doch niemand wissen! Was, wenn das alles nur eine Phase ist?“

Erik zuckte mit den Schultern. „Dann wäre das eben so gewesen. Allerdings vermute ich, dass ich mit Ende zwanzig allmählich ausschließen darf, dass es sich um eine Phase handelt. So oder so hat es meine Eltern nicht gekümmert, solange ich nur glücklich war.“ Seine langen Finger verknoteten sich. „Sie zu verlieren war unbeschreiblich schmerzhaft, aber die Vorstellung, wegen etwas von ihnen verstoßen zu werden, auf das ich keinen Einfluss habe … Ich will nicht das eine mit dem anderen vergleichen, aber ich bin froh, dass mir wenigstens das erspart geblieben ist.“

Jonas wollte eingreifen, Erik sollte sich nicht gezwungen fühlen, über so persönliche Erfahrungen zu sprechen, doch nach einem Blick auf seine Mutter schlossen sich seine Hände fest um die Kaffeetasse. Die Hitze, die sich in seine Haut brannte fühlte er nicht.

Zum ersten Mal seit seinem Comingout lag etwas Weiches in den Zügen seiner Mutter und Verständnis flackerte in ihren Augen. Vielleicht war ihr die Veränderung ebenfalls aufgefallen, denn sie stand genauso abrupt auf, wie bei ihrem letzten gemeinsamen Abendessen. „Vielen Dank für den Kaffee, aber ich sollte wieder los.“

„Oh … Okay.“ Vor den Kopf gestoßen, brauchte Jonas ein paar Sekunden, um sich ebenfalls zu erheben. Erik folgte seinem Beispiel, blieb jedoch neben dem Esstisch stehen, während Jonas seine Mutter zur Tür begleitete. „Dann … komm gut heim.“

„Es sind immer noch nur fünf Minuten Fahrt.“

„Trotzdem.“ Unschlüssig sahen sich die beiden an, bis sich Jonas ein Herz fasste und seine Mutter in die Umarmung zog, nach der er sich seit Monaten sehnte. „Ich hab dich lieb, Mama.“ Sie versuchte nicht, sich aus der Umarmung zu lösen, tat jedoch auch nichts, um diese zu erwidern. Nachdem er das akzeptiert hatte, trat Jonas einen Schritt zurück.

Seine Mutter nickte ihm ein letztes Mal zu. „Wir sehen uns morgen.“

„… bis morgen.“ Jonas schaffte es, sich zusammenzureißen, bis er ihr Auto starten hörte, dann rannen die ersten Tränen über seine Wangen. Schluchzend lehnte er sich erst gegen das spröde Holz der Wohnungstür und bald darauf gegen Erik, der schützend die Arme um ihn legte.

„Scheiße, sagst du jetzt gleich wieder, dass es schlimmer hätte laufen können?“

„Ah, naja, es hätte schlimmer laufen können, oder nicht?“

„Dann sagst du mir sicher auch noch, dass sie einfach mehr Zeit braucht.“

„Vielleicht ist das so.“

Ein humorloses Lachen stieg in Jonas‘ ausgetrocknetem Hals auf. „Toll! Wie lang? Noch ein paar Monate? Jahre? Wann darf ich endlich die verfickte Scheißhoffnung aufgeben?“ Er schob Erik von sich, nur um die rüde Geste im selben Moment zu bereuen. „Sorry, ich … Sorry.“

Betreten starrte Erik auf seine Hände. „Nein, mir tut es leid. Ich baue viel zu viel Druck auf dich auf, weil ich mir wünsche, dass ihr noch eine Lösung findet.“

„Ja, ich mir auch.“

„Und wahrscheinlich bin ich zu optimistisch, aber ich habe das Gefühl, dass sich deine Mutter auf ihre Weise auch bemüht. Sie hat sich Zeit genommen, Fragen gestellt, dir zugehört. Wenigstens ein bisschen. Das ist mehr Entgegenkommen, als sie bisher gezeigt hat.“

„Jetzt grad wär’s mir lieber, sie hätt’s nich‘ getan. Dann … Dann könnt ich sie wenigstens …“ Jonas stockte, holte pfeifend Luft. „Es tät so gut, richtig sauer auf sie sein zu können, weißt du? Aber dann fällt mir ein, was sie alles für mich getan hat. Was für ‘ne tolle Mum sie bisher war. Und dann fehlt sie mir, und … und ich …“ Der Rest seines Satzes ging in Schluchzen unter, aber Jonas war sich ohnehin nicht sicher, was er hatte sagen wollen. Wütend wischte er sich über die Augen. Er hatte diese Heulerei so satt! „Heiligabend und der erste Weihnachtsfeiertag. Die zwei Tage geb ich ihnen noch. Wenn’s dann nich‘ besser is‘, dann … dann will ich einfach bloß zurück nach Berlin.“

„In Ordnung.“ Was sonst hätte Erik schon sagen können? „Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“ Dummerweise war Erik gerade nicht der Mensch, von dem Jonas diesen Satz am meisten hören wollte.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Autorenkommi:
Heute kommt das Kapitel mit einem Tag Verspätung und dann auch noch unschönem Ende. Sorry. Nächste Woche wird es besser. Vielleicht.

Euch allen noch ein schönes (Rest)Wochenende! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  chaos-kao
2018-08-25T19:24:26+00:00 25.08.2018 21:24
Ohne überzogene, religiöse Vorstellungen wäre diese Welt ein deutlich besserer und ehrlicherer Ort. Man hätte keinen unsichtbaren Freund mehr, hinter dem man sich und das eigene Verhalten verstecken kann. Man merkt gut, wie schwer es Jonas' Mutter fällt und dass sie es eigentlich nicht böse meint. Dass Erik so offen und ehrlich über seine Eltern und sein Verhältnis zu diesen gesprochen hat, könnte etwas in ihr bewirkt haben. Ich bin auf alle Fälle gespannt ob dem tatsächlich so ist
Antwort von:  Noxxyde
25.08.2018 21:58
Hey :)

Das stimmt. Ich kann verstehen, dass der Glaube für viele eine wichtige Stütze ist und das ist ja auch in Ordnung, aber spätestens, wenn dadurch das Leben anderer zu etwas Minderwertigem erklärt wird, ist einfach eine Grenze überschritten. Es ist aber natürlich schwer, sich von solchen Glaubenssätzen zu lösen, wenn man sie das ganze Leben lang eingeimpft bekommen hat.

Ich denke auch, dass Erik Jonas' Mutter zum Nachdenken gebracht hat. Sie hat ihn ja ziemlich antagonisiert und für Jonas' "Veränderung" verantwortlich gemacht und nun merkt sie, dass Erik irgendwie doch nicht das Monster ist, das sie gerne in ihm sehen würde. Mal sehen, wie es da weitergeht.

Danke fürs Reviewn :)

LG Noxxy
Von: abgemeldet
2018-08-25T17:28:20+00:00 25.08.2018 19:28
Na, das lief ja wieder einmal halbwegs suboptimal... Aber eben nur halbwegs. Möglicherweise ist doch noch Besserung in Sicht, da hat Erik recht mit den Bemühungen von Jonas' Mutter. Und ich ziehe wieder einmal den Hut vor Eriks Gemütsruhe und Durchhaltevermögen. Ohne ihn wäre Jonas schon längst zusammengebrochen.
Aber ey, Jonas' Mutter mit ihrem Gotteskram... Und dass die Kinder-Thematik sie dermaßen packt ist auch die Härte. Da hat Jonas Recht mit Unfruchtbarkeit und anderen Problemen, die jedermann betreffen können.
Ach, übrigens eine sehr heiße Idee mit dem Kaminfeuer - im wahrsten Sinne des Wortes ;D
Antwort von:  Noxxyde
25.08.2018 21:56
Hey :)

Erik ist Jonas auf jeden Fall eine wichtige Stützte bei der ganzen Geschichte. Ich denke aber auch, dass Jonas' Mutter auf ihre Weise schon ein gewisses Entgegenkommen zeigt. Sehr vorsichtig, sie weiß offensichtlich noch nicht wirklich, wie sie mit der Situation umgehen soll, aber sie könnte ja auch komplett abblocken. Wenigstens das tut sie nicht.

Ich find's auch immer schwer nachvollziehbar, wenn Menschen bestimmte Überzeugungen mit ihrem Glauben begründen, aber leider ist der ja doch bei vielen noch meinungsbildend. Und das Kinderthema ... Gehört für seine Mutter eben irgendwie zu einem guten Leben dazu. Aber ja, nur weil man in einer heterosexuellen Beziehung steckt, hat man ja auch nicht zwangläufig Kinder bzw. kann welche bekommen. Besonders sinnvoll ist dieses Argument also auch nicht.

Haha, danke! Hat Spaß gemacht, die Szene zu schreiben. So zwischendrin haben die beiden ja auch mal etwas Glück verdient!

LG Noxxy
Von:  Onlyknow3
2018-08-25T16:49:00+00:00 25.08.2018 18:49
Das wird er Erik so aber nie sagen, das wäre mehr als nur ihm vor den Kopf stoßen.
Jonas und Erik werden das sich schaffen, auf die eine oder andere Art.
Sehr gutes Kapitel, weiter so freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Noxxyde
25.08.2018 19:31
Hey :)

Stimmt! Und er ist ja auch sehr dankbar dafür, dass Erik so zu ihm hält, aber es ändert halt auch nichts daran, dass ihm die Ablehnung seiner Mutter sehr weh tut. Im Moment ist sie wohl die Einzige, die ihm wirklich die Last von den Schultern nehmen kann. Aber ja, Erik und Jonas haben sich über die letzten Monate eine sehr liebevolle und stabile Beziehung erarbeitet - die hält eines aus.

Danke :)
Und vielen Dank für das Review!

LG Noxxy
Von:  Kerstin-san
2018-08-25T16:14:20+00:00 25.08.2018 18:14
Hallo,
 
ich freu mich total, dass Maria in dem Kapitel hier wieder aufgetaucht ist. Ich hab ihre direkte und unverblümte Art total vermisst und gerade das ist etwas, was die Freundschaft zwischen ihr und Jonas ausmacht. Auch cool, dass sie sich für den Studiumswechsel nach Berlin entschieden hat. Ich hoffe für sie, dass es da dann besser läuft und sie wieder fitter und motivierter wird.
 
Ich hatte auch so meien zweifel, dass Erik die ganze Thematik so locker wegsteckt, wie er immer tut, von daher fand ich Jonas Hartnäckigkeit in der Hinsicht echt gut, weil ihre Beziehung normalerweise nun mal von Ehrlichkeit und Offenheit geprägt ist. Ich kann auch Jonas Zweifel nachvollziehen, ob er überhaupt noch einen Versuch riskieren soll mit seiner Mutter zu sprechen. Bin zwar auch der Meinung, dass ein Gespräch zu dritt ne gute Idee ist, aber seine Einschätzung, dass es wie weglaufen wäre, wenn er es nicht machen würde, teile ich nicht so ganz. Er hat schon so viel Energie investiert und ist auf sie zugegangen, dass ich es ihm nicht verübeln würde, wenn er jetzt resignieren würde. Das wäre in meinen Augen dann aber definitiv kein weglaufen.
 
Also ehrlich gesagt fand ich das Gespräch gar nicht so schlecht, wie Jonas es empfindet, sondern viel besser als das letzte gemeinsame Abendessen. Ich sehs ehrlich gesagt wie Erik. Klar hat seine Mutter keine Freundensprünge gemacht, sie war kritisch und steht dem ganzen immer noch sehr ablehend gegenüber, aber sie hat zum ersten Mal konkret ausgesprochen, wo ihre Probleme liegen und auch wie sich das gerade alles auf sie auswirkt (Btw, irgendwie unfrewillige Situationskomik, aber bei dem Satz hier: "meine eigene Mutter sieht mich an, als wäre ich die Enttäuschung ihres Lebens", musste ich echt loslachen, weil das genau das ist, was Jonas gerade auch von ihrer Seite her signalisiert bekommt...). Klar ist es für Jonas immer noch ne Scheißsituation, aber ehrlich gesagt kommt in mir gerade die Optimistin zum Vorschein :)
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  Noxxyde
25.08.2018 19:27
Hey :)

Aww, das freut mich. Ich mag Maria auch total gerne, schon allein, weil sie mich ein bisschen an eine Freundin von mir erinnert. Sie ist nicht der einfachste Mensch, weshalb sie auch nicht so übermäßig viele Freunde hat, aber du hast völlig recht, Jonas braucht ihre geerdete, direkte Art, weil sie ein tolles Gegengewicht zu seiner eigenen Persönlichkeit darstellt. Er weiß, dass auf sie immer Verlass ist und sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg hält.

Finde ich auch. Seine eigenen Grenzen zu respektieren ist eine ganz wichtige Fähigkeit und Menschen, die einem nicht guttun auf Abstand zu halten hat nichts mit Weglaufen zu tun. Ich kann natürlich auch verstehen, dass Jonas den Kampf noch nicht aufgeben möchte, aber es bringt ja auch nichts, wenn er sich jetzt abstrampelt und damit am Ende nur sich selbst und seiner Beziehung mit Erik schadet.

Ich bin da auch eher auf Eriks Seite: Auf ihre Art versucht Jonas' Mutter durchaus, auf ihren Sohn zuzugehen. Aber für Jonas geht es natürlich nicht schnell genug - verständlich, denn ihr Verhalten tut ihm noch immer sehr weh. Dennoch findet inzwischen wenigstens ansatzweise sowas ähnliches wie ein Dialog statt und Jonas' Mutter ist ganz sicher zumindest ins Grübeln gekommen.

Haha, schön, dass dir der Satz aufgefallen ist. Ich gestehe, das war keine Absicht und ist mir auch erst nach mehrmaligem Korrekturlesen aufgefallen, aber ich habe ihn dann bewusst dringelassen, weil es einfach so schön passt :D

Danke fürs fleißige Reviewen :)

LG Noxxy


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