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Ronin

Der gefallene Samurai
von

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Kapitel 10.

10. Kapitel
 

Der Wald war komplett still. Naruto genoss diese Ruhe und schloss zufrieden die Augen. Der Wind drang nicht durch die Baumgrenzen hindurch und der modrige Geruch von fauligem Holz und nassem Moos stieg in seine Nase. Das Laub raschelte unter den Hufen seines Pferdes, während er über einen alten Weg ritt. Alleine fiel ihm das Reisen schwerer. Er hatte niemanden, der Aufgaben übernahm, das Lager beschützte oder sich mit ihm unterhielt. Es war wirklich unangenehm, wenn die Stille jegliches Geräusch verschluckte. Ohne Isuma, der ihn oftmals die ganze Zeit ablenkte, merkte er erst, wie alleine er wirklich war. Auch die Welt um ihn herum, kam ihm so unendlich groß vor. Er war seit Tagen unterwegs und hatte nur einen einzigen Händler getroffen. Auf den Karten, die er in Konoha studiert hatte, wirkte die Welt nicht so riesig. Alle Ländergrenzen und Dörfer hatte er gekannt und konnte sie sofort aufzeigen… Doch nun, wo er irgendwo im Land der heißen Quellen war, wusste er nicht mehr, ob die Kartographen ihn einfach nur ärgern wollten. Er war vor dem letzten Regen in diesen Wald geritten und hatte bisher noch nicht herausgefunden.
 

Er hatte einen großen Fluss überquert, an dessen Ufern, vierzig Kilometer nördlich, eine große Schlacht getobt hatte. Die Legenden besagten, dass sie die Königreiche der heutigen Zeit geformt hatte. Doch Naruto war kein besonders abergläubischer Mann. Es stimmte, dass einige Waffen selbst hier unten noch im Fluss begraben lagen und ihr helles Metall im Sonnenlicht strahlte. Doch das eine Ordnung nur aus einer einzigen Schlacht entstehen konnte, hielt er schlichtweg für unmöglich. Man sagte sich zwar, dass die Leichen der Gefallenen noch immer die Ebenen heimsuchten, doch auch Geister waren nur die wahnwitzige Vorstellung von Ammen und kleinen Kindern.
 

Naruto hielt sein Pferd an und schaute in die Fluten. Der Händler hatte ihm gesagt, dass das Gold der Rüstungen hier noch irgendwo versteckt sein sollte… Ein Schatz, so gewaltig, dass er einen Einzelnen zum Kaiser machen könnte. Zu viele Narren hatten versucht ihn zu finden, alle waren gescheitert. Auch die Berge aus Gold und Robine, so rot wie das Blut, waren nur Legenden von alten Menschen, die von dem träumten, was sie nicht besitzen konnten. Dennoch machte diese Legende das Land der heißen Quellen berühmt.
 

In den Bergen, weit oben im Norden, sollte noch immer die Lava in ihrem Inneren brodeln. Sie erhitzte das Wasser, welches wie ein nie enden wollender Strom in den Süden floss. Je mehr man sich von den Bergen entfernte, desto kühler wurde es. Dort, wo die Flüsse den Ozean erreichten, konnte man sogar das Eis auf ihnen brechen.
 

Die Quellen in diesem Land waren wahrlich gesegnet. Hatte man jemals eine von ihnen besucht, so wirkten alle anderen wie minderwertige Tränken für die Tiere. Der Dampf, der die Sinne benebelte, Wasser so klar, dass man die Steine auf dem Grund zählen konnte. Ein Bad war wie eine Umarmung einer Mutter: warm, beschützend und beruhigend. Naruto hatte das alles niemals genossen und dennoch fühlte auch er sich glücklich, wenn er eine solche Quelle besuchte.
 

Die Menschen waren niemals dumm. Sie wussten, dass der eigentliche Schatz dieser Lande sich im Wasser befand. Dort wo viele Quellen waren, hatten sich schnell Siedlungen gegründet. Sie verdienten sich eine goldene Nase durch ihre verdammte Lage. Auch wenn es niemals so wirkte, grenzte das Land der Quellen sowohl an das Feuerreich, als auch an die Grenzen der Wassernation. Sie waren strategisch bedeutend und ihre Lage war perfekt. Naruto war zwar kein großer Feldherr und kannte sich in der Strategie des Kampfes nicht sonderlich gut aus, doch er wusste, dass die vielen Berge, Schluchten und Abhänge perfekt für Hinterhalte und feige Angriffe waren. Die kleinen Dörfer waren weit auseinander und man war vollkommen alleine. Je mehr man nach Norden kam, desto schlimmer wurde das Gelände. Irgendwann verschwand der grüne Wald mit seinen alten Wurzeln und nur noch der nackte Stein und die spitzen Felsen zeigten ihre erbarmungslose Seite.
 

Es hatte einen Grund, warum der junge Kopfgeldjäger diese Lande besuchte. Er war nicht untätig geblieben und versuchte, Erfahrung zu sammeln. Er wusste, dass er noch nicht bereit war, sich mit den Großen und Mächtigen anzulegen. Er hatte bisher nur einen Auftrag ausgeführt und das war mehr Rache, als ein Geschäft. Isumas Tod war so bedeutungslos, wie es sein bisheriges Handeln immer war. Nur eine weitere Leiche, die niemand vermissen würde…
 

Naruto war auf der Suche nach einem bestimmten Mann. Sein Auftraggeber war ein reicher adliger, ohne nennenswerte Ländereien. Doch seine Mienen brachten ihm Geld und Ansehen. Er leitete einen nationenübergreifenden Handel und jemand hatte ihn betrogen. Auch wenn Naruto den Fürsten niemals begegnet war, so wusste er, wen er suchte.

Sein Ziel hatte sich eine Existenz im Land der Quellen aufgebaut, die er nun zerstören würde. Er fühlte sich ein wenig schlecht, da dieser Mann ihm eigentlich nichts getan hatte… Doch ganz so unschuldig war er nun auch wieder nicht. Er hatte eine Vergangenheit… Eine blutige, schreckliche Vergangenheit. Es war, wie so oft, die Gier, die das Schrecklichste im Menschen hervorrief. Die Gier nach Gold und Blut. Naruto hatte diesen Auftrag nur angenommen, da er wusste, welche Vergangenheit dieser Mann auch in Konoha hatte. Ehrlos, wie er war, hat er den Aburame-Clan um eine Tochter gebracht. Sie war mit ihm gegangen, in einer Zeit, in der es ihrer Familie sehr schlecht ging. Das Blut war vermischt, der Clan weit verstreut. Das Oberhaupt hatte damals befohlen, die Ahnen zu ehren und alles für das Überleben zu tun. Doch die junge Tochter wollte nicht hören. Sie verliebte sich unsterblich in den Mann, der ihr versrochen hatte, die Wolken von oben zu sehen. Der sie umwarb, wie es der König bei seiner zukünftigen Königin tat…
 

Naruto hatte mit einigen anderen Wächtern ihre Leiche, nicht weit weg von Konoha gefunden. Ihr geschundener Körper, die zerstörte Ehre, die ihr selbst im Sterben nicht geblieben war. Was dieser Mann ihr angetan hatte, war weit mehr, als sie mit ihrem eigenen Haar zu erdrosseln. Naruto hatte es nicht übers Herz bringen können, der Mutter zu sagen, wie ihre Tochter starb… Dass die letzten Stunden vor ihrem Tod so schrecklich waren, dass kein Mensch ein solches Schicksal ertragen sollte.

Der Kopfgeldjäger hatte beinahe vergessen, was damals passiert war. Erst das Gesicht, welches er noch zu gut kannte, mit Asche und Kohle auf einen schmuddeligen, gelben Zettel gekritzelt, hat die Geister der Vergangenheit wiedergerufen. Naruto war es vollkommen egal, dass der Mann einen reichen Adeligen bestohlen hatte. Er hätte auch dem Kaiser die Krone vom Kopf klauen können… Alles wäre ihm egal gewesen. Doch die Schuld, die er gegenüber Konoha, gegenüber der Aburame-Familie hatte, war nicht egal. Auch wenn er selbst verbannt worden war, so diente er auch weiterhin seinem Heimatdorf. Eine solche Gelegenheit, würde er nicht wieder bekommen. Das Kopfgeld war nur das Mittel zum Zweck, eine kleine Unannehmlichkeit, die für das große Ganze dienen sollte.
 

Das Gold, welches für den Kopf des Mannes ausgezahlt werden sollte, war ihm egal. Die Rache für Konoha und sein Leben als Kopfgeldjäger, war es, was ihn anspornte. Naruto genoss beinahe diese Gier. Sie trieb ihn an und eine unbekannte Vorfreude breitete sich in ihm aus. Er dachte an das Gesicht des Mannes und wie er ihn anschauen würde, wenn er herausfindet, wer der Namikaze eigentlich war.
 

Menschen waren schon immer schwach. Naruto hatte das sehr früh verstanden. Er hielt sich selbst für den größten Schwächling, den es gibt. Ein Blick von Ino, eine Berührung hatte gereicht, um ihn seine Ehre und seinen Stolz vergessen zu lassen. Das Kind der Aburame war schwach, denn sie ließ sich von diesem Bastard in die Falle locken, wie es bei einem wehrlosen Insekt und einer Spinne war. Jeder Mensch hatte eine Schwäche. Ob es schöne Frauen waren, goldene Schmuckstücke oder die Vergangenheit an sich… Naruto musste nur herausfinden, was sein Opfer für eine Schwäche hatte. Und das hatte er…
 

Weit weg von den heißen Quellen, im Land der Sonne, thronte eine Stadt über grüne Wiesen und bestellte Äcker. Reisterrassen und Obstbäume umringten die hohen Mauern. Eine Stadt, die nach einem Berg benannt war und für die Menschen so wichtig wie ein Gott war.
 


 

Haruna.

Die Stadt des Kaisers. Eine gewaltige Metropole, die alle anderen Siedlungen in den Schatten stellte. Der Shogun hatte hier seinen Palast und regierte über das ganze Land. Eine Stadt, die in Herrlichkeit kaum zu überbieten war. Rote Mauern schützten die äußeren Bezirke, deren Steine wie ein unüberwindbares Bollwerk gegen ihre Feinde standen. Eine Legende besagt, dass ein Kaiser, nachdem der Bau fertig wurde, all die Arbeiter auf der Mauer geköpft hatte und daher ihre ungewöhnliche Farbe kam. Andere sagen, dass die Sonne, die über dem Berg Haruna aufging, die Steine verbrannt hatte und sie nach tausenden Jahren irgendwann rot wurden.
 

Ob Mythos oder Legende… es war vollkommen egal. Die Stadt des Kaisers strahlte in ganzer Pracht. Die abertausend Häuser mit ihren schwarzen, spitzen Dächern. Die Tempel und Gärten in denen die Mönche studierten. Der Hafen mit seinen prächtigen Galeeren und Handelsschiffen die sanft von den Wellen getragen wurden.
 

Der Palast war der Mittelpunkt von Haruna. Seine Türme und Terrassen, die schon von weitem sichtbar waren und die goldene Kuppel unter der der Kaiser thronte, glitzerte in den wunderschönsten Farben, wenn die Sonne auf sie fiel. Von den vielen Balkonen, konnte man den gewaltigen Berg erkennen, der so hoch war, wie kein anderer. Seine Spitze war das ganze Jahr weißgepudert und die Sonne ging immer hinter ihm auf. Es war beinahe malerisch, wenn sich die ersten Strahlen am Morgen an seiner mächtigen Seite vorbeikämpften und auf die Stadt fielen. Der graue Stein, der so kalt und unzerstörbar war, dass selbst die Steinmetze an ihm verzweifelten.
 

Der Berg Haruna war das Wahrzeichen der Stadt. Jeder Soldat, jede Wache trug es auf seinem Schild… der schwarze Berg auf rotem Grund. Diese Männer beschützten den Kaiser und waren über dem Gesetz. Sie verteidigten den Shogun, sein Reich und seine Leute… Doch nur soweit der Kaiser schauen konnte. Alles hinter dem Horizont war eine trostlose Wüste, in der das Recht des Stärkeren herrschte. Die Wahrheit war… und so würde es kein Geschichtsschreiber notieren: der Kaiser hielt nicht viel vom Regieren. Ein Erbe seines Vaters und dessen Vater davor. Drei Generationen hielt der Clan der Kazu den Thron inne. Die Daimyos wendeten sich immer an ihn, wenn es Probleme gab. Doch eigentlich regierte der kleine Rat. Ein Zirkel aus Weisen und wichtigen Männern, die sich gerne mit Problemen beschäftigten. Probleme, die ihnen Macht sicherten…

Beschloss der Shogun ein Gesetzt, so war es eigentlich der Rat, der die Papiere und Ideen geschaffen hatte. So war es schon immer und so würde es auch ewig bleiben…
 

Eine junge, rothaarige Frau, gekleidet in den ärmlichen Gewändern einer Dienerin, schruppte sich die Hände blutig, als sie mit einem alten Schwamm über das helle Holz wischte. Sie seufzte erschöpft und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die ungewöhnliche Farbe ihres Haares, erweckte überall die Aufmerksamkeit der Leute, daher schützte sie sie durch ein weißes Tuch. Müde schaute sie auf ihre Fingerkuppen und fuhr über die gerötete Haut. Einem aufmerksamen Beobachter wäre aufgefallen, dass diese Hände nicht die einer Dienerin waren. Zu gepflegt, zu weich für eine Magd, die ihr weniges Geld mit dem Putzen und harter Arbeit verdiente.
 

Erst als ein Mann schnell an ihr vorbeirannte, sah sie auf. Ihre Augen wanderten durch die große Halle und den Flur, den sie gerade sauber machte. Der schweren Gemälde, noch auf Papyrus gemalt, drückten dieselbe Schweremüdigkeit aus, die auch ihren Körper gerade ereilte. Aus fernen Ländern gekauft, hingen sie nun in einem Palast, den der Shogun nur noch sehr selten verließ.
 

Sofort fiel der Frau die Unruhe auf, die unter den anderen Dienerinnen herrschte. Sie standen in kleinen Gruppen, im Saal und tuschelten aufgeregt miteinander. Nur wenn eine Wache vorbeikam, taten sie so, als würden sie arbeiten. So, wie es auch gerade der Fall war. Ein schelmisches Lächeln erschien auf dem Gesicht der Frau, als sie den Mann erkannte, der gerade durch den Flur lief. Sie kannte ihn nur zu gut und wusste, dass er die Chance war, die sie gesucht hatte.
 

„Hesuke…“ sagte sie mit ihrer sanften Stimme und der Mann blieb sofort stehen. Seine goldene Rüstung funkelte und zeigte jedem Bürger, dass er dem Shogun so nahe stand, wie kaum ein anderer. Er gehörte zum inneren Kreis, war ein Wächter… zugegeben ein sehr junger, aber ein Wächter. Seine schwarzen, gelockten Haare glichen denen eines Jünglings. Die Stoppeln auf seiner Oberlippe könnte man mit viel Fantasie als einen Bart identifizieren und die blauen Augen weiteten sich geschockt, als er sie sah. Sie erhob sich langsam und ging auf ihn zu. Auch wenn er ein begnadeter Samurai war, so steckte in seinem Körper ein kleiner Junge... Ein kleiner Junge, der sich seinen Gelüsten und Gefühlen hingegeben und so seine Ehre verwirkt hatte. Und sie wusste das.
 

„Was machst du hier?“ zischte er erbost und die helle Haut seiner Wangen färbte sich rot.

„Ich putze hier, wie du siehst… Doch was soll die Unruhe? Ist etwas passiert?“ fragte sie und umkreiste ihn, wie es ein Raubtier mit seiner Beute tat. Ihre langen, dünnen Finger spielten mit der goldenen Spange, die seinen roten Umhang zusammenhielt. Zu sehen, wie unangenehm es ihm war, wie groß seine Furcht war, entdeckt zu werden und das ihr Geheimnis gelüftet werden würde, war zu verlockend. Sie genoss es, wie ihm Schweißperlen über die Stirn rannen und ihr Lächeln wurde breiter. Sie hatte schon immer das Talent, die Geheimnisse der anderen zu lüften. Ihre tiefsten Abgründe zu erforschen und mit dem gesammelten Wissen, den größtmöglichen Schaden anzurichten.

„D-Das darfst du nicht wissen…“ stotterte der Wächter und schaute sich panisch um. Die Angst mit ihr gesehen zu werden war allgegenwärtig und er begann sogar zu zittern. Sie schloss kurz die Augen und hauchte in sein Ohr.

„Die anderen Mägde wissen bereits von unserem Geheimnis… Sie sind ganz begierig herauszufinden, wie es um eure Ritterlichkeit steht.“

Er zuckte zusammen, als hätte ihn ein scharfer Dolch getroffen. Seine Augen weiteten sich aus Furcht und er schaute zu den anderen Dienerinnen, die noch immer in dem kleinen Saal nebenan standen und sich leise unterhielten. Er spürte, wie ihre Hand über seine Plattenrüstung streichelte.

„Es brauch dir nicht unangenehm zu sein… Du weißt doch Hesuke… niemand bewahrt Geheimnisse besser als die Diener ihrer Herren.“ Ihre Stimme war wie Gift, das durch seine Adern floss. Ihre Lippen, die kurzzeitig seine Wangen berührten… Er wusste, dass sie eine Spinne war und er die Beute. Sie hatte in ihn seinem Netz gefangen und er konnte nichts anderes tun, als ihr zu gehorchen.

„Hör zu!“ zischte er, wütend über sich selbst und seinen Fehltritt mit ihr. „Du darfst es nicht weiter erzählen… Versprich es!“

„Versprochen.“ Grinste sie, überrascht von seiner Naivität und schaute den Wächter neugierig an.

„Der Kaiser ist tot… Und die Weisen glauben nicht, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.“ Flüsterte er leise und wirkte plötzlich sehr niedergeschlagen. Sie hatte beinahe Mitleid mit ihm und seinem Problem.

„Interessant.“ Murmelte sie überlegend, kaum beindruckt von dem eben gehörten und schaute ihn dann mit zusammengekniffenen Augen an. Sofort zuckte er erneut zusammen. „Warst du es? Hast du deine Pflicht vernachlässigt?“

„Nein.“ Er schaute zu Boden, schämte sich dafür, seinen Herren im Stich gelassen zu haben. „Ein Dutzend meiner Brüder dürfen heute Nacht ehrenvoll sterben… Ich war zu dem Zeitpunkt, an dem es passiert ist, noch auf Patrouille…“

„Was eine Schande.“ Flüsterte sie und streichelte über seine Wange. „Der Kaiser ist tot und du darfst deinen Brüdern nicht folgen… Ihr Samurai seid so berechnend.“

„Schlange!“ zischte er, vor Wut schäumend und versuchte sich aus ihrem Blick zu befreien.

„Erzähl mir alles, was du weißt.“
 


 

Naruto kam vor einem kleinen Häuschen zum Stehen. Die Nacht war hereingebrochen und die Sterne funkelten in der Dunkelheit. Zwei Fackeln erleuchteten den kleinen Weg zum Eingang der Hütte. Ein beißender Geruch von Kräutern lag in der Luft und brachte seine Augen zum Tränen. Aufmerksam schaute er sich um. Das Dorf, an dessen Spitze dieses Haus lag, war komplett ruhig. Keine Wachen und keine Krieger schützten die Bewohner, was es für ihn nur noch einfacher machte. Rasch zog er sich die Kapuze seines Mantels über und verdeckte das auffällige, blonde Haar. Er hörte Stimmen, nicht weit von ihm entfernt. Wasser plätscherte ganz in der Nähe und die Berge warfen gigantische Schatten über das Land hinter ihm.

Mit einem schleifenden Geräusch zog er seinen Dolch aus der metallenen Scheide. Die silberne Klinge glänzte in der Dunkelheit und der kalte Stahl beschlug noch im selben Augenblick. Leise schob er die hölzerne Tür auf, die knirschend seiner Kraft nachgab. Es war beinahe zu einfach, in das Haus einzudringen…
 

Schwere Läufer, aus edlem Garn bedeckten den Boden. Sie machten es ihm leicht, ungehört durch die Zimmer zu wandeln. Die Naivität seines Zieles verwunderte ihn zunehmend. Ein Mann, gesucht und gejagt sollte eigentlich vorsichtiger sein… Andererseits, war dieser Mann ein kluger Bursche. Er hatte es jahrelang geschafft, vor Konoha zu flüchten und seine Fähigkeiten im Untertauchen waren Legendär. Damals hat er es geschafft auf seiner Flucht noch zwei weitere Mädchen zu töten. Von Frauen konnte man gar nicht erst reden, denn seine Opfer waren kaum mehr, als fünfzehn Sommer alt. Er war eine Bestie… Eine Bestie, die den Fehler gemacht hatte und einen reichen Mann beklaute. Er hatte den Fehler gemacht, sich in Sicherheit zu wägen… Das würde ihn teuer zu stehen kommen.
 

„Weißt du meine Schöne…“ hörte der Ronin in der Ferne eine tiefe, angenehme Stimme. Sofort wusste er, dass sein Weg sich gelohnt hatte. Das Plätschern des Wassers wurde lauter, je näher er dem Hinterzimmer kam. Fackeln leuchteten hell und Naruto erkannte die vielen Kleidungsstücke, die auf dem Boden lagen.
 

„Ein Eunuch ist ein besserer Bewacher, als es ein Wächter ist… Frauen oder Männer haben keinen Einfluss auf ihn…“ Wieder war es diese Stimme, die den Ronin zur Weißglut brachten. Er kannte sie noch von früher, hielt den Mann für einen einfachen Reisenden. Zu spät hatte er damals er erkannt, dass sie sich den Teufel ins Dorf geholt hatte. Das Lachen einer Frau riss ihn aus seinen Gedanken. Naruto zwang sich zur Ruhe und atmete leise durch. Ein Fehler seinerseits könnte seinen Tod bedeuten.
 

Er trat auf die Tür zu, die in den Garten führte. Er stieg über die Kleidung, die weit mehr war, als eine einzelne Person benötigte. Dampfschwaden umkreisten seinen Kopf und er duckte sich. Obwohl ein so hell erleuchteter Ort war, glich er mehr einem Schatten. Zufrieden stellte er fest, dass niemand seine Anwesenheit bemerkt hatte. Er gönnte sich einen Moment, um die Lage näher zu betrachten.
 

Auf einer hölzernen Liege, lag eine junge Frau, nur von Tüchern bedeckt. Es schien, als würde sie schlafen und stellte kaum eine Bedrohung dar. Rasch wanderte sein Blick weiter. Ein großer, stämmiger Mann erregte seine Aufmerksamkeit. Auf seiner, ungewöhnlich dunklen Haut, spiegelten sich die Flammen der Fackeln. Die Gewänder, die er trug, schienen unglaublich teuer und wie aus einer anderen Welt. Nichts, was Naruto hätte kaufen können, war vergleichbar mit diesem Stoff. An seinem Gürtel trug der Mann ein krummes Schwert mit breiter Klinge. Sie sah furchterregend aus und der Ronin hatte so etwas noch nie gesehen.
 

In der Quelle, sah er sein Ziel. Die bleiche Haut, der Kinnbart… Die ergrauten Haare, an denen nur noch wenig schwarze Stellen zu finden waren. Der Mann war kaum älter als dreißig und dennoch wirkte er wie ein erfahrener Mann, der einen Großteil seines Lebens schon hinter sich hatte.
 

In seinem Arm lehnte ein junges Ding, zu naiv, zu unerfahren, um zu wissen, dass sie sich in die Falle begeben hatte. Sie trug nichts außer dem Gold welches er ihr geschenkt hatte und kicherte bei den Worten, die er ihr ins Ohr flüsterte. Auch von ihr erwartete er wenig Gegenwehr… eigentlich gar keine.
 

Der Mann, den Naruto jagte, gab der jungen Frau einen langen Kuss und erhob sich aus dem Wasser, als er erkannte, wer da vor seinem Becken stand. Erstarrt blieb er stehen und schaute mit geweiteten Augen auf den jungen Kopfgeldjäger.

„W-Wer bist du?“ hauchte er panisch. Naruto schaute ihn nur abfällig an. Er ergriff den Mann an den Schultern und schubste ihn zurück in die heiße Quelle. Die Schreie der überraschten Mädchen ignorierte er und konzentrierte sich lieber auf den Leibwächter, der nun auf ihn zukam. Die breite Schneide hinterließ ein Surren in der Luft und der Ronin duckte sich unter ihr hinweg. Er biss die Zähne zusammen und trieb dem Leibwächter den Dolch in den Bauch. Ein kurzes, geschocktes Keuchen kam von dem fremden Mann, ehe er zusammensackte. Die beiden Frauen kreischten nun noch lauter und versuchten fluchtartig die Quelle zu verlassen… Naruto ließ sie gewähren. Sie waren genauso Opfer seines Charmes und seines Goldes. Zu jung, um es besser zu wissen.
 

Der Mann war inzwischen aufgetaucht. Er rieb sich das Wasser aus den Augen und schaute sich suchend um. Naruto wusste, worauf er es abgesehen hatte. Sein Schwert lehnte an der Liege, bereit, genutzt zu werden. Doch der Ronin würde ihm keinen fairen Kampf geben. Er würde den Mann bestrafen für das, was er getan hatte.

„Konoha schickt seine Grüße… Eure Taten sind nicht vergessen.“ Hauchte Naruto dem Mann zu, der plötzlich erstarrte.

„Ich war nie in Konohagakure…“ sagte er und die Angst schwang in seiner Stimme mit. Der Ronin genoss es beinahe und schaute niederschmetternd auf den Mann.

„Ihr mögt das Mädchen aus dem Aburame-Clan vergessen haben… Ich habe es nicht!“ zischte er und ging langsam auf den Mann zu.

„W-Wir können uns sicher einigen.“ Versuchte es der Mann vergeblich. Selbst wenn Naruto kein Samurai gewesen wäre, hätte es ihm nichts genutzt. Zu schwer, zu grausam waren die Taten.
 

Langsam ging er auf den Mann zu. Seine schweren Lederstiefel hallten auf den Steinen nach, klangen bedrohlich und gefährlich. Noch in der Bewegung ergriff er das hölzerne Heft seines Schwertes. Das Wort ´Schande´ wurde durch das Licht des Feuers auf sein Gesicht reflektiert. Der Mann stieß einen lauten Schrei aus und versuchte, die andere Seite seiner Quelle zu erreichen. Das Wasser platschte auf den Stein und löschte die kleinen Feuer, die in bronzenen Kohleschälchen flackerten.

Naruto ergriff den Mann am Hals und zog ihn aus dem Wasser. Die nasse Haut glich den Schuppen eines Fisches, doch die Finger schlossen sich, wie eine Kralle um seinen Hals. Vernichtend schaute er den Mann an und amtete kurz durch - dann stieß er zu.
 

Das Licht der Fackeln war inzwischen erloschen. Die Vögel in der Ferne zwitscherten aufgeregt und begrüßten den Morgen auf ihre Art. Naruto saß am Rand der Quelle und schaute auf den Körper, der im Wasser trieb. Von der klaren Flüssigkeit war nichts mehr zu sehen. Rot gefärbt vom Blut wirkte sie so endgültig, wie es das Schicksal des Mannes war. Er genoss den Moment und dachte an die Heimat, die er verloren hatte. Er hatte das Leben der jungen Aburame, deren Name er inzwischen vergessen hatte, gerächt und tatsächlich fühlte es sich gut an. Rache war die reinste Form der Vergeltung. Sie war geleitet von Gefühlen… ehrlich und unveränderbar. Obwohl er nichts mehr mit der Familie des Mädchens zu tun hat, war seine Rache real. Er durfte nicht mehr Konoha dienen und dennoch tat er es - auf eine andere Weise.
 

Seine Gedanken wanderten zum Hokagen, den er noch immer vor sich sehen konnte. Wäre er stolz auf seine Taten? So stolz, wie es Naruto war?
 

Nein, bestimmt wäre er es nicht. Doch es ist das Leben, das er gewählt hatte. Es war das, was er zurückgeben konnte und würde… Nicht mehr, nicht weniger.

„Du hast bestimmt nicht damit gerechnet, oder?“ fragte er den leblosen Körper des Mannes, den er vor wenigen Stunden getötet hatte. Nein, er hatte mit keinem Angriff gerechnet und auch sein Leibwächter ist nur unnötig gestorben. Er hatte eine lange Reise hinter sich, nur um dann am Rande einer heißen Quelle zu sterben…
 

Als Naruto das Dorf verließ, schauten ihm die Bewohner hinterher. Es herrschte eine eisige Stille, die dem Ronin so unangenehm war, wie kaum etwas anderes. Die Menschen schauten ihm wütend hinterher und er verstand kaum, warum sie das taten. Natürlich war ein Kopfgeldjäger kein angesehener Beruf und sein Auftauchen bedeute meistens Ärger, doch es lag etwas anderes in ihren Blicken… Wut, Trauer und Enttäuschung.
 

Nur ein einzelner Krieger, bewaffnet mit einem Speer, nickte ihm grimmig zu. Kopfschüttelnd lenkte der Namikaze sein Pferd auf den Weg. Er war froh, dass er diesen Auftrag hinter sich hatte und diesen abgelegenen Winkel der Welt verlassen konnte. Es war nicht das Töten, dass ihn reizte… das war es nie. Die Abenteuer, die er erleben würde, waren der Grund, dass er sich wieder aufmachte, andere Verbrecher zu jagen und zu finden. Abenteuer und die Pflicht, die er noch immer gegenüber seinem Dorf empfand.
 

Er passierte gerade einen alten, starken Baum, als er verstand, warum ihn die Dorfbewohner so unfreundlich verabschiedet hatten. An zwei knorrigen Ästen hingen die Leichen der beiden Frauen, die aus der Quelle seines Zieles geflohen waren. Sie waren aufgehängt worden und Schilder mit Worten wie „Verräterin, Eidbrecherin und Hure“ hingen um ihre Hälse. Die Lippen waren inzwischen blau und sie starrten Naruto aus leblosen, toten Augen an. Nicht einmal Kleider hatten sie ihnen angezogen. Die eine, trug noch immer den Goldschmuck des Mannes, dessen Kopf im Beutel an seinem Sattel hing.
 

Schuldig schaute der Ronin weg. Weg von den Leichen und weg von dem Dorf. Er wollte nicht, dass ihnen etwas passiert - hatte sie extra gehen lassen. Es zeigte ihm nur aufs Neue, dass die Menschen, die in dieser Welt lebten, mehr Tiere waren, als es die Wölfe sind, die er nachts in der Ferne heulen hören konnte.
 

„Das habe ich nicht gewollt.“ Murmelte er und schaute auf die Leichen, die makaber, als würden ihn die Götter strafen wollen, im Wind hin und her schwangen.
 

Er sprach ein leises Gebet an die Götter und hoffte, dass sie die Seelen der beiden jungen Frauen gut aufnehmen würden und ihnen die Gnade zuteilkommen lassen würden, die sie verdienten und hier nicht erhalten haben.

Traurig und aufgewühlt, machte er sich auf, weitere Leben zu zerstören…
 

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Vielen Dank fürs lesen. Dieses Kapitel habe ich ich mit einem Jahr Pause geschrieben, hoffe man merkt es.

Danke auch für die Kommentare!

Bis dahin,

Amogan



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Scorbion1984
2019-05-25T14:52:43+00:00 25.05.2019 16:52
Das war sehr spannend ,ist aber auch kein Leben was er sich jetzt ausgesucht hat !
Er trifft auf seinem Weg viel Traurigkeit sowie Ungerechtigkeit !
Von:  lula-chan
2019-05-25T07:36:48+00:00 25.05.2019 09:36
Ein tolles Kapitel. Sehr gut geschrieben. Hat mir gefallen. Du schreibst echt gut. Sehr spannend.

LG


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