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Schöne heile Welt

von

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Eine Welt zerbricht

LETZTES KAPITEL

Eine Welt zerbricht
 

"Nein! Das ist doch nicht dein ernst!"

Tamara tobte. Sie war sichtlich aufgelöst und verzweifelt. Wie eine Furie fegte sie durch das gesamte Haus, immer ihrem Bruder hinterher.

Duo stand in der offenen Tür und machte ein betrübtes Gesicht. Er hatte beide Hände in den Hosentaschen.

So ganz in schwarz und noch dazu mit dem Gesichtsausdruck, wirkte er wie der Tod, der bei Yuis an die Haustür klopft.

Und so ähnlich war es ja auch.

Hilfe suchend sah Tamara ihn an, doch Duo wich ihrem Blick aus.

Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, da sie auf die Rückkehr ihres Bruders gehofft hatte. Erst gegen etwa fünf Uhr in der Frühe war er wiedergekommen.

Und wollte auch gleich wieder gehen.

"Das ist doch Selbstmord, Heero", schrie sie zu ihm hinauf.

Heero kam gerade die Treppe herunter. In einem kleinen Rucksack bei sich hatte er noch einige Sachen aus einer Abstellkammer geholt.

Tamara stellte sich ihm in den Weg, doch er schob sie derb beiseite und verschwand kurz in seinem Zimmer. Sie war müde und ausgelaugt, doch sie gab es nicht auf, Heero vor einem ihrer Meinung nach echt gravierenden Fehler zu bewahren.

"Das kannst du nicht machen, Heero", fing sie wieder an, als er aus seinem Zimmer herauskam. "Sag mir doch mal, was du dir davon erhoffst? Du hast doch keine Chance! Das ist Irrsinn!"

Heero ignorierte sie einfach.

Sein Entschluss stand fest. Die Formalitäten waren bereits erledigt. Er war wieder im Dienst. Und diesmal ganz offiziell.

Die Erdregierung, welche nun mit den Kolonien kooperierte, hatte ein gemeinsames Heer auf die Beine gestellt und Heero war einer der ersten gewesen, der rekrutiert wurde. "Das vereinte Heer zur Wiederherstellung des Friedens" wurden sie im Volk schon genannt, doch im Grunde war es nur eine gewaltige Streitmacht zur Bekämpfung der Piraten, welche zu Staatsfeinden und Terroristen erklärt worden waren. Die Regierungszentrale war ihrem Überraschungsangriff fast wehrlos ausgesetzt. Um Mitternacht wurde dann der Ausnahmezustand ausgerufen und ein Vertreter der Ministerien hatte den Krieg gegen die Black Dragons für eröffnet erklärt.

Von draußen her waren die ungeduldigen Hupklänge eines Kleinwagens zu hören.

Tamara schrak auf und sah zur Tür. Auch Duo blickte hinaus und hob kurz die Hand zum Zeichen, dass er und Heero bald kommen würden. Chang und Quatre warteten in einem kleinen Auto. Sie waren zusammen mit Duo gekommen, um Heero abzuholen. Auf einer großen Lichtung ganz in der Nähe von Heeros Bude war ein Transportshuttle gelandet, welches das Militär entsendet hatte, um die fünf Gundampiloten zu einem kolonialen Stützpunkt zu bringen, wo sie über ihre ersten Einsätze informiert werden sollten.

"Es geht nicht anders", sagte Duo leise ohne Tam dabei anzusehen. "Wir wussten alle, dass dieser Moment irgendwann kommen würde."

"ACH, JA?", schrie Tamara ihn laut an. Sie war gerade wieder dabei, ihre gesamte aufgestaute Wut auf Duo zu projizieren.

"Frieden ist leider nicht von Dauer", meinte Quatre, welcher nun auch zur Tür gekommen war.

Tam sah ihn enttäuscht an. Es war, als würde sich auch der letzte Mensch, auf den sie all ihre Hoffnungen gebaut hatte, gegen sie wenden. Quatre war doch auch Pazifist ... so wie Relena ... wenigstens von ihm hätte Tam eine friedliche Lösung erwartet.

"Wir werden aber dafür kämpfen, Tam, dass der Frieden eines Tages anhält", sprach er sie leise an. Quatre berührte sie an der Schulter und sah ihr direkt in ihr hübsches Gesicht. Es wirkte nun angespannt und am Ende seiner Kräfte. Doch in Tamaras Augen leuchtete etwas, das er nicht identifizieren konnte. Quatre ignorierte das einfach.

"Wir werden für eine Welt kämpfen, in welcher Menschen wie du oder Alan und Elbie und viele andere in Frieden leben könnt!"

Tamara war den Tränen nahe.

"Du kapierst doch gar nichts, Quatre!"

Mit diesen Worten riss sie sich von ihm los und schmiss sich in einen Sessel. Sie vergrub ihr Gesicht tief in ihren Händen und schluchzte nur noch leise vor sich hin.

Eine Weile lang sah Quatre sie verzweifelt an. Duo blickte hinaus zum Wagen - auch er musste sich stark zusammenreißen. Er hatte ein ungutes Gefühl.

"Kann losgehen", erklang da die kalte Stimme von Heero.

Er war mit Packen anscheinend fertig - eigentlich dauerte das bei ihm ja nie ziemlich lange, doch diesmal hatte er alle angesammelten Informationen über den damaligen Angreifer und seine eigenen folgenden Recherchen zusammengesucht und mitgenommen. Irgendwie hatte er so das Gefühl, dass ihm diese Daten noch nützlich sein könnten.

Grob warf er Quatre seine Reisetasche zu und verschwand noch mal kurz in seinem Zimmer.

"Leb wohl, Tamara", sagte Quatre traurig und küsste sie zum Abschied auf den Kopf.

Er hatte Tamara sehr lieb gewonnen. Sie war wie eine Schwester geworden und es schmerzte sehr, sie so zurückzulassen. Doch er wusste, dass es zu ihrer eigenen Sicherheit war.

Jedenfalls glaubte er das.

Stumm sah Duo dabei zu, wie Quatre an ihm vorbeiging und das Haus von Heero und Tamara für immer verließ. Hinter sich schloss er die Tür. Wahrscheinlich konnte er den Anblick von Tamara, wie sie verzweifelt im Haus saß und krampfhaft versuchte, die Menschen, die ihr lieb und teuer waren, vor dem Krieg zu bewahren, nicht ertragen.

Duo konnte das verstehen. Er war nun allein mit Tam im Wohnzimmer und hörte, wie Heero nebenan alle zurückgelassenen Beweismittel vernichtete. Typisch für ihn.

"Tu du doch wenigstens etwas dagegen!"

Duo sah auf.

Tamara hatte wieder etwas ihrer eigenen Selbstachtung zurückgewonnen. Und aufgeben würde sie wohl niemals.

"Du bist doch nicht dämlich, Duo!", schnauzte sie ihn an.

Dieser schrak etwas zurück und konnte einen verwirrten Gesichtsausdruck nicht unterdrücken.

"Auch wenn du manchmal so tust ...", sagte Tamara nun wieder etwas ruhiger beim Näherkommen.

"Dir ist doch klar, dass ihr nichts gegen diese Übermacht ausrichten könnt, oder?"

Tam hatte anscheinend die Nachrichten aufmerksam verfolgt. Die Black Dragons besaßen eine unerwartet große Kriegsstreitmacht - zu groß für eine normale Piratentruppe. Es würde ein harter Krieg werden.

"Warum mischt ihr euch da ein? Fünf Piloten mehr oder weniger, wen interessiert das schon? Es gibt doch wirklich andere Leute, die sich um so was kümmern ... Leute, die ... die darin einfach mehr Erfahrung haben!"

'Mehr Erfahrung', zuckte es Duo durch den Kopf. Er lächelte sarkastisch. Wenn Tamara doch wüsste, wieviel Erfahrung die fünf in Wirklichkeit schon hatten. Dann hätte auch sie einsehen müssen, dass sie die einzigen waren, die in diesem Krieg vielleicht wirklich etwas ausrichten könnten. Doch es war nicht der richtige Moment, ihr jetzt etwas über die düstere Vergangenheit ihrer Freunde zu erzählen, wobei Duo wirklich nicht wusste, wieviel ihr schon über die damaligen Geschehnisse zu Ohren gekommen war.

Er musste Tam jetzt klar machen, dass sie sich mit der Entscheidung ihres Bruders abfinden musste. Sie war doch sonst auch so stark und pfiffig ...

Duo riss sich zusammen und zwang sich ein typisches Grinsen ins Gesicht. Dann setzte er sein schwarzes Cap auf und beugte sich provokant zu Tam vor.

"So viel Tränen um einen räudigen Haufen wie uns?", fragte er charmant.

Tamara sah ihn einen Moment lang wie von Sinnen an, dann schaltete sie - wie erwartet - auf stur: "Ich heule gar nicht! Ich heule niemals!" Sie zog demonstrativ die Oberlippe hoch und trat zurück an die Wand, von wo sie Duo feindlich anfunkelte. Es war doch echt der Hammer, dass er in so einer Situation auch noch Witze machen konnte.

"Keine Sorge, Tam, Schätzchen!", sagte er, während er seine Mütze etwas weiter zurückschob.

Bei dem Wort "Schätzchen" zuckte Tamaras linke Augenbraue gereizt nach oben. Duo wollte es wohl wieder mal drauf ankommen lassen.

"Hör mal, Maxwell", wollte Tam ansetzen, doch Duo legte ihr unverschämt den Finger über die Lippen.

"Ts, ts, ts", machte er und schüttelte den Kopf. "So nicht, Blondie!"

Tamara stand kurz vor einem Ausraster, wie er noch nie dagewesen war. Sie ballte ihre zierliche Hand zur Faust, holte kurz aus und schlug dann mit aller Kraft auf Duo ein. Bei allen Streitigkeiten, allen Auseinandersetzungen, die sie je mit Duo gehabt hatte, noch nie hatte sie ihn geschlagen - jedenfalls nicht ernsthaft.

Doch Duo reagierte blitzartig und fing ihren Schlag mit der linken Hand ab.

Er konnte fühlen, wie Tamaras Kraft nachließ und sie sich nun hoffnungslos an die Wand lehnte.

"Du weißt doch, wie das Spiel läuft?", sagte Duo mit einem leichten Lächeln. "Ich ärger dich, du regst dich megamäßig auf und dann ist die Welt in Ordnung und alles ist beim Alten, oder?" Er sah sie mit traurigem Lächeln an.

Tam wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie blickte Duo einfach nur entmutigt an. In diesem Moment wurde ihr wohl klar, dass sie nichts mehr an dem Schicksal der fünf Jungen ändern konnte.

Genauso wenig, wie sie ihr eigenes Schicksal ändern konnte.

Wahrscheinlich sollte es wohl einfach so sein.

"Heute werde ich mich aber nicht mehr aufregen", sagte sie traurig. "Nicht heute ..."

Es klang wie ein Versprechen.

Duo konnte es fast nicht mehr ertragen, sie so zu sehen. Sonst war sie immer so lebensfroh, schlagfertig, optimistisch ... Das konnte doch nun nicht einfach alles weggeblasen sein?

Innerlich war im selbst zwar zum Heulen zumute, doch das durfte er ihr nicht zeigen. Er wollte sie mit einem bleibenden Eindruck hinterlassen. Und er wusste auch, wie er das anstellen konnte.

"Abwarten!", meinte er siegessicher.

Tam sah ihn verständnislos an.

Duo war nervös, aufgeregt, verunsichert ... doch er ließ sich das nicht anmerken.

Tam runzelte die Stirn.

"Ich hab einen Weg gefunden, dich zu ärgern, so wie ich es noch nie getan habe! Glaub mir, wenn dich das nicht auf die Palme bringt ..."

Heeros kleine Schwester lächelte Duo mitleidig an. Sie glaubte nicht, dass ihm das gelingen würde. Sie würde sich heute bestimmt nicht mehr ärgern ... nicht, wenn sie Abschied nehmen musste von den Jungen. Und sie wollte sich nicht im Streit von Duo trennen. Somit war sie fest entschlossen, auf keine seiner Sticheleien mehr einzugehen. Sie würde sein Spiel einfach nicht mitspielen ...

Doch für Duo war es kein Spiel mehr.

"Bereit für den ultimativen Schock?", fragte er ein letztes Mal, während das Lächeln auf seinen Lippen erstarb.

Tamara blickte ihn herausfordernd an.

'Egal, was kommt', dachte sie sich, 'Egal, was kommt: Ich bin auf alles vorbereitet!'

Und dann küsste Duo sie.

'Auf alles ... nur nicht auf das!'

Er hielt sie an den Handgelenken fest und presste sie mit seinem Körper gegen die Wand. Tamara riss die Augen auf in dem Moment, als Duos Lippen die ihrigen berührten.

Es war ihr erster Kuss.

Er schmeckte heiß und innig und doch war sich Tam dessen kaum bewusst, denn wie in einer Art Wachkoma war sie nicht in der Lage irgend etwas bewusst wahrzunehmen oder sich dagegen zu wehren. Wie von Sinnen konnte sie kaum erfassen, was eigentlich vorging.

Nur wage realisierte sie, wie Duos Zunge in ihren Mund eindrang. Ihr stockte das Herz, die Atmung setzte für einen Moment aus und eine kalte Lähmung ergriff ihren Körper, doch auch davon spürte sie nur kaum etwas.

Nach einem schier endlosen Moment löste er sich wieder langsam von ihr, schob sich das Cap tief ins Gesicht und flüsterte ihr leise ins Ohr: "See you in death."

Dann stieß er sich von ihr ab und sah zu, dass er Land bekam.

So schnell er konnte, lief er zur Tür und dann zum Wagen - aber auch nicht zu schnell, damit die anderen keinen Verdacht schöpften. Puterrot angelaufen stieg er dann auf den Beifahrersitz und schob sich seine Mütze so weit wie nur irgend möglich ins Gesicht.

'Ja', dachte er sich, 'das war ein echt gelungener Abgang.'

"Streit gehabt?", fragte ihn Quatre noch immer traurig.

Duo murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, was Quatre jedoch als ein Ja deutete.

'Wenn der wüsste', dachte sich Duo im Stillen.
 

Im Haus stand Tamara noch immer gelähmt an die Wand gelehnt, doch langsam erwachte sie aus ihrer Starre und versuchte krampfhaft das Geschehene zu verarbeiten.

'Er hat mich geküsst', schoss es ihr durch den Kopf.

Mit den Nerven am Ende sank sie auf den Boden und vergrub das Gesicht in ihren Händen.

'Er hat mich tatsächlich geküsst! ... dieser Vollidiot ...'

Und zum ersten Mal in ihrem Leben weinte sie.

Nicht wegen Duo, nicht wegen Heero oder den anderen.

Sie weinte wegen dem, was kommen würde.

Sie weinte wegen der Zukunft.
 

Als Heero mit der "Reinigung" seines Zimmers fertig war, zog er sich eine leichte Jacke über (für sein kleines grünes Shirt war es heute wohl doch etwas zu frisch) und machte sich auf den Weg zum Wagen. Tam hockte noch immer regungslos an der Wand und Heero war es nur recht so, dass sie ihn zu ignorieren schien, denn er wollte sich nicht von ihr verabschieden. Er musste einfach gehen und wollte es ihr nicht noch schwerer machen.

Im letzten Augenblick, als Heero das Haus schon fast verlassen hatte, kam Tam jedoch wieder zur Besinnung. Schnell wischte sie sich die Spuren ihres nervlichen Zusammenbruches aus dem Gesicht und sprang ihm hinterher.

"Warte, Heero!", rief sie atemlos. Sie folgte ihm noch immer völlig aufgelöst bis auf die Veranda und blieb dort stehen.

Heero drehte sich auf dem Treppenabsatz zu ihr um.

Beide sagten kein Wort, sondern sahen sich nur an.

Heero las in den Augen seiner Schwester all die Dinge, die sie ihm hätte sagen wollen.

All ihre Verzweiflung, ihre Angst ...

Das und noch etwas ... es war wie eine abgrundlose Tiefe, deren Bedeutung er nicht kannte.

Dann endlich brach sie das Schweigen:

"Was ist, wenn wir uns nicht wiedersehen?"

Ihre Stimme war fast am Absterben.

Heero lächelte zuversichtlich, beugte sich zu ihr hoch und berührte sie an der Wange.

"Keine Sorge", meinte er sanft. "Ich werde nicht sterben. Das verspreche ich dir!"

Er versuchte zu lächeln, doch Tam kam ihm zuvor.

Sie blickte ihn an wie ein kleines Kind, dem man seinen Glauben an den Weihnachtsmann nicht nehmen wollte. Langsam und sehr traurig lächelte sie ihn an. Dies war der Moment, in dem sie endgültig aufgegeben hatte. Sie nahm ein letztes Mal seine Hand in die ihre und dann drehte sie sich um. Aus den Augenwinkeln heraus konnte sie die anderen noch am Auto sehen ... und dann verschwand sie wieder im Haus und schloss die Tür hinter sich.

Kein weiteres Wort des Abschieds.

Kein "Leb wohl" oder "Ich warte auf euch".

Einfach nur eine verschlossene Tür.

Heero stand noch eine Weile vor der Veranda und sah in Gedanken auf das Haus, doch dann atmete er tief ein und ging die letzten Schritte zum Wagen.
 

Das war er also ... der Abschied von seiner Welt.

Seine Welt ... die er sich in den letzten Monaten mit Mühe erbaut hatte.

Seine Welt ... die er nun verlassen musste.

Doch sie existierte noch ... er würde für seine eigene kleine Welt kämpfen ... er würde sie beschützen ... damit er eines Tages dahin zurückkehren konnte.
 

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"Ob es hier auch nette Stewardessen und Käsecracker gibt?"

Duo hatte einen Teil seines Humors wiedergefunden.

Chang sah ihn nur entnervt an und setzte sich an seinen hart umkämpften Fensterplatz.

Das Shuttle würde sie zu einer kleinen Raumstation in Erdnähe bringen. Jeden Moment sollte es losgehen.

Heero hatte die Piloten gebeten, beim Abflug noch mal über sein Haus zu fliegen.

Ein letztes Mal wollte er dieses Haus sehen, dass er nun als sein Zuhause bezeichnete.

Mit einem Ruck hob das Shuttle ab und während Duo für eine aufgelockerte (um nicht zu sagen "ausgelassene") Stimmung sorgte und den Trübsal der anderen vertrieb, sah Heero verträumt aus dem Fenster hinab auf sein kleines Anwesen.

Tamara hatte ihnen den Abschied wirklich nicht leicht gemacht.

Er hoffte, dass es ihr gut gehen würde.

Nein, eigentlich war er sich sicher ... sie war auf ihre eigene Art und Weise eine kleine Überlebenskünstlerin. Sie würde schon jemanden finden, der sie beschützt. Jedenfalls wünschte sich Heero das.

Duo lehnte sich über den Sitz vor ihm und erhaschte auch einen Blick aus dem Fenster.

Einen kurzen Moment lang wurde Duo ernst, was Heero stutzig machte. Doch das währte nicht lange: "Du hättest dich ruhig mal um diese Unkrautbüsche im Vorgarten kümmern können!"

Heero blickte ihn kalt an.

"Ehrlich mal", fuhr Duo fort, ohne diesem Blick auch nur die geringste Beachtung zu schenken. "Es sah ja schon immer total wüst aus, aber von hier oben sieht man erst mal richtig, WIE wüst das eigentlich ist. Da könnte sich jemand drin verlaufen und verhungern, bevor er den Ausgang gefunden hat aus diesem Mini- Horror- Wald!"

"Heero", drang die sanfte Stimme von Quatre herüber. "Es ist Zeit, loszulassen."

Heero nickte und zog die Rolladen an seinem Fenster herunter.

Enttäuscht setzte sich Duo wieder auf seinen Sitz.

"Ja, ignoriert mich ruhig weiter", maulte er rum.

"Omae o koruso", zischte Heero ihn an.

Ein breites Grinsen war die einzige Antwort die er erhielt, bevor Duo dann doch vorsichtshalber den Sitzplatz wechselte und es sich neben Trowa bequem machte

Plötzlich gab es einen dumpfen Ruck und ein Schlag dröhnte durch das gesamte Shuttle. Der Pilot hatte alle Mühe es unter Kontrolle zu behalten. Alle wurden einige Sekunden lang kräftig durchgeschüttelt, doch dann stabilisierte sich ihre Lage wieder.

"Was zum Teufel war das?", rief Heero aufgebracht.

Es hatte sich angefühlt, als wäre das Shuttle von einer Druckwelle erfasst worden.

"Oh, Gott!!!", entfuhr es Chang. Er saß geschockt auf seinem Sitz und starrte benommen aus seinem Fenster hinaus. Als auch Trowa hinaussah und sich sein Gesichtsausdruck von desinteressiert in stark beunruhigt wandelte, dämmerte Heero Böses.

Wie von Sinnen und in Zeitlupentempo griff er zu den Rolladen seines Bordfensters und ließ sie wieder hoch.

Und dann erstarrte er.

Duo, der neben ihm hinaussah, blieb das Herz stehen.

Heeros Welt war gerade zerbrochen.

Schwarze Rauchschwaden stiegen von der Stelle hoch, an der sich einst sein Haus befunden hatte.

Die gesamte Gegend im Umkreis von mehreren hundert Metern war wie weggebombt, Feuer züngelten in den wirren Überresten des einstigen Heimes.

Was war das gewesen?

Ein Angriff? - Nein, von Feinden war auch jetzt noch keine Spur, sagte Heeros innere Stimme.

Eine Bombe? - Warum?

Ein Unfall? - Nein ... Tamara wusste doch wie ...

TAMARA!!!

Heero realisierte in Bruchteilen von Sekunden, was da unten eigentlich geschehen war.

Tamara.

"Was ist, wenn wir uns nicht wiedersehen?", schossen ihm ihre Worte durch den Kopf.

Tamara war in dem Haus gewesen!!!

"ANHALTEN!", schrie Heero wie von Sinnen.

Am Ende des Abteils öffnete sich eine Tür und einige Soldaten traten ein.

"Bleiben sie ruhig, die Explosion hat auf uns keine Auswirkungen. Wir können ohne Probleme unseren Kurs fortsetzen", versuchte einer der Männer sie zu beruhigen, doch Heero war nicht zu beruhigen.

"HABEN SIE NICHT GEHÖRT?", schrie er die Männer an und machte Anstalten, zum Cockpit des Piloten vorzugehen. "SIE SOLLEN DAS VERDAMMTE SHUTTLE UMDREHEN!"

Rechtzeitig sprangen zwei Soldaten vor und hielten Heero zurück. Dieser begann sich verzweifelt zu wehren und nach ihnen zu schlagen.

"VERDAMMT! DAS WAR MEIN HAUS! ICH MUSS ZURÜCK!!!!"

Wie versteinert saß Duo auf seinem Platz und sah noch immer aus dem Fenster. Er hörte Heeros Stimme nur wie durch eine dichte Nebelwand, verzweifelt und panisch.

"Hören sie, die zuständigen Behörden werden sich darum kümmern! Aber sie haben jetzt eine andere Aufgabe ...", begann einer der Soldaten wieder, doch da Heero keine Anzeichen machte seinen Widerstand aufzugeben, holte er schnell einen kleinen Kasten aus dem Nebenraum, welchem er feine Betäubungsspritze entnahm.

Quatre und Chang sahen dem ganzen tatenlos zu, ersterer fast ohnmächtig in Angesicht der Tatsache, dass sie rein gar nichts daran ändern konnten, letzterer wütend. Sie waren zu fünft in diesem Shuttle und wurden von zig Wachsoldaten eskortiert. Zudem waren sie nun wieder dem Militär unterstellt und mussten Regeln befolgen ... und zudem ... war es wahrscheinlich eh schon zu spät ...

Weinend ließ sich Quatre in seinen Sitz fallen, während Heero die Spritze injiziert wurde.

Chang schlug aufgebracht mit der Faust gegen die Wand.

"Vielleicht ... lebt sie noch ...", keuchte Heero unter Schmerzen. Auch ihm kamen die Tränen. Er konnte es nicht wahrhaben. Er WOLLTE es nicht wahrhaben.

Die Soldaten setzten den nun bewusstlosen Jungen auf den Sitz neben Duo und schnallten ihn fest.

Es hatte keinen Sinn, Widerstand zu leisten.

"Da unten", murmelte Duo geistesabwesend, "lebt niemand mehr."

Eine solche Explosion konnte einfach niemand überleben.

Da stand kein Stein mehr auf dem anderen.

Aber warum?

Heero hatte das Haus schon lange verlassen ... wenn dieser Anschlag ihm gegolten hätte, dann wäre es ein reiner Fehlschlag gewesen.

WENN dieser Anschlag ihm gegolten hätte ...

WENN ...

Trowa runzelte die Stirn. Als einziger der Jungen hatte er noch die Nerven bewahrt und er traute der ganzen Sache nicht so recht.
 

Das war er also ... der Abschied von Heeros Welt.

Eine Welt ... die er sich in den letzten Monaten mit Mühe erbaut hatte.

Eine Welt ... die er nun verlassen musste.

Für immer.

Denn diese Welt existierte nicht mehr.

Heero würde nie wieder in dieses Haus und zu seiner geliebten Schwester zurückkehren.

Seine Welt war zerbrochen.

Das, wofür er nun noch kämpfen würde, war Vergeltung.



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