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Schöne heile Welt

von

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Viertel vor Zwölf - Der große Ball

KAPITEL 20

Viertel vor Zwölf - Der große Ball
 

Und endlich war es soweit.

Der Tag, auf den wohl alle schon so lange gewartet hatten.

Das Mega- Event, dem die ganze Schule entgegengefiebert hatte.

Der Schulball.

Relena war bereits Stunden vorher zusammen mit Quatre aufgetaucht und beide hatten sich um die letzten Vorbereitungen gekümmert. Es musste noch viel getan werden: Das Büfett war falsch angeordnet worden, die Nebenräume mussten nochmals durchstaubt werden und die Servietten waren nicht geliefert worden. Doch schließlich kamen auch die ersten Gäste und so verabschiedete sich Quatre vorerst, um Tamara abzuholen.

Relena blieb allein zurück und sah zu, wie die Menschen nun die neu eingeweihte Turnhalle füllten. Gerade als sie sich zu langweilen anfing, erblickte sie Duo, Hilde und Alan am Eingang.

Während Relena ein edles weißes Kleid mit zarten rosa Rüschen trug, war Hilde eher in einen sanften Blauton gekleidet. Sie trug ihre Haare mit einer hellen Spange zurückgelegt. Relena lächelte, als sie sie mit Alan zusammen sah. Bevor sie sich nach dem Camping getrennt hatten, war sie sich mit ihm noch klar geworden, dass er doch lieber mit einer Partnerin seiner eigenen Wahl zum Ball gehen sollte. Und dies war nun Hilde, welche übers ganze Gesicht strahlte.

Dies bedeutete zwangsläufig auch, dass Relena nun keinen Partner für den Ball hatte. Sie hatte sich zwar gut mit Heero aussprechen, doch weder sie noch er selbst hatten sich zu diesem Schritt überwinden können.

"Hallo, schön dass ihr schon da seid! Ihr gebt ein tolles Paar ab!", sagte sie zu Hilde und Alan.

Duo trug wie üblich schwarz und hielt sich geschickt abseits der Aufmerksamkeit, doch Relena erspähte ihn dennoch und fragte: "Mit wem bist du denn hier, Duo?"

Dieser zog eine Grimasse, sah Relena böse an und stapfte beleidigt von dannen. Über die Schulter gewandt maulte er noch: "Ja, ja, hackt nur alle drauf rum! Immer feste drauf, mit Duo kann man's ja machen!"

Hilde raunte Relena leise zu: "Pst! Du weißt doch, dass er ohne Begleitung hier ist."

Relena zog ein verständnisloses Gesicht.

"Warum denn das? Duo ist doch eigentlich recht ansehnlich; ich weiß, dass viele Mädchen an der Schule für ihn schwärmen. Er hätte also gute Chancen auf eine Tanzpartnerin, die hätten ihm bestimmt nicht abgesagt, also ..."

Hilde schüttelte nur den Kopf.

"Relena, du kennst Duo nicht so gut wie ich. Bei ihm muss man sehr gut unterscheiden, was Show und was wahre Gefühle sind. Wenn du mich fragst, dann hat er sich bestimmt ein feines Fräulein aus höheren Kreisen ausgeguckt, bei der er null Chancen hat. Und nun badet er in Selbstmitleid ... er ist nur mir zu Liebe mitgekommen." Dabei lächelte sie mitleidig und doch auch etwas schadenfroh.

"Mit wem bist du denn hier, Relena?", mischte sich nun auch Alan in das Gespräch mit ein, der einen reinen Weiberklatsch verhindern wollte.

Relena lächelte und sagte mit gespieltem Vorwurf: "Hey, du weißt doch ganz genau, dass ich allein hier bin!"

Alan erwiderte ihr Lächeln. "Aber eigentlich hättest du doch auch keine Probleme gehabt, auf die Schnelle noch einen Partner aufzutreiben."

Hilde begann Alan am Armzipfel auf die Tanzfläche zu zerren, auf der sich nun schon die ersten Paare drehten. Dabei sagte sie in melodramatischem Ton: "Hach, wenn du mich fragst, dann hat sie sich bestimmt in einen emotionslosen Kerl aus militärischen Kreisen mit einem leichten Hang zur Selbstzerstörung verguckt, der lieber allein zu Hause im Dunkeln sitzt, als sich seine Gefühle einzugestehen ..."

Noch während Relena ihr wehmütig nachlächelte, weil die Wahrheit in Hildes Worten tief in ihrem Herzen schmerzte, merkte sie, wie jemand hinter sie getreten war. Höflich drehte sie sich um und erstarrte mitten in der Bewegung.

Hinter ihr stand Heero Yui.

In Frack, mit Krawatte und Blumen in der Hand.

Das sah man auch nicht alle Tage und Relena war dementsprechend auch überrascht und sprachlos.

"Ich ... ich wollte dich eigentlich abholen ... aber ... du ... du warst schon weg ... wegen den Vorbereitungen, meine ich und so ...", stammelte Heero leise vor sich hin. Er war ziemlich verlegen und kam sich wohl auch sehr unwohl vor in seiner Haut, doch Relena errötete merklich und begann vor Freude zu strahlen, wie schon lange nicht mehr. Ihr Selbstbewusstsein kehrte zurück und mehr noch: sie war glücklich!

"Sind die für mich?", fragte sie leise und deutete auf die roten Rosen in Heeros Hand.

Doch noch bevor dieser ihr antworten konnte, kam Duo hinter ihm hervorgeschossen und schnappte sich die Blumen mit den Worten: "Nein, weißt du, Relena, die Blumen hat er natürlich für mich mitgebracht! Die hat er sicher extra für mich aus'm Garten gepflückt!"

Er gab den beiden einen derben Stupser in Richtung Tanzfläche, wobei er ihnen noch nachrief: "Nun macht euch schon ab und schwingt das Tanzbein!"

Verwirrt nahm Heero nun Relenas Hand und führte sie in die Mitte des Raumes.

Aus dem Hintergrund hörten sie noch Duos erboste Stimme: "Heero, du ungehobelter Holzklotz, du hättest wenigstens die elenden Dornen abschneiden können! Und solche Dinger wolltest du ehrlich Relena andrehen? Wolltest du sie damit umbringen, oder was ... also ehrlich ... hat mal wer ein Pflaster?" Und schon machte er sich auf den Weg, den nächstbesten Abfalleimer in einen entsprechenden Aufbewahrungsort für die verhängnisvollen Blumen umzuwandeln.

Auf dem Weg dahin traf er Elbie, welche einzeln am Rand der Tanzfläche stand.

"Hey, auch eins von den einsamen Herzen?", fragte er neckisch.

Elbie blickte schmollend zu ihm auf, dann rümpfte sie die Nase und erwiderte: "Quatsch, was denkst du denn von mir? Meine Begleitung ist nur mal eben etwas zu trinken holen gegangen."

Duo stellte sich neben sie. "Gut, dann wart ich eben bis er wieder da ist. Mit wem bist du denn hier?"

Er wusste ganz genau, dass Elbie nur so tat. Aber ihr war es einfach zu peinlich vor Duo einzugestehen, dass sie lieber allein auf diesen Ball gegangen war, als mit einem anderen als Alan.

"Ach, du ... ähm ... ich werd' mal nachsehen, wo er bleibt ...", stammelte sie und verschwand in einer kleinen Menschenmenge. Duo sah ihr grinsend nach, doch dann huschte ein wehleidiger Ausdruck über sein Gesicht. Er wusste ganz genau, wie sie sich fühlte. Er schaute auf den Strauß Rosen in seiner Hand und erinnerte sich, dass er die Dinger doch so schnell wie möglich loswerden wollte. Also drehte er sich ein paar Mal um die eigene Achse, bis er ein passendes Opfer gefunden hatte: Nah am Eingangstor stand ein Mitschüler aus der Parallelklasse. Ein weiteres einsames Herz, wie Duo ihn schon spöttisch bezeichnete. Mit gespielter Freundlichkeit sprach er ihn an und es gelang ihm doch tatsächlich, dem Kerl seinen Strauß Rosen anzudrehen, mit den Worten, er möge sie doch "seinem großen Schwarm schenken, da das Rosen der Liebe sind und das Mädchen, dem ein Junge sie schenkt, sich unsterblich in ihn verlieben wird." Er hatte das mal in einem dieser Shojo- Animes aufgeschnappt, die er sich immer zusammen mit Quatres jüngerer Schwester reinziehen musste, als er dort übernachtet hatte. Tja, und der arme Junge, den Duo so beschwatzt hatte, glaubte natürlich jedes einzelne Wort und rannte los seine Herzallerliebste zu suchen. (Nachdem er sich natürlich erst mal heftig an den Rosen geschnitten hatte.) Duo grinste nur gemein in sich hinein. Er würde sich schon irgendwie an diesem Abend amüsieren - auch wenn auf Kosten anderer.

Elbie hatte sich unterdessen geschickt vor Duo versteckt. Es würde schwierig werden, ihm den ganzen Abend aus dem Weg zu gehen.

Sie sah, wie Heero mit Relena tanzte.

Sie sah, wie Hilde mit Alan tanzte.

Wie gerne, wäre sie jetzt an ihrer Stelle.

Sie sah auch, wie Trowa mit Catherine tanzte.

Die beiden waren also auch schon hier.

"Elbie!", erschallte es da aus einer hinteren Ecke der Halle. Von dort kamen nun Tamara, Quatre und Chang heranspaziert. Damit wäre nun die ganze Clique anwesend.

"Tamara", freute sich Elbie. Sie fühlte sich gleich viel sicherer, wenn Tam in ihrer Nähe war.

"Wow, Tamara, du siehst hinreißend aus!", bewunderte Elbie sie. Tamara trug ein enganliegendes schwarzes Kleid mit einem gewagten Laufschlitz an der Seite.

"Ach, hör auf zu schleimen", scherzte Tam. Sie sah Elbie kurz mit einem einfühlsamen Blick an, welcher Elbie deutete, sie solle sich nicht so viele Gedanken wegen Alan machen. Doch gleich daraufhin lachte sie wieder von ganzem Herzen. Sie war heute bestens aufgelegt. "Hast du schon gesehen? Heero und Relena tanzen miteinander!", beugte sie sich zu Elbie vor.

Diese blickte wieder auf die Tanzfläche.

"Ich glaube, wir sollten es den beiden nachtun", bemerkte Quatre und streckte die Hand aus, um Tamara zum Tanzen aufzufordern. Diese erstrahlte übers ganze Gesicht und nahm stolz die Aufforderung an. Sie konnte ja nun tanzen, jetzt hatte sie keine Angst mehr davor.

Elbie sah nun auch diesem Pärchen hinterher. Wie sie begannen sich mit den anderen Paaren zu drehen. Rhythmisch zum Klang der Musik. Strahlende Augen von jungen Mädchen. Erwartungsvolle Mienen von jungen Männern. Das freche Grinsen von Duo Maxwell am anderen Ende des Saales.

Das freche Grinsen von Duo Maxwell?

Elbie schreckte merklich zusammen, als sie seinem Blick begegnete. Verstört suchten ihre Blicke einen Ausweg, doch sie konnte nur Chang entdecken, welchen Quatre und Tamara bei ihr gelassen hatten.

Naja, dann musste er halt hinhalten.

'Was tut man nicht alles, wenn man verzweifelt ist', dachte sich Elbie und ergriff Changs Hand.

"Tanz mit mir!", brachte sie hastig hervor. Sie war rot angelaufen, denn es war ihr schon etwas peinlich, doch bei weitem nicht so peinlich, wie Duo Rede und Antwort zu stehen.

"WAS?", keuchte Chang, welcher, verwirrt und geschockt wie er war, verzweifelt versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien.

Doch Elbie ließ nicht locker.

"Bis du taub, oder was? Du sollst mit mir tanzen!"

Schlimmer konnte es ja nicht kommen.

Chang schaltete auf stur. Es war anscheinend doch ein Fehler gewesen, zu diesem Ball zu gehen.

"Nein, ich denk ja gar nicht dran! Wieso sollte ich denn ...", stammelte er, doch Elbie wusste, wie sie Chang dazu bewegen konnte.

"Was ist? Bist du etwa zu feige?", fragte sie herausfordernd. Wohl wissend, dass Chang darauf sehr gereizt reagieren konnte.

"Beweise, dass du ein Mann bist!" Und mit diesen Worten streckte sie ihm ihre Hand entgegen.

Changs Miene verwandelte sich von Schockiert über Wütend zu Schmollend.

So etwas konnte er sich nicht sagen lassen.

Nicht von einem Mädchen.

Nicht von Elbie.

Er ergriff unsanft ihre Hand und zerrte sie hinter sich her auf die Tanzfläche.

Naja, es sah eher tolpatschig als elegant aus, als die beiden tanzten, was wohl hauptsächlich daran lag, dass Elbie sich strikt weigerte, das Führen dem Manne zu überlassen. Der Tanz von Elbie und Chang sah eher wie ein Kampf um die Führungsrolle aus. Doch es genügte, um Duos Gesicht den Ausdruck einer Almkuh zu verleihen.

Auch Trowa und Catherine, wie auch Hilde und Alan wurden auf dieses seltsame Paar aufmerksam.

Sie lächelten in sich hinein, glücklich, dass dieser Ball bisher so wundervoll verlief.

Doch am glücklichsten war an diesem Tag auf jeden Fall Relena.

Schweigend tanzten sie und Heero, als wenn es nur diesen einen Moment für sie geben würde.

Keine traurige Vergangenheit.

Keine ungewisse Zukunft.

Keine Sorgen und kein Leid.

Nur die Musik und den Tanz.

Und sich selbst.

Sie fühlte Heeros Hand, wie sie sich um die ihre schloss.

Er war stark und dennoch auf seine Art sanft zu ihr.

"Relena ..."

Sie genoss es, sich an ihn zu schmiegen, und die Welt um sich herum zu vergessen.

"Relena ..."

Dieses Gefühl der Wärme und Geborgenheit, das sie jetzt empfand, wollte sie nie wieder hergeben.

"Relena!"

Sie hörte Heeros Stimme nur wie durch einen dichten Nebel.

Sie öffnete ihre Augen wieder, die sie geschlossen hatte aus Angst etwas zu sehen, das diesen Augenblick zerstören konnte.

Sie blickte zu Heero auf und ihr wurde wieder völlig klar, was sie für diesen Jungen eigentlich fühlte. Er war emotional verschlossen, oft kaltherzig und verbissen. Eben ein Soldat, ein Kämpfer. Und er war manchmal wahnsinnig kompliziert ... doch dann seine Augen. Sein jugendliches Gesicht. Relena konnte Seiten an ihm sehen, die für die meisten anderen Menschen verborgen blieben.

Heero war ein guter Mensch.

"Relena ... die letzten Wochen waren für uns beide ziemlich ... wie soll ich sagen ... ziemlich ..."

"Ich weiß", fiel sie ihm ins Wort. Die letzten Wochen waren eine Qual für sie gewesen und auch an Heero waren sie nicht spurlos vorbeigezogen. Sie wollte auch diese Zeit wieder vergessen, denn nun endlich hatte sie doch das, was sie sich immer erträumt hatte: eine schöne heile Welt.

Sie schmiegte sich wieder tanzend an ihren Partner.

Ein Nebel hüllte sich um sie.

Es war wieder dieser wohlige, friedliche Nebel, der sie vor allem schützte.

Sie und Heero.

"Ich möchte nicht, dass es noch mal so weit kommt, Relena", sagte Heero sanft.

Relena nickte kaum merklich. "Dann lassen wir es halt nicht mehr so weit kommen." Sie war irgendwie schläfrig geworden.

Heero sah auf sie hinab und drückte zärtlich sein Gesicht in ihr Haar.

"Nein, wir lassen es nie wieder so weit kommen", murmelte er leise. "Wir werden ab jetzt immer offen zu einander sein, nicht wahr?"

Relena antwortete nicht.

"Nicht wahr?", fragte Heero nochmals nach.

Ernst sah Relena nun zu ihm auf.

"Was willst du mir sagen, Heero?"

Er trat einen Schritt zurück, versteifte sich und war plötzlich wieder der abweisende Heero.

'Ich hab's vermasselt', schoss es ihm durch den Kopf. 'Dieser perfekte Moment und ich will mit ihr über die politische Lage reden ... ich bin ein Volltrottel ... ich sollte es aufgeben, so zu sein, wie ich nicht bin!'

"Ja", drang da eine sanfte Stimme zu ihm durch.

"Ja, vollkommen offen."

Relena lächelte und ihr Lächeln schien bis tief hinab in Heeros Herz.

"Ich habe in den letzten Wochen viel nachgeforscht. Du weißt schon, wegen dieser einen Sache ..."

Heero sah sich vorsichtig um. Er konnte belauscht werden, Feinde vermutete er hinter jeden Ecke. Doch er musste es jetzt einfach sagen. Er wollte doch offen und ehrlich zu ihr sein. Einfach so weiter diesen Abend mit ihr zu genießen mit dem Wissen, was er alles vor ihr verheimlichte, konnte er nicht. Ihr gerade erst wieder gewonnenes Vertrauen wollte er nicht gleich wieder verlieren.

"Ich habe zusammen mit Trowa etwas recherchiert und was wir herausgefunden haben ist ..."

Er sah in ihre wunderschönen Augen und stockte.

Diesen Blick hatte er schon lange nicht mehr gesehen.

"Du weißt, dass etwas heraufzieht, nicht wahr, Relena?"

Mit einer heftigen Bewegung krallte sich Relena an Heero fest und schmiegte sich wieder an ihn.

"Ja, ich weiß, dass meine Welt zerbricht", schluchzte sie leise.

Tamara, welche mit Quatre ganz in der Nähe tanzte (und sie tanzte gut, Quatre hatte nicht mal Verdacht geschöpft, dass dies das Resultat eines Duo-Maxwell-Tanz-Crasch-Kurses war), war schon seit einiger Zeit auf ihren Bruder und seine Tanzpartnerin aufmerksam geworden und achtete besorgt auf dieses Pärchen.

"Noin hat sich bei mir gemeldet. Es laufen Verhandlungen, Beratungen, alle sind in Alarmbereitschaft. Ich sollte noch meinen Bruder anrufen. Er wollte mir etwas Wichtiges sagen, wahrscheinlich nichts Gutes."

Sie schwieg einen Moment. Heero wartete geduldig, bis sie weitersprechen wollte.

"Ich habe nicht zurückgerufen. Ich wollte es nicht, nicht vor dem Ball!"

Hoffnungsvoll blickte sie zu Heero auf.

"Ich weiß, dass ihr euch auch Sorgen macht und dass ihr euch schon längst in die Ermittlungen eingeklinkt habt. Aber nicht heute!"

Ihre Stimme war fast am Absterben.

"Nicht heute, Heero! Dieser Abend ist alles was zwischen uns und einer weiteren Katastrophe steht, ich fühle das! Lass ihn nicht so schnell enden! Bitte nicht, Heero, bitte nicht!"

Heero lächelte sie verständnisvoll an: "Gut, reden wir nicht mehr darüber. Dieser Abend soll ..."

Er sah ihr wieder tief in die Augen.

"... dieser Abend soll ..."

Tamara sah mit einem Stirnrunzeln, wie sich Heero und Relena immer näher kamen.

"... dieser Abend soll ewig dauern."

Während Relena sich auf die Zehnspitzen stellte und Heero sich zu ihr hinabbeugte, kamen ihre Gesichter sich immer näher.

Tamara warf einen strengen und alarmierenden Blick zu Elbie hinüber, welche sie in dem ganzen Getümmel zusammen mit Chang ausgemacht hatte. Die beiden kämpften noch immer um die Führung. Mit einem Nicken deutete Tam in die Richtung von Heero und Relena.

Elbie verstand.

Relenas Herz pochte bis zum Hals.

Endlich würde sie Heero küssen können.

Sie konnte bereits seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, als plötzlich ein derber Stoß von hinten die gesamte Atmosphäre zerstörte. Relena prallte dumpf vor Heeros Brust und er konnte wohl nichts anderes mehr tun, als liebevoll Relenas Haarspangen zu küssen.

"Ups, sorry!", rief ihnen Elbie noch nach, welche mit Chang auch schon wieder wild und nicht wirklich im Takt von dannen tanzte.

Relena und Heero sahen den beiden entsetzt hinterher. Dann blickten sie sich an und erröteten.

In dem Augenblick setzte die Musik aus. Der Tanz war beendet und die ersten Pärchen verließen nun wieder die Tanzfläche. Es wurde das kalte Büfett eröffnet und eine wahre Schlacht begann.

Duo, welcher eigentlich als der berüchtigtste Büfett- Kämpfer galt, hielt sich jedoch noch immer abseits der Menge. Er hatte die Tanzfläche aufmerksam beobachtet und ihm war auch aufgefallen, dass sich alle prächtig amüsierten. Trowa war glücklich zusammen mit seiner Schwester, Hilde war bis über beide Ohren in Alan verliebt und zu allem Überfluss glaubte Duo auch, dass dieser ihre Gefühle erwiderte. Er mochte Alan eigentlich ganz gut leiden, aber Hilde bedeutete ihm doch sehr viel und er war sich nicht recht sicher, ob sie bei diesem Aufschneider in guten Händen wäre. Der Tanz von Chang und Elbie hatte ihn dann wohl doch wieder etwas erheitert, jedenfalls so lange, bis er Tamara gesehen hatte. Tamara mit Quatre. Die beiden gaben ein traumhaftes Paar ab: Sie elegant in schwarz und er edel in weiß, ein schöner Kontrast. Geschmeidig bewegten sie sich über die Tanzfläche. Eigentlich hätte Duo stolz auf sich sein können, denn im Grunde hatte er ihr so gut tanzen beigebracht (mit etwas Hilfe von Hilde), doch er erinnerte sich nur an die mühsamen Abende zusammen mit Heeros Schwester ... und wie sehr er die Zeit doch genossen hatte. Duo wurde traurig: er hatte keine Lust mehr sich an diesem Abend zu amüsieren.

Tamara sah einfach bezaubernd aus.

Unbemerkt hatte sich Duo in die dunkleren Teile der Halle verzogen.

Bezaubernd. Einfach nur wunderschön.

Duo lächelte ironisch.

Sie passte zu Quatre.

Gegen halb 11 Uhr abends war er dann vollkommen aus dem Saal verschwunden, doch alle waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sich jemand wirklich darum gekümmert hätte.
 

"Was macht ihr denn hier?", fragte Catherine erstaunt, als sie und Trowa zusammen eine Umkleidekabine der Turnhalle betraten.

Elbie und Chang schraken beide auf. So wie Trowa und Catherine die beiden vorfanden, war es doch eine Situation, die stark missverstanden werden konnte.

Elbie und Chang.

Allein.

Allein in einer einsamen Kabine.

Beide liefen rot an und begannen zu stottern.

Trowas Miene war wie eh und je ausdruckslos, doch als Catherine spöttisch zu lachen begann, fühlte sich Chang genötigt seine Ehre als Mann wieder herzustellen und diese peinliche Situation aufzuklären.

"Das ist nicht, wie es scheint!", schrie er wütend los.

"Wie scheint es denn?", fragte Trowa gelassen und trat ein.

Elbie, die die Fassung schon wieder etwas zurückgewonnen hatte, drückte Chang zurück auf einen Sitz. Catherine erkannte da, dass sie dabei war, Changs Hand zu verarzten, welche tiefe Kratzer aufwies.

"Der Sanitätsraum war überfüllt, darum sind wir hierher gegangen", erklärte sie. Doch irgendwie war sie nicht richtig bei der Sache.

"Überfüllt?", fragte Trowas Schwester.

"Ja", maulte Chang, "das Büfett scheint nicht allen ganz gut bekommen zu sein und nun hocken die alle dort und kotzen die Eimer voll! Da drinne war ein Gestank, das glaubt ihr nicht. Wer nicht schon krank da rein kam, der wurde es sicherlich, wenn er drinnen war."

Elbie lächelte.

"Und was ist mit deiner Hand passiert?", fragte Trowa, den das aber nicht wirklich zu interessieren schien. Er nahm aus einem Schrank an der Wand den Mantel von Catherine und reichte ihn ihr.

Chang verzog derweil sein Gesicht. "Ts ... da war so ein Spinner auf dem Ball, der wollte Elbie unbedingt so ein abartiges Gesteck von Rosen andrehen ... nur dass da mehr Dornen als Rosen dran waren."

Da schaltete sich auch Elbie ein: "Ja, nur dass Chang es für seine Pflicht hielt, dieses an mich gerichtete Geschenk anzunehmen ... die Resultate seht ihr hier!" Dabei hielt sie demonstrativ Changs ramponierte Hand hoch.

"Das ist doch bloß, weil der Typ sie nicht hergeben wollte ..."

"Klar! Sie waren ja auch nicht für dich!"

"Wisst ihr was", lachte Catherine, während sie ihren Mantel anzog, "ihr hört euch an wie ein altes Ehepaar!" Sie lächelte und machte sich daran, Trowa zu folgen, welcher schon voraus gegangen war.

"Was? Ihr geht schon?", fragte Elbie und ließ Changs Hand derb auf den Tisch knallen.

"Ja", meinte Catherine traurig. "Trowa scheint auf etwas Wichtiges heute Abend zu warten, deswegen möchte er auch jetzt schon wieder zurück zum Zirkus."

Chang horchte auf.

"Naja, ich lass ihn mal lieber nicht warten."

Und mit diesen Worten war sie auch schon hinausgelaufen.

Elbie wollte sich gerade wieder Chang zuwenden, doch sie erschrak, als sie den Blick in seinem Gesicht sah. Er war unheimlich ernst und finster. Denn Chang kannte Trowa und wusste, dass dieser irgend etwas plante.

Plötzlich kam Catherine nochmals in das Zimmer gestürmt und rief mit einem vielsagenden Unterton: "Und euch beiden noch viel Spaß heute Abend!" Wobei sie ihnen noch ein letztes Mal zuzwinkerte.

Und so verließ sie Elbie und Chang, wie sie sie auch vorgefunden hatte: Peinlich berührt und mit hochrotem Kopf.
 

Auch Tamara hatte ein rotes Gesicht, doch wohl eher vor Anstrengung, denn als es ihr im Saal zu laut geworden war, hatte sie sich mühevoll einen Weg durch die Menge gebahnt und war auf das Dach der neuen Halle hinaufgestiegen. Sie verschnaufte einen Moment, als sie in die kühle Nacht hinaustrat, und atmete tief ein.

Die Luft war frisch und eine kühle Brise wehte ihr die Erschöpfung aus dem Gesicht.

An die Wand des Treppenhauses gelehnt, blickte sie nach oben in den klaren Sternenhimmel. Seit jeher liebte sie Nächte wie diese ... es waren Momente, in denen sie sich völlig frei fühlte.

Erst nach einigen Minuten bemerkte sie, dass sie nicht allein auf dem Dach war.

Noch jemand anderes hatte sich aus dem Ballsaal geflüchtet und stand nun an das Geländer gelehnt am Rand des Daches.

Auch wenn Tamara im Schein der Sterne und des Halbmondes nur die Silhouetten der Person erkennen konnte, so verrieten doch die männliche Statur und der Knie lange, geflochtene Zopf, um wen es sich da handelte.

"Sieh mal einer an", sagte Tamara im Heranschlendern. "Und dabei halten dich alle immer für den übelsten Partylöwen. Und was ist, wenn die Fete gerade so schön am Laufen ist?"

Duo drehte sich erschrocken um.

Tamara stand nun schon direkt neben ihm am Geländer.

"Da verziehst du dich klammheimlich aufs Dach!"

Sie blickte in die Ferne, an den Schulgebäuden vorbei und über den Wald, bis hin in die benachbarte Stadt, von der nur einige Lichter zu erkennen waren, wie kleine Diamanten in der Dunkelheit.

"Bin ja wohl nicht der Einzige, oder?", gab Duo von sich.

Tam blickte ihn unschuldig an und ließ dann ihre Gedanken schweifen.

"Es ist unten einfach zu laut geworden. Zu viele Leute", meinte sie abwesend.

"Und Quatre?", fragte Duo. Es sollte beiläufig klingen, doch er befürchtete, dass von Tamara nun Kommentare wie "Eifersüchtig?" oder "Nicht dein Problem!" kommen würden.

Doch sie lächelte nur verträumt.

"Ich kann ihn doch nicht den ganzen Abend an mich binden, oder?"

Duo horchte auf und sah sie an.

Tamara bemerkte dies und sagte: "Er tanzt nun mit einer anderen."

"Aber ...", stotterte Duo los, doch er konnte sich noch rechtzeitig abhalten, sie zu fragen, ob denn nun etwas zwischen ihr und Quatre laufen würde oder nicht.

Tamara blickte wieder still in die Nacht hinaus. Irgendwie hatte Duo das Gefühl, dass etwas nicht stimmen würde. Sie machte den Eindruck, als würde sie diese Nacht so genießen, als wenn es ihre letzte wäre. Ja, genau das war es. Er machte sich Sorgen um sie, denn sie wirkte melancholisch und doch ... in einer gewissen Weise so endgültig.

Die Glocke im alten Schulturm schlug gerade halb 12, als aus dem Saal wieder laute Musik erklang. Sie drang bis hinauf auf das Dach, so dass Duo und Tamara genau hören konnten, um welches Stück es sich handelte.

"Tanz mit mir", sagte da ganz unverhofft Tamara.

Mit so etwas hatte Duo nun wirklich nicht gerechnet. Verwirrt sah er sie an.

"Jetzt tu schon nicht so." Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. "Hier oben an der frischen Luft lässt es sich viel besser tanzen als unten im stickigen Saal."

Wie in Trance ergriff er ihre Hand und zog Tamara zu sich.

Sie hatten schon oft zusammen getanzt, doch es war wohl noch nie so wie jetzt gewesen.

Duo rätselte die ganze Zeit, warum Tam sich plötzlich so benahm, doch gleichzeitig war er auch unendlich glücklich. Nach einer Weile interessierte das Warum und Wieso ihn auch nicht mehr, nur noch der Moment zählte. Die Tatsache, dass er mit Tamara tanzen konnte. Nicht, weil er es ihr versprochen hatte um ihr Tanzen beizubringen oder aus sonstwelchen Gründen, sondern einfach nur weil Tam ihn darum gebeten hatte. Weil sie es so wollte.

Er schloss seine Augen und atmete zufrieden den Duft ihrer Haare ein.

Wenn es doch nur immer so sein könnte.
 

Im Saal tanzten Heero und Relena.

Sie genossen ihre letzten glücklichen Momente ohne einen Gedanken an ihre ungewisse Zukunft.
 

In einer Kabine saßen Chang und Elbie.

Sie stritten sich.

Und doch fühlten sich beide behaglich und sicher.
 

In einem Auto saßen Catherine und Trowa.

Sie fuhren zum Zirkus zurück.

Trowa blickte nervös auf die Uhr.

Er war zu spät.
 

Es war 11 Uhr und 43 Minuten.
 

Vor der Tür der Sporthalle standen Hilde und Alan.

Sie wollten gerade wieder hinein gehen, um weiter zu tanzen.

Alan musterte nachdenklich den Himmel.
 

Am Büfett unterhielt sich Quatre gerade mit einem hübschen dunkelhaarigen Mädchen.

Er hatte sie erst heute getroffen.

Sie ging in die gleiche Klassenstufe, doch sie war ihm vorher noch nie aufgefallen.

Er wollte sie näher kennenlernen.
 

Auf dem Dach der Sporthalle tanzten abseits allen Trubels Duo und Tamara.
 

Es war nun Viertel vor Zwölf.
 

Und es begann.
 

Trowa hielt den Wagen an, sprang aufgeregt heraus und starrte in den Nachthimmel.

Doch er sah sich nicht den Glanz der Sterne oder den Mond an.

Was er erblickte, waren die düster schimmernden Körper von Kampfmaschinen.

Flugzeuge, Kampfgleiter, Mobile Suits.

Und sie alle hatten nur ein Ziel: Den Hauptstützpunkt der derzeitigen Erdregierung.
 

Durch die Stille der Nacht drangen plötzlich Geräusche, wie Duo sie immer zu verdrängen suchte.

Es waren Geräusche von Kampf, Krieg und Tod.

Erschrocken riss er sich aus seinen Träumereien und erkannte am Himmel etwa ein dutzend bewaffnete Mobile Suits, welche an Transportgleitern befestigt waren und geräuschvoll über den Schulgebäuden hinwegflogen.

Seine Augen weiteten sich vor Schreck: Es waren keine Kampfeinheiten der Erde oder der Kolonien.

Im schwachen Licht der Sterne konnte er das dunkle Banner der Black Dragons erkennen.

Ein schwarzer Drache in einem unterteilten Dreieck.

Unmerklich klammerte sich Tamara an ihn.

Sie blickte nicht hinauf in den Himmel.

Sie ignorierte den Lärm.

Sie wollte einfach nur weitertanzen.

Doch sie wusste, dass das nun vorbei war.
 

Mit einem Knall flog die Tür zum Treppenhaus auf und Chang stürzte auf das Dach hinaus, gefolgt von Heero und Quatre.

"Verdammt", fluchte Heero lauthals, als er die davonfliegenden Mobile Suits sah.

"Sie bringen es schon in den Nachrichten", meinte Chang Zähne knirschend. "Von überall her nähern sich Mobile Suits und Kampfgleiter der Piraten ... die scheinen echt so blöd zu sein und wollen den militärischen Stützpunkt der Regierung angreifen."

"Aber ...", begann Quatre, doch er wusste nicht direkt, was er eigentlich sagen wollte.

Alle waren wie gelähmt, als sie in der Ferne das beunruhigende Aufblitzen und wieder Verlischen von Lichtern sahen. Die Anzeichen eines heftigen Kampfes.

"Wir müssen los", sagte Heero verbissen und in einem Ton, der keinen Zweifel mehr zuließ.

Heero, der Soldat und gnadenlose Kämpfer, war wieder da.

Während er wieder zum Treppenhaus zurücklief, riss sich Duo von Tamara los und rannte zum Rand des Daches. Unten sah er vor dem Eingang zur Turnhalle in einem Getümmel von Schülern und Lehrern, die alle entsetzt den Mobile Suits nachsahen, unter anderem auch Hilde und Relena.

"Hilde!", rief er ihr hinunter.

Diese blickte nach einigem Suchen zu ihm auf und nickte. Sie hatte verstanden, dass es nun Zeit war, den Ball zu verlassen. Eilig lief sie an Relena vorbei, welche traurig in den nun wieder ruhigen Himmel sah. Sie war eine der ersten, die wieder in den Saal zurückkehrten. Flüchtig erblickte sie noch Elbie und Alan, welche sich in dem nun aufkommenden Tumult einen Weg zum Ausgang bahnten. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie die beiden mit ihren eigenen Augen sah.

Doch nun musste sie telefonieren.

Es war Zeit ihren Bruder zurückzurufen.
 

"Tamara", rief Heero kalt, bevor er das Dach verließ.

Quatre und Chang rannten schon wieder an ihm vorbei und auch Duo, welcher noch ein letztes Mal zu Tamara hinsah, ging aufgewühlt davon.

"Lass dich von jemandem so schnell wie möglich nach Hause bringen."

Mit diesen Worten war auch Heero verschwunden.

Tamara stand allein und einsam auf dem nun leeren Dach des Schulgebäudes.

Sie starrte auf den Boden und ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Sie murmelte leise vor sich hin.

"Viertel vor Zwölf ... es hat begonnen ... Willkommen zurück ... im Krieg!"



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