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Schöne heile Welt

von

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Freitagabend

KAPITEL 16

Freitagabend
 

"AUUUUUHHHHHHH", ertönte es gequält aus der gemeinsamen Wohnung von Duo und Hilde. Letztere, welche bereits einen schicken Herbstmantel und eine fesche Mütze trug, steckte nochmal den Kopf zur Tür herein und fragte zweifelnd: "Kann ich euch wirklich allein lassen?"

Tamara blickte sie unschuldig an, während Duo verzweifelt versuchte seine schmerzenden Füße zu kühlen.

"Ja, Hilde! Wir kommen schon klar, geh ruhig!", antwortete Tam gutherzig.

"Nein, Hilde! Bleib da!", maulte Duo wie ein kleines Kind. "Du kannst mich doch nicht mit dieser Psychophatin allein lassen?"

Hilde sah ihn verzweifelt und Tamara sah ihn wütend an.

"Verdammt noch mal, Duo! Hilde war die ganze letzte Woche so lieb und hat jeden Tag mit mir geübt, weil ich bei dir ja absolut nichts lernen konnte! Ich möchte nicht, dass sie wegen mir auf ihr Vergnügen verzichtet!"

Duo blickte sie finster an. "Na, toll! Und was ist mit meinem Vergnügen? Hä? Ich hätte mir den Kampf heute auch gerne angesehen! Immerhin wollen Chang und Alan heute zum ersten Mal fechten ... menno ... wenn ich daran denke, dass ich den Abend heute wieder mit dir vergeuden muss ... bäh!"

Nun war es Tamara, welche Duo finster anblickte.

Hilde grinste jedoch in sich hinein und meinte: "Ich muss aber Tamara zustimmen! Ich darf mir heute mal etwas Egoismus erlauben und daher wünsche ich euch noch viel Spaß! Ich werde ihn jedenfalls haben!" Und schon viel die Tür hinter Hilde ins Schloss und zurück blieben ein deprimierter Duo und eine beleidigte Tamara, die beide auf Teufel komm raus nichts miteinander anzufangen wussten.

Minuten vergingen und es breitete sich eine unangenehme Stille aus, die keiner von beiden durchbrechen wollte.

Tamara starrte an die Decke und Duo auf den Boden.

Weitere Minuten vergingen, bis Duo endlich maulte: "Bah, wenn ich heute wirklich wieder mit dir tanzen muss, dann muss ich mir noch mehr Eispacks für meine armen Füße holen!"

Mit diesen Worten stand er auf und trottete in die Küche.

Tam sah ihm hinterher und zog eine Schnute: "Jetzt hab dich mal nicht so wie ein Kind!"

"Jaja, du hast leicht reden!", schallte es aus der Küche zurück. "Dir hat ja auch niemand eine bis zum Rand volle Porzellanschüssel mit Fleischsuppe auf die Füße fallen lassen."

Tamara vergrub den Kopf in ihren Händen und antwortete reumütig: "Ich hab doch schon gesagt, dass es mir leid tut! Wie oft soll ich mich denn noch entschuldigen?"

"So oft, bis du es ehrlich meinst!" Duo kam aus der Küche heraus, blieb in der Zwischentür zum Wohnzimmer stehen und blickte von dort vorwurfsvoll auf das blonde Mädchen auf seiner Couch.

"Ich weiß nämlich ganz genau," fuhr Duo fort, "dass es dir bloß leid tut, Hildes Lieblingsschüssel kaputt gemacht zu haben!"

Tamara blickte ihn schuldvoll an. "Ja, und um die Fleischsuppe tut es mir leid."

Duo blickte sie erst entsetzt an, dann grinste er und fragte: "Echt jetzt? Hilde ist 'ne gute Köchin aber ihre Fleischsuppe schmeckt einfach nur zum Kotzen! Also meinst du das wirklich?"

Auch Tamara begann hinterhältig zu schmunzeln. "Ne, denn im Grunde bin ich Vegetarierin!"

"Ehrlich jetzt?" Duo war überrascht. Im Grunde hatte er Tamara doch eigentlich wirklich noch nie Fleisch essen sehen ... er wusste - genau wie die anderen - eigentlich gar nichts über dieses Mädchen.

"Misses Geheimnisvoll! Was verbirgst du denn noch so alles vor uns uns?", fragte er schnippisch. Duo war sich aber gar nicht klar darüber, wie sehr er Tamara mit dieser Frage zugesetzt hatte. Er knallte sich in einen Sessel vor dem Fernseher und sah somit gar nicht, wie sie in einem Schock ähnlichen Zustand ins Leere starrte. Nach einer Weile antwortete Tamara leise: "Als ob ich irgendetwas von euch wüsste! Ihr erzählt doch auch nie etwas über eure Vergangenheit!"

Duo sah sie mit großen Augen überrascht an. So verletzt wie grade hatte er Tamara noch nie gesehen. Er fühlte sich irgendwie mies, obwohl er doch nicht mal genau wusste, weswegen sie jetzt so depressiv war, doch er hielt es für angebracht, dass Thema zu wechseln.

"Hast du denn Relena gefragt? Wird sie morgen mitkommen?"

"Jep", antwortete Tamara schwungvoll nach einer 180° Wende. Sie war wieder fröhlich und Energie geladen wie eh und je.

Und Duo war wieder fies wie eh und je.

"Äh, hast du sie auch wirklich gefragt und auch auf eine Antwort gewartet oder hast du einfach nur "Wir holen dich morgen ab!" mitten in den Raum geschrien und hast dann 'nen Abgang gemacht und die sprachlose Relena einfach so stehen lassen?" Duo sah sie herausfordernd an.

Tamara verkrampfte sich, erinnerte sich an ihr Gespräch mit Relena und stotterte errötend vor sich hin: "Äh ... also ... naja, also ... also so war das ja nicht ... ich meine ..."

"Was?", brach es lachend aus Duo heraus. "Du hast es tatsächlich so gemacht!!!!Ich fass es nicht!!!Hahahaha, wie beschränkt bist du eigentlich, du Dussel?" Duo konnte sich vor Lachen kaum noch auf seinem Sessel halten.

Tamara verkrampfte sich immer mehr und begann gegen ihre aufkommende Wut anzukämpfen. Sie bereute es bereits, Hilde gehen gelassen zu haben, denn einen ganzen Abend allein mit Duo Maxwell würde sie wohl nicht überstehen.
 

"Abend, Leute!", rief Hilde fröhlich, als sie die Halle betrat.

Es war eine altmodische Sporthalle mit Parkettfußboden und einer kleinen Holztribüne für Zuschauer. Auf dieser saßen bereits Trowa, Quatre und Elbie. Und auch Chang. Hilde stutzte einen Moment, warum auch Chang auf der Tribüne saß und sich nicht warm machte, doch dann ging sie erst einmal auf die Gruppe zu. Enttäuscht fiel ihr auf, dass auch Alan noch fehlte.

"Hey, wie geht's euch?", fragte Hilde.

Elbie blickte hoffnungsvoll zu ihr auf. Sie kam sich in dieser Männerclique irgendwie fehl am Platze vor und war daher unheimlich dankbar für Hildes Erscheinen. Aber sie traute sich nicht, Hildes Frage zu beantworten.

"Mensch, bei euch ist ja eine echt tolle Stimmung!", gab Hilde mit einigem Missfallen zu bemerken. Sie hatte sich auf diesen Abend heute echt gefreut und ist dafür sogar das Risiko eingegangen Duo und Tamara allein zu lassen - auch auf die Gefahr hin, dass die beiden sich fetzen würden, bis die Wohnung einem Schlachtfeld glich - einem Schlachtfeld nach einem Kampf zwischen Zechs und Heero, welcher (wohl bemerkt) mit einer Selbstzerstörung von Heeros Gundam endete.

Trowa starrte in die Mitte der Turnhalle und ließ sich nicht dazu herab, Hilde einer Antwort zu würdigen, Chang stand auf den Sitzen und starrte verbissen an die Wand, während Elbie zusammengekauert dasaß und ihren Rucksack fest umklammert hielt.

Nur Quatre, welcher sich im Aufenthaltsraum der Turnhalle einen Tee aufgebrüht hatte (er schaffte es irgendwie immer und in jeder Situation zu einer Tasse Tee zu kommen ... ja, so etwas nennt man einen wahren Überlebenskünstler), blickte traurig zu Hilde hoch und meinte höflich: "Guten Abend, Hilde! Der Kampf heute scheint leider auszufallen!"

Nach einem kurzem Seitenblick zu Chang, welcher unmerklich mit den Zähnen zu knirschen begonnen hatte, entschied sich Quatre jedoch dafür, keine weitere Erläuterung dieses Zustandes von sich zu geben, um nicht unnötig Changs Wut anzuheizen. Hilde schien dies jedoch zu entgehen, denn sie wollte nun natürlich einen genauen Grund erfahren und so strapazierte sie Changs Nerven immer weiter: "WAS? Und warum bitte schön??? Warum habe ich mich am Freitagabend um 21 Uhr aus dem Haus begeben, diesen weiten Weg auf mich genommen und mich von 'zig Typen am Bahnhof dumm anmachen lassen? Nur um hier herzukommen und festzustellen, dass alles umsonst war?" Ihre Stimme hatte einen aufgebrachten und keischenden Ton, welcher einen ähnlichen Effekt hatte wie ein quietschendes Kreidestück an der Tafel. Hilde war die Kreide und Chang die Tafel ... und die Tafel war gerade wieder dabei sich mächtig aufzuregen.

"VERDAMMT NOCH MAL, GLAUBST DU ETWA, ICH FREUE MICH DARÜBER?", herrschte er Hilde derart unsanft an, dass sie eingeschüchtert zurückschreckte. "WAS DENKT IHR FRAUEN EUCH EIGENTLICH? MEINST DU ETWA, DAS .... MHPF .... MPFFFFHHH .... BAKA. ... MHPF..."

Heero, welcher sich plötzlich von hinten unbemerkt angeschlichen hatte, war rechtzeitig dazwischen gegangen und hielt nun mit Trowas Hilfe den aufgebrachten Chang zurück, welcher sich zwar verzweifelt zu wehren versuchte, aber doch unterlegen war. Als Elbie sah, dass Trowa und Heero den heute so impulsiven Chang beruhigen konnten, kehrte ihr Selbstvertrauen zurück und sie sagte zu Hilde:

"Alan lässt sich entschuldigen, er hatte heute etwas ganz wichtiges vor, er musste seinen Eltern heute in der Dedektei aushelfen, weil die Sekretärin krank ist, und da ... naja, er hat mich her geschickt, damit ich Chang absage. Es tut mir echt leid, denn ich weiß ja, dass ihr alle deswegen hergekommen seid." Sie ließ den Kopf hängen und blickte verlegen zu Chang hinüber, welcher sich beleidigt auf die Sitze fallen gelassen hatte.

"Na toll", ließ nun auch Heero vernehmen. "Ich wollte eigentlich auch mal sehen, was hier immer so abgeht, aber wenn das heute so ist, dann geh ich wieder."

Noch bevor jemand was sagen konnte, hatte Heero kehrt gemacht und war auch schon wieder verschwunden. Alle starrten ihm sprachlos hinterher.

"Was war das denn jetzt für ein Auftritt?", fragte Elbie verdutzt.

"Oh, Gott! Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit DEM auf den Ball gehen muss!", gab Hilde resigniert von sich und sank auf einem Sitz zusammen. Quatre und Elbie lächelten sie bemitleidend an, von Chang und Trowa kam gar keine Reaktion.

Doch dann huschte ein vielsagendes Lächeln über Elbies Gesicht und sie flüsterte Hilde hinter vorgehaltener Hand leise zu: "Abwarten! Ich schätze mal, dass sich morgen noch einiges ändern wird! Vor allem weil wir es so einrichten werden, dass sich Relena und Heero EIN Zelt teilen werden! HIHI ... du solltest dich vielleicht besser schon mal nach einem Ersatztanzpartner umsehen!"

Hilde errötete ein wenig und konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen.

Ja, morgen würde sich noch einiges ändern. Aber was war nun mit heute?

"Hört mal her!", rief Hilde laut aus und stellte sich so, dass die andern sie alle sehen konnten.

"Ich möchte jetzt noch nicht wieder nach Hause und nur weil heute kein Training stattfindet, müssen wir doch nicht unbedingt keinen Spaß haben, oder? Wir können uns auch so amüsieren!"

Während Elbie und Quatre diese Idee einfach nur "wunderschön" fanden, warf Chang Hilde vernichtende Blicke zu und murmelte ein wütendes "Onna no baka" in seinen imaginären Bart. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sich alle verzogen hätten und er in Ruhe Trübsal blasen könnte.

Doch Hilde passte das wohl gar nicht in den Kram.

"Hör mal, Chang!", fuhr sie fort. "Du musst doch nicht unbedingt mit Alan kämpfen, oder? Wie wärs, wenn du mal mit ... ja, mit Trowa trainierst?"

Chang riss die Augen auf und starrte zu Trowa hin, welcher es sich auf seinem Sitz bequem gemacht hatte und an die Decke starrte. Chang begann zu zweifeln. Auch die anderen blickten erwartungsvoll zu Trowa hin, welcher jedoch keine Anstalten machte, sich zu dem Vorschlag zu äußern. Als er bemerkte, dass alle auch weiterhin zu ihm hin sahen und auf eine Antwort warteten, schloss er die Augen und meinte in einem ruhigen Ton: "Ich hab heute vergessen meine Pillen zu schlucken und sinne gerade darüber nach, wer ich bin, was ich hier mache und ... und ... naja ... und so weiter." Damit schien das Thema für ihn abgeschlossen zu sein. Changs Blick verdüsterte sich.

'Na toll', dachte er. 'Warum muss Trowa gerade jetzt witzig werden?'

Quatre wollte gerade ansetzen, um einen weiteren Schluck aus seiner Tasse zu nehmen, wobei er vergnügt über Trowas letzten Kommentar in sich hineinlächelte.

"Na gut", meinte Hilde, welche aus dem Konzept gebracht war. Aber sie hatte sich einen Notfallplan zurecht gelegt: "Dann trainier doch mit Quatre!"

Quatres Lächeln erstarrte im nächsten Augenblick und er prustete erschrocken los, wobei die Hälfte seines schönen Tees über den Rand der Tasse auf die Sitze der Zuschauertribüne entfleuchte. Traurig blickte er der warmen Flüssigkeit hinterher ... das war doch sein Lieblingstee: eine Vanille - Himbeer- Kirsche- Mischung! Doch er konnte nicht lange den Verlust dieser Köstlichkeit betrauern, denn schon blad musste er sich selbst bemitleiden, als er durch einen verschreckten Seitenblick bemerkte, wie Chang ihn musterte.

"Naja", murrte dieser. "Er ist zwar bestimmt nicht ein so starker Gegener wie Alan, aber er wird's auch tun! Ich geh mich umziehen! In 5 Minuten bist du trainingsbereit in der Halle!", rief Chang in einem Ton aus, welcher keinen Widerspruch zuließ und marschierte ab.

Quatre hob kläglich seinen Finger, was wie eine Meldung aussah, um ein Gegenargument zu bringen, doch durch Hildes und Elbies strenge Blicke ermahnt, ließ er diesen entmutigt wieder sinken und schleppte sich nun auch in Richtung der Umkleidekabine.

"Das wird noch lustig! Nachher können wir ja auch noch ein wenig trainieren, oder Elbie?", grinste Hilde nun fröhlich ihre Freundin an. Sie würde sich an diesem Abend ihren Spaß nicht nehmen lassen.
 

"Das ist nicht dein ernst?"

Gelächter drang aus der Wohnung. Duo und Tamara hatten es doch tasächlich geschafft, eine ganze Stunde miteinander auszukommen, ohne sich gegenseitig zu beleidigen oder sich zu drohen. Sie waren gerade dabei sich Witze zu erzählen und sich die Mäuler über die Idioten aus den Parallelklassen zu zerreißen.

"Das ist noch gar nichts!", kam es schallend von Duo. "Du hättest heute im Geschichtsunterricht dabei sein sollen!" Bei dem Gedanken an diese Unterrichtsstunde lachte er vergnügt in sich hinein.

"Tut mir ja schrecklich leid, dass ich nicht in eure Klasse gehe. Aber was war denn los?", fragte Tamara erwartungsvoll, welche schon den gesamten Abend lang an einer Limonade rumnippte.

"Naja, also am Beginn der Stunde, da wurde Elbie irgendwie ganz schrecklich übel", begann Duo zu erzählen.

Tamara sah ihn entsetzt an: "Und was bitte schön ist daran lustig?"

"Nein, nein, jetzt mach mal keinen Terror, Kleine!", wehrte Duo heftig ab. Tamara blickte ihn schräg an. Sie mochte es gar nicht, wenn Duo sie "Kleine" nannte, aber sie wollte jetzt keinen Streit heraufbeschwören, schließlich war der Abend noch nicht vorbei.

"Du brauchst dir keine Sorgen um Elbie zu machen, es ging ihr dann gleich wieder besser ... was weiß ich, was war, sie hatte vielleicht ihre Tage bekommen oder so was. Bin ich denn Arzt?"

Tamara sah Duo immer noch schmollend an. "Naja, wie üblich hat sich der gute Quatre bereit erklärt, auf den ach so wertvollen Unterricht zu verzichten, um die arme Elbie ins Krankenzimmer zu bringen. Nichts ungewöhnliches bisher, oder? Aber der Lehrer meinte, dass Quatre in letzter Zeit schon zu oft beim Unterricht gefehlt hätte, und ..."

"Er hat gefehlt?", wurde Duo von Tamara unterbrochen.

Er blickte auf, dachte kurz nach und als ihm der wahre Grund einfiel, warum Quatre gefehlt hatte, suchte er schnell nach einer Ausrede: "Äh, ja, du weißt doch, dass Quatre sich etwas nebenbei um das Familienunternehmen kümmert. Er will das ja immerhin mal übernehmen und wegen diesen komischen Überfällen in letzter Zeit hatte er da noch einiges zu erledigen, verstehst du?"

Und das war ja noch nicht mal vollständig gelogen! Tamara nickte und wollte nun weiterhören.

"Na, jedenfalls wollte der Lehrere strikt nicht, dass Quatre Elbie raus bringt und da hat er sich doch tatsächlich mit Quatre rumgezofft!" Tamaras Augen weiteten sich ungläubig und sie sah Duo überrascht an.

"Ja, glaubs ruhig! Ganze 3 Minuten lang haben sie rumdiskutiert, warum Quatre wohl nicht seinen Pflichten als Gentleman nachkommen dürfe, als der Lehrer die Diskussion abrupt beendete mit den Worten ..." Duo stand auf und gab eine verblüffend realistische Imitation seines Geschichtslehrers zum Besten (was er wohl öfters zu machen schien): "Schluss jetzt, Mister Winner! Sie werden den Unterricht nicht verlassen! Mister Wufei, bitte begleiten sie Miss Mackenzie ins Krankenzimmer!"

Tamara kippte fast vom Sofa: "Chang? Er wollte, dass gerade CHANG sie hinbringt? Du verarschst mich doch, oder?"

Duo grinste wie ein kleines Kind und brachte mit unterdrücktem Lachen hervor: "Nein, ehrlich mal! Er wollte allen ernstes, dass Chang sie hinbringt! Wir waren alle total perplex und dann haben die beiden, also der Lehrer und Chang, weitere 4 Minuten lang rumdiskutiert, warum Elbie wohl nicht allein dahin gehen könne und warum gerade Chang so eine unwürdige Aufgabe übernehmen sollte. Der hielt das natürlich übelst für unfair, aber du kennst ja das alte Lied über Chang und die Gerechtigkeit schon! Elbie saß die ganze Zeit nur da und wurde immer blasser. Am Ende ging's beim Lehrer nur noch: 'Mister Wufei! Gehen sie einfach!' und naja, Wufei in einer seiner nachgiebigen Phasen hat Elbie so am Armzipfel gepackt und sie aus dem Raum gezerrt!"

Durch Duos schauspielerische Mimik und Gestik konnte sich Tamara vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten. Sie hockte auf dem Boden und hatte alle Mühe, nicht ihre Limo umzukippen.

"Warte, warte", rief Duo aus. "Das Beste kommt ja noch! Kaum war Chang aus dem Raum, da wartete der Lehrer noch ein paar Sekunden und dann meinte er vor Freude starhlend: "Puh! Etwas besseres konnte mir gar nicht passieren! Werte Schüler, lasst uns die Abwesenheit von Mister Wufei bitte, bitte ganz schnell nutzen und nun die weibliche Emanzipationsbewegung im 20. Jahrhundert behandeln! Wenn wir uns beeilen, schaffen wir den Stoff sogar, bevor er wieder zurück ist!"

Das wars! Tamara lag grölend auf dem Boden und die Limo umgekippt neben ihr ... ui, der Teppich nahm auch sogleich eine lustige Färbung an, aber das kümmerte eigentlich niemanden (naja, bis auf Hilde, als sie dann heimkam).

Duo sah auf die lachende Tamara hinab und musste lächeln. Im Grunde war er doch eigentlich recht gerne mit ihr zusammen, auch wenn sie meistens nur stritten.

Irgendwie wurde er nachdenklich. Was vielleicht auch gut war, denn so fiel ihm endlich mal ein, warum er hier eigentlich mit der Schwester von Heero dasaß und sich Witze erzählte: Sie wollten tanzen üben!

"Ach, du Scheiße! Wenn wir nicht bald hinmachen und das Tanzbein schwingen, dann wirst du dich am Montag mit Quatre ganz gewaltig blamieren!"
 

Es war bereits dunkel und aus dem benachbarten Wald konnte man die Insekten zirpen und summen hören. Einige Vögel flatterten umher, doch ansonsten war es totenstill.

Relena war es noch nie aufgefallen, wie gespenstisch die Wohngegend von Heero und Tamara nachts doch sein konnte.

Ihr war kalt und sie fror, dennoch zögerte sie zu klingeln.

Es brannte kein Licht im Haus, vielleicht schliefen die beiden ja schon?

Oder sie waren nicht zu Hause?

Relena mummelte sich noch weiter in ihre flauschige Jacke ein und schlich etwas um das Haus rum.

Sie kam jedoch nicht weit, da das Gestrüpp an den Seiten zu undurchdringlich war für sie.

Jedenfalls bei Nacht.

Und außerdem wusste Relena auch nicht, ob Heero das Grundstück vermint hatte.

Sie kehrte also wieder vor das Haus zurück und blickte ängstlich auf die Tür.

Langsam streckte sie die Hand zum Klingelknopf aus, zog sie jedoch gleich wieder zurück.

Irgendwie war es doch dämlich, was sie hier machte.

Warum auch?

Sie konnte doch eigentlich auch morgen mit Heero reden?

Warum ist sie denn jetzt hierher gekommen?

Nachts?

Allein?

Und in dieser Kälte?

Sie klingelte.

Das war doch idiotisch.

Sie wartete einige qualvolle Momente lang ungeduldig.

Aber nichts regte sich im Haus.

'Nicht zu Hause', dachte Relena entmutigt und trat etwas zurück.
 

"Das ist ja so unfair!", bemerkte Trowa trocken.

"Oh, Gott, er tut mir ja so leid!", bemerkte Hilde.

"Nein", brüllte Elbie los. "Richtig so! Los, mach ihn fertig, Quatre! Genau so! Du hast ihn! JA!!!!!"

Die drei blickten voller Begeisterung auf die Turnhalle hinab, in welcher Quatre Chang gerade im Schwitzkasten hatte. Zu Beginn des Trainings hatte es ja wenigstens noch annähernd nach Training ausgesehen, denn Chang hatte einige nette Tricks demonstriert ... an Quatre wohlbemerkt. Doch irgendwann hatte auch dieser keine Lust mehr gehabt als Changs Sandsack vor den Damen - und vor Trowa - dazustehen und begann sich zu wehren ... auf seine ganz eigene Weise. Chang konnte in dieser Gegenwehr weder einen Stil noch irgendeine Logik sehen und Quatre hatte diese Verwirrung geschickt genutzt und Chang so gepackt, dass dieser nun kläglich zappelte und verzweifelt rumfluchte, ohne dass Quatre jedoch locker ließ. Niemand hätte erwartet, dass der sonst so sanfte Quatra auch so hart zupacken konnte. Was Chang aber die ganze Zeit wohl am meisten zu schaffen machte, war dass Quatre sich immer ununterbrochen bei ihm entschuldigte: "Es tut mir leid, Chang! Ich möchte dir wirklich nicht weh tun! Bitte sei mir nicht böse, ja? Entschuldige, bitte!" und doch verfestigte er seinen Griff nur.

Die anderen schwankten immer zwischen Mitleid für Chang, Verwunderung über Quatre und einem totalen Ablachen über diese Situation, als Hilde plötzlich sagte: "Entschuldigt mich mal kurz, aber ich muss mal aufs Kloh!"

"Was, jetzt? Keine Angst, dass du was verpasst?", fragte Elbie verständnislos.

"Ach, was", wehrte Hilde ab. "Ich wette, Quatre hat Chang noch immer im Schwitzkasten, wenn ich wiederkomme!"

Hilde war gerade dabei wegzugehen, als Elbie sich umdrehte und dabei Trowa erblickte.

Trowa, der sie ernst und finster anblickte.

Elbie lief es kalt den Rücken runter und hastig sprang sie auf Hilde zu: "Hey, warte, Hilde! Ich komme mit!"

Diese sah sie nur kurz böse an und meinte dann: "Keine Angst, Elbie! Aber ich werde die Toiletten auch schon alleine finden!" Und schon war sie verschwunden.

Elbie kam sich unsicher vor. Sie setzte sich eingeschüchtert ein paar Reihen weiter unten von Trowa entfernt hin und begann die Sekunden zu zählen, bis Hilde wiederkam. Sie wollte auf keinen Fall mit Trowa allein sein. Ja, sie hatte regelrecht Angst vor ihm!

Sie spürte, wie sich seine durchdringenden Blicke in ihren Rücken bohrten und als sie hinter sich hörte, wie er aufstand, begann sie innerlich zu beten, dass er auch nur auf die Toilette wollte. Doch Elbie war noch nie ein Gott gläubiger Mensch gewesen und dementsprechend hatte Gott ihre Gebete auch nicht erhört.

"Wo ist er wirklich?", hörte sie die sanfte Stimme von Trowa plötzlich neben sich. Er war zu ihr heruntergekommen und saß nun dicht neben ihr. Viel zu dicht für Elbies Geschmack.

'Das ist ja wieder mal toll!', dachte sie sich. 'Von Tamara hält er sich fern, aber die alte Elbie ... ja, mit der kann man ja alles machen! So ein Mist, jetzt nimmt er mich durch die Mangel!'

"Ich weiß nicht, was du meinst", antwortete sie ihm - jedoch nur wenig überzeugend.

"Komm schon", meinte Trowa, welcher sich zurücklehnte und seine Arme auf den Lehnen der Sitze ausbreitete. Elbie schrumpfte immer mehr. Bei Trowas Stimme zuckte sie jedes Mal wieder zusammen.

"Müssen wir denn dieses Spielchen immer wieder spielen?", fragte er kalt. Er wusste, dass Elbie mit der Zeit klein bei geben würde. "Die Geschichte von Alan, der seinen armen Eltern helfen muss, ist doch erstunken und erlogen! Mit mir kannst du doch ehrlich sein? Ist er bei einem Einsatz? Warum bist du denn nicht dabei? Bist du etwa ... nicht qualifiziert genug?"

Elbie starrte verbissen hinunter in die Halle, wo Chang sich noch immer in Quatres Griff quälte. Sie hatte sich fest vorgenommen, nichts zu verraten.

"Wieso machst du da eigentlich noch mit? Bisher hat es dir doch nichts als Ärger eingebracht? Du weißt, dass du zu besserem fähig bist, Elbie ... du bist doch nicht dumm, oder?"

Trowa hatte sich zu ihr vorgebeugt und flüsterte ihr nun ins Ohr.

"Die Sache, die ihr hier zur Zeit abzieht, ist zu heiß! Das müsste dir doch mittlerweile klar sein! Und lange wird das nicht mehr gut gehen!" Er klang sehr eindringlich und drohend.

Elbie schluckte und erwiderte dann mit zitternder Stimme: "Was willst du eigentlich, Barton?"

Trowa senkte den Blick und sah Elbie von unten her an.

"Ihr seid nicht die einzigen, die hier mitmischen ... ich möchte wissen, wer die dritte Partei ist! Du weißt schon, die, die den Angreifer geschickt hat ..."

Elbie drehte ihren Kopf, nahm all ihren Mut zusammen und sah Trowa direkt in die Augen. Seine klaren und unglaublich kalten Augen. Es hatte sie schon immer gewundert, wie er derart professionell vorgehen konnte.

Sie lächlte ironisch: "Du würdest noch immer gut zu uns passen, Barton! Aber du weißt, vor welcher Entscheidung ich nun stehe: entweder machst du mich jetzt fertig ... oder Manaz tut es, weil ich gesungen hab ... und ehrlich mal ... wurdest du schon mal von Manaz bestraft? Ich noch nie, aber ich habe Leute getroffen, die es wurden ... und glaub mir," sie senkte ihre Stimme zu einem vielsagenden Flüstern, "du bist nichts gegen Manaz!"

Trowa erwiderte noch immer ihren Blick, doch dann sah er ein, dass Elbies Angst vor Manaz größer war, als die vor ihm. Sein Blick verhärtete sich und Elbie bekam regelrechte Panik, als er seinen Arm um sie legte und einen Gesichtsausdruck annahm, der ihr zeigte, dass er ihr gleich etwas antun werde, doch in diesem Moment hörte sie die Tür am anderen Ende des Ganges und erleichtert schoss es ihr durch den Kopf, dass das wohl Hilde wäre - ihre Rettung.

Trowa nahm unverzüglich seinen Arm zurück, stand auf und blickte hinunter in die Halle. Chang war es soeben gelungen, Quatre ein Bein zu stellen und sich so aus seiner Umklammerung zu befreien. Atemlos stand er da und war bereit, sich auf seinen Gegner zu stürzen, als Trowa rief: "Hey, Quatre! Ich hab grade mein Gedächtnis wieder gefunden, also lass uns tauschen! Ich könnte auch mal wieder etwas Übung gebrauchen!" Trowa lächelte hinunter und Quatre gab dieses Lächeln erleichtert zurück. Chang blickte düster Quatre hinterher, welcher sich nun zu den Umkleideräumen begab.

Während Hilde sich nun wieder zu Elbie gesellte, war Trowa dabei, über die Sitze nach vorn in die Halle zu steigen, als er sich noch mal kurz umdrehte, lächelte und leise zu Elbie rief: "Wenn du solche Angst hast, warum folgst du Manaz dann noch?"

Elbie blickte ihm wie in Trance hinterher.

"Hey, Elbie! Ich fass es nicht, ich hab tatsächlich das große Finale des Ich - halt - dich - versuch - doch - wegzulaufen - Spiels verpasst! Wie wärs? Wollen wir unten auch etwas rumturnen?" Hilde wartete jedoch erst gar keine Antwort ab, sondern zerrte Elbie gleich in Richtung der Damenumkleide.

Noch beim Weggehen blickte Elbie in die Halle hinunter, in welcher nun Trowa und Chang zu trainieren begannen, was schon mehr nach etwas aussah.

"Weil wir Freunde sind", murmelte sie leise.
 

Nach schier endlosen Minuten ging Relena nun wieder die kleine Treppe, welche zum Haus führte, hinunter. Sie hatte nicht noch einmal geklingelt. Es war ja eh niemand zu Hause.

Langsam entfernte sie sich von dem Haus.

Sie hatte Heero nicht bemerkt, welcher sie hinter einem Busch versteckt beobachtet hatte.

Er war nach dem ins Wasser gefallenen Training gleich wieder nach Hause gefahren, doch als er eine Gestalt vor seiner Haustür erblickt hatte, war er erst einmal in Deckung gegangen.

Schnell hatte er erkannt, dass es Relena war, dennoch kam er nicht heraus.

Relena sollte nicht wissen, dass er da war.

Sie sollte nicht wissen, dass er sie beobachtete.

Als sie etwas weiter weg war, kam Heero aus dem Gestrüpp heraus und sah ihr hinterher.

Relena hatte sich nicht noch einmal umgedreht.

Heero blickte ihr hinterher, bis sie weg war.

Dann stand er noch eine Weile vor dem Haus und dachte nach.

Tamara hatte ihm gezeigt, wie man einfach nur da ist und denkt und die Umwelt auf sich wirken lässt.

Genau das machte Heero jetzt.

Er war einfach nur da.

Dachte nach.

Und ließ die Dunkelheit und die Einsamkeit auf sich wirken.
 

Sanfte Klänge tönten gegen 11 Uhr abends aus der Wohnung. Die Nachbarn waren so etwas gar nicht gewohnt, da sie doch wussten, dass Duo meist nur laute und absolut chaotische Musik hörte. Sie waren dankbar, mal zu so später Stunde nur durch die Klänge eines klassischen Walzers oder so aus dem Schlaf geweckt zu werden.

In der Wohnung waren der Tisch, die Couch und der Fernseher provisorisch zur Seite gerückt worden, um einen großen freien Platz in der Mitte zu schaffen. Dort drehten sich nun Duo und Tamara im Takt der Musik.

Die beiden bildeten ein krasses Pärchen: beide absolut in schwarz, beide in ihre Gedanken versunken, beide tanzend. Tamara trug ihre Haare mit einer Spange hinten zusammen, so dass ihr nur fordere Strähnen ins Gesicht fielen.

"Du tanzt wirklich toll", bemerkte Duo plötzlich.

Tam blickte erschrocken zu ihm auf und sah wie er errötete.

"Ähm, ich meine", Duo geriet ins Stocken, " du tanzt jedenfalls besser als vor einer Woche! Du bist mir bisher jedenfalls noch nicht einmal auf die Füße gelatscht!" Er versuchte seine anfängliche Bemerkung zu überspielen, während Tamara schnell den Kopf senkte, damit Duo nicht bemerkte, wie viel ihr dieses Kompliment bedeutete.

Von überallher bekam sie doch immer nur Komplimente: wie hübsch sie sei, wie nett, wie intelligent usw. ... nur nicht von Duo ... er sagte ihr immer nur, wie nutzlos sie im Grunde doch sei und wie tollpatschig. Sie war stolz darauf, dass er sie mal für etwas lobte. Auch wenn ihr klar war, dass er im Grunde nur sich selbst lobte, weil er es ihr ja immerhin beigebracht hatte. Zusammen mit Hilde jedenfalls.

Tamara versuchte diese Gedanken loszuwerden, doch dafür drängelten sich ihr weitaus unangenehmere auf: Ihr wurde nämlich zum ersten Mal so richtig bewusst, dass sie mit Duo allein war.

Sie waren allein und tanzten.

Sie konnte seinen Atem auf ihren Haaren spüren, seine Wärme und sie glaubte sogar sein Herz pochen zu hören, so nah waren sie aneinander.

Ihr war das schrecklich unangenehm. Sie spürte, wie sie rot wurde und wie ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit in ihr aufstieg. Sie versuchte sich heftigst dagegen zu wehren, doch irgendwann gab sie es auf. Sie schloss einfach die Augen und tanzte weiter, wobei sie jeden Blickkontakt zu ihrem Tanzpartner vermied.

Sie bemerkte nicht, wie auch Duo in Gedanken vertieft war und verträumt auf sie hinabsah.

Eine Weile lang tanzten sie so, als plötzlich das schrille Klingeln des Telefons sie aufschreckte. Beide blickten hoch und sahen sich an. Sahen sich direkt in die Augen. Und erstarrten.

Tamara blickte ihm in an und war schockiert über so viel Offenheit und Gutherzigkeit, die sie in seinen Augen erblickte.

Duo blickte in ihre und wurde traurig über soviel Verschwiegenheit und Einsamkeit, die ihm da entgegenstrahlte, auch wenn Tamara dies zu verbergen suchte. In diesem Moment erkannte er, dass sie nicht das war, für das sie sich ausgab. Duo konnte diesen Gedanken nur noch nicht ganz richtig einordnen.

"Willst du denn nicht rangehen?", fragte Tamara ihn schließlich.

Duo blickte sie noch immer gefesselt an. Damit diese Situation nicht allzu peinlich für ihn endete, musste er sich schnell etwas einfallen lassen und so kam langsam aber sicher sein Verstand wieder zum Laufen. Er entschied sich, etwas von seinem natürlichen Charme zu versprühen, den er bei Heeros Schwester sonst nie anwandte.

"Äh, nein, eigentlich nicht!" Und dabei lächlte er entschuldigend, so wie er es immer tat.

Tamara war einen Moment lang verdutzt, doch dann erwiderte sie sein Lächeln von Herzen, so dass Duo glaubte in eine andere Welt gezogen zu werden.

"Spinner", und mit diesem Wort stieß sie Duo sanft von sich weg in Richtung Telefon.

Noch während Duo dabei war den Hörer abzunehmen, wurde ihm klar, dass Tamara ihn noch nie so angelächelt hatte.

Und ihm wurde auch klar, dass er womöglich sonstwas geben würde, um dieses Lächeln noch einmal sehen zu dürfen.

Tamara war ganz froh darüber, dass Duo erst mal kurz weg war, denn so konnte sie sich erst mal etwas abkühlen, was eigentlich recht schwierig war, denn alles in dieser Wohnung erinnerte sie an Duo und somit an die Situation von eben. Sie setzte sich auf die Couch und vergrub den Kopf in ihren Händen. Einen kühlen Kopf! Sie musste einen kühlen Kopf bekommen!

Nach einigen Minuten blickte sie auf und sah auf dem Tisch eine kleine Kette liegen. Die war ihr vorher noch gar nicht aufgefallen. Sie nahm das simple Schmuckstück in die Hand und betrachtete es näher. Der Anhänger war ein zierliches Silberkreuz. Tam wusste, dass es keine von Hildes Ketten war. Sie fragte sich, ob sie denn Duo gehörte. War er etwa religiös gebunden?

Im Nebenzimmer legte Duo gerade den Hörer auf. Es war Quatre gewesen, welcher von der Sporthalle angerufen hatte. Er hatte ihm erzählt, dass das Training mit Alan ausgefallen war, aber dass er dafür mit Chang geübt hätte und dass nun Trowa mit Chang und Elbie mit Hilde trainieren würden. Ja, Duo war darüber zwar überrascht, aber auch Hilde und Elbie, welche beide zwar kaum etwas vom Kampfsport verstanden, hatten sich etwas von Chang beibringen lassen und Elbie schien ja ganz schön kräftig zu sein. Quatre hatte sogar einen beifälligen Kommentar abgelassen, dass Elbie und Chang ein schönes Paar ergeben würden, doch Duo konnte sich nicht darüber lustig machen, da er krampfhaft nach einer Ausrede suchte, warum er nicht zu dem Training kommen konnte. Er konnte Quatre doch nicht erzählen, dass er mit Tamara tanzen üben würde. Also lenkte Duo, dem es unangenehm war zu lügen, das Thema geschickt um, indem er Quatre nach seinen Ermittlungen befragte. Darüber wollte der jedoch nicht am Telefon sprechen und so vereinbarten die beiden, sich morgen früh vor dem Camping- Ausflug noch zu treffen. Quatre kündigte noch an, dass Hilde sich soeben auf den Heimweg gemacht hätte und wohl bald zu Hause ankommen würde und dann verabschiedeten sich die beiden auch schon wieder telefonisch voneinader.

So fröhlich und frech Duo am Telefon auch gewesen war, so ernst und in Gedanken versunken war er plötzlich wieder, sobald er den Hörer aufgelegt hatte. Er starrte vor sich an die Wand und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Nach einigen Minuten ging er in das Wohnzimmer zurück, doch er blieb, als er Tamara auf der Couch erblickte, im Türrahmen stehen und beobachtete sie. Er konnte nicht erkennen, was sie in der Hand hielt, doch er wünschte sich im Moment nichts mehr, als das dieser Augenblick ewig sein würde. Und dass Tamara jetzt bloß nichts sagen würde, dann kam wieder die Gefahr auf, dass sich die beiden streiten würden.

"Glaubst du an Gott, Duo?", fragte Tamara ihn plötzlich nachdenklich.

Duo hatte gar nicht bemerkt, dass sie wusste, dass er wieder da war. Er kam in das Wohnzimmer hinein und erkannte nun endlich auch, dass Tamara seine Kreuz- Kette in der Hand hielt.

"Oh", machte er. "Weißt du, nein, im Grunde nicht." Er wollte ihr jetzt nicht irgendwas von Shinigami oder so erzählen. "Jedenfalls nicht an diesen Gott."

Er ging langsam zu ihr hin und nahm ihr die Kette sacht aus der Hand.

"Warum trägst du dann so etwas?", fragte Tamara unschuldig. Sie hatte sich anscheinend Gedanken darüber gemacht.

Duo öffnete den Verschluss der Kette und hängte sie sich wieder um den Hals.

"Es ist ... wie eine Art Erinnerung für mich", antwortete er ihr.

"Und du? Glaubst du an Gott?" Er blickte sie an, doch Tamara starrte ins Leere.

"Ich weiß nicht, woran ich glaube", antwortete sie leise.

Duo zog die Augenbrauen hoch. Er hatte da wohl in einem heiklen Thema rumgestochert. Schon das zweite Mal an diesem Abend. Plötzlich lächelte er.

"Weißt du eigentlich, dass du ein ein einziges riesiges Geheimnis bist?", fragte er sie.

Tamara blickte erschrocken auf und sah Duo fragend an.

"Ja, ich meine", versuchte sich zu erklären, "du bist so wiederspüchlich. Irgendwie kannst du total fies und spitz sein und irgendwie auch total nett und feinfühlig. Vor allem aber schaffst du es, Freundschaften zu schließen, ohne viel von dir preis zu geben."

Schon wieder. Da war er wieder, dieser Vorwurf, dass sie nichts über ihre Vergangenheit erzählen würde. Heero war so lieb gewesen und hatte niemals nach ihrem bisheren Leben gefragt, warum also wollte Duo plötzlich etwas über sie wissen. Tamara wurde langsam wütend und auch traurig zugleich.

"Woher hast du denn diese Kette, Duo?", fragte sie, ohne auf seine Aussage von eben einzugehen.

Duo verzog schmerzlich das Gesicht und blickte zur Seite: "Ich rede nicht gern darüber."

"Ich auch nicht!", sagte Tamara entschieden und stand energisch auf. Sie blickte Duo herausfordernd an und als dieser erschrocken zurückwich, meinte sie: "Ich weiß nicht, was du mit diesem Kreuz verbindest, aber es muss wahrscheinlich ein schmerzliches Ereignis deiner Vergangenheit sein. Etwas, woran du nicht gern von anderen erinnert werden möchtest. Auch ich will meine Vergangenheit gern vergangen sein lassen und den Schmerz vergessen, okay? Ich halte es für sinnlos, allen gleich meine Daseinsstory auf den Hals zu binden!" Da war er wieder, dieser miese Unterton, den Duo so an Tamara hasste. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er zur Selbstverteidigung diente.

"Ich lebe für das hier und jetzt und nicht für das damals!", meinte Tamara selbstsicher.

Sie und Duo sahen sich an. Er wusste nicht, was er ihr darauf erwidern sollte. Sie kam ihm so verletzlich vor. Duo wollte ihr helfen. Irgendwie. Aber wie sollte er das anstellen, wenn er doch nichts über sie wusste?

"Was verbirgst du eigentlich?", fragte er sie leise.

Tamaras Blick veränderte sich nicht. Sie sah Duo auch weiterhin in die Augen, als wenn sie darin nach etwas suchen würde.

Und dann kam Hilde nach Hause. Duo hörte, wie sich die Tür öffnete und wurde somit aus seinen Gedanken hochgeschreckt. Er war überrascht, dass Hilde schon so früh da war, doch noch bevor er etwas sagen konnte, hatte Tamara alle ihre Sachen zusammengepackt und war auch schon aus dem Raum. Als sie an Hilde vorbeikam, sagte sie nur schnell: "Ich muss los. Heero fragt sich sicher schon, wo ich bin. Bye!" Und schon war sie weg.

Hilde sah ihr verwirrt hinterher, dann kam sie ins Wohnzimmer und fragte wütend und vorwurfsvoll: "Okay, Duo! Was hast du wieder gemacht, dass sie so drauf ist?"

Duo stand in der Mitte des Wohnzimmers und starrte auf den Boden. Dann sah er hoch und blickte Hilde finster an. Ohne ein weiteres Wort ging er an ihr vorbei und schloss sich in seinem Zimmer ein. Jetzt verstand Hilde echt die Welt nicht mehr. Noch einen Moment starrte sie Duo hinterher, dann realisierte sie erst richtig das Chaos, das in der Wohnung herrschte ... und den fetten klebrigen Limonadenfleck im Teppich.
 

Spät am Abend klingelte bei Relena das Telefon. Als auch nach dem 5 Klingelton niemand den Hörer abnahm, schaltete sich ein altmodischer Anrufbeantworter ein. Die Stimme, die darauf sprach, war die von Millardo Peacecraft, Relenas Bruder. "Ich muss mit dir reden, Relena! Bitte melde dich so schnell wie möglich bei Noin!" Die Nachricht war kurz und prägnant. Und dennoch vergaß Relena am nächsten Morgen, den Anrufbeantworter abzuhören.



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