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All of our Flaws

Vi/Cait
von

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Kapitel 11: Asche

Kapitel 11: Asche
 

„Verdammte Scheiße“, fluchte Vi, die gerade damit beschäftigt war, nach einem erfolgreichen Einsatz ihre Handschuhe auszuziehen. Sie bleckte die Zähne, zwischen denen eine Zigarette klemmte und schnickte dabei die überstehende Asche auf den Boden von Caitlyns gerade erst geputztem Büro. Diese blickte von ihren Akten auf, die sie gerade bearbeitet hatte und musterte zuerst die Asche kritisch und dann Vi aufmerksam. „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie ruhig.

„Das Drecks Scharnier geht nich auf“, presste Vi zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und betätigte erneut dem Knopf im Inneren der Handschuhe, obwohl sie wusste, dass das eigentlich nicht das Problem an der Sache war.
 

„Soll ich mir das mal anschauen?“, fragte Caitlyn hilfsbereit, steckte die Kappe zurück auf den Füller und steckte ihn in seine Halterung. Dann erhob sie sich von ihrem Stuhl, um den Schreibtisch zu umrunden und Vi unter die Arme zu greifen.

Diese jedoch zeigte einen ablehnenden Gesichtsausdruck und zog die Handschuhe zurück, bevor Caitlyn sie berühren konnte. „Geht schon“, knurrte sie und hockte sich auf ihren Stuhl, bevor sie weiter mit den klobigen Fingern der einen Stulpe versuchte, die andere abzustreifen.

„Nun lass dir schon helfen“, meinte Caitlyn und wurde langsam sichtlich ein klein wenig genervt. „Was ist denn schon dabei? Selbst die beste Technik kann hin und wieder kleine Macken aufweisen.“
 

Noch immer stand sie vor Vi und musterte den Gesichtsausdruck ihrer Partnerin. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, schon seit sie vorhin von dem recht unspektakulären Einsatz zurückgekehrt waren. Vi war mit muffigem Ausdruck von ihrem Motorrad gestiegen und wortlos hinter Caitlyn ins Büro gestiefelt.

Die Mechanikerin schwieg einen Moment, dann seufzte sie. „Ist einfach `n schlechter Tag heute.“

Caitlyn setzte sich seitlich auf den Schreibtisch und überschlug die Beine, Vi noch immer im Auge behaltend. Diese schien so schlechte Laune zu haben, dass sie nicht einmal wie sonst die langen, bloßen Beine würdigen konnte. Innerlich musste Caitlyn ein wenig darüber schmunzeln, normalerweise konnte sie Vi damit immer ein wenig aufheitern. Im nächsten Moment schalt sie sich für diesen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die aktuelle Situation.
 

„Schlechter Tag? Inwiefern?“, fragte sie ruhig.

Vi schnaubte und hielt beide Handschuhe hoch: „Spür‘ meine Hände kaum.“

Sofort fiel Caitlyn wieder das ein, was Vi ihr vor einiger Zeit erzählt hatte, als sie sie in schlechtem Zustand in ihrer Wohnung vorgefunden hatte. Dass sie an schlechten Tagen kaum Gefühl in den Händen hatte und sich ihre Finger fremd und unkontrollierbar anfühlten.

„Verstehe“, antwortete sie schlicht und beugte sich vor, um die noch geschlossenen Schnallen zu lösen und Vi wortlos und mit neutralem Blick beim Ablegen ihrer Handschuhe zu helfen. Diesmal ließ Vi es sich mit nicht besonders beigeistertem Ausdruck gefallen – was hatte sie auch groß für eine Wahl.
 

Als die Handschuhe schließlich neben dem Schreibtisch lehnten, beugte Caitlyn sich vor und nahm beide Hände ihrer Partnerin in ihre eigenen, bevor sie begann, mit dem Daumen sanft über die Finger und den Handrücken zu massieren.

Vi blickte zu ihr auf, erneut mit diesem schwer zu deutenden Blick, mit dem sie sie in letzter Zeit öfter bedachte, schwieg jedoch.

Langsam, gemächlich, aber mit deutlich spürbarem Druck strich Caitlyn die Muskeln der Finger aus, fuhr über die Sehnen und Knöchel streichelte über die zahlreichen Narben, bewegte die Glieder der Finger leicht und hoffte, dass das, was sie in ihrer laienhaften Art tat, irgendetwas brachte. Immerhin schien es Vi ein wenig… zu beruhigen, wenn sie die Veränderung in ihren Zügen richtig deutete.
 

„Wird es ein wenig besser?“, fragte sie nach kurzer Zeit.

Vi zuckte mit den Achseln, stieß aber ein bestätigendes „Hmhm“, aus, während sie einen tiefen Zug von ihrer Zigarette nahm und sich langsam ein wenig zu entspannen schien.

Der Rauch kitzelte Caitlyn in der Nase und sie wedelte ihn mit einer Hand weg, um nicht zu husten. Dann fragte sie: „Ist es in letzter Zeit häufiger vorgekommen, dass du wenig Gefühl in den Händen hattest?“

„Nich öfter als sonst auch“, antwortete Vi. „Wird nich schlimmer. Aber auch nich besser.“

Caitlyn nickte. Immerhin etwas. „Vielleicht solltest du noch einmal zu einem Arzt gehen. Oder einem der Heiler im Kriegsinstitut. Es kann gut sein, dass sie dir dort helfen können.“

Vi zuckte mit den Achseln: „Solang‘s nich schlimmer wird, isses mir eigentlich egal.“ Doch Caitlyn konnte an dem Gesicht ihrer Partnerin nur zu deutlich erkennen, dass es nicht so war.
 

„Vielleicht erwähnst du es einfach mal beim Check-up nach dem nächsten Ligamatch. Schaden kann es jedenfalls nicht“, schlug sie wohlmeinend vor, während sie noch immer Vi‘s Hände in ihren eigenen hielt. Irgendwie war das ein schönes Gefühl, das musste sie zugeben. Zu ihrem Bedauern entzog sich Vi nun ihrem Griff, nahm die Zigarette umständlich und wie mit betäubten Fingern aus dem Mund, um die Asche am Rand des Aschenbechers von der Spitze der Zigarette zu schnicken. „Ja, mal schauen“, meinte sie ausweichend und nahm erneut einen tiefen Zug von der Zigarette.

Caitlyn war klar, dass sie es nicht erwähnen würde. Dennoch würde sie weiterhin versuchen, Vi dazu zu bringen, besser auf sich und ihre Gesundheit zu achten. „Ich will dir wirklich keine Vorträge halten, Vi… Aber meinst du nicht, du solltest vielleicht mit dem Rauchen aufhören?“

Vi stöhnte und lehnte sich mit ihrem Stuhl rücklings, bis sie auf den zwei hinteren Beinen zu kippeln begann. „Ne, mein‘ ich nich.“

„Ich mache mir nur Gedanken um dich, das weißt du“, fuhr Caitlyn damit fort, ihr jetzt doch einen Vortrag zu halten. „Und Rauchen verringert deine Ausdauer, schädigt deine Lungen und verschlechtert deine sportlichen Leistungen. Auch deine kämpferischen Leistungen.“

„Aber `s entspannt mich“, antwortete Vi und lehnte sich vor, um den Stummel der Zigarette im Aschenbecher auszudrücken. Dann verschränkte sie protestierend und abwehrend die Arme vor der Brust, bevor sie mit dem Kippeln fortfuhr.
 

Caitlyn seufzte leicht. Manchmal war Vi wirklich wie ein unbelehrbares Kind. „Aber es gibt auch andere Dinge, die man tun kann, um sich zu entspannen, Vi.“

„Sicher gibt‘s die“, antwortete Vi, fokussierte Caitlyn und grinste beinahe… lüstern.

Normalerweise hätte ein Kommentar wie dieser Caitlyn nicht aus dem Konzept gebracht, doch gerade erwischte er sie auf dem falschen Fuß und ein Schimmer Röte erschien auf ihren Wangen. „Lenk bitte nicht vom Thema ab, Vi“, tadelte sie ihre Partnerin, die daraufhin noch breiter zu grinsen begann.
 

„Ach komm schon, Cupcake. Ich ärger‘ dich ja nur‘n bisschen“, gab sie zurück und lachte kurz.

„Zieh meine Sorgen um deine Gesundheit bitte nicht ins Lächerliche“, antwortete Caitlyn und war überrascht wie ernst es ihr war. Wie sehr sie sich wirklich um Vi sorgte. Nicht nur unbedingt bezüglich der Zigaretten oder ihrer verletzten Hände. Sondern allgemein. Sie wollte sie nicht verlieren. Und in diesem Moment spürte Caitlyn, wie verletzlich sie das selbst machte.

„Ich möchte nur, dass...“, fuhr sie fort, verfiel dann jedoch in ein langes Schweigen. Sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte, ohne zu viel preiszugeben, von dem sie selbst noch nicht wusste, was es war.
 

„Was willst du, Cupcake?“, fragte Vi. Das Grinsen war aus ihrem Gesicht verschwunden und sie blickte ihre Partnerin ernst an.

Caitlyn schluckte kurz, bevor sie weitersprach: „Ich möchte, dass du bei guter Gesundheit bleibst. Weil ich mir Sorgen um dich mache.“

„Um mich brauchste dir keine Sorgen machen“, antwortete Vi. „Ich kann schon auf mich aufpassen. Hab ich immer.“

„Das weiß ich. Du hast viel durchgemacht und bist bei allem lebend herausgekommen. Und das ist auch bewundernswert.“ Sie stockte kurz, friemelte mit einer Hand an dem Saum ihrer Uniform, bevor sie sich schließlich zusammenriss und mit fester Stimme weitersprach, ihrer Partnerin dabei unablässig in die Augen sehend. „Ich möchte einfach nicht, dass dir etwas passiert, Vi. Dafür bist du zu wichtig. Für Piltover.“ Erneut schwieg sie kurz, bevor sie ehrlich hinzufügte: „Und für mich inzwischen auch.“
 

Vi erwiderte Caitlyns Blick schweigend und mit einem Funken Unsicherheit in den Augen, bevor sie schließlich mit den Achseln zuckte: „Werd‘ schon nicht sofort tot umfallen. Ich bin zäh, weißt du doch.“

Es war wohl kein Durchkommen bei Vi und Caitlyn spürte, dass sie dringend ihre schützende Mauer wieder aufbauen musste, bevor sie sich noch völlig emotional vor Vi entblößte, die ihre Freundschaft noch immer auf die leichte Schulter zu nehmen schien. Also erhob sie sich von ihrem Schreibtisch, setzte ihren üblichen neutral-kühlen Blick auf und nahm wieder auf ihrem Stuhl platz, bevor sie ihren Füller wieder zur Hand nahm. „Tu, was du willst, Vi. Du lässt dir ohnehin nicht von mir hereinreden. Ich wollte dir nur einen guten Ratschlag geben.“

Da sich ihr Blick nun wieder auf die Akten fixierte, konnte sie Vi‘s Gesicht und ihre Reaktion nicht sehen, doch wenige Momente später murmelte sie: „Ich geh trainieren“, verließ das Büro und zog die Tür hinter sich zu.
 

Am nächsten Tag fand Caitlyn eine halbleere Packung Zigaretten im Mülleimer ihres gemeinsamen Büros.
 

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„Warum muss das nur so verdammt schwer sein“, knurrte Vi und hörte, wie der Lutscher, den sie im Mund hatte, zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen knirschte und knackte, bevor ein Stück davon absplitterte.
 

Seit etwa einer Woche hatte sie keine Zigarette mehr angefasst – und es war schwerer gewesen als alles, was sie bisher in ihrem Leben versucht hatte – und das wollte schon was heißen.

Fluchend trat sie gegen die Kellerwand, die den Trainingsraum der Wache mit dem Flur verband und schob den Stängel des Lutschers in den anderen Mundwinkel, bevor sie weiter auf ihm herumkaute. Seit sie ihre Zigaretten weggeworfen hatte und einen persönlichen Schwur geleistet hatte, sich keine weiteren zu kaufen, hatte sie bestimmt fünfzig oder sechzig Lutscher vertilgt, nur um das Gefühl zu bekämpfen, unbedingt etwas im Mund haben zu wollen. Das war sicherlich nicht gut für ihre Figur, wenn sie ihren Frust auch beim Training abließ.
 

Mit einem genervten Stöhnen warf sie ihre Tasche in die Ecke, zog sich die Uniformjacke über den Kopf und stürzte sich nur noch in Muskelshirt und Uniformhose auf den Boxsack des Trainingsraumes, der die letzten Tage sehr unter ihrer schlechten Stimmung gelitten hatte.

Heute war der Entzug besonders schlimm – wenn sie auch hoffte, dass sie das Schlimmste bald überstanden hatte. Wie sie den Abend überstehen sollte, ohne sich besinnungslos zu betrinken, wusste sie noch nicht so wirklich, vor allem, da sie sich Zuhause nicht einmal körperlich verausgaben konnte. Vielleicht sollte sie sich auch einen Boxsack für Zuhause kaufen – so teuer konnten die Dinger doch gar nicht sein…
 

Nachdem sie in der Mittagspause eine komplette Packung Donuts alleine geleert hatte und noch vier weitere leere Lutscherstiele in den Abfall gewandert waren, konnte Vi endlich Feierabend machen. Und auf dem Weg nach Hause hielt sie bei einer Lederhandlung und kaufte sich einen mit alten Textilresten gefüllten, gepolsterten Ledersack, ließ ihn sich direkt einpacken und verlud ihn auf ihr Motorrad, bevor sie ihn Zuhause an einem Haken an der Decke anbrachte und sich zwei Stunden lang völlig an ihm verausgabte.
 

Als sie schließlich dampfend, schwitzend und völlig erledigt auf der Couch saß und den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken legte, während sie erneut an einem Lutscher saugte, erschien Caitlyns Gesicht vor ihrem geistigen Auge, wie sie sie mit ehrlich besorgtem Gesicht voller Zuneigung angesehen hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sich jemand genug um sie geschert, um zu versuchen, ihr wirklich… zu helfen. Und so war es doch schon die ganze Zeit mit Caitlyn gewesen. Nach außen hin wirkte sie eiskalt, aber wenn sie beide alleine waren, zeigte sie Seiten an sich, die Vi wirklich berührten und etwas in ihr bewegten, von dem sie nicht gedacht hatte, dass daran gerüttelt werden könnte: Ihre absolute und unangefochtene Selbstbestimmung.
 

Caitlyn zuliebe würde sie etwas besser auf sich Acht geben, etwas weniger rücksichtslos mit ihrem Körper umgehen. Denn wie sollte sie ihre Partnerin beschützen, wenn sie mit gebrochenen Gliedern im Straßengraben oder mit ruinierten Lungen im Krankenhaus… Nein. Vi fühlte sich Piltover verpflichtet. Und noch mehr als der Stadt fühlte sie sich ihrer Partnerin verpflichtet. So leicht würde Caitlyn sie nicht loswerden.

„Wirst schon sehen, Cupcake“, knurrte Vi und spuckte den leeren Lutscherstiel in hohem Bogen aus. „Das mach‘ ich mit links.“
 

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Als Vi am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Ihr kompletter Körper fühlte sich taub und schwach an und als sie sich von ihrer Couch erhob, schmerzten all ihre Muskeln in einem grauenvollen Ziehen.

„Verfluchter Muskelkater“, raunte sie und schleppte sich matt ins Bad, um zu duschen und wieder Leben in ihre Glieder zu bekommen, immerhin musste sie gleich fit zur Arbeit erscheinen. Und natürlich wollte sie Caitlyn nicht zeigen, wie sehr der Entzug sie mitnahm, also musste sie frisch und voller Energie wirken.
 

Nachdem sie sich angezogen und ihre Tasche gepackt hatte und gerade überlegte, ob ihr noch etwas fehlte, fielen ihr zweierlei Dinge auf. Das erste war ein bekannter Geruch, der aus dem Treppenhaus herrührte. Rauch, Schießpulver, Feuer. Das zweite war das Geräusch von schnellen Schritten, die die Treppe hinaufhetzten, einem leisen ‚Klink‘ und einem Zischen, das sie sehr eindeutig einer Lunte zuordnen konnte.
 

„Scheiße“, knurrte Vi und reagierte im Bruchteil einer Sekunde. Durch den Flur gab es kein Entkommen, also musste sie den anderen Weg nehmen – aus dem Fenster. Dass das bei der Höhe – immerhin wohnte sie im dritten Stock – tödlich enden konnte, ignorierte sie.

Hektisch drehte sie sich auf dem Fuße um und wetzte in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf das Fenster zu, ihre Tasche mit den Handschuhen und ihren Werkzeugen geschultert, verschränkte die Arme schützend vor dem Gesicht und brach mit einem lauten Klirren durch die Glasscheibe.
 

Noch während sie sich im Flug befand hörte sie die Explosion hinter sich, spürte die Hitze, als die Flammen des sofort einsetzenden Feuers sie umzüngelten, fühlte den Druck der Detonation, bevor sie sich in der Luft drehte und mit der rechten Hand nach einer an ihr vorbeisausenden Stange griff. Ein schmerzhafter Ruck ging durch ihren Körper, als ihr gesamtes Gewicht sie weiter nach unten zog, was sie mit einem kurzen Zischen zwischen zusammengebissenen Zähnen kommentierte, dann baumelte sie an der Regenrinne eines Balkons, ein Stockwerk unter dem ihren.
 

Ihr Blick glitt nach oben. Lodernde Flammen schlugen aus der zerstörten Fensterscheibe, leckten an den Mauern des Gebäudes und verbrannte in kürzester Zeit alles, was sich in ihrer Wohnung befand – ihren wenigen Besitz, ihr Sofa, ihr Heim – zu Asche.
 

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„Das war ein Anschlag auf dein Leben, Vi“, protestierte Caitlyn und stemmte die Hände in die Hüfte, während der Sanitäter noch immer damit beschäftigt war, Vi‘s Schürfwunden zu verarzten, die sie sich beim Zerbrechen des Glasfensters und den anschließenden Sturz vom Balkon aus dem zweiten Stock auf einen Müllcontainer zugezogen hatte.

„Das weiß ich selbst“, antwortete Vi knurrend und funkelte den Sanitäter wütend an, der kurz zurückzuckte, dann jedoch seine Arbeit fortsetzte und ihr ein formschönes Pflaster auf die Stirn klebte, wo sie eine ziemlich auffällige Schramme davongetragen hatte.

„Dann werden wir dagegen vorgehen“, fuhr Caitlyn vehement fort. „Wir müssen das untersuchen. Ich werde sicherlich nicht zulassen, dass ein solcher Angriff auf die Wache Piltovers und noch schlimmer – auf meine Partnerin – ungestraft bleibt.“
 

Vi blickte auf und Caitlyn erschrak ob der Kälte in Vi‘s blauen Augen, die sie bei ihr so noch nie gesehen hatte. „Das wirst du bleiben lassen“, knurrte sie. „Das ist meine Sache.“

Für einen kurzen Moment hielt Caitlyn inne, dann fand sie ihren Schwung wieder. Die Wut, die in ihr brodelte war mit der zu vergleichen, die sie verspürt hatte, als das Institut ihrer Mutter in die Luft gejagt worden war – und sie war sich sicher, dass die beiden Fälle etwas miteinander zu tun hatten. „Das war diese Jinx“, meinte sie mit einem deutlich hörbaren hasserfüllten Unterton.

Vi jedoch blieb ruhig und ernst. „Nein. Das war sie nicht, da bin ich mir sicher. Am Tatort war nichts – kein Graffiti, keine Notiz, gar nichts. Jinx hinterlässt Zeichen, damit man weiß, dass sie es war. Außerdem hätte sie von außen eine Bombe durch das Fenster gejagt. Das ist nicht ihr Stil.“

Seit dem Bombardement auf die Universität von Caitlyns Mutter hatte es noch zwei weitere Vorfälle gegeben, die man Jinx zuordnen konnte, doch noch immer waren sie ihrer nicht habhaft geworden.

„Aber es würde zu ihr passen, Vi. Mit jeder ihrer Aktionen hat sie die Wache selbst angegriffen. Ob es nun die Sabotage eines unserer Einsätze war, die Akademie meiner Mutter oder die Roboter, die wir im Dienst einsetzen. Dein Apartment in die Luft zu jagen, passt in ihr Schema“, gab Caitlyn zu bedenken.
 

Vi schüttelte leicht den Kopf und schubste den Sanitäter grob beiseite. Sie hatte genug von dem Herumgefummel an ihren Wunden – den Rest würde sie selbst versorgen.

„Ich weiß genau, wer das war“, knurrte sie.

Caitlyn schwieg einen Moment und bedeutete dem Sanitäter, sich aus dem Büro zu entfernen, was dieser schließlich tat, sich innerlich bestimmt über Vi‘s Unhöflichkeit beschwerend.

„Wer?“, fragte sie schlicht, als sie alleine waren.

Vi schnaubte: „Werd dir ihre Namen sicher nich‘ geben. Sind… alte Freunde von mir.“

Caitlyn setzte sich auf ihren Stuhl und blickte ihre Partnerin aufmerksam an: „Alte Freunde? Aus welcher Episode deines Lebens?“
 

„Die erste Episode, an die ich mich erinner“, antwortete Vi. „Sie ham mich in den Gassen aufgelesen und mir was zu essen gegeben. Dafür bin ich mit ihnen auf Diebestour gegangen.“

Caitlyn wusste, dass es Vi nicht gefallen hätte, wenn sie sich bei dieser ‚Befragung‘ Notizen gemacht hätte, aber ihr Gedächtnis war gut genug, als dass sie sich die Details würde behalten können. „Wie alt warst du?“

Vi überlegte einen Moment: „Keine Ahnung. Hab auch heute keinen wirklichen Plan, wie alt ich eigentlich bin. War bei ihnen, bis ich in dem Bergwerk verschüttet wurde. Danach hab ich mein eigenes Ding gedreht und Verbrecher gejagt.“

„Also die Jugendbande, bei der du warst?“, fragte Caitlyn ruhig. Noch ließ sich Vi ihre Fragerei gefallen, doch sie befürchtete beinahe, dass es damit bald vorbei war.
 

Ihre Partnerin nickte. „Ja. Genau die. Diese Art, was zu Sprengen, passt zu ihnen. Haben wir früher öfter gemacht. Irgendwo nen Sprengsatz an ne Tür geklebt, Chaos gestiftet, dabei woanders war geklaut. Die Kleberreste an der Tür passen zu gut. Ich weiß, dass sie‘s sind.“

„Dann haben wir genug in der Hand, um gegen sie...“, begann Caitlyn, bevor sie allerdings vehement von Vi unterbrochen wurde, die sich rasant von ihrem Stuhl erhob und mit der Faust auf den Tisch schlug: „Du wirst gar nichts.“ Ihre Stimme war eisig und wütend. „Das ist mein Bier. Und ich kümmer mich da allein drum.“
 

„Vi, wir...“, begann Caitlyn mit möglichst beruhigender Stimme, doch erneut fiel ihr ihre Partnerin ins Wort: „Die ham mich von der Straße gekratzt, als ich nur‘n namenloses Gör ohne Erinnerungen war. Ich such sie und dann red‘ ich mit ihnen. Aber ich werd‘ sie nich ans Messer liefern.“

„Vi, ich verstehe, dass dich eine alte Loyalität mit ihnen verbindet“, antwortete Caitlyn mit beschwichtigend erhobenen Händen. „Aber sie haben versucht, dich umzubringen.“

„Das war nur ne Warnung. Hätten sie mich umbringen wollen, hätten sie das anders angefangen. Ich bin mir nichtmal sicher, ob sie wussten, dass ich daheim war“, gab Vi zurück und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, bevor sie ihre Tasche schulterte – alles, was von ihrem Besitz noch übrig geblieben war, nachdem alles andere von den Flammen verschlungen worden war. „Ich such sie und stell‘ sie zur Rede.“
 

„Vi, selbst wenn sie dich nicht umbringen wollen“, antwortete Caitlyn und erhob sich ebenfalls von ihrem Stuhl. „Das, was heute passiert ist, war ein Attentat auf dein Leben. Diese Leute sind gefährlich.“

Vi schnaubte: „Und wenn‘s `n Mordversuch war, dann hab‘ ich den verdient. Ich hab‘ sie verraten und bin einfach abgehauen. Das ist meine Sache, Cupcake. Und ich muss damit fertig werden.“

„Vi, du bist nicht mehr alleine.“ Caitlyns Stimme war sanft, als sie um den Tisch herumging, um eine Hand auf Vi‘s Unterarm zu legen. Sie wollte ihrer Partnerin helfen – jetzt mehr als je zuvor, wo doch ihre Vergangenheit begann, sie einzuholen.
 

Doch Vi riss sich los. „Mach dir mal keinen Kopf drum. Ich werd‘ dich da nich noch mit reinziehen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ ihr gemeinsames Büro, noch immer den Geruch von Feuer und Schießpulver in den Haaren, mit Schrammen übersät, doch mit blitzenden Augen voller Kampfgeist.

Und Caitlyn war sich nicht sicher, warum genau Vi diese Sache alleine regeln wollte – ob nun wirklich aus vergangener, totgeglaubter Loyalität und dem Gefühl, ihren alten Freunden noch etwas schuldig zu sein – oder um sie, ihre Partnerin, zu schützen und vor dem gefährlichen Chaos, das ihr Leben war, fernzuhalten.
 

Einen Moment lang verspürte sie den Drang, hinter Vi herzurennen, sie aufzuhalten, sie zu packen, auf sie einzureden, sie vielleicht sogar zu umarmen und an sich zu ziehen, ihr zu sagen, dass sie sie niemals allein lassen würde.

Dann jedoch setzte sie sich wieder auf ihren Schreibtischstuhl, seufzte tief und griff mit zittrigen Fingern nach ihrer Teetasse. Ihr unsicherer Griff und ihre fahrige Hand ließen den Löffel, der am Rand der Tasse angelehnt war, leise gegen das Porzellan klirren.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo, ihr Lieben.

Hier wieder ein neues Kapitel. Das nächste folgt die Tage, ich hab' es schon fertig :D
Ich versuche jetzt, immer ein oder zwei Kapitel in der Rückhand zu haben, damit ihr nicht so lange warten müsst, selbst wenn ich mal viel zu tun habe.

In diesem Kapitel ist eine der Handlungslinien mal in ihre Startlöcher getreten und ich werde mich die nächsten zwei Kapitel damit beschäftigen :) Ich hoffe, ihr habt Spaß daran.

Im nächsten Kapitel gibt es mal wieder etwas 'Romantik', wenn man es denn so nennen will :D

Lasst mir gerne Kommentare da, ich freue mich über jeden einzelnen. Sie motivieren mich extrem!

Greetings,
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Darkdragon83
2017-09-12T10:24:20+00:00 12.09.2017 12:24
Uuh ich freu mich auch Mal wieder auf mehr Romantik. Ich meine langsam müsste doch Beiden klar werden dass die was voneinander wollen... ;)
Antwort von:  Leilan
12.09.2017 15:38
Die beiden sind ziemlich stur XD Bis die das zugeben, wird das noch ein WEilchen dauern. Aber das wird sie nicht davon abhalten, einander in mehr als nur einer Hinsicht an den Hals zu fallen. XD


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