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All of our Flaws

Vi/Cait
von

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Kapitel 10: Vom Kämpfen und Sterben

Kapitel 10: Vom Kämpfen und Sterben
 

Caitlyns Blick glitt über Vi‘s Gesicht, während sie nebeneinander aus dem Portalraum traten und einen der zahlreichen, schier endlosen, sterilen Gänge des Kriegsinstituts entlang gingen. Als sie erfahren hatte, dass Vi als Champion von Piltover akzeptiert worden war, hatte sie ein merkwürdiger Mischmasch aus Gefühlen überkommen, der auch jetzt noch spürbar war. Stolz auf Vi und sich selbst. Auf Vi, weil sie die Prüfung geschafft hatte und auf sich, weil sie es gewesen war, die Vi gefunden und rehabilitiert hatte. Besorgnis, weil sie wusste, was es hieß, ein Champion zu sein und sie nicht sicher war, ob Vi diesem Druck von außen standhalten würde. Und nicht zuletzt Freude darüber, dass ihre Partnerin nun auch in den Richtfeldern an ihrer Seite stehen würde, auch wenn sie sich noch nicht so recht vorstellen konnte, wie das sein würde.
 

Heute war ihr erstes gemeinsames Match. Vor drei Tagen war die Botschaft von der Liga gekommen, die eine Bitte um ihre Anwesenheit enthielt. Und natürlich waren sie der Bitte gefolgt. Der Grund für das Match war der Fund eines alten unterirdischen Labors – von dem sowohl Piltover als auch Zaun behaupteten, dass es zu ihren eigenen alten Forschungslaboren gehörte. Da man sich anderweitig nicht einigen konnte, wurde entschieden, die Richtfelder darüber urteilen zu lassen.

„Hier müssen wir nach rechts“, meinte Caitlyn und öffnete eine Tür, die zu einem neuerlichen Gang führte.

„Wie genau läuft das jetzt eigentlich ab“, fragte Vi mit einem betont gelangweilten Gesichtsausdruck, wenn auch Caitlyn an ihrer Gestik deutlich erkennen konnte, wie aufgeregt sie war.

„Zuerst einmal müssen wir in den Warteraum. Wenn der Kampf beginnt, werden wir aufgerufen, uns in die Beschwörungsräume zu begeben, wo unser Geist mit dem der Beschwörer verbunden wird und wir in die magische Zone des entsprechenden Richtfeldes gebracht werden. Das geschieht in einem einzigen Augenblick und fühlt sich ein wenig… merkwürdig an am Anfang. Als wärst du du selbst und doch irgendwie nicht.“ Sie machte eine vage Geste. „Es ist schwer zu beschreiben. Du wirst es selbst feststellen.“
 

Vi nickte knapp. „Hoff mal, wir müss‘n nich allzu lang warten“, brummte sie dann und fuhr sich über den rasierten Teil ihrer Haare – wie sie es immer tat, wenn sie unsicher und nervös war. Caitlyn musste leicht lächeln. Vi war grob und rauh, doch wenn man sie erst ein wenig besser kannte, war es leicht, die Nuancen ihrer Stimmungen zu erkennen.

„Das kommt wohl auf die Beschwörer an“, antwortete Caitlyn und bog erneut in einen anderen Gang ab, der in einen großen, runden Raum mit schwarzen Wänden mündete, in dessen Mitte sich momentan inaktive magische Linien und Windungen befanden, die fünf blaue Steinplatten umkreisten, die wohl die Portalsteine waren, mit deren Hilfe sie auf das Richtfeld gelangen würden. Erleuchtet war der Raum nur durch ein paar blau leuchtende, magische Fackeln, die auch die Seite symbolisierten, auf der sie im Richtfeld kämpfen würden.

Doch noch war dieser Raum nicht ihr Ziel. Caitlyn öffnete eine der zwei Türen zu ihrer Rechten – die Seite der Champions, während sich die Beschwörer links aufhielten – und trat vor Vi hinein. „Komm, Vi, ich werde dich denen vorstellen, die du noch nicht kennst.“

Diese nickte und folgte Caitlyn in den Warteraum, der ansprechend gestaltet war. Mehrere gemütlich aussehende Sessel um kleine Tische, eine Theke mit Erfrischungen und – nicht zuletzt – ein Bereich, der dazu da war, die Rüstungen für die Richtfelder anzulegen und letzte Vorbereitungen zu treffen.
 

An der Theke mit Erfrischungen lehnte ein gutaussehender Mann mit markantem Gesicht, bereits in seine typische, auffällige Rüstung gekleidet. Neben ihm stand seine Signaturwaffe, sein Merkur-Hammer, der im Kampf die Form und damit den bevorzugten Kampfstil wechseln konnte. Er blickte auf, als die Tür aufging und stellte seinen Drink, den er in der Hand hielt, zurück auf die Theke, um Caitlyn ein vielsagendes, charmantes Grinsen zuzuwerfen. An einem Tisch saßen zwei Yordles, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. Einen davon kannte Vi schon. Es handelte sich um den genialen Erfinder Heimerdinger. Der andere war in eine auffällige Fliegermontur mit hochgeschobener Fliegerbrille gehüllt und trug einen enormen weißen Schnauzbart. An einem Fenster des Raumes, den Blick nach draußen gewandt, befand sich eine junge Frau mit nach Vi‘s Ansicht beinahe perfektem Körper. Was an ihr jedoch auffällig war, war die Tatsache, dass sie nicht einfach so herumstand. Nein. Sie schwebte elegant eine handbreit über dem Boden und es schien unablässig eine leichte Brise durch ihre langen, blonden Haare zu wehen. Gekleidet war sie sehr knapp – nicht wirklich mehr als zwei verzierte Stoffbahnen, die sie ästhetisch umwehten. Neben ihr lehnte ein langer Stab.
 

Ezreal war nicht hier – Vi war gleichzeitig erleichtert und enttäuscht. Er war ein lustiger Zeitgenosse und wäre wenigstens jemand gewesen, den sie schon kannte. Allerdings mochte sie die Vertrautheit nicht, mit der er mit Caitlyn verbunden zu sein schien.

Die beiden Yordles unterbrachen ihr Gespräch und wandten sich zu den Neuankömmlingen um und auch die Frau am Fenster wandte den Blick zu ihnen.

Caitlyn setzte ihr übliches, höfliches, aber distanziertes Gesicht auf und sprach mit fester Stimme: „Gut, dass wir beinahe vollständig sind.“ Ihre Aussage schien auf Ezreal abzuzielen. Der Mann ihnen gegenüber schulterte seinen Hammer und kam zu ihnen hinüber. „Er lässt sich entschuldigen. Seine Kontakte haben wohl eine neue Ausgrabungsstätte in Shurima entdeckt, die er sich jetzt ansehen will.“

Caitlyn nickte knapp: „Nun gut. Lasst mich euch allen Vi vorstellen, meine Partnerin bei der Wache Piltovers, die ab heute hier in der Liga der Legenden als die Vollstreckerin Piltovers bekannt sein wird. Sie wird uns in unseren Kämpfen gegen Zaun unterstützen. Vi, das hier sind Jayce, der Verteidiger von Morgen, Heimerdinger, der verehrte Erfinder, Corki, der kühne Bombenschütze und Janna, die Wut des Sturmes.“
 

Jayce beugte sich nach vorne und reichte Vi freundschaftlich die Hand. Er war ihr auf den ersten Blick sympathisch. Ein wenig arrogant schien er zu sein, doch hatte er wohl das Herz am richtigen Fleck und die nötige Portion Humor, um ihr sofort zu gefallen. Vi nahm seine Hand und schüttelte sie grinsend. „Freut mich, dich kennen zu lernen, Vi“, meinte er und ihr entging nicht, dass er ihre Rundungen interessiert musterte. Männer. Waren doch alle gleich.

Nachdem sie auch Heimerdinger, der sie lächelnd wiedererkannt hatte, und Corki die Hand geschüttelt hatte, tauschte sie einen kurzen Blick mit Janna, die ihr mit einem sanften Lächeln zunickte: „Willkommen in der Liga.“
 

Wie Vi wusste, war Janna ein langjähriges Mitglied der Liga der Legenden, ja, sie gehörte sogar zu den Champions, die direkt nach der Gründung beigetreten waren. Sie war nicht direkt ein Champion Piltovers, allerdings verband sie eine jahrelange Freundschaft mit der Stadt, seit sie bei einem Brückenunglück bei einem Unwetter viele Leben gerettet hatte. Außerdem hatte sie mit den meisten Champions Piltovers eine Aversion gegen Zaun gemeinsam.

„Abwesend sind heute Ziggs, der Hexplosions-Experte und natürlich Ezreal, der verwegene Forscher, der… wohl genau das tut. Wie immer“, fügte Caitlyn nun noch mit leicht gereizter Stimme hinzu. „Dabei hatte ich darum gebeten, dass heute jeder anwesend ist.“

Jayce zuckte mit den Achseln und grinste Vi an: „Du wirst sie schon noch alle im Laufe der Zeit treffen.“
 

Vi zuckte mit den Achseln. Wenn es nach ihr ginge, hätte das hier alles durchaus weniger förmlich zugehen können. Sie mochte diesen ganzen Trubel sowieso nicht. Also grinste sie ein wenig schief und meinte: „Ich zieh‘ mich dann mal um“, und deutete mit dem Daumen auf die Umkleiden. Als sie sich in eine der Kabinen zurückgezogen hatte, war sie erleichtert, für einen Moment alleine zu sein und sich mental auf das vorbereiten zu können, was gleich auf sie warten würde. In ihrer Magengrube flatterte es unangenehm und all die fremden, wichtigen Persönlichkeiten machten das Ganze auch nicht besser. Nachdem sie ihre Rüstung und ihre Handschuhe angelegt hatte, deren Funktion noch ein letztes Mal überprüft hatte, hörte sie ein Klopfen an der Tür. „Vi?“

Es war Caitlyn. „Was gibts?“, erwiderte sie. „Kannst reinkommen.“
 

Die Tür öffnete sich und Caitlyn trat ein, nur um sich dann auf einer der Bänke der Umkleide niederzulassen. „Es ist bald soweit“, sagte sie schlicht und blickte zu Vi hinüber.

Diese nickte. „Dacht‘ ich mir.“

„Bist du in Ordnung“, fragte Caitlyn ruhig und nicht im Geringsten vorwurfsvoll. Vi wurde bewusst, dass Caitlyn – natürlich – durch ihr selbstbewusstes Auftreten hindurchgeschaut hatte und erkannt hatte, wie aufgeregt sie war. Zwar fühlte sie sich ein klein wenig beleidigt, doch schluckte sie das schnell hinunter.

„Ja. Denk‘ schon“, antwortete Vi achselzuckend. „Lampenfieber“, fügte sie noch leicht grinsend hinzu.

„So ging es mir beim ersten Mal auch“, antwortete Caitlyn ruhig. „Und eigentlich ist es immer noch so.“
 

Vi musterte sie. Caitlyn trug bereits ihre typische Uniform für die Richtfelder – eigentlich war es nicht mehr als ein modisches, lilafarbenes Kleid mit weißen und braunen Verzierungen und – nicht zu vergessen – einen enormen, lilanen Zylinder.

Früher hatte Vi sich gefragt, warum man auf den Richtfeldern so unpraktische Kleidung trug und nicht lieber schützende Rüstungen, inzwischen wusste sie jedoch, dass dergleichen auf den Richtfeldern ohnehin keinen Schutz bot. Denn die Magie, die dort gewoben wurde, sorgte dafür, dass nur das, was innerhalb der Richtfelder erworben wurde, einen Einfluss auf die eigene Kraft und Widerstandsfähigkeit hatte. Auch daran würde sie sich gewöhnen müssen. Sich anfangs schwach zu fühlen und dann Stück für Stück immer stärker zu werden.
 

„Du siehst aber nich nervös aus, Cupcake“, meinte sie schließlich und setzte sich Caitlyn gegenüber auf eine Bank, sich mit ihren riesigen Kampfhandschuhen abstützend.

„Nervös ist vielleicht das falsche Wort“, antwortete Caitlyn ausweichend. „Ich möchte dir keine Sorgen bereiten, aber… ein Kampf auf den Richtfeldern ist meistens nicht gerade die angenehmste Erfahrung. Die wenigsten von uns haben wirklichen Spaß daran.“

Vi schwieg für einen Moment und fragte dann: „Warum?“

„Weil die Kämpfe dort unerbittlich sind. Schmerzhaft. Grausam. Bis zum Tod. Und das immer wieder, bis eine der beiden Seiten gewinnt“, antwortete Caitlyn ruhig.
 

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Mit einem letzten Schlag ihrer Stahlfäuste zwang sie den Kluftkrabbler zu Boden und beobachtete, wie er im Fluss abtauchte, in dessen Mitte schwamm und die Fühler nach oben richtete. Aus der Verbindung mit ihrem Beschwörer konnte sie spüren, dass sie damit die Sichtverhältnisse für ihr Team verändert hatte. Gut.
 

Die Feuchtigkeit des knietiefen Flusses, in dem sie stand, kroch ihr die Beine hinauf, behinderte sie jedoch nicht so stark, wie sie anfangs befürchtet hatte. Die Atmosphäre hier im Richtfeld selbst war… merkwürdig, so wie Caitlyn es beschrieben hatte. Sie fühlte sich irgendwie… von sich selbst distanziert und der Eindringling in ihrem Kopf, der ihren Bewegungen nachhelfen konnte und ihr Anweisungen gab, machte die ganze Sache nicht wirklich angenehmer. Zwar ließ ihr der Beschwörer, der den Namen Lucius Hamilton trug, im Kampf weitgehende Freiheit, doch war es schon vorgekommen, dass sie sich plötzlich an einem gänzlich anderen Platz wiedergefunden hatte oder dass die wilde Kreatur im Dickicht, auf die sie eben noch mit voller Kraft eingeschlagen hatte, plötzlich vernichtet zu Boden fiel. Langsam gewöhnte sie sich ein wenig daran.

Das Match war noch nicht allzu lange im Gange, nicht einmal zehn Minuten wohl, wenn ihr die Zeit auch wesentlich länger vorkam.
 

„Versuchen wir mal, etwas unten zu bewegen“, hörte sie die Stimme von Hamilton im Kopf und hörte, wie er ihren Teammitgliedern ihre baldige Ankunft ankündigte. Vi setzte sich in Bewegung den Fluss hinab und konnte erkennen, wie dieser bald im Boden versiegte und den Blick auf den von Büschen umrahmten Weg freigab, auf dem gerade Caitlyn und Janna damit beschäftigt waren, Wellen um Wellen von Vasallen zu bekämpfen, während sie versuchten, den giftigen Nebeln auszuweichen, die die beiden zhaunitischen Champions Singed und Twitch ihnen entgegenwarfen – keine leichte Aufgabe, wie es schien, denn sie waren bis zu ihrem Turm zurückgewichen.

Auf Hamiltons Anweisung hin schlug Vi einen Bogen und bereitete einen Sprint vor. „Jetzt!“, brüllte Hamilton und auf sein Kommando hin setzten sich auch Caitlyn und Janna in Bewegung, scheinbar deutlich besser in Einklang mit ihrem Beschwörer – selbstverständlich, immerhin machten sie das Ganze auch schon länger.
 

Vi sprang aus dem Busch hervor, holte Schwung und rammte ihre Faust fest in den Rücken der Pestratte, die gerade einen Beutel mit stinkendem Gift nach ihrer Partnerin geworfen hatte. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen rief sie: „Zeit für das Abrisskommando!“ Es war leicht, die Ratte niederzuringen, wenn ihr sein Gestank auch beinahe Tränen in die Augen trieb.

Sie hörte, wie Caitlyn eine ihrer berühmten Fallen abschoss, die im nächsten Moment zuschnappte und eine von Twitchs Pfoten festhielt, der quietschend jaulte.
 

Gerade wollte Vi ihn ein weiteres Mal schlagen, als sie spürte, wie sie um die Hüfte gepackt und über die Schulter des verrückten Chemikers in eine Pfütze aus Kleber geworfen wurde und sich in einer Wolke aus Gift widerfand, das ihr in den Augen brannte, ihr Blut aus Nase und Mund laufen ließ und ihre Haut wie Säure verätzte. Sie keuchte hustend und ihre Sicht vernebelte, während sie um sich herum noch immer den Kampflärm hörte. Ein lautes, quiekendes Kreischen zeigte ihr deutlich, dass es Caitlyn gelungen sein musste, Twitch zu erledigen, doch es blieb immer noch der wahnsinnige Chemiker, der ihr in diesem Moment in den dunstigen Giftnebeln entgegentrat.

Vi riss sich zusammen, obwohl ihr das Gift gerade die Atemwege verätzte und sie Blut spucken ließ, holte aus und schlug mit voller Kraft nach dem dürren Mann, der jedoch sein Schild hob, um ihren Schlag abzublocken. „Aus dem Gift heraus“, rief Hamilton in ihrem Kopf.
 

Ihre Schuhe, die noch immer in zähem Klebstoff feststeckten, ließen sich kaum bewegen und Vi spürte, wie ihre Lebensgeister wichen… ein Gefühl, das ihr Angst machte. Wirkliche Angst.

In diesem Moment spürte sie, wie eine wundervoll weiche Aura sie umgab, die das Gift mit sanftem Wind vertrieb und ihr neue Kraft gab. Durch den weichenden Nebel konnte sie Janna sehen, die ihre Magie in einen Schild gewoben hatte und nun einen heilenden Sturm um sich herum wirkte, der den wahnsinnigen Chemiker hinfortgefegt hatte. Vi wischte sich das Blut von Nase und Mund und sprang Singed hinterher, bereit, ihm den Rest zu geben.
 

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„Wir können sie nicht davon abhalten, den Baron zu töten“, hörte Vi Hamilton in ihrem Kopf mit den verbündeten Beschwörern diskutieren.

„Wir müssen es versuchen“, antwortete Caitlyns Beschwörerin, eine ältere Frau, die Vi schon das gesamte Match über durch ihre energische und unnachgiebige Art aufgefallen war. „Sonst verlieren wir die Türme in der gesamten mittleren Linie. Das können wir uns taktisch nicht erlauben. Wir müssen versuchen, den Segen des Barons zu stehlen.“
 

Im ersten Moment wusste Vi nicht, was genau die Bedeutung der Worte war, die sie da gerade gehört hatte, doch nur ein paar Sekunden später wurde es ihr klar, als Hamilton sie anwies, sich hinter einer Felswand in Stellung zu bringen und auf sein Kommando zu warten.

Caitlyn war nicht bei ihr. Sie war gefallen, ein Strahl von Viktors dritter Hand hatte sie vor ihren Augen zerteilt, bevor sie sich aufgelöst hatte, um sich im Brunnen erneut zu materialisieren.

Einzig Jayce war noch übrig, der auf der anderen Seite des Richtfeldes gerade damit beschäftigt war, den wahnsinnigen Dr. Mundo in Schach zu halten – von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Sie war auf sich alleine gestellt.
 

„Jetzt!“, gab Hamilton erneut das Kommando und seinem Wort folgend brach Vi mit einem einzigen Schlag ihrer Faust durch die Wand, um sich dann in einem runden, von Felswänden umkreisten Bereich des Flusses wiederzufinden, der dem ähnlich war, in dem sie Minuten zuvor einen wahrhaftigen Drachen erlegt hatten. Inmitten des Wassers war ein Kampf entbrannt. Auf der einen Seite befanden sich Viktor, Twitch, Singed und Zac, voll und ganz damit beschäftigt, ihrem Kontrahenten den Sieg abzuringen – einer riesigen schlangenähnlichen Bestie, der die Beschwörer den Namen Baron Nashor gegeben hatten.
 

Vi wusste sofort, was Hamilton von ihr gewollt hatte. Von ihr erwartete.
 

Mit einem Schlag ihrer Faust zerschmetterte sie die riesige Bestie und spürte, wie beinahe sofort eine neue Kraft sie durchfuhr, die sie so noch nie gespürt hatte. Doch all die Macht, die sie in diesem Moment durch den Segen des Barons bekam, würde ihr nicht helfen, gegen die Übermacht der vier zhaunitischen Champions.
 

„Sie hat es gewagt“, hörte sie Viktors beinahe mechanische Stimme, während er mithilfe seines dritten Armes ein Feld um sie herum aufbaute. „Tötet sie, tötet sie!“, quietschte Twitch und lud seien Armbrust nach. Das letzte, was sie sah, bevor sie in eine Welt des Schmerzes und Giftes eintauchte, war Zac, der seine Arme im Boden vergrub, sie spannte, mit einem langen Satz bei ihr war, ihren Kopf mit einem seiner Arme packte und in den matschigen Grund des Flusses drückte.
 

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„Komm, Vi. Es ist Zeit, heimzugehen.“

Es dauerte eine ganze Weile, bis Vi aufblickte. Wie lange sie hier in der Umkleide gesessen hatte, wusste sie nicht, aber dem Licht, das vom Warteraum in den Flur fiel, zeigte ihr, dass es wohl schon Abend war.

Vor ihr stand Caitlyn, inzwischen wieder in Alltagskleidung, ihre Waffe geschultert, mit einer Tasche in der Hand.

„Hmmm“, brummte Vi, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben. Alles fühlte sich… ungewohnt an, und das, obwohl sie nicht einmal eine Stunde in der Kluft der Beschwörer gewesen war. Ihr Körper… fühlte sich unecht an, ungewohnt und schwer.

Caitlyn wartete einen Moment, trat dann aber zu Vi in die Umkleide und setzte sich neben sie. Vi mied ihren Blick und stierte nur auf die Wand ihr gegenüber.
 

Eine Weile lang schwiegen sie sich an, dann ergriff Caitlyn wieder das Wort: „Willst du darüber reden?“

Es dauerte einen Moment, bis Vi antwortete. „Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann.“

„Woran“, fragte Caitlyn ruhig. Irgendwie tat Vi ihre Stimme gut. Sie war ein ruhiger Pol in all den aufgewühlten Gefühlen, die in ihr kämpften. Sie schloss die Augen.

„Das Sterben“, antwortete sie schlicht.

Erneut wurde der in der Abenddämmerung langsam immer dunkler werdende Umkleideraum in Schweigen gehüllt.
 

„Es ist schwer, ich weiß“, meinte Caitlyn schließlich. „Es ging mir anfangs nicht anders. Man durchlebt in den Richtfeldern… vieles. Vieles, das unangenehm ist. Das Sterben ist eines davon.“

Vi nickte knapp. Sie hatte in ihrem Leben schon oft Verletzungen davongetragen oder Schmerzen erlitten. Aber das, was sie heute auf den Richtfeldern erlebt hatte, war eine ganz neue Ebene von Leiden. Und Caitlyn erlebte das Ganze schon seit Jahren.

Plötzlich fand Vi eine Verachtung in sich für all die Leute, die sich die Ligamatches ansahen wie… Sport. So wie sie es früher getan hatte. In einer Kneipe sitzend, mit einem Auge die Übertragung verfolgend, mit dem anderen Auge mit einem hübschen Mädel flirtend. Während auf den Richtfeldern gerade Champions für das Wohl von Piltover litten, kämpften und… starben.
 

„Nichts davon ist echt“, fuhr Caitlyn nach einer Pause fort. „Es ist nur ein… temporäres Gefühl. Du musst dich davon distanzieren.“

„Temporäres Sterben fühlt sich immer noch verdammt scheiße echt an, wenn du mich fragst“, schnauzte Vi und spuckte auf den Boden.

Caitlyn schwieg erneut. „Ich weiß“, sagte sie schließlich und legte Vi eine Hand auf den Oberschenkel. Unwillkürlich musste Vi an den Moment denken, als Caitlyn verletzt am Baum gesessen hatte.

„Lass uns nach Hause gehen, Vi.“

Endlich drehte Vi den Kopf und blickte ihre Partnerin an, deren ernster, aber auch ein wenig besorgter Blick wohl die ganze Zeit auf ihr geruht hatte.
 

„Okay“, antwortete Vi schlicht, erhob sich, schulterte ihre Tasche und machte sich mit Caitlyn zusammen auf den Weg zu den Portalräumen, die sie zurück nach Piltover bringen würden.

„Willst du heute bei mir übernachten?“, fragte Caitlyn wie beiläufig, als sie nicht einmal eine halbe Stunde später das Rathaus von Piltover verließen, in dessen Keller sich eines der Portale zum Institut des Krieges befand. Vi, die sich gerade auf den Weg zu ihrem Motorrad hatte machen wollen, blickte sie an und war kurz ein wenig überrascht. Seit der Nacht in Vi‘s heruntergekommen Apartment hatten sie keine Nacht mehr gemeinsam verbracht – auf welche Art auch immer.

Vi wusste, warum Caitlyn es ihr anbot. Und sie konnte nicht ablehnen.

„Warum nich“, meinte sie knapp. „Du fährst mit?“, fügte sie hinzu und deutete mit dem Daumen locker auf ihr Motorrad, das auf dem Parkplatz des Rathauses stand.
 

„Möchtest du auch eine Tasse Tee?“, fragte Caitlyn, während sie Wasser auf dem Herd erhitzte. Vi löste ihren Blick von den nächtlichen Lichtern Piltovers und blickte über die Schulter zu ihrer Partnerin, die in der Küche stand. „Okay“, antwortete sie schlicht. Es war noch keine fünf Minuten her, dass Caitlyn die Tür zu ihrer Wohnung aufgeschlossen hatte. Vi war die Fahrt über schweigsam gewesen – ihr war einfach nicht danach, zu reden – und Caitlyn hatte das respektiert.

Auf einem Tablett brachte Caitlyn zwei Teetassen und eine Schüssel mit Keksen hinüber zum Wohnzimmertisch und setzte sich auf einen Sessel schräg neben Vi, wo sie die Beine elegant überschlug und eine Tasse in die Hand nahm.

Wäre ihre Stimmung nicht so gedrückt gewesen, hätte Vi wohl nicht umhin gekonnt, die weiche Eleganz von Caitlyns Beinen zu bewundern, die von ihrem recht kurzen Rock vollkommen entblößt wurden. Gerade war ihr aber nicht danach.
 

Dafür, dass Caitlyn sie heute hier übernachten ließ, war Vi dankbar. Sie hätte daheim nicht gewusst, was sie mit sich hätte anfangen sollen.

„Mein erstes Ligamatch war dem, das wir heute hatten, recht ähnlich“, fing Caitlyn schließlich doch an zu reden. Vi reagierte kaum, nahm einen Schluck Tee und ließ ihre Partnerin sprechen, ohne sie zu unterbrechen.

„Piltover gegen Zaun. Ich hatte Janna bei mir – so wie heute. Ich weiß nicht, wie es ohne sie verlaufen wäre.“ Sie machte eine kurze Pause und rührte ihren Tee um. Ein leises `kling` ertönte, als der Löffel gegen das Porzellan der Tasse stieß. „Ich kam nicht besonders gut mit meinem Beschwörer klar. Ich meinte, alles besser zu wissen. Ich… bin sehr oft gestorben. Ohne Janna vermutlich noch öfter. Gegen Ende des Matches hatte ich kaum noch den Mut, die Basis zu verlassen. Ich hatte Angst.“
 

Erneut schwieg sie für eine Weile. Vi wandte den Kopf zur Seite und blickte in Caitlyns Gesicht, die den Blick erwiderte. Warm und verständnisvoll. Und voller schmerzhafter Erinnerungen.

„Das Ganze war mir eine Lehre, besser mit meinem Beschwörer zusammenzuarbeiten. Vor dem nächsten Match hatte ich jedoch regelrecht Panik. Wie du dir sicher vorstellen kannst, habe ich anfangs nicht besonders gut abgeschnitten.“

Sie lächelte ein wenig schief. „Allerdings ist mir im Laufe dieses zweiten Matches eines klar geworden. Der Grund, warum ich das Ganze tue.“
 

Ihr Blick wanderte aus dem Fenster und sie ließ ihn über die zahlreichen bunt erleuchteten Hochhäuser Piltovers gleiten. „Das dort draußen. Piltover und seine Bürger. Wir liegen seit so vielen Jahren mit Zhaun in Streit und Krieg. Die kleineren oder größeren Unstimmigkeiten und Gefechte haben schon so viele Opfer gefordert, so viele Unschuldige, die bei Hextechexplosionen oder Giftattentaten gestorben sind. Mit der Liga und den Kämpfen auf den Richtfeldern können wir solche Opfer verhindern, Vi.“ Sie suchte erneut den Blick ihrer Partnerin und blickte sie fest an. „Ich weiß nicht, was genau dich letztendlich bewogen hat, den Schritt zu gehen, der Liga beizutreten… Und ich weiß auch nicht, ob ich das Recht dazu habe, dich danach zu fragen. Aber vergiss deine Gründe nicht. Behalte sie vor Augen.“
 

Sie nahm einen Schluck Tee, bevor sie weiter redete. „Wir beide kämpfen tagtäglich zum Wohl der Bevölkerung von Piltover. Gegen Verbrecher von innerhalb und außerhalb. Aber mit diesem einen Match, das wir heute gegen Zhaun ausgefochten haben, haben wir wohl mehr Leben gerettet als mit einem ganzen Monat Arbeit in der Wache. Und dabei ist es sogar vollkommen gleichgültig, ob wir gewinnen oder verlieren. Denn die Angelegenheit, um die es geht, ist mit dem Ende des Matches rechtsgültig und unwiderruflich.“ Sie lächelte leicht. „Natürlich bin ich trotzdem froh, dass wir gewonnen haben.“
 

Vi schwieg eine ganze Weile und ließ die kleine Rede, die Caitlyn gerade gehalten hatte, erst einmal sacken. In diesem Moment erinnerte sie sich an das, was Kayle ihr gesagt hatte, bevor sie in das Büro der Kanzlerin eingetreten waren. Dann nickte sie: „Du hast Recht. Ich mach‘ den Job, weil mir was liegt. An Piltover.“ Das war wahr. Es war nicht nur die Tatsache gewesen, dass sie bei Caitlyn sein wollte, dass sie der Liga beigetreten war. Seit einigen Jahren hatte sie das Verbrechen aus dem Schatten heraus bekämpft, dann hatte sie es dank Caitlyn mit dem Rückhalt des Gesetzes tun können und jetzt… konnte sie auf den Richtfeldern dafür kämpfen, dass Piltover seine Konflikte friedlich lösen konnte und konnte dabei sogar mit ihrer Kraft dafür einstehen, dass Piltover seine politischen Differenzen siegreich beenden konnte.

Caitlyn nickte: „Ich weiß. Darum habe ich dich damals auch für die Wache rekrutiert. Ich wusste, dass unsere Stadt und seine Bewohner etwas bedeuten und dass deine Fähigkeiten im Kampf gegen das Verbrechen von unschätzbarem Wert sein würden.“
 

„Und dafür musst du jetzt mit meinem Chaos und meinem Problem mit Autoritätspersonen arbeiten. Du bist wohl schon immer so gewesen, dass du die anderen über dich stellst“, meinte Vi schließlich mit einem leichten Grinsen.

Caitlyn erwiderte ihren Blick mit einem warmherzigen Lächeln. „In dieser Sache haben wir wohl einiges gemeinsam, meinst du nicht…?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo, ihr Lieben.

Hier das nächste Kapitel, in dem es mal kämpferisch ein wenig zur Sache geht. Ich tue mich immer noch ein wenig schwer darin, Action zu beschreiben, aber ich habe hoffentlich alles einigermaßen passend darstellen können.

Und endlich sind einmal so gut wie alle Champions von Piltover aufgetreten. Leider konnte ich ihnen nicht allen die gebührende Zeit widmen, aber ich hoffe, ich habe sie dennoch einigermaßen getroffen.

Ich würde mich über Kommentare sehr freuen :D

Im nächsten Kapitel (das schon fertig ist), gibt es mal wieder etwas Handlung (und schon wieder Action). Aber bald wird es auch wieder romantischer, versprochen. ^^

Greetings,
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  xXxMephistoxXx
2017-08-30T22:11:04+00:00 31.08.2017 00:11
Sehr gut ;) Ich freue mich über jedes Kapitel aber noch mehr freue ich mich über Romantik *__* gerade bei zwei solch unterschiedlichen Charakteren ,will das die beiden endlich mal nen großen Schritt aufeinander zu machen !! xD
Lg
Antwort von:  Leilan
31.08.2017 08:50
Ich auch. Sehr sogar XD Aber ich hab insgesamt ungefähr 30 Kapitel geplant, da würde mir der Stoff in der Beziehungsentwicklung ausgehen, wenn ich die beiden zu schnell zusammenkommen lassen würde XD Da kommt noch einiges an Handlung und ganz so einfach will ich es ihnen ja auch nicht machen XD


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