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Das Herz des Dämonenfürsten

Boys-Love-Version
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry, dass das Kapitel so lang ist, aber da die Geschichte als Adventsstory geplant war, dürfte sie nicht mehr als 4 Kapitel haben. Komplett anzeigen

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Es war einmal

Es war einmal ein großes Königreich. Es wurde von einem guten und gerechten König regiert.

Für das Wohl seines Volkes hatte der König die besten Magier des Landes in seinem Palast versammelt und ließ sie eine für Monster unüberwindbare Verteidigungsbarriere errichten. Außerhalb und auch innerhalb der Barriere sorgten die königlichen Ritter für Recht und Ordnung. So konnten die Bewohner des Palastes und der Stadt in Frieden leben.

Dennoch gab es eine Bedrohung in diesem sonst so friedlichen Reich, die der König mehr als alles andere fürchtete.

Weit ab vom Königreich, in einem dunklen Teil des Reiches, lebte der Dämonenfürst. Ein äußerst finsteres und bösartiges Wesen. Seit Jahren schon terrorisierte er das Königreich und versuchte immer wieder, durch die Barriere zu dringen. Sein Ziel war es, den König zu stürzen und den Staatsschatz an sich zu bringen, der ihm die Herrschaft über das Königreich und dessen mächtigen Magieressourcen verschaffen würde.

Gerüchten zufolge sollte die Prinzessin im Besitz des Schlüssels zur Kammer sein, in der sich der Staatsschatz befand.

Nach dem Tod seiner geliebten Frau war die Prinzessin des Königs Ein und Alles. So kam es, dass die Prinzessin noch nie in ihrem ganzen Leben den Palast verlassen hatte. Noch nicht einmal die Stadt dürfte sie betreten. Im Schloss selbst bewachten sie die Ritter Tag und Nacht.

Von der Außenwelt abgeschnitten und isoliert, sehnte sich die Prinzessin nach menschlichem Kontakt. So lautete der einzige Wunsch der Prinzessin, dass an ihrem 18. Geburtstag eine große Feier stattfinden sollte, zu der alle Bewohner des Reiches eingeladen werden sollte. Der König war zunächst nicht erfreut, konnte seiner geliebten Tochter aber ihren größten Wunsch nicht abschlagen. So verstärkte er die Wachen und öffnete die Tore für die Öffentlichkeit.

Am Abend waren alle Vorbereitungen für die Feierlichkeiten beendet und die Menschen strömten in den Ballsaal.

Viele von ihnen setzten zum ersten Mal einen Fuß in das Schloss. Voller Bewunderung zeigten sie auf die Gemälde und Statuen im Saal und unterhielten sich angeregt.

Besonders ein junger Mann schien sich über seine Anwesenheit hier zu freuen. Auch seine Blicke wanderten quer durch den Ballsaal, jedoch wirkte sein Lächeln eher spöttisch und triumphierend.

„Endlich bin ich hier. Hat ja auch lang genug gedauert.“

„Wenn wir zurück sind, solltest du der Hexe danken“, drang plötzlich eine Stimme aus der Kleidern des Mannes.

Der junge Mann seufzte. „Wem ich danke und wem nicht, entscheide ich immer noch selbst. Und außerdem hatte ich dir verboten zu sprechen, solange wir hier sind, Frosch! Deinetwegen fliegen wir noch auf!“

„Uhm… bitte verzeiht, Meister.“

„Schon gut. Es ist ja nichts passiert. Sei von jetzt an einfach leise… Gut, dann lass uns mal ein wenig umschauen.“

„Fällt das denn nicht auf? Die Wachen wurden doch für heute Abend verdoppelt und würden sicher einen Mann, der sich durch das Schloss streift, verdächtig finden.“

„Frosch…“

„Uhm… bitte verzeiht, Meister. Ich schweige…“

„Du hast wohl vergessen, mit wem du hier redest. Ich bin ein Meister im Umgang mit der Magie. So etwas Einfaches wie ein Tarnzauber ist für mich kein Problem. Die Barriere verhindert ja nur, dass man mit Magie hier eindringen kann. Aber da hier fleißig Magieforschung betrieben wird, kann man innerhalb des Schlosses nach Lust und Laune zaubern. Das größte Problem für mich war nur, die Barriere zu überwinden, aber das habe ich ja gelöst. Nun habe ich freie Hand. Endlich… Endlich, nach all den Jahren ist mein Ziel zum Greifen nahe! Noch heute Abend wird die Prinzessin mein sein! Komm, Frosch, lass uns gehen. Ich muss doch der Prinzessin mein Geburtstagsgeschenk überreichen. Ha ha ha ha!“

Von den Gästen unbeobachtet, schlich sich der junge Mann hinter den Vorhang und wandte dort seinen Tarnzauber an.

Für andere unsichtbar spazierte er sodann ganz gemütlich an den Wachen vorbei in den für die Öffentlichkeit gesperrten Korridor. Die Kerzenleuchter an der Wand waren in dieser Nacht nicht entzündet, sodass der Korridor in völlige Finsternis gehüllt wurde.

„Wohin gehen wir denn eigentlich? Ich dachte, Ihr wolltet die Prinzessin entführen?“, flüsterte Frosch in seinem Versteck.

Der junge Mann überzeugte sich erst davon, dass niemand in der Nähe war, bevor er antwortete. „Die Prinzessin ist im Ballsaal, wo sie von den Rittern bewacht wird“, flüsterte er zurück. „Sie jetzt zu entführen, wäre das Dümmste, was ich tun könnte. Ich bin zwar unsichtbar, aber die Prinzessin unbemerkt aus einem vollen Ballsaal zu tragen, gelänge mir dennoch nicht. Ich werde ihr in ihrem Zimmer auflauern und dann, wenn alle schlafen, sie mit meinem Tarnzauber hier herausschaffen. Es soll irgendwo einen unterirdischen Geheimgang geben, durch den man ungesehen den Palast verlassen kann.“

„Ah, dann wollt Ihr den jetzt erkunden, Meister?“

„Nein, ich weiß schon, wo er ist. Ich suche nach dem Magielabor.“

„Uhm… um die Barriere auszuschalten?“

Der junge Mann antwortete nicht. Vorsichtig sah er um die Ecke, ob auch keiner der Wachen seine Runden zog. Man konnte ihn zwar nicht sehen, aber eine sich plötzlich öffnende Tür würde trotzdem jedem auffallen.

Das Magielabor lag am Ende dieses Korridors. Nur noch ein paar Schritte und er war am Ziel. Dann könnte er endlich dieser verfluchten Magiebarriere den Garaus machen, die ihm jedes Mal die Galle in den Rachen trieb, wenn er sie sah.

Gerade, als er die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, öffnete sich diese und eine kleine, seltsam aussehende Gestalt kam heraus.

„Ist ja schon gut, ich stör dich ja nicht mehr!“, wimmerte sie, das Gesicht hinter sich in den Raum gewandt.

Der junge Mann erschrak und ging sofort hinter einer Säule in Deckung.

„So ein Mist! Auch das noch!“

„Was ist denn los, Meister? Es kann doch gar nichts passieren! Ihr seid immer noch unsichtbar!“ wunderte sich Frosch.

„Das wird mir bei dieser Nervensäge auch nicht helfen“, knurrte der junge Mann unwirsch und spähte vorsichtig hinter der Säule hervor. „Das da ist eine Fee.“

„… Ja und? Was ist denn so schlimm an einer Fee?“

Die Fee horchte plötzlich auf. „Ist da irgendjemand?“

„Wir ziehen uns zurück“, zischte der junge Mann und schlich sich vorsichtig hinaus.

 

„Sagt Ihr mir jetzt, was so schlimm an einer Fee ist?“

Frosch wurde in seinem Versteck langsam unruhig. Seit Minuten schon sprach sein Meister kein einziges Wort mehr. Schließlich hielt es die kleine grüne Amphibie nicht mehr aus und krabbelte ins Freie, wo er seinem Meister auf die Schulter hüpfte.

Von dort aus konnte er erkennen, dass sie sich mittlerweile draußen im Schlossgarten befanden.

Sein Meister schlenderte langsam in den Heckengarten hinein.

„Feen… sind anders als andere Lebewesen“, erklärte der Mann leicht träge. „Sie sind rein magische Kreaturen, was ihnen Fähigkeiten verleiht, die sonst niemand hat. Beispielsweise ihre Sehkraft.“

Frosch nickte verstehend. „Dann haben sie besondere Augen.“

„Nein. Mit ihren Augen können sie zwar sehr weit sehen, dennoch sehen sie nicht mehr, als unsere. Nein, Feen besitzen eine ganz eigene Form des Sehens – mit ihren Ohren.“

„…Ihren Ohren?!!“

„Feen können die Aura eines Menschen wahrnehmen und zwar mittels des Klanges, den ihre Stimme erzeugt. Die Stimme verrät ihnen, ob die Aura ihres Gegenübers Weiß oder Dunkel ist, je nachdem, ob der Mensch Gutes oder Böses tut.“

„Jetzt verstehe ich. Eure Aura ist ja dunkel, richtig?“

„So ist es. Dazu kommt noch, dass mein Unsichtbarkeitszauber bei einer Fee nicht wirkt, sie hätte mich dennoch sehen können. Dann hätte ich mit ihr reden müssen und sie hätte meine dunkle Aura sofort gesehen. Meine menschliche Verkleidung täuscht ihre Augen, doch meine Stimme nicht ihre Ohren und ihre Wahrnehmung. Daher hielt ich es für besser, mich zurückzuziehen.“

Der junge Mann stoppte vor dem großen Springbrunnen in der Mitte des Heckengartens. Seufzend sah er hinauf in den Himmel. „Das hier eine Fee ist… Ich fürchte, ich muss meinen Plan noch einmal überarbeiten, damit mir die Fee am Ende nicht zum Verhängnis wird.“

Sein Blick schweifte über die Wasseroberfläche. Eine einsame Kamelienblüte, die über das Wasser trieb, fiel ihm ins Auge und ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Es war schon seltsam, dass solch einfache Dinge ihn immer wieder erfreuten.

Der Dunkelhaarige setzte sich auf den Brunnenrand, fischte mit der linken Hand die Blüte aus dem Wasser und atmete den zarten Duft ein.

„Verzeiht…“

Der dunkelhaarige Mann erschrak und sah auf. Vor ihm stand ein junger Ritter mit blondem Haar und strahlend blauen Augen. Überwältigt von der reinen Schönheit, die dort vor ihm stand, bekam der junge Mann kein Wort über die Lippen.

Auch der Ritter starrte wie gebannt auf den dunkelhaarigen Mann vor sich, der immer noch die zartrosane Blüte in der Hand hielt.

Die Zeit schien für beide in diesem Augenblick still zu stehen. Keiner von ihnen konnte die Augen von dem Anderen nehmen.

Die sanfte Stimmung wurde jäh von einer lauten Frauenstimme durchbrochen. „Hauptmann, hier seid Ihr!“

Der junge Mann nutzte diese Ablenkung, sprang auf und rannte in die dunkle Nacht hinein.

Der junge Ritter lief ihm sofort hinterher, verlor ihn aber im Heckengarten aus den Augen.

„So wartet doch bitte! Sagt mir wenigstens Euren Namen!“, rief er verzweifelt, doch seine Bitte wurde nicht erhört.

 

Der junge Mann wartete versteckt hinter einer Hecke, bis der Ritter mit der Soldatin ins Schloss zurückkehrte, dann verließ er so schnell wie möglich das Schlossgelände.

Frosch, der beim Auftauchen des Ritters rasch in die Kleider seines Meisters geschlüpft war, kroch nun wieder aus diesen hervor und hüfte ihm erneut auf die Schulter.

„Uhm… und was ist nun an dem Ritter so gefährlich?“ fragte er vorsichtig.

„Du schweigst besser, sonst mach ich Froschschenkel aus dir!!“ blaffte der junge Mann zornig zurück.

„Bitte verzeiht, Meister.“

Der junge Mann verlangsamte seinen Schritt, als die Stadtgrenze in Sichtweite kam. Die Stadt selbst war in völlige Dunkelheit gehüllt und menschenleer. Ihre Einwohner waren wohl allesamt bei der Feier im Schloss. Das konnte dem Mann nur recht sein, er wollte ohnehin niemanden sehen.

Kaum, dass er die Stadt verließ und sich somit nicht mehr innerhalb des Bannkreises befand, teleportierte sich der junge Mann in sein Zuhause – in ein altes Schloss, weit abseits des Königreiches.

In seinem Inneren wurde er von einer leichtbekleideten schönen Frau empfangen. „Willkommen zurück… mein geliebter Dämonenfürst.“

Der Angesprochene erwiderte nichts, sondern nahm wieder seine Dämonengestalt an.

Die Frau setzte ein schelmisches Lächeln auf und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken. „So früh habe ich dich gar nicht zurückerwartet. Dein Plan hat wohl nicht funktioniert, nehme ich an?“ erkundigte sie sich im gespielt unschuldigem Tonfall.

„Halt deinen Mund! Das geht dich gar nichts an, Hexe!“, brüllte der Dämonenfürst wütend.

Frosch hüpfte von der Schulter seines Meisters auf den Boden und quakte laut: „Wir sind im Schloss auf eine Fee gestoßen!“

Überrascht horchte die Hexe auf. „Eine Fee? Das ist allerdings eine Überraschung. Ich dachte, die gäbe es gar nicht mehr.“

„Tja, diese war allerdings sehr real. Aufgrund dieses Wesens musste ich meinen Plan noch einmal überdenken“, erklärte der Dämonenfürst.

Er machte eine leichte Handbewegung und der Frosch wurde urplötzlich in Rauch eingehüllt. Als dieser sich verzog, stand ein froschartiges Wesen in Kindergröße an seiner Stelle.

„Puh~ Daran werde ich mich nie gewöhnen“, seufzte Frosch theatralisch und streckte sich. „Aber was ist denn nun mit diesem Ritter? Wieso seid Ihr nach der Begegnung mit ihm Hals über Kopf davongelaufen?“

Der Dämonenfürst warf ihm sofort einen giftigen Blick zu, der ihm bedeuten sollte, zu schweigen.

Der Schaden war jedoch schon angerichtet.

Die Hexe brach in hämisches Gelächter aus. „Ausgerechnet du bist vor einem einfachen Ritter davongelaufen?! Welch ein Armutszeugnis!“

„Willst du sterben?!!!!!“, drohte der Fürst vor Wut kochend.

„Ungern. Ich bin nur nicht sonderlich erfreut darüber, dass du diese einmalige Gelegenheit so leichtfertig verschwendest“, gab die Hexe ernst zurück. „Weißt du überhaupt, wie schwer es war, den Talisman herzustellen, der es dir erlaubt, die Barriere zu durchschreiten? Und wie schwierig es war, es rechtzeitig für die Feierlichkeiten fertig zu stellen? Der Geburtstag der Prinzessin war DIE Chance für dich, sie zu entführen! Und du vergeudest sie, wegen eines unbedeutenden Ritters?! Das die Fee den Plan gefährdet hat, kann ich ja noch verstehen…“

„Gar nichts verstehst du! Das war kein gewöhnlicher Ritter! Er konnte mich trotz meines Unsichtbarkeitszaubers sehen!“

„Unmöglich!“

„So ist es aber. Ich bin davon überzeugt, dass das Magielabor dahinter steckt. Wer weiß, was sie noch alles heimlich herstellen… Ich muss mir das Labor unbedingt persönlich anschauen. Nur, wenn ich über all ihre Machenschaften im Bilde bin, kann ich mich daran machen, die Prinzessin zu entführen. Andernfalls gibt es nur böse Überraschungen.“

„Aber wie willst du das anstellen? Die Feier war die einzige Möglichkeit, ins Schloss zu gelangen. Sonst ist es für Außenstehende nicht zugänglich und noch strenger bewacht. Fremde, die keine Berechtigung haben, sich dort aufzuhalten, werden sofort verhaftet.“

Der Dämonenfürst lächelte triumphierend. „Keine Sorge. Ich habe schon einen Plan, wie ich mir ganz legal Zutritt verschaffen kann. Einzig die Fee könnte ein Problem darstellen. Ich brauche deine Hilfe, um sie zu überlisten.“

„Natürlich. Du kannst auf mich zählen“, sagte die Hexe sanft, dann trat sie näher an den Fürsten heran, schnappte seinen Arm und drückte ihn fest an ihren Körper. „Ich tue alles, was du willst, dass weißt du doch.“

Sie hatte diese Aufforderung praktisch geschnurrt, aber das kümmerte den Dämonenfürsten herzlich wenig. Kühl sah er sie an, dann zog er seinen Arm weg und ließ sie stehen.

„Ich liebe dich, das weißt du doch, oder?!“ rief die Hexe ihm verzweifelt nach.

Der Fürst erwiderte nichts. Denn in seinem Kopf spukte nur das Gesicht des blonden Ritters herum…

 

~ to be continued ~

Das Biest und der Schöne

Die Wälder, die den Palast umgaben, wurden in den letzten Tagen häufiger von Monstern heimgesucht. Daher war es für die königliche Armee absolut notwendig, sie zu durchstreifen und sicherzustellen, dass die Monster nicht in die Nähe der Barriere und damit der Stadt kamen. Die Barriere würde sie zwar davon abhalten können, die Stadt zu betreten und den Menschen zu schaden, aber dennoch… Und es gab ja noch die Händler, die von außerhalb in die Stadt kamen und deren Reise sicher verlaufen sollte.

Auch heute sollte sich die Armee des Königs auf Patrouille durch die Wälder begeben, um aggressive Monster auszuschalten. Doch der blonde Ritter war weit und breit nicht aufzufinden. Für gewöhnlich konzentrierte er seine gesamte Energie darauf, die königliche Familie und die Bewohner der Stadt zu beschützen, doch seit der Geburtstagsfeier Ihrer Majestät wirkte er irgendwie abwesend, war mit den Gedanken ständig woanders.

Dies entging seiner rechten Hand, der Soldatin, nicht. Sie reagierte ausgesprochen besorgt, als er ihr sie aufsuchte und darum bat, die heutige Patrouille anzuführen und kurz darauf den Palast verließ. Etwas war vorgefallen, dessen war sich die Soldatin bewusst, jedoch wusste sie nicht, wie sie ihn darauf ansprechen sollte. Aber das konnte warten, bis die Patrouille beendet war. Trotz ihrer Sorge dürfte sie die Sicherheit des Volkes nicht vernachlässigen.

Während also die königlichen Ritter ihre Patrouille ohne ihren Anführer ritten, spazierte eben dieser abseits der Route durch den Wald, zusammen mit seinem treuen Hund, einem kleinen Welpen. Der Kleine tobte freudig durch das Gras und jagte einem Schmetterling hinterher.

Der Ritter lächelte sanft.

Wie unbeschwert der Welpe doch war. Was gäbe er darum, so zu fühlen. Bis vor einigen Tagen war es auch genauso. Doch nun lastete eine gewisse Schwermut auf ihm, der er sich nur allzu gern entledigen würde.

Der Ritter passierte einen großen Kamelienbaum. Ohne groß darüber nachzudenken streckte er die Hand nach einer Blüte aus und pflückte sie vom Ast. Gedankenverloren betrachtete er die zartrosafarbene Blüte in seinem Fäustling und lächelte liebevoll, als ihm das Gesicht des schönen Mannes in den Sinn kam, den er im Garten traf.

Wie gern hätte er seinen Namen erfahren. Ob er ihn wohl jemals wieder sehen würde?

Der kleine Welpe hielt plötzlich inne und schnupperte neugierig in die Luft. Dann bellte er laut und stürmte davon.

Der Ritter eilte ihm sofort nach. „Warte! Wohin willst du denn?“

Er folgte dem Hund zu einer Unfallstelle. Eine zerstörte Kutsche lag auf einer Lichtung, die Pferde waren nirgends zu sehen. Dafür mehrere Menschen, die reglos am Boden lagen. Offenbar wurden sie von Monstern angegriffen. Der Ritter widmete sich sogleich den Opfern, konnte jedoch nur deren Tod feststellen. Dann fiel sein Blick auf den Welpen, der das Gesicht eines jungen Mannes ableckte. Zu seiner Überraschung bewegte sich der Mann.

Er lebte, welch Glück!

Sofort eilte der Ritter zu dem Mann, um sich nach dessen Gesundheit zu erkundigen – und erstarrte just in dem Moment, als er in das Gesicht des Mannes blickte. „Ihr seid es!“, entfuhr es ihm freudig, als er in die dunklen Augen des Mannes sah, den er im Garten traf.

Der junge Mann brauchte einen Moment, um wieder zu Sinnen zu kommen. Als er den Ritter erkannte, lächelte er ihn erleichtert an.

„Was ist geschehen? Wurdet Ihr angegriffen?“, fragte der Ritter.

Der Mann öffnete den Mund, um ihm zu antworten, jedoch entwich ihm kein einziger Laut. Geschockt strich er sich mit der Hand über den Hals.

Der Blonde begriff. „Könnt Ihr nicht sprechen?“

Der Mann schüttelte ängstlich den Kopf.

„Seid unbesorgt! Unsere Ärzte werden Euch gewiss helfen können!“

Der Ritter hob den Mann auf seine Arme und trug ihn zurück zum Schloss. Der Welpe sprang laut bellend neben ihm her.

 

Der Dämonenfürst streckte sich genüsslich.

Was für ein komfortables Bett. Die Menschen verstanden es durchaus, sich ihr Leben angenehm zu machen. Mit einem kraftvollen Schwung entstieg er dem Bett und schlürfte hinüber zum Spiegel. Er sah hinein und schmunzelte. Nie hätte er geglaubt, dass er noch einmal die menschliche Gestalt annehmen würde. Es hatte sich allerdings gelohnt, es zu tun. Sein Plan verlief besser als gedacht. Zum Glück war er auf den Ritter gestoßen, der ihn ins Schloss gebracht hatte. Solange er ihn für ein unschuldiges Opfer hielt, würde sich das auch nicht ändern. Vielleicht ergab sich auch bald eine Gelegenheit, das Magielabor zu erkunden und dessen Geheimnisse zu ergründen.

Wie gern würde er jetzt das dumme Gesicht der Hexe sehen, die ja so überzeugt davon war, dass der Plan nur schief gehen konnte. Wenigstens hatte sie ihm geholfen, indem sie ihn mit einem Stille-Zauber versehen hatte. Dadurch, dass er nicht in der Lage war zu reden, konnte die Fee seine Aura nicht erkennen und seine Tarnung würde nicht auffliegen. Zumindest nicht, wenn die im Magielabor nicht noch eine böse Überraschung für ihn in der Hinterhand hatten.

Der Dämonenfürst erkannte im Augenwinkel, dass die Zimmertür sich leicht öffnete und warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, wer hereinkam. Erschrocken wich er zurück und stieß dabei gegen die Schreibtischkante.

Der Welpe, der den Ritter gestern begleitet hatte, tapste vorsichtig ins Zimmer herein und begutachtete den Mann neugierig.

Der Fürst verzog das Gesicht. Er mochte keine Tiere, schon gar nicht, wenn sie noch so jung waren. Die waren so furchtbar anhänglich. Tatsächlich tapste der Welpe unbekümmert auf den Fürsten zu und schnupperte neugierig an dessen nackte Füße. Der Fürst hob einen Fuß und schob den Welpen von sich weg. Der glaubte, der Mann wolle mit ihm spielen, sprang an dessen Bein hoch, mit dem Schwanz wedelnd, und bellte laut.

„Hörst du wohl auf!“

Der Ritter betrat das Zimmer. Der Welpe ließ vom Fürsten ab und lief zu seinem Herrchen, ließ sich schwanzwedelnd den Kopf tätscheln.

„Verzeiht. Ich hoffe, der Kleine hat Euch keine Angst gemacht“, sagte der Ritter freundlich an den Mann gewandt, hob den Welpen hoch und lachte, als dieser ihm das Gesicht abschleckte. „Nicht, hör auf damit! Das kitzelt doch!“

Der Fürst lächelte sanft und spürte wieder dieses starke Herzklopfen und das angenehme Kribbeln, das seinen ganzen Körper erfüllte. Im selben Moment verfluchte er sich selbst für diese dummen Empfindungen und sah rasch in eine andere Richtung.

Der Ritter unterbrach das Spiel mit dem Hund und widmete sich wieder dem Fürsten. „Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich Euch gern ein wenig im Schloss herumführen“, schlug er freundlich lächelnd vor.

Der Fürst horchte überrascht auf. Konnte es denn wirklich so leicht sein?

 

Nachdem der Fürst sich umgezogen hatte, schlenderte er mit dem Ritter durch das Schloss. Den Welpen hatte er in seinen Gemächern zurückgelassen, um dem Mann keine Angst einzujagen.

Der Ritter führte den Mann durch das Schloss und zeigte ihm seine Lieblingsplätze. Die Bibliothek, den großen Garten, den Tanzsaal, die Trainingshalle der königlichen Ritter und die Ställe. Dabei erzählte er von seine schönsten Erlebnissen, die ihn mit diesen Orten verband. Eigentlich waren diese Geschichten eher uninteressant und belanglos. Normalerweise hätte der Fürst sich so was nie angehört, doch der Ritter erzählte mit soviel Begeisterung, dass der Inhalt gar nicht mehr wichtig war. Tatsächlich hätte er ihm stundenlang zuhören können.

Jedoch wurde ihre traute Zweisamkeit jäh unterbrochen. Die Soldatin gesellte sich zu ihnen. Den fremden Gast misstrauisch beäugend, salutierte sie vor dem Ritter. „Hauptmann, das Magiegenie ist nun bereit, Euch zu empfangen.“

„Sehr gut. Du kannst gehen.“

Die Soldatin zögerte, als wolle sie noch etwas sagen, verbeugte sich dann aber ergeben und ließ die beiden Männer wieder allein.

Der Dämonenfürst trat an den Ritter heran und warf ihm einen fragenden Blick zu.

Der Ritter verstand die stumm hervorgebrachte Frage. „Das Magiegenie entwickelt all unsere magischen Utensilien, die uns im Kampf gegen unsere Feinde nützlich sind. Wenn jemand den Fluch, der auf Euch lastet, lösen kann, dann ist es sie. Kommt, ich will sie Euch vorstellen.“

Mit gebührendem Abstand folgte der Fürst ihm durch die Hallen. Hinter seinem Rücken lächelte er verschlagen. Endlich würde er das Magielabor zu Gesicht bekommen und mit ihm all seine Errungenschaften. Und es war kaum zu glauben, wie einfach es letztlich war. Der Ritter war wirklich ganz schön naiv.

Just wandte sich der blonde Mann zu ihm um und lächelte aufmunternd. „Seid unbesorgt. Sie wird Euch gewiss heilen können.“

Wärme durchflutete den Körper des Fürsten. Naiv zu sein, musste nicht immer etwas Schlechtes bedeuten.

„Seht! Da vorn ist das Magielabor!“, rief der Ritter und deutete auf die dem Fürsten bekannte Tür. Plötzlich gab es einen lauten Knall und dunkler Rauch drang aus dem Spalt unter der Tür hervor. Geschockt rannten die beiden Männer zur Tür und rissen sie auf – der Qualm hüllte sie gänzlich ein, brachte ihre Augen zum Tränen und ließ sie husten.

„Tut mir leid! Wartet einen Augenblick!“, rief eine panische Frauenstimme. Hektisches Fußgetrappel war zu vernehmen, dann riss jemand die Fenster auf und der Rauch verzog sich allmählich. Als seine Augen wieder klar wurden, erkannte der Fürst vor sich ein junges, zerknirscht dreinblickendes Mädchen. Der Fürst war überrascht. Das Mädchen war noch ein halbes Kind. Was machte sie hier?

Der Ritter legte dem Fürsten eine Hand auf die Schulter und deutete auf das Mädchen. „Wenn ich vorstellen darf: das ist unser Magiegenie.“

Den Fürsten klappte die Kinnlade hinunter. Dieses Kind?

Das Mädchen lächelte schüchtern. „Ähm… Genie ist vielleicht zuviel gesagt. Ich bin nur eine Zauberschülerin.“

„Ja… und keine besonders gute…“

Die Drei drehten sich um. Unter einem Stapel umgekippter Bücher grub sich eine kleine Gestalt hervor. Torkelnd kam sie zu ihnen herüber, sah die Zauberschülerin böse an. Es war die Fee. „Ich habe dir doch gesagt, dass du die beiden Substanzen nicht mischen sollst! Warum kannst du nie auf mich hören?! Deine Fähigkeiten wären schon viel ausgeprägter, wenn du deine Ausbildung bei mir ein wenig ernster nehmen würdest!“

„Es tut mir leid. Aber die letzten Experimente waren so erfolgreich, dass ich… einen Höhenflug bekam.“

„Höhenflüge sind unangebracht! Du bist noch lange keine vollwertige Magierin! Und solange das nicht der Fall ist, solltest du auf mich hören!“

Während die Standpauke der Fee noch andauerte, ordnete der Fürst seine Gedanken. Die Fee bildete also dieses Mädchen aus? Interessant. Soweit er wusste, war so etwas noch nie vorgekommen. Es lag nicht daran, dass Feen Menschen keine Magie lehren wollten. Die Menschen waren nur für gewöhnlich nicht imstande, die Feenmagie zu erlernen. Das dieses Mädchen es konnte, war ein Beweis für ihr Talent und ihre natürliche Begabung. Kein Wunder, dass das Königreich solche Waffen besaß.

Schließlich mischte sich der Ritter ein. „Aber Fee, die Zauberschülerin hat doch schon große Dinge vollbracht! Zum Beispiel diese Steine, die Zauber unwirksam machen!“, warf er beschwichtigend ein und deutete dabei auf den Stein in der Mitte seiner Rüstung.

„Einfache Magie, wie Unsichtbarkeits- oder Verwandlungszauber! Das ist nur eine schwache Hilfe im Kampf gegen den Dämonenfürsten!“

So war das also. Kein Wunder, dass der Ritter ihn trotz seines Unsichtbarkeitszaubers sehen konnte. Zum Glück war diesem nicht bewusst gewesen, dass der Fürst einen solchen überhaupt verwendet hatte. Und glücklicherweise war seine Tarnung nicht aufgeflogen. Denn dank seiner Herkunft nutzte der Dämonenfürst keine „normalen“ Verwandlungszauber.

„Ich verstehe ohnehin nicht, warum wir den Dämonenfürsten bekämpfen müssen“, murmelte der Ritter leise.

Die Fee hatte ihn dennoch gehört und reagierte ausgesprochen erbost. „Wovon sprecht Ihr da?! Der Dämonenfürst will unser Königreich zerstören! Ich finde schon, dass es da nötig ist, ihn zu bekämpfen!“

„Aber wir wissen doch gar nicht genau, ob das sein Ziel ist! Der Fürst ist so mächtig! Warum hat er uns dann nicht schon längst angegriffen?“

„Weil die Barriere ihn davon abhält.“

„Ist das wirklich so? Irgendwie fällt es mir schwer, das alles zu glauben.“

Der Fürst lauschte neugierig dieser Unterhaltung. Er war angenehm überrascht zu hören, dass der Ritter sich so viele Gedanken über ihn machte. Damit dürfte er der Einzige im Königreich sein.

Plötzlich stürmte die Soldatin ins Magielabor. Angesichts des Chaos, das dort herrschte, erstarrte sie und suchte geschockt nach der Ursache.

„Was ist geschehen?“, erkundigte sich der Ritter sofort.

Immer noch das Chaos begutachtend, sagte die Soldatin langsam: „Hauptmann, Ihr solltet umgehend den Kerker aufsuchen. Wir haben nach der Patrouille einen alten Bekannten im Schloss aufgegriffen.“

Der Ritter seufzte laut. „Schon wieder? Ich bin sofort da.“ Dann wandte er sich an die Zauberschülerin. „Würdet Ihr Euch derweil um unseren Gast kümmern?“

Gemeinsam mit der Soldatin suchte der Ritter den Kerker auf und baute sich genervt vor der letzten Zelle auf. „Bitte helft mir, denn ich versuche wirklich, das hier zu verstehen. Findet Ihr es in unseren Zellen so schön oder warum seid Ihr schon wieder hier?“

Im Inneren der Zelle lag ein vermummter Mann auf der Pritsche. Sein Mund war mit einem Schal verhüllt, dennoch war der Ritter sich sicher, dass darunter ein Lächeln lag. „Ich nahm an, dass Ihr mich vermissen würdet. Daher wollte ich mal auf ein Schwätzchen vorbeischauen und Euch wissen lassen, dass ich gesund und wohlauf bin“, sagte der Mann gelassen.

„Euch ist doch hoffentlich bewusst, dass es ein schweres Vergehen ist, ins Schloss einzubrechen. Das Merkwürdige daran ist, dass Ihr niemals etwas stiehlt. Auch heute habt Ihr nichts entwendet.“

„Wenn nichts gestohlen würde, könnt Ihr mich doch freilassen.“

„Denkt Ihr wirklich, ich würde darauf hereinfallen? Vielleicht seid Ihr einfach nur ein schlechter Dieb. Außerdem habt Ihr mir längst bewiesen, dass es ein Fehler wäre, Euch die Freiheit zu schenken, da Ihr letztlich ohnehin wieder hier landet. Daher habe ich entschieden, dass Ihr bis auf Weiteres dauerhaft in den Genuss unserer Gastfreundschaft kommen werdet.“

„Wie überaus freundlich.“

Der Ritter trat näher an die Gitterstäbe heran. „Lacht nur. Ich finde schon noch heraus, was Ihr hier zu finden hofft. Verlasst Euch drauf.“

„Tut Euch nur keinen Zwang an.“

Erschöpft wandte sich der Ritter vom Dieb an und sagte an die Soldatin gewandt: „Behaltet ihn im Auge. Sollte er sich seltsam verhalten, berichtet mir umgehend davon!“

„Verstanden!“

Bevor der Ritter den Kerker verließ, warf er einen letzten Blick auf den Dieb, der ganz entspannt auf der Pritsche lag und die Augen geschlossen hatte. Was für ein merkwürdiger Typ. Welcher Dieb brach in ein Schloss ein, um nichts zu stehlen?

 

Am Abend herrschte große Aufregung im Schloss.

Der König lud zu einem Ball ein, auf dem er eine große Neuigkeit verkünden wollte. Neugierig, worum es sich dabei handelte, eilte alles herbei, was Rang und Namen hatte, obwohl die Einladung erst am Morgen verkündet wurde.

Auch der Dämonenfürst war eingeladen, natürlich in seiner jetzigen Gestalt als stummer Gast. Die Diener brachten ihm extra formelle Kleider und badeten ihn.

In einen leichten Mantel gehüllt stand der Fürst nun auf dem Balkon, während ein Diener im Hintergrund durch sein Zimmer wuselte und alles für den Ball zurechtlegte. Seine dunklen Haare waren noch feucht vom Badewasser, doch die Nacht war lau und seine letzte Erkrankung lag viele Jahre zurück. Die funkelnden Sterne am dunklen Nachthimmel betrachtend, ließ der Fürst den Tag Revue passieren. Es war ihm tatsächlich gelungen, das Magielabor in Augenschein zu nehmen. Er konnte sogar einige Experimente mitgehen lassen, ohne dass es Jemandem auffiel. Die Fee war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihre tollpatschige Schülerin zu tadeln. Natürlich war es dieser nicht gelungen, den Stummzauber der Hexe aufzuheben, aber das war auch nicht zu erwarten gewesen.

„Junger Herr, es wird Zeit. Ihr müsst Euch umziehen“, sagte der Diener.

Der Fürst sah ihn gelangweilt über die Schulter hinweg an. Er hätte große Lust, diesen stocksteifen Pinguin unschädlich zu machen, sich die Prinzessin zu schnappen und diesem Ort endlich den Rücken zuzukehren. Jetzt, wo er wusste, dass die Magie hier nicht so gefährlich für ihn war, wie erwartet, hielt ihn eigentlich nichts davon ab.

Hundegebell aus dem Innenhof unter seinem Balkon weckte seine Aufmerksamkeit. Dort tobte der kleine Welpe umher, an seiner Seite der Ritter. Die Neuigkeit, dass die Zauberschülerin ihm die Stimme nicht zurückgeben konnte, hatte den blonden Mann sehr enttäuscht. Wie er dem Fürsten heimlich verriet, hatte er sich schon so darauf gehofft, von ihm endlich seinen Namen zu erfahren. Zu seiner Verwunderung erwischte der Fürst sich dabei, dass er den Wunsch verspürte, dem Ritter mehr von sich zu erzählen. Der Mann war auf seine Art gefährlich, das stand fest. Schon allein wegen ihm sollte der Fürst das Schloss so schnell wie möglich verlassen.

Mittlerweile hatte der Ritter den Fürsten auf dem Balkon bemerkt, lächelte sanft und winkte ihm zu. Der Fürst zuckte ein wenig zurück, winkte dann aber schüchtern zurück. Wenn er genau darüber nachdachte, eilte seine Abreise eigentlich nicht.

 

Gelangweilt stand der Dämonenfürst in einer Ecke des großen Saals und beobachtete die Gäste, wie sie tanzten, lachten und sich unterhielten.

Es war das erste Mal, dass er einem Menschenfest beiwohnte. Was fanden diese dummen Geschöpfe nur daran? Im Grunde war es doch nur eine völlig sinnlose Zeitverschwendung. Wo lag denn bitte der Reiz darin, in einem überfüllten Saal zu stehen, sich mit noch langweiligeren Menschen zu unterhalten oder sich wie ein Idiot zu eintönigem Gedudel um die eigene Achse zu drehen?

Der Fürst seufzte. Er brauchte dringend frische Luft.

Herzhaft gähnend ging er hinaus in den Garten und starrte hinauf in den Nachthimmel, wo mittlerweile ein schöner, heller Mond aufgegangen war. Schon bald würde er sein Ziel erreicht haben. 15 Jahre hatte er auf diesen Moment gewartet. Wahrlich eine lange Zeit. Doch er wusste, seine Geduld würde sich auszahlen. Schon bald wäre die Rache sein…

„Ist Euch nicht gut?“

Der Fürst erschrak leicht und wirbelte herum. Der Ritter stand hinter ihm und wirkte besorgt. Der Dunkelhaarige schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln, schüttelte den Kopf und fächelte sich mit der Hand Luft zu, als Zeichen, dass ihm heiß war.

„Verstehe. Darf ich Euch ein Geheimnis verraten? Ich mag diese Festivitäten überhaupt nicht. Aber meine Pflichten zwingen mich, daran teilzunehmen. Ich bin dankbar dafür, dass Ihr in den Garten geflüchtet seid. Dadurch habe ich einen Vorwand, den Saal zu verlassen.“

Der Fürst grinste breit, dann deutete er auf die tanzenden Paare und sah den Ritter fragend an.

„Oh? Ob ich tanzen will? Nun, ich muss gestehen, dass tanzen nicht gerade zu meinen Fähigkeiten zählt“, lachte der Ritter peinlich berührt.

Der Fürst brach in stummes Gelächter aus. Ein Ritter, der nicht tanzen konnte? Wo gab es denn so was? Als er die leicht verärgerte Miene des Blonden sah, gab er ihm mit Handzeichen zu verstehen, dass er es ihm beibringen würde. Nur zögernd nahm der Ritter dieses Angebot an. Der Fürst verstand auch schnell, warum. Schon bei den ersten Schritten stellte sich der sonst so galant wirkende Mann nicht besonders geschickt an. Seine Bewegungen verliefen völlig unkoordiniert, verkrampft und unsicher. Sein Blick war höchst konzentriert und er achtete peinlich genau darauf, seinem Lehrer nicht auf die Füße zu treten.

Der Fürst wiederum amüsierte sich köstlich.

Bedauerlicherweise fand auch dieser schöne Moment ein jähes Ende. Und wieder war es die Soldatin, die stören musste. Verdammt, hatte diese Frau denn keine anderen Aufgaben, als ihrem Vorgesetzten auf Schritt und Tritt zu verfolgen und ihm bei allem zu stören, was nicht zu den Aufgaben eines Ritters gehörte? Ätzendes Weib.

„Hauptmann, Ihre Hoheit möchte Euch gerne sprechen“, meldete sie gehorsam, ohne ein Wort über das Gesehene zu verlieren.

Der Ritter nickte. „Ich komme sofort. Bitte entschuldigt mich. Vielen Dank für die kleine Unterrichtsstunde.“ Er verbeugte sich galant vor dem Fürsten und ging wieder hinein.

Die Soldatin warf einen entrüsteten Blick auf den Fürsten, dann folgte sie ihrem Vorgesetzten.

Zunächst unschlüssig, was er tun sollte, sah der Fürst ihnen eine Weile nach. Dann siegte seine Neugier, was der Ritter wohl mit dem König zu bereden hatte und er betrat ebenfalls den Saal. Zu seiner Überraschung unterhielt sich der Ritter jedoch nicht mit dem Herrscher. Tatsächlich hatte er den alten Zausel den ganzen Abend noch nicht gesehen. Nein, es war die Prinzessin, die beim Ritter stand und sich angeregt mit ihm unterhielt.

Der Fürst schluckte schwer. Es fiel ihm sofort auf, wie gut sich die beiden verstanden. Und zu allem Überfluss gaben sie ein wirklich hübsches Paar ab. Dies schien nicht nur er so zu sehen. Die Gäste sahen zu ihnen herüber und tuschelten angeregt. Der Fürst verspürte plötzlich ein beklemmendes Gefühl in der Brust, heiß und schwer wie Blei.

Was war das nur?

Plötzlich verstummten sämtliche Gespräche im Saal. Der König hatte diesen betreten und forderte die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden.

Der Fürst warf ihm einen hasserfüllten Blick zu.

„Ich möchte Euch allen danken, dass ihr so zahlreich hier erschienen seid. Wie bereits angekündigt, habe ich eine große Neuigkeit zu verkünden. Hiermit gebe ich die Verlobung meiner geliebten Tochter… mit dem Anführer der königlichen Ritter bekannt!“

Ein lautes Raunen ging durch den Saal, dann applaudierten die Gäste.

Der Ritter wirkte aufrichtig überrascht von dieser großen Neuigkeit. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass der König ihn als Ehemann für seine geliebte Tochter auch nur in Erwägung zog. Sprachlos wandte er sich an die Prinzessin. Ihr Gesicht zierte eine sanfte Röte und sie lächelte ihn schüchtern an. Ihre Augen strahlten vor Glück.

„Wusstet Ihr davon?“, fragte der Ritter schließlich.

Sie nickte. „Vater traf diese Entscheidung schon vor geraumer Zeit. An meinem Geburtstag setzte er mich dann über seine Absichten in Kenntnis. Er sagte, er könne sich keinen besseren Ehemann für mich und keinen besseren Nachfolger für den Thron vorstellen, als Euch.“

Den Ritter klappte die Kinnlade herunter. Daran hatte er ja noch gar nicht gedacht! Wenn er die Prinzessin heiraten würde, würden sie gemeinsam über dieses Königreich herrschen! Er und König? Welch ein befremdlicher Gedanke…

Die Soldatin eilte zu ihrem Anführer und salutierte vor ihm. „Hauptmann, herzlichen Glückwunsch zur Verlobung!“, rief sie.

Der Ritter lächelte verlegen. „Vielen Dank. Ich fühle mich wirklich sehr geehrt, dass der König mir soviel Vertrauen entgegenbringt.“

Diese Worte waren zuviel für den Dämonenfürsten. Der Druck in seiner Brust war unerträglich gewachsen, in seinem Herzen verspürte er einen stechenden Schmerz. Was sollte diese alberne Farce? Ihn Zeuge werden zu lassen, wie der Ritter mit der Prinzessin verlobt wurde. Er fühlte sich gedemütigt. Vorgeführt. Dabei hatte er die ganze Zeit geglaubt, dass zwischen ihnen…

Genug! Er hatte genug! Die Menschen hatten ihn lange genug zum Narren gehalten. Von nun an würde er sich wieder ganz seiner Rache widmen.

Der Dämonenfürst hob seine Hand und schnipste laut mit den Fingern. Im Bruchteil einer Sekunde erstarrten sämtliche Gäste, der König und die Ritter zu Stein. Einzig der Ritter und die Prinzessin blieben verschont. Ängstlich klammerte die Prinzessin sich am Arm des Ritters fest und sah sich im Saal um. „Was ist geschehen?! Sind sie tot?“

„Noch nicht. Aber wenn du rumzickst, kann ich für nichts garantieren.“ Der Dämonenfürst trat an die beiden heran und grinste breit. „Sorry, dass ich diese hübsche Feierlichkeit unterbrechen muss, aber es wird höchste Zeit, dass ich in mein Schloss zurückkehre. Also… lasst uns aufbrechen, Prinzessin.“

„Ihr… ihr könnt ja sprechen“, stellte der Ritter überrascht fest.

„Seid Ihr das etwa gewesen?“, fragte die Prinzessin ängstlich. „Was habt Ihr getan?“

„Reg dich nicht auf, Prinzesschen. Ist nur ein harmloser Versteinerungszauber. Eure kleine Fee wird die schon wieder hinkriegen.“

„Wieso macht Ihr denn so etwas?“, schluchzte die Prinzessin.

Der Dämonenfürst zuckte mit seiner Schulter. „Ihr solltet froh sein, dass ich nur das gemacht habe.“ Plötzlich hüllte er sich selbst in einen dunklen Rauch ein. Als dieser sich verzog, stand der Fürst in seiner wahren Gestalt vor den beiden. „Also, Prinzesschen, Ihr habt die Wahl. Entweder begleitet Ihr mich in mein Schloss oder ich muss andere Saiten aufziehen.“

Die Prinzessin versteckte sich hinter dem Rücken des Ritters.

„Ihr dürft die Prinzessin nicht mitnehmen!“ rief der Ritter.

Der Fürst seufzte laut und verdrehte genervt die Augen. Dann zauberte er eine große dunkle Peitsche herbei, schwang sie und zerschlug die versteinerte Soldatin, ohne mit der Wimper zu zucken. „Dieses dumme Weib hat mich ohnehin dauernd genervt. Ich wiederhole mich nur noch einmal: entweder du kommst freiwillig mit, Prinzesschen, oder ich zertrümmere alle lieben Menschen in diesem verdammten Saal, inklusive dem verfluchten König!“ zischte der Fürst zornig.

Die Prinzessin sah auf die Trümmer, die einmal die Soldatin waren, und zitterte. Nach einer Weile ließ sie den Arm des Ritters los und ging langsam auf den Fürsten zu.

„Halt! Ich kann das nicht zulassen!“, mischte sich der Ritter ein und griff nach seinem Schwert. Er zögerte jedoch, es zu ziehen. Stattdessen starrte er den Fürsten an, fassungslos, dass dieser Mann sein Feind war.

Der Fürst hielt seinem festen Blick stand. „Zwing mich nicht, dir auch wehtun zu müssen“, warnte er leise. Dann schnappte er sich den Arm der Prinzessin und malte mit der anderen Hand ein Symbol in die Luft. Dieses begann zu leuchten, sank zu Boden und erzeugte einen Lichtkegel. Der Fürst zog die Prinzessin mit auf das Symbol und kurz darauf waren sie spurlos verschwunden.

Der Ritter blieb allein zurück. Fassungslos sah er sich im Saal um, der voller versteinerter Menschen war und verstand die Welt nicht mehr.

 

~ to be continued ~

Das einsame Herz

Nachdem der Ritter sich wieder gefangen hatte, eilte er hinunter ins Magielabor, um die Fee und die Zauberschülerin zur Hilfe zu holen. Diese hatten jedoch schon bemerkt, dass etwas nicht stimmte und kamen ihm auf halben Weg entgegen gelaufen.

Sofort besorgte die Zauberschülerin alle Zutaten, die sie für die Rettung der Menschen benötigten, und machte sich dann sogleich mit der Fee daran, den Trank zu brauen.

Der Ritter saß derweil völlig niedergeschlagen auf einem Stuhl und starrte ins Nichts. Das der fremde Mann aus dem Garten in Wahrheit der Dämonenfürst war, traf ihn wie ein Schlag.

„Macht Euch nicht so viele Vorwürfe, Hauptmann“, warf dann schließlich die Fee ein, während sie weiter im Kessel rührte. „Ihr wurdet ebenso hereingelegt, wie jeder andere. Wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir am Besten zurückschlagen und die Prinzessin retten können. Der Dämonenfürst wird jedenfalls nicht ungeschoren davonkommen, das versichere ich Euch.“

Der Ritter schloss gequält die Augen. „Ich mache mir keine Vorwürfe. Ich versuche zu verstehen, wie es soweit kommen konnte. Was habe ich übersehen? Warum hat der Fürst so plötzlich entschieden, die Prinzessin zu entführen?“

„Was wollt Ihr denn damit sagen?!“ rief die Fee verärgert. „Der Dämonenfürst hat das nicht plötzlich entschieden! Er versucht doch schon seit Langem, die Prinzessin zu entführen! Er ist von grundauf Böse!“

„Ist das wirklich so? Dann könnt Ihr mir doch gewiss erklären, warum er nur die Prinzessin entführt hat? Er war innerhalb der Barriere! Der König ist versteinert! Warum hat er diese einmalige Gelegenheit nicht genutzt, um das Königreich zu stürzen, wo das doch angeblich sein vorrangiges Ziel sein soll? Wir haben ihm nichts entgegenzusetzen und er weiß das inzwischen! Dennoch hat er lediglich dafür gesorgt, dass ihn niemand bei seiner Flucht aus dem Schloss hindern kann und hat die Prinzessin mitgenommen! Ich begreife das nicht, Ihr vielleicht?“

Die Fee hielt inne und starrte die Oberfläche des Trankes an. Es stimmte schon, was der Ritter sagte. Das Verhalten des Fürsten machte überhaupt keinen Sinn, da es nicht zu den Erzählungen über ihn passte. Und da war noch etwas… Sie hatte zu keiner Zeit eine böse Aura wahrgenommen – auch dann nicht, als der Fürst eine wahre Gestalt offenbart hatte.

Die Zauberschülerin warf ein paar Kräuter in den Kessel und fragte verwundert: „Eines verstehe ich noch nicht so ganz. Fee, du hast doch immer gesagt, meine Steine könnten einfache Zauber unwirksam machen. Warum haben sie den Verwandlungszauber des Fürsten nicht aufgehoben?“

Die Fee nickte zustimmend. Auch das war ein Mysterium. Zu gern würde sie den Fürsten selbst dazu befragen. „Es gibt wirklich viele Ungereimtheiten. Wenn Ihr aufbrecht, um die Prinzessin zu befreien, würde ich Euch gern begleiten.“

„Ich ebenfalls!“, rief die Zauberschülerin sofort. „Ich möchte die Prinzessin unbedingt retten!“

Der Ritter lächelte. Die beiden hatten absolut Recht. Im Moment war es wichtig, die Prinzessin aus dem Schloss zu befreien. Und dann würde er auch den Dämonenfürsten wieder sehen. Vielleicht war es ja möglich, die Sache friedlich zu bereinigen? Er wünschte es sich von ganzem Herzen. Denn der Fürst war nicht böse, dessen war er sich sicher.

 

„Das ist also die Prinzessin?“

Aufgeregt schlich Frosch um die verängstigte junge Frau herum und begutachtete sie von allen Seiten. Schließlich verschränkte er die Arme vor der Brust und legte nachdenklich den Kopf schief. „Hm… Die sieht gar nicht so wertvoll aus.“

„Natürlich nicht, du Dummkopf! So etwas kann man wohl kaum am Aussehen einer Person festmachen!“

Frosch zuckte zusammen und wandte sich vorsichtig um.

Der Dämonenfürst saß auf seinem Thron, den Kopf auf die Faust gestützt und fixierte die Prinzessin mit ausdruckslosem Gesicht.

„Nein… sie ist vor allem wichtig für den König“, murmelte er leise, dann schlich sich ein diabolisches Grinsen auf sein Gesicht. „Ich kann es kaum erwarten, dass er hier aufkreuzt, um sie zu retten. Es wird das Letzte sein, was er je tun wird.“

„Was habt Ihr gegen meinen Vater?! Warum wollt Ihr unser Königreich zerstören?!“, schrie die Prinzessin.

„Das hat dich nicht zu interessieren! Verhalte dich ruhig, dann passiert dir nichts.“

„Ihr scheint ja sehr davon überzeugt zu sein, dass Euer Plan fruchtet, aber bildet Euch nicht zuviel darauf ein, dass Ihr mich entführen konntet! Mein Verlobter wird Euch für Eure bösen Taten bestrafen!“

Missbilligend schnalzte der Fürst mit der Zunge. „Ach ja… Dein feiner Verlobter, der ach-so-große-Ritter… Sollte er es wagen, meine Pläne zu durchkreuzen, stirbt er als Erster!“, verkündete der Fürst und erhob sich von seinem Thron. „Bringt unseren Gast in Ihr Zimmer!“, rief er noch, dann zog er sich in seine Gemächer zurück. In Gedanken blieb er beim Ritter. Bitte komm nicht hierher. Auch, wenn sie deine Verlobte ist… Ich möchte dich nicht verletzen müssen.

Die Hexe, die schräg hinter dem Thron stand und sich die ganze Szene schweigend angeschaut hatte, sah ihm nachdenklich nach, dann schnappte sie sich die Prinzessin und brachte sie mit Frosch auf ihr Zimmer.

Kaum war die Tür zu, nahm sie Frosch beiseite. „Hast du getan, worum ich dich bat?“

Frosch verzog das Gesicht. Es missfiel ihm, dass dieses Frauenzimmer ihm Aufträge erteilte, besonders, weil dies hinter dem Rücken des Fürsten geschah. Aber die Drohung, aus ihm Froschschenkelsuppe zu machen, war nun einmal sehr überzeugend gewesen.

„Ja, ich bin unserem Herrn zum Schloss gefolgt, wie du es wolltest.“

„Gut. Dann erzähl mir alles, was du über den Ritter in Erfahrung bringen konntest.“

 

Mittlerweile war es der Fee und die Zauberschülerin gelungen, sämtliche versteinerte Leute wieder zu befreien. Viele von ihnen waren nach der Versteinerung sehr erschöpft, manche brauchten sogar ärztliche Hilfe. Ernsthaft geschädigt war allerdings niemand von ihnen.

Einzig die Soldatin war verloren.

Während die königlichen Ritter sie auf dem Soldatenfriedhof beisetzten, suchten der Ritter, die Fee und die Zauberschülerin den König in seinen Gemächern auf. Der König lag in seinem Bett. Die Versteinerung hatte ihn ebenfalls sehr geschwächt, doch die Nachricht über die Entführung seiner geliebten Tochter war es, dass ihn die Kraft raubte und ans Bett fesselte.

„Majestät, ich bin davon überzeugt, dass Eure Tochter noch lebt“, warf der Ritter entschlossen ein.

Träge wandte der König sein Gesicht dem Blonden zu.

„Warum auch immer er sie entführt haben mag, er benötigt sie lebend“, fuhr dieser unbeirrt fort. „Ich möchte vorschlagen, dass Ihr uns als Vorhut losschickt, um mit dem Fürsten über ihre Freilassung zu verhandeln.“

Dem König gefiel diese Wortwahl gar nicht. Wütend fuhr er den Ritter an: „Ich soll mit diesem Ungeheuer verhandeln?! Niemals!“

„Euer Majestät, es sind berechtigte Zweifel über die Absichten des Dämonenfürsten aufgekommen“, mischte sich die Fee ein. „Es wäre in diesem Moment absolut falsch, ihn anzugreifen, solange wir nicht sein wahres Ziel kennen! Vor allem jetzt nicht, da der Dämonenfürst weiß, dass wir ihm nichts entgegenzusetzen haben.“

„Außerdem müssen sich Eure Streitkräfte noch von den Nachwirkungen des Versteinerungszaubers erholen“, sagte die Zauberschülerin fast zu leise, den Blick fest auf den Boden gerichtet.

Der König beruhigte sich wieder. „Das ist wohl wahr… Nun gut, ich gebe Euch eine Chance. Holt meine geliebte Tochter zurück und sucht nach einem Weg, diesem Monster das Handwerk zu legen. Ich verlasse mich auf euch.“

Die drei verbeugten sich vor dem König und verließen dessen Gemächer, um sich für ihre Reise vorzubereiten.

Kaum hatten sie die Tür hinter sich zugezogen, entstieg der plötzlich gar nicht mehr so geschwächte König dem Bett und rief in die Dunkelheit hinein: „Ich weiß, dass du hier bist. Ich habe einen Auftrag für dich.“

Eine dunkle, vermummte Gestalt trat aus dem Dunklen hervor und kniete vor dem König nieder. „Was ist Euer Begehr?“

„Dieser verfluchte Dämon hat es gewagt, mir meine Tochter vor meinen Augen zu stehlen. Bisher habe ich Nachsicht walten lassen, aber damit ist jetzt Schluss. Ich möchte, dass du aufbrichst und unsere… spezielle Freundin zu mir bringst. Es wird Zeit, diese Sache ein für allemal zu beenden.“

„Verstanden“, sagte die Gestalt und verschwand so schnell, wie sie aufgetaucht war.

Der König trat zum Fenster und sah hinaus in die dunkle Nacht. Ja, die Geister der Vergangenheit verfolgten ihn schon viel zu lange…

 

Anderthalb Tage reiste die kleine Gruppe, bis sie das Schloss des Dämonenfürsten erreichten. Da sie es für sicherer hielten, im Schutze der Dunkelheit einzudringen, schlugen sie am Rande des Waldes ihr Lager auf. Nach einem stärkenden Mahl, welches der Ritter zubereitet hatte, beratschlagten sie, wie sie vorgehen wollten.

„Ich soll mit der Prinzessin allein fliehen?“, wunderte sich die Zauberschülerin über das Ergebnis.

„Die Sicherheit der Prinzessin hat oberste Priorität“, erklärte der Ritter. „Wenn wir sie aus dem Kerker befreit haben, werdet Ihr gemeinsam mit ihrer Hoheit ins Schloss zurückkehren.“

„Das ist eine wichtige Aufgabe“, bestärkte ihn die Fee. Sie verschwieg ihrer Schülerin, dass sie sich auch so entschieden hatten, weil es für die Zauberschülerin am sichersten war, nicht auf den Dämonenfürsten zu treffen. Im Kampf war sie einfach noch zu unsicher und zu unerfahren.

Glücklicherweise überzeugten sie das Mädchen schnell von diesem Schritt. „Ich habe verstanden. Ihr könnt Euch auf mich verlassen, ich werde die Prinzessin wohlbehalten ins Schloss bringen!“

Der Ritter lächelte erleichtert. „Davon bin ich überzeugt. Gut, während Ihr die Prinzessin in Sicherheit bringt, werden Fee und ich den Dämonenfürsten suchen und ihn befragen.“

„Ihr seid hoffentlich bereit dazu, Euer Schwert zu ziehen. Es könnte sein, dass der Dämonenfürst nicht bereit ist, uns unsere Fragen zu beantworten“, flüsterte die Fee.

Der Ritter erwiderte nichts. Er war sich vollkommen bewusst, dass es zum Kampf kommen könnte, doch er hoffte immer noch, es vermeiden zu können. Denn er würde es niemals fertig bringen, sein Schwert gegen den Fürsten zu ziehen…

 

Mit Einbruch der Dunkelheit packten die drei Helden ihr Lager ein und versteckten ihre Pferde hinter einem hohen Felsen. Dann begannen sie mit der Infiltrierung des Schlosses. Der Plan sah eigentlich vor, über den Wassergraben ins Schloss zu gelangen. Doch zu ihrer Überraschung stand das Burgtor sperrangelweit offen. Und weit und breit keine Wachen zu sehen. Was ging hier vor?

Ungehindert konnte die Gruppe in den Kerker vordringen, doch dieser war völlig leer. Keine Wachen, aber auch keine Prinzessin.

Wo hatten sie sie nur hingebracht?

Plötzlich fiel der Zauberschülerin etwas ein. „Hauptmann, hatte die Prinzessin Euch nicht mit einem Taschentuch verbunden, als Ihr Euch vor einigen Tagen an den Dornen verletzt habt? Besitzt Ihr dieses Tuch noch?“

Der Ritter kramte in seinen Taschen und zog jenes Tuch hervor. „Ja, habe ich. Ich bin noch nicht dazu gekommen, es ihr zurückzugeben. Was wollt Ihr damit?“

„Das werdet Ihr schon sehen“, murmelte die Zauberschülerin geheimnisvoll und nahm ihm das Tuch ab. Dann legte sie es sich zwischen die Handflächen und ließ ihre Magie hineinfließen. Das Tuch leuchtete plötzlich rot auf und begann von selbst zu schweben. Langsam flog es geradeaus den Gang herunter.

„Ein Ortungszauber“, erklärte das Mädchen fröhlich. „Das Tuch wird uns jetzt direkt zur Prinzessin führen.“

Die kleine Gruppe folgte dem Tuch durch Gänge und Treppen hinauf, bis es vor einer Tür im obersten Stock zu Boden fiel.

Der Ritter hob es auf und musterte die Tür verwundert. „Das ist doch ein ganz gewöhnliches Zimmer. Ist sie wirklich dort drin?“

Die Zauberschülerin nickte, war aber nicht minder verwirrt.

„Dann lasst uns hineingehen!“, schlug die Fee vor und öffnete die Tür. Sie war noch nicht einmal verschlossen. Wirklich seltsam.

Im Zimmer saß die Prinzessin an einem Tisch und las in einem Buch. Als sie die Gruppe bemerkte, legte sie das Buch auf den Tisch und stand freudig auf. „Ihr seid gekommen!“

„Ja… wir sind hier, um Euch zu retten“, erklärte der Ritter verwirrt, nicht sicher, ob das überhaupt nötig war.

Die Zauberschülerin dachte nicht soviel darüber nach, wie ihre Begleiter. Entschlossen trat sie vor und sagte zu der Prinzessin: „Hoheit, seid unbesorgt. Ich werde Euch ins Schloss zurückbringen!“

Die Prinzessin musterte sie neugierig. Dann lächelte sie freundlich. „Ah! Ihr seid doch das Magiegenie, nicht wahr? Habt Ihr Euch wirklich an diesen gefährlichen Ort begeben, um mich zu retten?“

Das jüngere Mädchen errötete stark und lächelte schüchtern zurück. „J-ja, Hoheit…“

„Hoheit, Ihr werdet nun mit der Zauberschülerin von hier fliehen“, mischte sich die Fee ein.

Besorgt sah die junge Frau abwechselnd die Fee und den Ritter an. „Und was werdet Ihr beide tun?“

„Wir suchen den Dämonenfürsten. Es gibt da ein paar Dinge, die wir mit ihm klären müssen.“

Die Prinzessin verstand. „Ja, es gibt einige Fragen, die einer Klärung bedürfen. Ich hatte angenommen, dass er mich in ein Verließ wirft. Stattdessen hat er mir dieses gemütliche Zimmer zur Verfügung gestellt. Er erlaubte mir sogar, mich frei im Schloss zu bewegen, solange ich nicht versuche, zu fliehen.“

„Gibt es denn gar keine Wachen im Schloss?“, fragte die Zauberschülerin.

Ihre Hoheit schüttelte den Kopf. „Die Hexe sorgt für gewöhnlich für die Sicherheit. Habt ihr sie nicht getroffen?“

„Nein, hier war niemand.“

„Wir können uns später Gedanken darüber machen. Jetzt solltet ihr beide erstmal von hier verschwinden. Der Ritter und ich kümmern uns um die Details“, schlug die Fee vor.

Die beiden jungen Frauen nickten und liefen zur Tür. Doch nach einigen Schritten blieben sie wie angewurzelt stehen. Die Fee lugte zwischen ihnen hindurch und sah den Grund. Vor ihnen stand eine froschähnliche Gestalt in Kindergröße und glubschte sie wie vom Donner gerührt an.

„Was sollst du denn bitte darstellen?“, höhnte die Fee und schob sich zwischen den Frauen durch, baute sich vor Frosch auf. „So eine komische Gestalt hab ich noch nie gesehen!“

Erbost blies Frosch die Backen auf. „Dann hast du wohl noch nie in den Spiegel geschaut! Du bist doch selber ne komische Gestalt!“

„Wie bitte?! Wie kannst du es wagen, mich mit dir gleichzusetzen, du… du… Lurchding!“

„Ich bin kein Lurch! Ich bin ein Frosch! Und was bist du, du… kleines Insekt?!“

„Wie bitte, klein?! Ich bin ja wohl größer als der da, oder?! Hauptmann? Eure Hoheit?“

Der Ritter wusste nicht recht, was er sagen sollte.

Die Prinzessin hingegen unterdrückte ein Kichern.

Die Zauberschülerin stellte sich verärgert vor den Frosch. „Sie ist kein Insekt! Sie ist eine Fee! Und jetzt sieh zu, dass du wegkommst! Ihre Hoheit und ich müssen jetzt gehen!“

Frosch wich geschockt zurück. „Wie bitte? Das dürft ihr nicht! Der junge Herr würde das gar nicht gern sehen! Wartet mal… Wie seid ihr überhaupt hier reingekommen? Die Hexe sollte doch Gesindel wie euch draußen halten! Verdammt, wo steckt sie bloß? Ich muss dem jungen Herrn davon berichten!“

Frosch wandte sich um und wollte davonsprinten, doch die Zauberschülerin rief: „Das lasse ich nicht zu!“ und warf einen Lichtblitz auf Frosch. Dann gab es einen Knall und der Diener des Fürsten fiel in seiner Froschgestalt zu Boden.

„Was ist passiert?“, wunderte sich die Prinzessin.

„Ich weiß nicht genau. Es scheint, als läge ein Zauber auf ihn. Und den habe ich wohl gerade aufgehoben.“

Die Fee schlenderte gemütlich an ihnen vorbei, hob Frosch hoch und grinste breit. „Na? Denkst du immer noch, dass du größer bist, als ich?“, fragte sie höhnisch und lachte laut.

Der Ritter seufzte, nahm ihr den Frosch ab und steckte ihn behutsam in seine Gewänder. „Genug damit. Machen wir mit unserem Plan weiter. Hoheit, Ihr werdet jetzt mit der Zauberschülerin fliehen. Fee, Ihr kommt mit mir.“

Die Frauen nickten und liefen dann den Gang entlang. In der Halle teilte sich die Gruppe auf, wobei die zwei jungen Frauen durch das Eingangstor hinausrannten. Der Ritter und die Fee vergewisserten sich, dass sie niemand aufhielt, bis sie sehen konnten, dass die Frauen den Felsen erreicht hatten.

Dann drehten sie sich um, um sich ihrer Aufgabe zu widmen – doch der Thron hinter ihnen war zu ihrer Überraschung nicht mehr leer. Der Dämonenfürst saß lässig darin und bedachte die ungebetenen Gäste mit einem kalten Blick.

„Da ziehe ich mich nur für einen Augenblick zurück, um in aller Ruhe ein Bad zu genießen, und was muss ich sehen? Drei kleine Ratten, die sich in mein Schloss einschleichen und mir meinen Schatz stehlen. Was soll man dazu noch sagen?“

Entschieden trat der Ritter vor. „Dämonenfürst, bitte hört mich an! Wir sind nicht hier, um Euch Ärger zu machen. Wir wollen bloß mit Euch reden.“

Der Fürst bedachte ihn mit einem wütenden Blick. Der Ritter glaubte sogar, einen leichten Ausdruck von Schmerz darin zu erkennen. „Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht zwingen, dich zu verletzen. Warum bist du hier? Ist dir dieses Weib wirklich so wichtig, dass du deinen Kopf riskierst? Was bist du nur für ein Narr.“

„Es geht Euch doch gar nicht um die Prinzessin. Dafür habt Ihr sie einfach zu gut behandelt. Was ist es also, was Ihr begehrt?“, entgegnete der Ritter, ohne den Blick von ihm abzuwenden.

Der Dämonenfürst musterte ihn. Er überlegte, ob er ihm antworten sollte. Letztlich kam er zu dem Schluss, dass es keinen Sinn mehr machte, sich in Schweigen zu hüllen. Der Ritter ahnte ohnehin schon, was hier vor sich ging. „Ich will den König und nur den König. Mich interessiert weder der Staatsschatz, noch will ich das Königreich zerstören. Die Prinzessin diente lediglich dazu, den König anzulocken.“

„Aber wozu das?“

„Der König zerstörte einst mein Leben. Jetzt zerstöre ich das seine. Ich will, dass er meinen Schmerz fühlen muss.“

„Und du glaubst wirklich, dass dir das gelänge?“

Die Drei zuckten unwillkürlich zusammen und suchten nach der Quelle dieser Worte. Aus dem Schatten trat zu ihrer aller Überraschung der König hervor. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, lächelte er den Dämonenfürst wie ein Schakal an.

„Hast du wirklich geglaubt, ich lasse dich ungeschoren davonkommen? Nachdem du es gewagt hast, in mein Schloss einzudringen und meine geliebte Tochter zu entführen… Ich habe deine Anwesenheit in dieser Welt lange genug geduldet. Es wird höchste Zeit, mich deiner zu entledigen.“

Eine leichte Bewegung mit der Hand genügte, dass sich der gesamte Raum mit Soldaten füllte. Diese drohten dem Fürsten mit ihren Schwertern oder Lanzen.

„Was machen denn die Soldaten hier?! Ich dachte, sie würden noch einige Zeit brauchen, um sich zu erholen?“, wunderte sich der Ritter und sah sich die Menge an.

„Das sollten sie“, nickte die Fee. „Sie hätten erst in ein paar Tagen hier auftauchen können.“

Den Dämonenfürsten ließ das alles eher kalt. Unentwegt starrte er den König an. „Ich kann mir schon vorstellen, dass du mich gern loswerden willst. Schließlich bin ich so was wie ein Mahnmahl für das, was du getan hast. Und du willst natürlich nicht, dass irgendwer erfährt, worum es sich wirklich bei deinem Staatsschatz handelt, nicht wahr?“

„Euer Majestät, wovon spricht er da?“, fragte der Ritter sofort.

„Hör nicht auf das Geschwätz dieses Monsters“, wimmelte der König die Frage ab. „Er versucht lediglich, sich Zeit zu erkaufen. Was ihm aber nicht gelingen wird. Nimm ihn fest.“

„Das werde ich nicht! Seltsame Dinge gehen hier vor sich und ich habe es satt, nicht zu wissen was!“

Der König fixierte den Ritter ausdruckslos. „Ich erwählte dich als meinen Schwiegersohn wegen deiner Loyalität mir und meinem Reich gegenüber. Lass mich jetzt nicht an dir zweifeln oder du bereust es.“ Er zog sein Schwert.

Der Ritter erkannte es sofort. Es handelte sich um das königliche Schwert, das innerhalb der königlichen Familie von König zu König weitergegeben wurde. Doch etwas stimmte nicht. Oberhalb des Schwertgriffes war ein roter Stein angebracht, ähnlich dem, den die Ritter erhalten hatten. Dieser hüllte das Schwert mit einem seltsamen rötlichen Licht ein.

Der Anblick des Schwertes brachte den bisher so beherrschten Dämonenfürst in Rage. Wütend sprang er von seinem Thron auf. „Du wagst es, solch eine Waffe auf mich zu richten?!“

Der König lächelte boshaft. „Es ist die ideale Waffe, um ein Monster wie dich zu beseitigen.“

Er brachte sich in Position und schwang das Schwert über seinen Kopf. Das Licht verstärkte sich dermaßen, dass es im gesamten Raum erstrahlte.

Der Ritter schnappte nach Luft und sah zum Fürsten. Der biss sich auf die Unterlippe und starrte unentwegt auf das Schwert, unternahm jedoch nichts. War er sich nicht im Klarem, dass es ihn töten könnte? Oder reagierte er so, weil er genau das wusste? Plötzlich wurde dem Ritter bewusst, dass der Fürst gegen den Hieb des Schwertes keine Chance hatte und rief: „Bitte tut das nicht!“

Noch ehe er den Satz beendet hatte, schlug der König einen Hieb in die Luft, der sich zu einer rötlichen Klinge formte und direkt auf den Fürsten zuschoss.

Der Ritter reagierte sofort. Er stürmte auf den Fürsten zu und stieß ihn gerade noch rechtzeitig beiseite – die Klinge traf stattdessen ihn. Stark blutend stürzte er zu Boden.

„Nein!“, schrie der Dämonenfürst und stürzte zu dem Blonden, nahm ihn behutsam in den Arm. Er sah sofort, dass die Wunde tödlich war.

„Verdammter Mist!“, fluchte der König und setzte zu einem weiteren Hieb an. Doch bevor er das Schwert mit dem Licht aufladen konnte, verschwand der rote Stein.

Die Fee hatte ihn mit einem Teleportationszauber zu sich geholt und untersuchte ihn nun genau. „Dachte ich mir doch! Es ist ein Manastein. Die hat meine Schülerin hergestellt. Sie sind eigentlich dafür gedacht, Magie aufzuheben, aber der hier… etwas ist anders an dem hier. Er nimmt Mana in sich auf. Aber woher kommt sie? Es ist soviel… ich halte es kaum aus, den Stein in der Hand zu halten!“

„Es ist eine besondere Form von Mana. Es gibt sie nur zweimal auf der Welt“, flüsterte der Dämonenfürst, den Blick auf den Stein gerichtet. Er sah traurig aus. Dann fixierte er den König und sein Blick verfinsterte sich. „Ich will dich nicht mehr sehen. HINAUS!!“ Er streckte den Arm aus und der Raum verzerrte sich. Dicke, schwarze Linien durchzogen ihn. Der König und die Soldaten wirkten wie eingefroren. Dann zog der Fürst seinen Arm zurück und die Linien zogen sich zurück, der Raum normalisierte sich – der König und die königlichen Ritter waren verschwunden.

Die Fee staunte nicht schlecht. Was für eine Kraft. Ihre eigene konnte da kaum mithalten.

Der Ritter röchelte und spuckte Blut aus.

„Könnt Ihr ihm denn gar nicht helfen?“, fragte die Fee besorgt.

Der Fürst schüttelte den Kopf. „Ich beherrsche keine Heilungszauber, die Wunden von diesem Mana heilen können. Ich nicht… aber du.“ Er sah auf, direkt in das Gesicht der Hexe.

„Ich soll meine Kraft für einen Menschen verschwenden?“, sagte sie kühl. „Was ist mit dir?“

„Er ist der Einzige, der an das Gute in mir geglaubt hatte. Es ist schon lange her, dass das jemand tat. Ich möchte nicht, dass er stirbt, nur weil er in meine Angelegenheiten hineingeraten ist. Er soll mit seiner Frau glücklich zusammenleben. Ich bin sicher, dass er ein besserer Herrscher für dieses Reich wird. Also bitte, tu mir den Gefallen und lass ihn leben.“

In das hübsche Gesicht der Hexe legte sich ein Hauch von Zorn. Es passte ihr gar nicht, dass der Fürst so liebevoll über diesen Mann sprach. Schließlich beugte sie sich zu dem Fürsten hinunter und lächelte verschlagen. „Gut, ich tu’s. Aber nur wenn du mir das gibst, was ich schon seid Langem begehre. Du weiß, wovon ich spreche… nicht wahr? Mach dir keine Sorgen was den König betrifft. Ich werde mich darum kümmern. Ich verspreche dir, dass ich sie wieder nachhause holen werde.“

Der Fürst erschauderte, nickte aber. „Gut, ich bin einverstanden.“

In den Gewändern des Ritters bewegte sich etwas. Frosch sprang hervor. Vom Hieb unverletzt geblieben, zappelte er nun wie wild vor dem Fürsten umher, doch da er in der Froschgestalt nicht sprechen konnte, verstand ihn niemand.

Der Fürst vollführte eine Handbewegung und Frosch wurde in Rauch eingehüllt. Als dieser sich lichtete, stand er wieder in der Kindergröße vor ihm. „Puh, endlich! Herr, Ihr dürft das nicht tun! Gebt diesem Weib nicht nach!“

„Ich muss. Nur sie kann ihn heilen. Hör zu, Frosch. Mein ganzes Leben habe ich nur für die Rache gelebt. Sie wird dafür sorgen, dass ich sie bekomme. Sie kann gar nicht anders, als sie mir zu verschaffen. Ob ich den König nun zur Strecke bringe oder jemand anders… so oder so wird mein Schmerz ein Ende haben. Hexe, heile ihn jetzt, schnell!“

Die Hexe kniete sich neben den geschundenen Körper und hielt beide Hände über die tiefe Wunde. Ein gleißendes Licht legte sich auf die Wunde. Unter dem staunenden Blicken der Fee begann diese, langsam zu schrumpfen, bis sie ganz verschwunden war.

„Es ist getan“, verkündete die Hexe und erhob sich.

„Ich danke dir“, flüsterte der Fürst und strich dem Ritter gedankenverloren die Haare aus dem Gesicht. „Es wird dir bald besser gehen.“ Dann packte er die Schultern des bewusstlosen Mannes und hievte ihn hinüber zur Fee, legte ihn in ihre kurzen Arme hinein. „Lebt wohl.“

Ehe die Fee noch etwas sagen konnte, erschien unter ihren Füßen ein Teleportationssymbol, das sie und den Ritter aus dem Schloss brachte.

„Lass es uns hinter uns bringen“, sagte der Fürst an die Hexe gewandt und begab sich in seine Gemächer.

 

„Bitte öffnet doch endlich die Augen!“

Die weinerliche Stimme hallte klar und deutlich im Kopf des Ritters wieder. Er schlug seine blauen Augen auf und erkannte die Prinzessin, die sich weinend über ihn gebeugt hatte.

Sie lächelte erleichtert. „Ihr seid wach, Gott sei Dank!“

„Was ist passiert? Wo sind wir?“, fragte er krächzend und hustete ein paar Mal.

„Wir sind im Wald vor dem Schloss. Ihr wurdet wohl hinaus teleportiert“, sagte die Zauberschülerin aufgeregt.

„Nachdem Ihr verletzt wurdet, hatte der Dämonenfürst eine seltsame Magie angewandt, wodurch der König und die Ritter verschwunden sind. Dann hat die Hexe euch geheilt“, erklärte die Fee.

Mühselig setzte der Ritter sich auf und starrte auf das Gras vor sich. „Ich begreife einfach nicht, was hier geschehen ist.“

„Wie gerne würdet Ihr es denn wissen wollen?“

Überrascht sah die Gruppe zu den Bäumen vor sich. Zu ihrer aller Verwunderung trat der Dieb aus ihnen hervor.

„Wie kommt Ihr denn hierher? Ihr seid doch eingesperrt gewesen!“, entfuhr es dem Ritter.

Der Dieb winkte ab. „Pfff! So ein albernes Gefängnis konnte mich noch nie aufhalten! Aber was noch viel wichtiger ist… Ich habe die Abwesenheit der königlichen Ritter genutzt und endlich das finden können, wonach ich schon so lange gesucht habe. Und es wird Euch all Eure Fragen zum Dämonenfürsten beantworten. Interessiert?“

Der Ritter musste nicht lange überlegen. Sofort rappelte er sich auf. „Bring uns dorthin!“

 

~ to be continued ~

Liebe ist die stärkste Magie

Der König schnaufte angestrengt und fasste sich mit der Hand an die schmerzende Seite.

Schon seit Stunden liefen er und seine königlichen Soldaten durch diesen seltsamen Ort. Doch egal, wie weit sie ihre Füße auch trugen, sie kamen nirgendwo an.

Dieser Ort, oder wie man immer das hier nennen sollte, hatte weder ein Ende noch ein Anfang. Es war schwer, etwas Derartiges überhaupt abzuschätzen, denn hier sah alles gleich aus. Ein weißer Horizont, durchzogen von schwarzen Linien, angeordnet wie ein Gitter.

Wo hatte dieser verdammte Dämonenfürst sie nur hingebracht?

Erschöpft hob er sein Schwert hoch und zischte wütend durch die zusammengebissenen Zähne. Er hatte soviel Zeit geopfert, um den magischen Stein zu erschaffen und damit dieses lästige Überbleibsel seiner Vergangenheit zu beseitigen. Doch dann ging alles schief. Und er wusste ganz genau, wem er das zu verdanken hatte.

„Wo bist du Hexe?! Du hattest behauptet, mit dem Stein wäre ich mächtig genug, um es mit dem Bengel aufzunehmen. Wie kann es da sein, dass er immer noch lebt? Gib es zu, du hast mich betrogen!“

„Ach… ICH habe DICH betrogen?“

Am Himmel brach ein Loch auf und die Hexe schwebte langsam zu Boden. Ein eiskaltes Lächeln lag auf ihren hübschen Lippen. „Es ist ja wohl eher andersherum, meinst du nicht?“

„Wo zum Teufel sind wir hier?!“

„In einem verzerrten Raum. Der Dämonenfürst hat dich und deine Pappsoldaten mit einem Gravitationszauber in einen anderen Raum verbannt. Hier herrschen andere Gesetze. Nur, wenn du sie nach deinem Willen manipulieren kannst, kannst du hier bestehen. Ein gewöhnliches Wesen wie du besitzt diese Macht selbstverständlich nicht. Aber ich.“

Der Gesichtsausdruck der Hexe nahm wahnsinnige Züge an und plötzlich vernahm der König hinter sich laute Schreie. Er wirbelte herum und sah zu seinem Entsetzen, wie sich die Körper der Soldaten auf absolut groteske Art verzerrten. So sehr, dass sie förmlich in der Luft zerrissen. Geschockt wich der König von ihnen zurück.

„Wa- Wie kann das sein?! Soviel Macht besitzt du doch gar nicht!“

„Doch. Jetzt schon. Wir beide hatten eine Abmachung. Ich habe dir nur gezeigt, wie du einen Mana-Stein herstellen kannst, weil du geschworen hattest, ihn damit nur gefangen zu nehmen. Es sollte ihn von seiner Besessenheit dir gegenüber hinweghelfen. Ich habe dich und deinen Ritter von den Nachwirkungen der Versteinerung geheilt und euch ins Schloss teleportiert – und wie dankst du es mir? Du hättest mich nicht hintergehen dürfen, Majestät. Zur Strafe naht nun dein Ende.“

Der Blick des Königs fiel auf das Amulett, das sie plötzlich um ihren Hals trug. Er erkannte sofort, was das war und begriff, dass sein Ende gekommen war. „Nein, warte! Wir können doch in Ruhe darüber sprechen!“

Die Hexe lächelte freundlich. „Tut mir leid, aber ich fürchte, das ist keine Option mehr. Es ist der innigste Wunsch des Fürsten, dass du stirbst für das, was du getan hast. Und den kann ich ihm nicht verwehren, selbst wenn ich es wollen würde. Bedaure, Euer Majestät, aber Ihr werdet in dieser Geschichte nicht mehr benötigt.“

Der König schrie laut auf und versuchte, zu flüchten.

Die Hexe sah ihm böse lächelnd nach. Wie erbärmlich dieser Mann doch war. Bis zum Schluss dachte er immer nur an sich selbst. Auch der Wunsch, seine Tochter in Sicherheit zu wissen und sie dafür zu isolieren, geschah nur, weil er sie als sein Eigentum ansah, nicht etwa aus Liebe. Das konnte man schon daran sehen, dass sein erster Impuls nach der Entführung seiner Tochter der war, aufzubrechen und den Fürsten zur Strecke bringen – und nicht etwa seine ach-so-geliebte Tochter zu retten.

Die Hexe schüttelte den Kopf. Solch ein herrschsüchtiger Mensch wie er war überflüssig in dieser Welt. Es war an der Zeit, sich seiner zu entledigen. Es kostete sie nicht mehr, als eine müde Handbewegung, um dieses erbärmliche Geschöpf in der Luft zu zerreißen. Mit einem Schwebezauber ließ sie das blutüberströmte Schwert zu sich fliegen, säuberte es mit einem Fingerzeig und nahm es an sich. Vielleicht brauchte sie es noch.

Nun gut. Jetzt gab es nur noch eine Sache zu erledigen. Dann konnte sie sich ihren eigenen Wünschen widmen.

 

Derweil eilte die Gruppe um den Ritter zu dem Ort, an dem all ihre Fragen beantwortet werden würden. Zu ihrer aller Überraschung handelte es sich dabei um das Schloss – oder vielmehr ein tiefgelegenes Kellergewölbe, von dem keiner der Gruppe je wusste, dass es unter dem Schloss existierte. Vor einem großen Tor endete schließlich der Weg.

„Hinter diesem Tor verbirgt sich die Antwort auf eure Fragen“, erklärte der Dieb den anderen.

„Und was genau befindet sich dahinter?“, fragte die Zauberschülerin aufgeregt.

„Der Staatsschatz. Die Quelle sämtlicher Magie in diesem Königreich. Und es ist der Grund, warum der Dämonenfürst uns als seine Feinde betrachtet.“

„Wie seid Ihr dort hineingelangt?“, wunderte sich die Prinzessin. „Den Schlüssel zum Staatsschatz besitze doch nur ich!“

Der Dieb stieß ein leises Lachen hervor. „Es ist leicht, dort hineinzugelangen, wenn man weiß, wie die Verriegelung funktioniert… Wie auch immer. Seid ihr bereit?“

Die Gruppe nickte einstimmig.

Der Dieb fummelte am Torschloss herum und öffnete es innerhalb weniger Sekunden. Mit einem lauten Knarren schwang das Tor auf und die Gruppe betrat den Raum. Im Inneren konnte man erkennen, dass der Raum rund war. Vier große Fackeln erleuchteten ihn, alle im exakten Abstand zueinander aufgestellt. In der Mitte befand sich ein riesiger, gläserner Sarg, in der horizontalen Position aufgestellt. Er war so groß, dass er fast bis zur Decke reichte. In seinem Inneren hing die Statue einer Frau, die seltsamerweise in Ketten gelegt wurde, die am oberen und unteren Ende des Sarges befestigt waren. Ihre Arme waren über der Brust gekreuzt, die Augen geschlossen. Ihr Gesicht drückte stille Qual aus. Trotzdem stach ihre Schönheit sofort ins Auge. Direkt über dem Sarg aus der Decke herausragend befand sich ein seltsamer Kristall, der sofort die Aufmerksamkeit der Fee weckte. Sie wirkte geradezu entsetzt, ihn hier zu sehen.

Irgendwie fasziniert von der schönen Statue, trat die Prinzessin näher und berührte mit einer Hand den Sarg. „Was für eine schöne Statue… Was ist das für ein Gestein? Es erscheint mir doch recht ungewöhnlich.“

„Das ist kein Gestein“, antwortete der Dieb und trat ebenfalls vor zum Sarg, den Blick fest auf die Statue gerichtet. „Und das ist auch keine Statue, sondern ein lebendiges Wesen. Zumindest war sie das einst.“

Geschockt schlug die Prinzessin eine Hand vor den Mund. „Was sagt Ihr da?! Das ist ja grauenhaft!“

„Wer war sie? Und warum ist sie hier unten eingesperrt?“, wollte der Ritter, nicht minder entsetzt, wissen.

Eine ganze Weile sprach der Dieb kein Wort, sondern verlor sich im versteinerten Anblick der Frau. Dann atmete er tief durch und begann leise zu erzählen: „Diese Frau dort… ist eine Dämonin. Vor vielen Jahren kam sie in diesen Teil der Welt und ließ sich in einem Schloss außerhalb des Königreiches nieder. Die Menschen des Königreiches waren wegen ihr besorgt und fürchteten um ihre Sicherheit. Doch die Dämonin fügte Niemandem ein Leid zu. Sie war äußerst naturverbunden und lebte im Einklang mit den anderen magischen Wesen im verwunschenen Wald. Nur, wenn ihnen Gefahr drohte, machte sie von ihrer Magie Gebrauch. Der damalige König jedoch fürchtete dennoch ihre Macht und rief seine beiden Söhne zu sich. Sie sollten einen Weg finden, wie sie die Dämonin beseitigen könnten. Wem immer dies gelang, sollte den Thron erben. Der Jüngere war dagegen, doch der Ältere machte sich sogleich ans Werk. Sie zu töten war keine Option, denn die Dämonin war unsterblich. Also machte er sich auf, nach einem Weg zu suchen, wie man sie fangen könnte.

In der Zwischenzeit verliebte sich die Dämonin in einen menschlichen Mann. In stiller Heimlichkeit heirateten die beiden und schließlich wurde ihre Liebe gekrönt mit der Geburt eines kleinen Jungen. Ein Mischling, halb Mensch, halb Dämon. Sie glaubten, ihr Glück würde ewig anhalten – sie ahnten nicht, dass gerade ihre Liebe es sein sollte, die zu einer Tragödie führen würde.

Eines Tages tauchte der ältere Prinz überraschend im Schloss auf. Als er erkannte, dass die Dämonin einen Menschen zum Gatten und einen Sohn hatte, wurde er zornig. Er attackierte die Dämonin, doch trotz all des Hasses, dass man ihr entgegenbrachte, weigerte sie sich, den Prinzen oder seine Männer zu verletzen. Sie konnte die Angriffe erfolgreich abwehren, doch dann wandte der Prinz einen miesen Trick an. Er nahm den kleinen Sohn und den Ehemann gefangen und drohte damit, sie zu töten, wenn die Dämonin sich nicht ergab. Sie tat es.

Die Dämonin und ihr Kind gerieten in Gefangenschaft.

Der Mann wurde verbannt. Er war jedoch nicht gewillt, einfach so aufzugeben. Es gelang ihm, ins Schloss einzudringen und seinen Sohn zu befreien. Seine geliebte Frau jedoch schien verloren. Die Ketten, in die man sie gelegt hatte, unterdrückten ihre Magie. Nur das königliche Schwert war imstande, die Ketten zu lösen und das befand sich in den Händen des Prinzen. Sie beauftragte ihn noch damit, ihren Sohn in Sicherheit zu bringen. Aus seinem Versteck heraus musste der Mann dann mitansehen, wie der Prinz und die königlichen Ritter seine geliebte Frau an einen anderen Ort brachten.

Schließlich kehrte der Mann mit seinem Sohn ins Schloss zurück. Von seinen Schuldgefühlen zerfressen, sah der Mann sich jedoch außerstande, bei dem Kind zu bleiben. Er verließ das Königreich und wurde fortan nicht mehr gesehen. Das Kind überlebte und ist heute als Dämonenfürst bekannt. Der Prinz bestieg danach den Thron.“

Die Gruppe hatte der Geschichte schweigend gelauscht.

Die Fee durchbrach als Erste die unangenehme Stille. „Das erklärt so Einiges. Zum Beispiel warum unsere Steine seinen Verwandlungszauber nicht aufgehoben hatten. Als halber Mensch kann er natürlich jederzeit zwischen der Menschen- und Dämonengestalt wechseln.“

„Er brauchte also gar keinen Verwandlungszauber“, schlussfolgerte die Zauberschülerin.

Die Prinzessin zitterte ängstlich. „Dann… dann ist das dort… die Mutter des Dämonenfürsten?“

„Kein Wunder, dass er den König so sehr hasste.“ Der Ritter schüttelte den Kopf. „Doch warum ist sie so versteinert? Was ist mit ihr geschehen?“

„Es ist der Kristall dort oben“, antwortete die Fee stattdessen. „Ich kann es einfach nicht fassen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, ausgerechnet Managestein hier vorzufinden. Damit ist der König entschieden zuweit gegangen.“

„Managestein? Was ist das?“, fragte die Zauberschülerin.

„Managestein ist der Feind eines jeden magischen Wesens. Ein natürlich vorkommendes Gestein, das tief in den Stollenbergen vorzufinden ist. Für gewöhnlich ist es mit einer Erzschicht bedeckt und ungefährlich. Es ist der Kristall im Inneren, den die magischen Wesen so sehr fürchten. Wenn sie ihm zunahe kommen, entzieht er ihnen ihre magische Lebensenergie und wandelt sie in Mana um, das er dann nutzt, um weiter zu wachsen. Wir Feen haben über diesen Ort gewacht, da wir dessen gefährliche Wirkung kennen. Doch eines Tages drangen Menschen in diesen Ort ein. Sie griffen uns sogar an, um an das Gestein heranzukommen. Seid diesem Tag meiden wir die Menschen.“

„Dann ist die Dämonin versteinert…“, begann die Zauberschülerin geschockt.

Die Fee nickte. „Ja. Der Kristall hat ihr ihre ganze Lebenskraft ausgesaugt, wodurch ihr Körper in diesen steinähnlichen Zustand geriet.“

„Können wir sie denn nicht retten?“, schlug die Prinzessin vor. „Wenn wir den Kristall zerschlagen…“

Die Fee schüttelte jedoch den Kopf. „Einmal völlig entzogen, kann die Lebenskraft eines magischen Wesens nie wieder in den Körper zurückkehren. Das ist ja das Gefährliche am Managestein. Selbst ihre Unsterblichkeit schützt sie nicht davor. Sie mag zwar nicht im normalen Sinne tot sein, doch ohne ihre Lebenskraft ist sie dazu verdammt, auf ewig in diesem Zustand zu verweilen. Sie ist verloren.“

„Das ist aber noch nicht die Ganze Geschichte“, mischte sich nun der Dieb wieder ein. „Ich bin in meinem Leben schon viel herumgekommen und an einem Ort schnappte ich ein grauenvolles Gerücht auf. Nur, um herauszufinden, ob es wahr ist, bin ich hier eingedrungen und habe nach diesem Ort hier gesucht. Um das größte Geheimnis dieses Königreiches zu lüften. Das Geheimnis des Staatsschatzes. Hat ihn einer von euch jemals gesehen?“

Die vier schüttelten die Köpfe.

„Ich glaube, außer dem König hatte ihn nie jemand gesehen“, warf die Zauberschülerin ein.

Der Dieb nickte. „Verstehe. Nun, der Staatsschatz, der als die Quelle sämtlicher Magie in diesem Königreich gilt, befindet sich genau über uns.“ Zum Entsetzen der anderen deutete der Dieb mit dem Zeigefinger genau in Richtung des Managesteins.

„Nein! Das darf nicht wahr sein!“, rief die Fee geschockt.

„Oh doch. Er hat die Kleine nur benutzt“, bestätigte der Dieb und sah dabei die Zauberschülerin an.

„Was meinst du denn?“, fragte diese ängstlich.

„Du darfst es ihr nicht sagen!“, schrie die Fee den Dieb an.

„Sie muss es aber erfahren!“ Der Dieb trat an das verängstigte Mädchen heran, legte ihm beide Hände auf die Schulter und erklärte ihr alles im ruhigen Ton. „Managestein nutzt die Lebenskraft der magischen Wesen, um Mana zu gewinnen und selbst zu wachsen. Doch jene, die im Umgang mit der Magie bewandert sind, können das Managestein nutzen, um Magie anzuwenden. Der Kristall kann also von Magiern als Zauberutensil verwendet werden.“

Die Zauberschülerin erstarrte. Langsam wich sie vom Dieb zurück und schüttelte fassungslos den Kopf, Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Soll das etwa heißen… dass ich die Lebenskraft dieser armen Frau für meine Magie verwendet habe?! Das Schutzschild… und alle anderen Zauber…“ Weinend sah sie zur Fee herüber, die sie mitleidig ansah und nickte.

Der Ritter fasste sich an die Brust und riss sich den magischen Stein von der Rüstung. Wütend sah er ihn an. Er fühlte sich plötzlich wie ein Monster, da er ihn benutzt hatte. Seine Gedanken wanderten zum Dämonenfürsten. Wie gern wäre er jetzt bei ihm und würde ihn in den Arm nehmen…

Auch die Prinzessin weinte. „Ich kann einfach nicht fassen, dass mein Vater solch schreckliche Dinge getan hat, nur um König zu werden! Hatte er denn gar kein Herz?“

„Das hatte er noch nie gehabt“, rief eine Stimme von oben herab.

Im selben Moment gab es eine laute Explosion und die Decke stürzte ein. Der Kristall fiel zu Boden und zerberste in tausend Stücke. Die Gruppe war gerade noch ausgewichen und sah nun hinauf zum Loch in der Decke.

Die Hexe schwebte aus diesem zu ihnen herunter und lächelte freundlich. „Und ich bezweifle, dass er es jetzt noch braucht. So als toter Mann.“

„Ihr habt meinen Vater getötet?“ Die Prinzessin löste sich aus der schützenden Umarmung des Ritters. „Das stand Euch nicht zu! Er hat zweifelsohne Strafe verdient. Doch als Toter kann er für seine Taten nicht büßen!“

„Es war der Wunsch meines geliebten Dämonenfürsten“, erklärte die Hexe kühl. „Ich tue immer, was mein Liebster mir befiehlt. Und nun entschuldigt mich. Mein Liebster wollte unbedingt diesen Ort hier aufsuchen, um seine Mutter aus ihrem Gefängnis zu befreien. Er vermag ihr Schicksal nicht zu ändern, doch er sähe es lieber, dass seine Mutter die Ewigkeit in seinem Schloss zubringt und nicht an diesem grässlichen Ort.“

„Könnt Ihr sie denn befreien?“, fragte der Ritter.

Die Hexe nickte und zauberte das königliche Schwert hervor. „Hiermit kann ich es.“

Der Ritter zog ebenfalls sein Schwert und zerschlug mit einem kräftigen Hieb den gläsernen Sarg. Die leblose, in Ketten gelegte Hülle der Dämonin drohte zu Boden zu fallen – der Ritter konnte sie gerade noch auffangen. Dann sagte er zur Hexe: „Dann tut es. Bringt sie zu ihm. Er hat lang genug ohne sie leben müssen.“

Die Hexe schwang das Schwert und löste damit die Ketten. Dann hob sie Dämonin auf ihre Arme und flog hinauf zum Loch in der Decke. Sie lächelte zum Abschied. „Wir werden uns schon bald wieder sehen!“ Dann verschwand sie.

Die Fee sah ihr nachdenklich hinterher. „Dieses Amulett um ihren Hals… das ist ein ganz besonderer Mana-Stein! Ein Mana-Stein ist ein künstlich erzeugtes Juwel, das entsteht, wenn Magier das Mana aus dem Managestein herausziehen. Doch den, den die Hexe hat, entzieht dem Managestein das Mana, sobald dieses die Lebenskraft umgewandelt hat. Er scheint immer noch Mana aufzunehmen… aber… nicht von diesem Managestein…“

„Dann gibt es noch ein Managestein? Aber wo?“, fragte die Zauberschülerin. „Und vor allem… von wem saugt es die Lebenskraft auf?“

Plötzlich lief es dem Ritter eiskalt den Rücken herunter. „Der Dämonenfürst…“, entfuhr es ihm panisch.

„Wir müssen sofort zum Schloss zurück!“, rief der Dieb.

 

Sofort eilte die Heldengruppe zurück zum Schloss des Dämonenfürsten. Durch die Abkürzung, die der Dieb kannte, waren sie glücklicherweise innerhalb weniger Stunden vor den Toren der dunklen Palastmauern.

Besorgt sah der Ritter zu dem Schloss auf. „Hoffentlich geht es ihm gut…“, flüsterte er.

„Wir werden ihn finden!“, versicherte ihm die Fee. Auch sie wollte dem Fürsten helfen. Insgeheim fühlte sie sich für all das verantwortlich, denn immerhin oblag es den Feen dafür zu sorgen, dass das Managestein nicht in die falschen Hände geriet.

Die Gruppe wollte sich gerade daran machen, dass Schloss zu stürmen, als sich ihnen jemand in den Weg stellte. Es war Frosch, des Fürsten Diener. „Ich hätte nicht erwartet, euch jemals wiederzusehen… aber ihr kommt sowieso zu spät“, sagte er traurig. „Er ist schon verloren…“

„Das glaube ich nicht!“, fuhr die Fee ihn wütend an. „Der Mana-Stein um ihren Hals nimmt immer noch das Mana vom Managestein auf. Das heißt, der Dämonenfürst besitzt immer noch Lebenskraft, die das Managestein aufsaugt!“

„Das spielt keine Rolle! Sobald der Prozess beginnt, kann man ihn nicht wieder rückgängig machen!“, schrie der Frosch verzweifelt, dann verstummte er und schniefte leise.

Mitleidig kniete sich die Prinzessin vor den Frosch und nahm ihn in den Arm. „Vielleicht können wir dem Dämonenfürsten nicht helfen, das wird sich zeigen. Aber wir werden auf keinen Fall zulassen, dass die Hexe ihn so ausbeutet, wie mein Vater es mit seiner Mutter tat! Hilfst du uns dabei?“

Die Entschlossenheit in den Augen der Gruppe überzeugte Frosch. Er wischte sich die Tränen weg und nickte. „Wie wollt ihr vorgehen? Die Hexe wird euch nicht zu ihm lassen.“

Die Fee dachte für einen Augenblick nach. Dann schien ihr etwas in den Sinn zu kommen. „Gut, wir machen Folgendes. Frosch, du bringst den Ritter über den Geheimgang im Wassergraben zum Zimmer des Fürsten. Ritter, ihr müsst unter allen Umständen das Managestein zerstören! Prinzessin, Ihr begleitet die beiden. Dort oben ist es sicherer für Euch. Wir anderen werden derweil die Hexe ablenken.“

Die Anderen nickten zustimmend.

Frosch führte den Ritter und die Prinzessin hinab zum Wassergraben, wo sie durch das Wasser zum Geheimgang wateten.

Die Fee, die Zauberschülerin und der Dieb warteten ab, bis die Drei außer Sichtweite waren, dann betraten sie das Schloss durch den Vordereingang. Kaum hatten sie einige Schritte in die Eingangshalle getan, tauchte auch schon die Hexe auf.

„Ihr seid schneller hier, als erwartet“, stellte sie amüsiert fest. „Ihr wollt wohl unbedingt sterben?“

„Wir wissen genau, was du vorhast! Wir sind hier, um dich aufzuhalten!“, erwiderte die Fee.

Die Hexe lachte laut. „Eine Fee, ein kleines Mädchen und ein Herumtreiber? Wohl kaum. Ich habe keine Lust, mich mit so kleinen Fischen wie euch herumzuärgern. Ich denke, ich werde lieber ins Zimmer meines Geliebten zurückkehren und die kleinen Störenfriede beseitigen, die gerade dabei sind, dort einzudringen.“

„Sie weiß Bescheid! Was machen wir denn jetzt?!“, rief die Zauberschülerin panisch.

Die Fee blieb jedoch davon ungerührt. „Das macht gar nichts. Wir können sie trotzdem noch beschäftigen.“

„Und womit bitte? Warum sollte sie darauf hereinfallen?“ Der Dieb schüttelte den Kopf.

„Sie wird hierbleiben und sich mit uns beschäftigen“, sagte die Fee laut, sodass die Hexe sie gut hören konnte. Dann zog sie etwas aus ihrer Tasche hervor. „Weil ich mir sicher bin, dass sie das hier gern zurück möchte.“

Tatsächlich erhielt sie sofort die volle Aufmerksamkeit der Hexe. „Das ist der Mana-Stein, den der König hatte! Er enthält den Großteil des Mana der Dämonenmutter. Gib ihn mir, sofort! Es steht euch nicht zu, ihn zu besitzen!“

„Wenn du ihn willst, wirst du ihn schon holen müssen“, grinste die Fee überlegen. Jetzt hatten sie sie am Haken. Jetzt konnten die Anderen den Dämonenfürsten retten. Während die Hexe näher kam, hielt die Fee der Zauberschülerin den Mana-Stein hin. „Jetzt kommt es auf dich an! Nutze den Stein und erkaufe uns damit Zeit!“

Die Zauberschülerin wich geschockt zurück. „Was?! Unmöglich, das kann ich nicht!“

Die Hexe zog das königliche Schwert und setzte bereits zum Angriff an.

„Du musst, das ist unsere einzige Chance!“, drängte die Fee, doch die Zauberschülerin zögerte, den Stein zu nehmen. Das Amulett um den Hals der Hexe leuchtete auf, das Schwert begann zu glühen und schoss sogleich einen Lichtblitz auf das Mädchen ab. Die kleine Magierin schrie laut auf, unfähig etwas gegen den Angriff auszurichten. In letzter Sekunde sprang der Dieb dazwischen und riss sie und die Fee zur Seite. Dabei wurde er an der Schulter verletzt. Blutend lag er am Boden. Besorgt kniete die Zauberschülerin neben ihm. Die Fee raunte ihr eindringlich zu: „Ich weiß, dass du Hemmungen hast, den Stein zu nutzen, jetzt wo du weißt, woher er seine Kraft bezieht. Aber du nutzt ihn, um ihren Sohn zu retten! Ich bin sicher, dass sie damit einverstanden wäre.“

Nachdenklich betrachtete die Zauberschülerin den Mana-Stein in der Hand der Fee. Ihre Lehrerin hatte recht. Entschlossen nahm sie den Stein entgegen und stellte sich der Hexe.

Der Dieb sah ihr mit schmerzverzerrtem Gesicht nach. „Wieso glaubst du, dass sie mit diesem Stein in der Lage wäre, die Hexe aufzuhalten?“

Die Fee wickelte ihm den Schal vom Kopf ab und verband damit die blutende Wunde. „Ist so eine Vermutung von mir. Der Magiefluss der Hexe gleicht dem der Dämonin. Ich bin davon überzeugt, dass das etwas zu bedeuten hat. Wenn ich recht habe… werden die Macht des Steins und ihre Magie sich gegenseitig aufheben. Mach dir keine Sorgen. Wenn jemand die Macht des Steins richtig nutzen kann, dann meine Schülerin.“

Die Zauberschülerin hielt den Stein fest in beiden Händen und betete innig. Verehrte Dämonenmutter. Wenn Ihr mich hören könnt, dann leiht mir Eure Kraft, damit ich Euren Sohn beschützen kann! Bitte helft mir! Als würde der Stein ihre Gebete erhören, erstrahlte er plötzlich im hellen Licht. Die Hexe griff erneut an, doch dieses Mal erzeugte der Stein ein Schutzschild und der Blitz prallte einfach daran ab.

Die Zauberschülerin lächelte erleichtert und fixierte dann die Hexe angriffslustig, die mit der Reaktion nicht gerechnet hatte. „Jetzt mach dich auf etwas gefasst!“

 

Während unten das Duell der Magierinnen tobte, erreichten die anderen Drei die Gemächer des Fürsten. Vor einem der Räume stoppte die Prinzessin. Auf einem gemütlichen Bett lag die leblose Hülle der Dämonenmutter. „Bitte geht ohne mich weiter“, sagte sie, ohne den Blick von der Frau zu nehmen. „Ich verspüre den Wunsch, für die Taten meines Vaters um Vergebung zu bitten.“

Der Ritter nickte und lief mit Frosch weiter zum Schlafzimmer des Fürsten. Sie fanden ihn schließlich auf seinem Bett liegend vor. Zum Entsetzen des Ritters war der Körper des Fürsten bereits bis zum Hals erstarrt, wie der seiner Mutter. Als der Blonde näher trat, erkannte er in der Hand des Fürsten ein kleines Stück Managestein, dass dieser direkt auf sein Herz gepresst hatte. Diese Gestik machte dem Ritter bewusst, dass der Dunkelhaarige sich selbst dazu entschieden hatte, seinem Dasein auf diese Art ein Ende zu bereiten. Der Preis, den er bereit war zu zahlen, um ihn zu retten. Doch in den Augen des Ritters war er viel zu hoch. Sanft strich er dem Fürsten die dunklen Haare aus dem Gesicht und sank dann weinend auf dessen Schulter herab.

Auch Frosch weinte leise. Seine Gedanken wanderten zu seiner ersten Begegnung mit dem Fürsten. Damals war er noch ein normaler Frosch und wurde von einer Gruppe Jungs gefangen und gequält. Plötzlich war der Fürst aufgetaucht und hatte die Kinder vertrieben. Der dankbare Frosch wollte sich für die Hilfe erkenntlich zeigen und war dem Dämon zu seinem Schloss gefolgt. Obwohl der Fürst anfangs versucht hatte, ihn wieder zu verscheuchen, verwandelte er ihn schließlich in diese menschenähnliche Gestalt und behielt ihn als seinen Diener bei sich. Das war der schönste Tag seines Froschlebens gewesen. Eigentlich hatte er seitdem jeden Tag als schön empfunden, auch wenn sein Herr oft streng mit ihm war. Jetzt hier stehen und zusehen zu müssen, wie sein Herr ein schlimmeres Schicksal erleidete, als nur den Tod. Bis vor wenigen Momenten hatte er ja noch gehofft, dass der Ritter ihn vielleicht noch retten könnte.

Der blonde Ritter hob seinen Kopf wieder, sah den bewusstlosen Fürsten aus seinen verweinten, blauen Augen an und strich ihm mit zitternden Fingern über die blassen Lippen. „Bitte vergib mir, dass ich dich nicht retten konnte“, hauchte der Ritter gegen die kalten Lippen. „Dabei hätte ich mir so sehr gewünscht, dass wir beide ein Happy End bekommen… und ich dir endlich sagen kann, wie sehr ich dich liebe. Schon vom ersten Augenblick an…“

Langsam schloss der Blonde seine Augen und hauchte seinem Liebsten zum Abschied einen Kuss auf die Lippen. Und dann geschah es: Die zärtliche Berührung erzeugte eine starke Welle, die durch den Raum, durch das Schloss, durch das gesamte Königreich hinwegfegte. Das Managestein in der Hand des Fürsten leuchtete extrem hell auf und zerbarste schließlich. Dasselbe geschah mit dem Amulett der Hexe. Zwei Lichtkugeln blieben zurück, die beide ihren Weg in den Körper des Dämonenfürsten fanden.

Überrascht richtete der Ritter sich auf und beobachtete, wie der Körper des Fürsten sich von seinem Gefängnis befreite und er seine dunklen Augen aufschlug. Schwer atmend irrte sein Blick durch den Raum, bis er schließlich beim Ritter hängen blieb. Der Fürst lächelte erleichtert und flüsterte: „Ich liebe dich auch.“

Zum zweiten Mal stiegen dem Ritter die Tränen in die Augen, doch dieses Mal war es vor lauter Freude. Überglücklich schloss er den Fürsten in seine Arme und küsste ihn leidenschaftlich. Die beiden Liebenden sahen sich dann lange und tief in die Augen, genossen das schöne Gefühl, das sie endlich gewagt hatten, zu benennen.

Plötzlich erschütterte etwas das gesamte Schloss. Erschrocken lösten sich der Ritter und der Fürst voneinander und sahen zu der offenen Tür. Was war geschehen? „Das kam aus der Eingangshalle, wo die anderen sind!“, meinte Frosch.

„Dann lasst uns nachsehen“, sagte der Ritter entschlossen, hob den immer noch geschwächten Dämonenfürsten auf seine Arme und lief dann gemeinsam mit Frosch hinunter. In der Eingangshalle war der Kampf der Magierinnen endlich zu einer Entscheidung gekommen. Nachdem das Amulett um ihren Hals zerstört und sie der Kraft des Fürsten beraubt war, hatte sie der geballten Kraft des Mana-Steins der Dämonenmutter nichts mehr entgegenzusetzen. Mehr noch: ihre Zaubersprüche schienen sich aufzulösen, als würde die Dämonenmutter selbst ihre Durchführung verhindern. Nun lag die Hexe geschwächt vor dem Thron auf dem Boden und atmete ihre letzten Atemzüge.

Der Dämonenfürst betrachtete sie eine Weile ausdruckslos, dann sagte er zu dem Ritter: „Bitte bring mich zu ihr.“

Der Ritter trug ihn zu der Hexe, ließ ihn vorsichtig hinunter und der Fürst kniete sich zu der Hexe auf den Boden. „Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du meine Mutter gerächt hast.“

Die Hexe lächelte traurig. „Für dich würde ich alles tun. Das weißt du doch.“

„Und warum habt Ihr ihm dann seine Lebenskraft stehlen wollen?“, fragte der Ritter verärgert.

Der Blick der Hexe verfinsterte sich. „Ich könnte jetzt sagen, dass es an meinem sehnlichsten Wunsch lag, vollständig zu werden. Aber ich wollte es auch, damit der Fürst nur mir allein gehört. Wenn ich alles Mana von ihm in mir aufgenommen hätte, hättest du ihn mir nie wieder wegnehmen können!“

Der Ritter stutzte. „Vollständig werden?“

„Was hast du dir davon erhofft?“ Der Fürst schüttelte verständnislos den Kopf. „Das, was du sagst und was du tust, ist oftmals so verwirrend für mich. Als ob du ein Herz hättest. Aber das hast du doch gar nicht, das weißt du doch!“

„Natürlich habe ich das! Ich liebe dich über alles und das hat nichts mit deiner Mutter zu tun!“

Wieder schüttelte der Fürst den Kopf. „Du kannst nicht lieben. So habe ich dich nicht geschaffen…“

Die Hexe hob schwach ihren rechten Arm und rammte ihn dann in ihre Brust hinein. Doch statt das Blut floss, zerbrach ihre Brust, als wäre sie aus Porzellan. Ihre Hand zog das hervor, was sie als ihr Herz verstand – ein wunderschöner rubinroter Kristall in Herzform. Diesen hielt sie dem Fürsten weinend entgegen. „Nehmt es zurück. Es war schon immer das Eure.“

Dann zerfiel ihr Körper wie eine Porzellanpuppe, die zu Boden fiel.

Der Fürst hob den Herzkristall hoch und betrachtete ihn nachdenklich. „Das ist das einzige Andenken, das ich von meiner Mutter zurückbehalten habe“, erklärte er dann. „Sie hat ihn selbst erschaffen, aus ihrer Lebenskraft. Sie hat ihn mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt, den sie mit mir gefeiert hatte. Sie sagte damals, wenn ich mich je einsam fühlte, würde dieser Kristall meine Tränen trocknen. Als sie mir genommen wurde, fühlte ich mich einsam und so leer… Doch anders, als meine Mutter es sagte, tröstete der Stein mich nicht über meinen Verlust hinweg. Ich wollte umarmt und geliebt werden. Also übte ich tagein, tagaus meine Magie, so wie sie es mich gelehrt hatte, und erschuf schließlich eine menschengroße Puppe, der ich den Kristall als Herz einsetzte. Das war die Hexe. Da sie das Kristallherz meiner Mutter besaß, konnte sie auch deren Magien anwenden und sie behütete mich wie eine Mutter. Ich hatte sie zwar so erschaffen, dass sie möglichst eigenständig denken und handeln konnte, aber irgendwann wurde ihre Vorgehensweise immer undurchsichtiger für mich.“

Die Fee lächelte. Sie hatte mit ihrer Vermutung also völlig richtig gelegen.

Der Ritter nickte. „Als sie also sagte, sie könne nicht anders, als deinem Wunsch zu entsprechen, lag das daran, dass du sie geschaffen hattest. Und was meinte sie nun mit vollständig sein?“

„Sie hatte sich irgendwann in den Kopf gesetzt, ein richtiges menschliches Wesen zu werden und keine magische Puppe. Um das zu schaffen, brauchte sie die restliche Lebenskraft meiner Mutter… oder die von mir.“

Die Zauberschülerin näherte sich den Überresten der Hexe und sah traurig auf sie herab. „Wie töricht von ihr. Eure Lebenskraft zu stehlen hätte sie zum richtigen Menschen gemacht, aber was hätte ihr das genützt, ohne Euch? Schließlich wollte sie nur ein Mensch sein, um mit Euch zusammen sein zu können.“

Der Fürst musterte sie nachdenklich, dann erhob er sich und hielt den Herzkristall über den Mana-Stein, den die Zauberschülerin immer noch in den Händen hielt. Der Mana-Stein zerbarste und das Mana verschwand im Inneren des Kristalls. „Ja, vielleicht.“

Der Schmerzensschrei des Diebes ließ alle herumfahren.

Die Zauberschülerin schlug erschrocken eine Hand vor den Mund. „Oje! Ich habe völlig vergessen, dass er noch verletzt ist! Könnt Ihr ihn nicht mit dem Kristall heilen?“

Der Fürst reagierte nicht. Er starrte den Dieb an, als würde er einen Geist sehen. Langsam ging er auf ihn zu. „Ich kenne dich doch“, flüsterte er ungläubig.

Endlich gesellte sich auch die Prinzessin zu den anderen. Als ihr Blick auf den Dieb fiel, schrie sie laut auf. „Verehrter Onkel, Ihr lebt!“, rief sie und stürmte auf ihn zu, nahm ihn fest in die Arme.

Der Ritter sah geschockt zum Dieb. „Onkel?! Ihr… Ihr seid der jüngere Bruder des Königs?!“

Der Dieb achtete nicht auf ihn. Er widmete sich ganz dem Dämonenfürsten. Dieser blinzelte ein paar Mal und versuchte sich zu erinnern, woher er bloß dieses Gesicht kannte. Als Kind hatte er es so oft gesehen…

Der Dieb lächelte. „Du erkennst mich nicht, nicht wahr? Aber ich habe dich sofort erkannt, als ich dich damals auf dem Ball zum 18. Geburtstag meiner Nichte sah. Du siehst deiner Mutter so ähnlich. Es hat mich mit Stolz erfüllt zu sehen, was für ein hübscher junger Mann du in all den Jahren geworden bist, seid ich dich verlassen hatte.“

Die Augen des Fürsten weiteten sich, als ihm klar wurde, wer da vor ihm stand. „Vater?“

„Ihr seid der Mann, der sich in die Dämonenmutter verliebt hat?“ Dem Ritter schwirrte allmählich der Kopf.

„Ich bin damals in die Welt ausgezogen, um nach einem Weg zu suchen, wie ich meine geliebte Frau retten kann. Ich war so von meinen Schuldgefühlen zerfressen, dass ich dir einfach nicht mehr unter die Augen treten wollte, solange ich keinen Weg zu ihrer Rettung gefunden hatte. Heute bereue ich es sehr, so gehandelt zu haben. Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst.“

Der Fürst schwieg. Dann hob er den Herzkristall und heilte mit ihm die Wunde seines Vaters. „Ich kann dir jetzt nicht verzeihen… aber ich würde es gern eines Tages.“

„Das würde mich freuen.“ Der Dieb lächelte und streichelte seinem Sohn den Kopf.

„Dann gehörst du also zur Familie!“, stellte die Prinzessin freudestrahlend fest und umarmte ihren Cousin, der die unverhoffte Gefühlsbekundung peinlich berührt zur Kenntnis nahm.

Die junge Frau löste sich wieder von ihm und lächelte traurig. „Ich wünsche dir und dem Ritter alles Glück dieser Welt.“ Dieser Satz hatte ihr wahrlich all ihre Kraft abverlangt. Wie sehr es sie geschmerzt hatte, die beiden küssen zu sehen. Nachdem sie einige Minuten darüber nachgedacht hatte, war sie bereit gewesen, zu akzeptieren.

„Bitte verzeiht“, bat der Ritter. Er hatte sie nie verletzen wollen.

Die Prinzessin wusste dies jedoch und schüttelte den Kopf. „Schon gut. Wenn Ihr nicht dasselbe für mich empfindet, wie ich für Euch, dann ist es so am Besten.“

„Wir sollten langsam zum Schloss zurückkehren“, warf die Fee ein.

Die Prinzessin nickte und wandte sich an den Fürsten. „Komm doch mit uns! Wir könnten als Familie zusammenleben!“

„Ich glaube nicht, dass ich das Schloss noch einmal betreten werde“, verneinte der Fürst. „Aber du bist jederzeit hier willkommen.“

Die Prinzessin verstand und verließ mit der Fee und der Zauberschülerin das Schloss.

„Ich werde mit ihr gehen“, sagte der Dieb. „Das Königreich braucht jetzt Halt, damit es nach dem Verlust ihres Königs und ihres Schutzschildes nicht auseinander bricht! Was ist mit Euch, Hauptmann? Wir könnten Eure Hilfe brauchen.“

Der Ritter zögerte mit seiner Antwort. Doch der Fürst nickte ihm aufmunternd zu. „Geh ruhig mit ihm. Und wenn ihr meine Hilfe braucht, sagt Bescheid.“

„Wenn das Königreich wieder sicher ist, werde ich für immer bei dir bleiben!“, sagte der Ritter entschlossen. Dann verließ auch er mit dem Dieb das Schloss.

„Ist das wirklich in Ordnung so, Meister?“, fragte Frosch neugierig.

Zum ersten Mal sah Frosch den Fürsten glücklich lächeln. „Ja, ist es. Von jetzt an werden wir alle glücklich leben.“

 

So ergab es sich, dass endlich Frieden in das Königreich einkehrte.

Da der Dieb keinerlei Anspruch auf den Thron erhob, wurde die Prinzessin die neue Herrscherin über das Reich. Eines Tages verliebte sie sich sogar in einen Prinzen, der ihre Liebe erwiderte. Sie heirateten und bekamen ein Kind.

Die Zauberschülerin führte ihre Ausbildung bei der Fee fort. Ihre Ausbildung war an dem Tag abgeschlossen, als es ihr gelang, einen neuen Schutzschild zu erschaffen, der ganz ohne die Hilfe des Managesteins auskam. Sie und die Prinzessin waren inzwischen die besten Freundinnen und nahmen sich so oft es ging Zeit für einander.

Die Fee kehrte in den Zauberwald zurück und sorgte dafür, dass das Managestein nie wieder in die falschen Hände geriet. Hin und wieder besuchte sie ihre ehemalige Schülerin im Schloss. Dank ihr wurde die Beziehung zwischen Feen und Menschen wieder besser.

Der Ritter machte seine Ankündigung wahr und zog ins Schloss des Dämonenfürsten, um dort mit ihm zu leben.

Frosch war nicht ganz so begeistert von den neuen Mitbewohnern, wurde er doch ständig von dem Hundewelpen durch das Schloss gejagt.

Auch der Dieb kehrte des Öfteren im Schloss ein. Vater und Sohn näherten sich einander an.

Der Dämonenfürst schenkte dem Ritter das Kristallherz seiner Mutter. Mit ihm in seinem Besitz vermochte der Ritter ebenfalls unsterblich zu sein, damit sie beide solange wie möglich zusammen sein konnten.

Sie lebten lange und glücklich zusammen.

 

~ Owari ~


Nachwort zu diesem Kapitel:
Welches Geheimnis wird der Dieb der Gruppe offenbaren?
Welchen Handel ist der Dämonenfürst mit der Hexe eingegangen?
Welche Macht zwingt die Hexe dazu, die Rachepläne des Fürsten zu verfolgen?
Freut euch auf das letzte Kapitel, das auch klärt, warum der Verwandlungszauber des Fürsten so speziell ist. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  Rajani
2017-01-07T21:28:40+00:00 07.01.2017 22:28
haaaach, das ist ja noch viel süßer als die normale Variante >.< *schmelz*
Ich wusste, es war die Mutter des Dämonenfürsten! Ha! XD Aber das der Bruder des Königs sein Vater ist, DAS hatte ich nicht erwartet. Chapeau - guter Schachzug!
Von:  Rajani
2016-12-17T22:06:25+00:00 17.12.2016 23:06
Jetzt kommt endlich der Dieb ins Spiel, hab mich schon gefragt, was sein Auftritt zu bedeuten hatte. Und ich frage es mich immer noch...
Ich frage mich allerdings doch sehr, was der König getan hat. Es muss etwas schrecklich Grausames gewesen sein, wenn selbst der Dämonenfürst schaudert und Angst hat. Ich vermute ja, dass der König dem Fürsten etwas sehr Wichtiges genommen hat. Vielleicht ein Familienmitglied oder eine geliebte Person?
Was die Hexe angeht, bin ich mir sicher, dass sie nur eines von dem Fürsten wollte ;) Obwohl es sicher noch andere Dinge gibt, die sie haben wollen könnte, sie sprach aber im ersten Kapitel davon, dass sie ihn liebt...

MEHR WILL XD
Von:  Rajani
2016-12-17T21:58:11+00:00 17.12.2016 22:58
Es ist viel aber genau genommen ist der Zeitraum, in dem das alles spielt, doch relativ kurz. Und es ist irgendwie auch niedlich, logisch dass man sofort merkt, dass der Dämonenfürst sich verliebt hat, es ist ja eindeutig erkennbar ^^ aber das er so schnell aus der Fassung gerät, hätte ich auch nicht erwartet XD
Von:  bella230109
2016-12-04T12:57:25+00:00 04.12.2016 13:57
Klasse Anfang bin gespandt wie die Geschichte weiter geht
Aber noch was ich bin der Meinung das unser damonen Fürst sich verliebt hat auf dem ersten Blick wie man es so schon sagt ich las mich einfach über raschen
Von:  Rajani
2016-11-28T19:13:10+00:00 28.11.2016 20:13
Oh ja... das ist anders, sehr anders, aber interessant. Für meinen Geschmack interessanter als die normale Variante ;) trotzdem lese ich natürlich die andere Story weiter, ich will ja wissen, was passiert und wie unterschiedlich beide Storys verlaufen werden.

Also dann :D ich warte auf die nächsten Kapis ^^
Von:  Lady_Shanaee
2016-11-28T08:55:06+00:00 28.11.2016 09:55
Ich liebe Märchen! <3

Aber Deines liest sich nicht wie eins, hat Logiklücken (oder Stolperstellen) und die Charaktere handeln irgendwie seltsam. Und warum reden sie so unnötiges Zeug? Da konnte ich mich gar nicht reinversetzen.. *sniff*


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