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Verspätete Rache

von

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Disclaimer: Nicht meins. Schade eigentlich.
 

Dieses Kapitel ist Akane-chan gewidmet, die mich erst auf einige Ideen gebracht hat. Ohne Deine Hilfe wäre des Ende des Kapitel sicherlich ein wenig anders geworden. Ich bin Dir echt zu Dank verpflichtet. (verbeug)
 

@Yusuka: Ich hab mir echt Mühe gegeben, Tohma leiden zu lassen^^
 

-*-*-
 

Verspätete Rache 10
 

-*-*-
 

Langsam legte Eiri den Hörer auf die Gabel und fuhr sich mit beiden Händen durch die ohnehin schon zerzausten Haare. Er hatte so sehr auf einen Anruf von Kitazawa gehofft, doch es war wieder einmal seine Schwester gewesen, die ihn anbettelte, ihr doch endlich die Wahrheit zu sagen.
 

Merkwürdig. So emotional hatte er sie noch nie erlebt. Das war völlig ungewöhnlich für die sonst so energische und beinahe übermäßig selbstbewußte junge Frau. Irgendwie hatte Eiri die Ehe seiner Schwester für eine reine Zweckehe gehalten, doch wenn er sich Mika jetzt anhörte, sah alles ganz anders aus. Sie machte sich wirklich Sorgen um Tohma und als sie am Ende ihres Gesprächs in Tränen ausgebrochen war, hatte Eiri sich wirklich elend gefühlt. Doch was konnte er schon tun? Ihr die Wahrheit sagen? Ausgeschlossen.
 

Mika würde sofort zur Polizei gehen und diese würde eine groß angelegte Fahndung nach Tohma durchführen, die nur mit dessen Tod enden konnte. Oder schlimmerem. Plötzlich waren die Bilder wieder da, diese entsetzlichen Erinnerungen, die ihn bis in seine Träume verfolgten und ihm keine Ruhe gönnten. Er stöhnte auf und vergrub das Gesicht in den Händen.
 

"Yuki?" Shuichis zaghafte Stimme unterbrach ihn in seinen Gedanken und der Schriftsteller zuckte erschrocken zusammen. Seinen Freund hatte er völlig vergessen und selbst als dieser sich ihm wieder in Erinnerung brachte, dauerte es einige Sekunden, bis Eiri sich klar wurde, dass der Junge ihm etwas sagen wollte.
 

"Was willst du?" Yuki wusste, dass er mit dieser schroffen Frage höchstwahrscheinlich einen hysterischen Ausbruch provozierte, aber er konnte jetzt einfach nicht freundlich zu dieser kleinen Nervensäge sein. So sehr er den Jungen auch liebte, im Augenblick war er ihm eher lästig.
 

"Ich...es tut mir leid...." Wie erwartet stiegen dem Jungen die Tränen in die Augen, doch es musste wirklich wichtig sein, denn entgegen seiner sonstigen Gewohnheit brach er nicht heulend zusammen, sondern schloss nur kurz die Augen und sprach dann hastig weiter. "Da ist eine Nachricht auf deinem Anrufbeantworter! Eine ganz merkwürdige Sache..."
 

Den Rest hörte Eiri nicht mehr, denn er war mit zwei großen Schritten am Anrufbeantworter und hörte das Band ab. Kitazawas kalte, grausame Stimme füllte den Raum und Shuichi, der jeder Bewegung seines Freundes mit großen Augen gefolgt war, hielt unwillkürlich den Atem an, als er Eiris Gesicht beobachtete.
 

Eiri starrte sekundenlang einfach nur durch ihn hindurch, dann schüttelte er den Kopf wie jemand, der einen unangenehmen Gedanken loswerden will und wandte sich ab. Er wirkte regelrecht benommen.
 

"Yuki... ich weiß, ich soll mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen, aber..." Shuichi trat erschrocken einige Schritte zurück, als Eiri zu ihm herumfuhr und ihn mit einem eisigen Blick bedachte. Dennoch konnte er deutlich sehen, wie sehr Eiri unter dieser Nachricht zu leiden schien, der Schmerz in den blauen Auges seines Gegenübers war fast greifbar. Er konnte ihn jetzt nicht allein lassen. Auch wenn das bedeutete, dass er höchstwahrscheinlich eine heftige Abfuhr erhielt. "Bitte rede mit mir! Schließ mich nicht aus, Yuki! Ich liebe dich doch! Ich will dir helfen!"
 

"Helfen?!" Eiri war mit einem Schritt bei ihm und schüttelte den erschrockenen Jungen so heftig durch, dass Shuichi Mühe hatte, einen klaren Kopf zu bewahren. "Wie kommst du darauf, dass du mir helfen könntest?!"
 

"Yu...Yuki..." stammelte der Junge entsetzt. Verletzt und auch ein wenig ängstlich, machte er sich von dem anderen los und taumelte zurück.
 

"Laß mich einfach in Ruhe, okay? Das hier geht dich nämlich überhaupt nichts an!" Eiri drehte sich abrupt um und verschwand in seinem Schlafzimmer, wo er die Tür so heftig hinter sich zuschmetterte, dass eines der Bilder von der Wand sprang und auf dem Boden zerschellte.
 

"Es tut mir leid!" Shuichi lehnte sich gegen die Wand und glitt langsam daran zu Boden. Er schniefte einige Male leise und starrte unentschlossen starrte die Schlafzimmertür an, doch Eiri tauchte nicht mehr auf. Nun traten ihm doch noch die Tränen in die Augen, die er bisher mit viel Mühe unterdrückt hatte. Weinend zog er die Beine an und bettete das Gesicht auf seine Knie. "Es tut mir leid..."
 

-*-*-
 

Kitazawa war glänzender Laune. Und das, obwohl Eiri ihn enttäuscht hatte. Normalerweise hätte er nun wieder einen netten kleinen Film zusammenstellen müssen, doch im Augenblick war ihm nicht danach. Ihn beschäftigte eine ganz andere Sache.
 

Er hatte endlich eine Entscheidung getroffen. Es war ihm alles andere als leicht gefallen, aber je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass es das einzig richtige war. Er würde Tohma behalten.
 

Natürlich änderte dies nichts an seinem Wunsch, Eiri vernichten zu wollen. Nur die Spielregeln hatten sich ein wenig verändert. Aber das würde Eiri noch früh genug feststellen.
 

Mit weit ausgreifenden Schritten erklomm er die Treppe, die in die oberste Etage führte und betrat gleich darauf schwungvoll den kleinen Raum, in dem er Tohma untergebracht hatte. Dieser saß wie meistens regungslos auf dem Bett und starrte hinaus.
 

Kitazawa genoß für einige Sekunden den Anblick, der sich ihm bot. Mit jedem Tag der verstrich wurden die Veränderungen, die der andere durchlaufen hatte, offensichtlicher und deutlicher wahrnehmbar.
 

Leise zog er die Tür hinter sich zu und trat neben das Bett. Prüfend glitt sein Blick über die schlanke Gestalt vor ihm und betrachtete lange Sekunden die angespannte Haltung, den Ausdruck von Schmerz und Hoffnungslosigkeit in den Augen des anderen und allein der Gedanke daran, die Gewißheit, dass er es war, der diese Veränderungen bewirkt hatte, versetzte ihn in Erregung.
 

"Tut es noch weh?" Kitazawa schob das einfache weiße Baumwollhemd, das Tohma auf seinen Wunsch hin trug, beiseite und inspizierte die Wunde, die er dem anderen zugefügt hatte mit kritischen Blicken.
 

"Nein," log Tohma mit leiser Stimme und wurde mit einem strahlenden Lächeln seines Peinigers belohnt.
 

Kitazawa legte Tohma die Hand unter das Kinn und zwang ihn mit sanfter Gewalt zu ihm aufzusehen. "Du solltest ein wenig hinausgehen. Du wirkst blaß. Ich werde Segawa anweisen, dich ein wenig in den Garten zu begleiten. Du brauchst Sonne, Liebling. Ich will schließlich nicht, dass du krank wirst."
 

Für einen Augenblick lag es Tohma auf der Zunge, dem Mann zu sagen, dass er es war, der ihn krank machte, doch sein Widerstand erlosch so schnell wie er aufgeflammt war. Welchen Sinn hatte es, sich gegen etwas zu wehren, das er doch nicht ändern konnte?
 

Kitazawa streichelte mit seinem Daumen zärtlich über Tohmas Lippen, dann beugte er sich herunter und küsste ihn liebevoll. "Du bist so schön, dass es fast weh tut."
 

Tohma schloß die Augen und überließ sich den Händen und Lippen, die sacht über seinen Körper glitten und lauschte gleichgültig auf die samtweiche Stimme, die ihm immer wieder sagte, wie sehr er ihn liebte.
 

-*-*-
 

"Eiri..." Shuichis Stimme war in den letzten Stunden immer leiser geworden, doch weder seine Tränen noch sein Jammern und Flehen hatten den Schriftsteller genügend beeindruckt, um aus seinem Schlafzimmer wieder aufzutauchen und inzwischen war Shuichi völlig verzweifelt.
 

Der junge Sänger verstand die Welt nicht mehr. Wenn er nur wüßte, was denn überhaupt passiert war. Schuld war dieser merkwürdige Anruf, da war Shuichi sich sicher und er hätte gern mit seinem Geliebten darüber gesprochen, doch Eiri schloß ihn aus, schob ihn beiseite, wie er es schon so oft zuvor getan hatte. Sich der bitteren Erkenntnis zu stellen, dass es immer noch Dinge gab, die Eiri nicht mit ihm zu teilen bereit war, tat weh.
 

"Entschuldige..." entmutigt gab Shuichi schließlich auf und trollte sich ins Wohnzimmer, wo er sich auf dem Sofa zusammenrollte und das zersplitterte Bild auf dem Boden anstarrte, bis er in einen erschöpften Schlummer sank.
 

Als es klingelte, öffnete Shuichi verschlafen die Augen. Müde setzte er sich auf und wartete, dass sein Freund die Tür öffnen würde, doch Eiri schien die Klingel nicht gehört zu haben. Der Junge zögerte. Sollte er öffnen und seinen Freund noch weiter verärgern als er es ohnehin schon getan hatte? Oder sollte er einfach so tun, als sei niemand da?
 

Wer immer vor der Tür stand, schien ziemlich ungeduldig zu sein. Er hielt den Finger auf dem Klingelknopf und nahm ihm so die Entscheidung ab.
 

Die Schlafzimmertür flog auf und Eiri stapfte zur Wohnungstür. "Was ist denn?!" fauchte er seine Besucher wütend an und die beiden Männer, die gerade im Begriff gewesen waren zu gehen, zuckten erschrocken zurück. Es dauerte einige Sekunden, ehe der ältere der beiden seine Fassung wiedergewann und seinen Ausweis zückte.
 

"Polizei. Dürften wir wohl hereinkommen?!"
 

"Sicher." Innerhalb weniger Sekunden hatte Eiri sich wieder in der Gewalt. Er ließ die Beamten eintreten und lotste sie ins Wohnzimmer, wo sie überrascht stehenblieben.
 

"Guten Tag..." Shuichi saß immer noch auf dem Sofa und sah unsicher zu seinem Freund. Dieser beachtete ihn gar nicht. Seine Aufmerksamkeit war auf den Polizisten gerichtet, der nun auch Shuichi seinen Ausweis zeigte und sich dann wieder dem Schriftsteller zuwandte.
 

"Könnten wir Sie wohl unter vier Augen sprechen?"
 

Eiri nickte knapp. "Verschwinde, Shuichi. Mach das du rauskommst."
 

Der Junge kam seiner Aufforderung hastig nach. Er schnappte sich seine Jacke und war wenige Sekunden später verschwunden. Eiri verschränkte die Arme vor der Brust und starrte die Polizisten abwartend an. "Also? Worum geht es?"
 

"Sie gehen ja ziemlich grob mit dem Kleinen um," konnte einer der beiden sich nicht verkneifen und kam in den Genuß eines unfreundlichen Blickes aus eisigen blauen Augen.
 

"Ich wüßte nicht, dass Sie das etwas angeht. Sagen Sie mir lieber warum Sie hier sind."
 

"Wie Sie wollen." Der Polizist, der ihm eben noch seinen Ausweis gezeigt hatte, nahm unaufgefordert auf dem Sofa Platz und schlug die Beine übereinander. "Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie über das Verschwinden Ihres Schwagers wissen, Mr. Uesugi."
 

-*-*-
 

Tohma hatte sich in der weitläufigen Gartenanlage von Kitazawas Villa einen Platz gesucht, der ihn vor den suchenden Blicken seines Aufpassers so weit wie möglich verbarg und gab sich kurz der Illusion hin, frei zu sein.
 

Segawa saß nicht weit von ihm entfernt auf einem Steinblock und gab vor, ihn nicht zu beachten, doch Tohma wusste genau, dass der andere ihn nicht eine Sekunde aus den Augen ließ.
 

Noch wenige Tage zuvor hatte Tohma sich nichts sehnlichster gewünscht, als endlich wieder zu Hause zu sein, doch mittlerweile war er sich nicht mehr so sicher, dass er das wirklich wollte. Was würde er tun, wenn jetzt die Polizei herein stürmte und ihn rettete? Wie konnte er jemals wieder seiner Frau oder irgendjemand sonst in die Augen sehen, nach all den Dingen, die dieser Mann ihm angetan hatte? Wie konnte er jemals vergessen?
 

Ein leises Rascheln in den nahestehenden Büschen zog seine Aufmerksamkeit auf sich und Tohma sah wieder das Kaninchen, welches er zuvor in seiner Nähe entdeckt hatte. Er stand vorsichtig auf und ging langsam näher auf das kleine Tierchen zu. Segawa sah kurz auf, konzentrierte sich dann aber wieder beruhigt auf seine Zeitung, als er sicher war, dass Tohma in Sichtweite bleiben würde.
 

"Na, du..." Tohma rupfte einige Grashalme aus und hielt sie dem Kaninchen entgegen. Dieses beäugte ihn einige Sekunden mißtrauisch, hoppelte dann aber auf ihn zu. Tohma streckte die Hand aus und berührte zögernd die weichen Ohren. Zu seiner Überraschung ließ das Kaninchen sich ohne weiteres anfassen. Zärtlich streichelte er durch das seidige braune Fell. Das Kaninchen schmiegte sich so vertrauensvoll in seine Berührung, dass er sicher war, es mit einem früheren Haustier zu tun zu haben. Ein trauriges Lächeln erhellte seine Züge, als er das zutrauliche Lebewesen auf den Arm nahm und an sich drückte. Sie waren sich ähnlicher, als er sich jemals hätte vorstellen können. Nur wenige Tage zuvor hätte er noch jeden ausgelacht, der behauptet hätte, er würde sich einmal mit einem Kaninchen vergleichen. Doch jetzt war auch er nichts anderes als ein Haustier, abhängig von der Gnade seines Besitzers.
 

"Was tust du da?!" Segawa war überraschend neben ihm aufgetaucht. Tohma zuckte erschrocken zusammen und drückte das Kaninchen so fest an sich, dass das Tier aufgeregt zu zappeln begann. Schuldbewußt lockerte er seinen Griff und setzte es zu Boden, wo es wie der Blitz hinter den Büschen verschwand. Segawa schüttelte den Kopf, als er Tohmas sehnsüchtiges Gesicht sah. "Komm schon, steh auf. Wir müssen uns unterhalten."
 

Segawa hatte Tohma seit mehreren Minuten bei seinem Spiel mit dem Kaninchen beobachtet und schließlich beschlossen, mit dem anderen zu sprechen. Dafür steuerte er nun einen seiner Lieblingsplätze an. "Setzen wir uns ein wenig auf die Bank dort drüben."
 

Auch wenn es kaum vorstellbar war, aber Segawa wusste die Schönheiten der Natur durchaus zu schätzen. Unter seiner harten Schale steckte eine empfindsame Seele, die durchaus in der Lage war, Mitleid zu empfinden. Und genau dieses Gefühl überkam ihn jedes Mal, wenn er den schweigsamen Mann an seiner Seite betrachtete.
 

Noch nie zuvor hatte er eine derartige Hoffnungslosigkeit in den Augen eines anderen Menschen gesehen und ihm war klar, dass Tohma nicht mehr lange durchhalten würde. Irgendwann würde Kitazawa in seinem Wunsch nach Rache zu weit gehen und den anderen endgültig zerstören.
 

Segawa drückte Tohma auf die glatte Steinfläche der weißen Marmorbank herab und sah ihn nachdenklich an. Zögernd streckte er die Hand aus und berührte sanft Tohmas zerzauste Haare, die in der letzten Zeit bereits ein wenig länger geworden waren.
 

Tohma sah ruckartig auf und Segawa zog seine Hand zurück. Der Wunsch nach einem Gespräch verschwand aus seinen Gedanken, als sei er nie dagewesen. Eine leichte Röte kroch ihm in die Wangen und ein wenig gröber als gewollt, umfaßte er Tohmas Arm und zerrte ihn auf die Füße. "Laß uns rein gehen. Du warst schon zu lange draußen." Er eilte zum Haus zurück und Tohma konnte nichts weiter tun, als ihm hinterher zu stolpern.
 

-*-*-
 

"Dann haben Sie also keine Ahnung, wo Ihr Schwager sich gerade aufhält?" Akito Kawakita hatte sich dem Schriftsteller mit einiger Verspätung doch noch vorgestellt und wanderte nun durch das Wohnzimmer und ließ den Blick neugierig über die zahlreichen Bücher schweifen, die sich in den Regalen stapelten. Sein immer noch namenloser Begleiter hockte auf dem Sofa und machte sich eifrig Notizen.
 

"Nein." Eiri inhalierte genüßlich den Rauch seiner Zigarette und beobachtete den Mann dabei, wie er eines seiner ersten Werke aus dem Regal zog und interessiert aufblätterte. Von ihm mit seinem richtigen Namen angesprochen zu werden, war ein ziemlicher Schock gewesen, aber eigentlich hätte er sich denken können, dass diese Männer die Wahrheit wussten. Schließlich waren sie zuerst bei Mika gewesen und dann direkt zu ihm gekommen. Seine Schwester musste ihnen alles erzählt haben.
 

"Ich habe noch nie etwas von Ihnen gelesen, aber das werde ich jetzt wohl nachholen. Meine Frau schwärmt mir schon seit Jahren vor, wie toll Ihre Bücher sind." Er stellte den Roman wieder zurück und wandte sich abrupt um. "Ihre Schwester erzählte mir, dass Sie wahrscheinlich der letzte waren, der vor seinem Verschwinden mit Tohma Seguchi gesprochen hat."
 

"Hat sie das?" Das würde Mika ihm büßen. Wieso tat sie ihm so etwas an? Eiri bemühte sich um eine gleichgültige Miene und sah fragend zu dem Polizisten auf. "Wie kommt sie denn darauf?"
 

"Laut ihrer Aussage, hat Mr. Seguchi Ihnen vor seinem Verschwinden Bescheid gegeben, dass er sich zurückziehen wolle, um ein wenig allein zu sein."
 

"Und?"
 

Der Polizist lächelte auf sehr unangenehme Art und Weise und Eiri wusste, dass dieser Mann sich nicht mit der fadenscheinigen Erklärung zufrieden geben würde, mit der er alle anderen bisher abgewimmelt hatte. "Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen das glauben kann, Mr. Uesugi. Warum sollte eine so wichtige Persönlichkeit wie Tohma Seguchi alles stehen und liegen lassen und sich für unbestimmte Zeit regelrecht in Luft auflösen? Warum hat er nicht wenigstens seinen Termin in London abgesagt der, nebenbei bemerkt, äußerst wichtig für ihn war?"
 

"Woher soll ich das wissen? So nahe stehen wir uns nicht!" Eiri versuchte die Angelegenheit herunterzuspielen. Das ihm dies nicht gelang, konnte er deutlich an den Augen des Polizisten sehen.
 

"Das klingt ziemlich unglaubwürdig. Er ist immerhin Ihr Schwager."
 

"Meine Beziehung zu meinem Schwager müssen Sie schon mir überlassen," stellte Eiri verärgert fest und zündete sich eine neue Zigarette an. Ein kurzer Blick überzeugte ihn davon, dass er besser daran tat, sich ein wenig zurückzuhalten. Wenn diese Befragung noch lange andauerte, würde er noch die ganze Schachtel leer rauchen.
 

"Selbstverständlich ist diese Beziehung ganz allein Ihre Sache." Irrte er sich, oder klang Kawakita ein ganz klein wenig sarkastisch? Der Mann rieb sich nachdenklich die Stirn und Eiri hatte auf einmal ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Die nächsten Worte des Polizisten bestätigten seine Ahnung. "Ich sage Ihnen etwas, Mr. Uesugi. Ich möchte Ihnen wirklich gerne glauben, aber leider kann ich es nicht."
 

"Dann unterstellen Sie mir also, dass ich lüge? Nur weil Tohma mit mir gesprochen hat und nicht mit meiner Schwester? Das ist wohl kaum ein Verbrechen."
 

"Nun, dies ist es ganz sicher nicht. aber...." Kawakita zögerte ein wenig und Eiri sah ihm an, dass er glaubte, ihn in die Ecke gedrängt zu haben. Was immer jetzt kam, dies hatte er sich bewußt für diesen Moment aufgehoben.

"Sie sagen, Mr. Seguchi sei weggefahren?"
 

"Ja," gab Eiri vorsichtig zu. Irgendwo musste ein Haken sein, so viel spürte er, doch er konnte nicht sagen, wo dieser Haken sein mochte.
 

"Mit seinem Wagen?"
 

"Sicher. Tohma hat sein Auto genommen, wann immer es ging. Er liebt den Wagen." Eiri wurde immer nervöser und konnte sich gerade noch davon abhalten, unruhig mit seinem Feuerzeug zu spielen.
 

"Das hat seine Frau mir auch erzählt und sehen Sie, da fangen meine Probleme an." Kawakita lächelte freudlos und faßte Eiri abwartend ins Auge. "Denn sehen Sie, Mr. Seguchis Wagen befindet sich seit dem Tag seines Verschwindens in Reparatur. Wie soll er da mit eben diesem Wagen weggefahren sein? Sie können mir diese kleine Unstimmigkeit sicher erklären? Nicht wahr, Mr. Uesugi? Das können Sie doch?"
 

-*-*-
 

Kitazawa balancierte vorsichtig das mit zwei Tellern beladene Tablett durch die Tür und setzte es auf dem kleinen Tisch am Fenster ab. "Essen ist fertig."
 

"Ich habe keinen Hunger." Tohma wusste, dass Kitazawa diese Entschuldigung nicht gelten lassen würde. Seit Tagen spielten sie nun dieses Spielchen und jedesmal war der andere Sieger geblieben. Und obwohl Tohma wusste, was ihn nun erwartete, machte er es immer wieder. Es war die einzige Art von Widerstand, die er noch leistete.
 

"Tatsächlich?" Kitazawa lächelte nur und setzte sich an den Tisch. Immer noch ungewöhnlich gut gelaunt klopfte er auf den Stuhl neben sich und forderte Tohma dazu auf, sich zu ihm zu setzen. Dieser nahm zwar Platz, rührte das Essen aber nicht an. "Komm schon, sei brav. Wenn du aufißt, dann bekommst du auch eine Überraschung."
 

"Ich will nicht." Kaum hatte er ausgesprochen, da schnellte die Hand des Mannes vor und grub sich in seine Haare. Ein brutaler Ruck und er landete auf dem Boden zu Kitazawas Füßen, gleich darauf traf ein harter Schlag seine Wange und riß seinen Kopf herum.
 

Kitazawa wartete nicht weiter ab, sondern zerrte ihn an seinen Haaren auf die Knie und hielt ihm ein Paar Stäbchen entgegen. "Iß."
 

Widerwillig nahm Tohma die Stäbchen und kam schwankend auf die Beine. Er war benommen und sein Kopf schwirrte.
 

"Setz dich." Kitazawa schubste ihn auf den Stuhl zurück und schob ihm einen Teller voller Reis und Fleischstückchen hin. Auf dem Tablett stand noch ein weiterer Teller, doch dieser war mit einem silbernen Deckel verschlossen. Kitazawa tippte mit der Fingerspitze dagegen. "Ich bin gespannt, ob mein kleines Präsent dir gefällt."
 

Tohma aß schweigend. Es gab nichts, was er von diesem Mann haben wollte, doch abzulehnen kam nicht in Frage. Es würde alles nur noch schlimmer machen. Schließlich legte er die Stäbchen beiseite und schob den Teller zurück. Kitazawa lächelte zufrieden und setzte sich neben ihn. "Das war wirklich sehr gut, Tohma."
 

Er streichelte ihm über die Wange. Dann beugte er sich vor und sah Tohma lange an. "Du hast dir deine Belohnung redlich verdient." Mit einem liebevollen Lächeln stellte Kitazawa den letzten Teller vor Tohma auf den Tisch und zog den Deckel beiseite.
 

Tohma starrte einige lange, qualvolle Minuten auf den abgetrennten Kopf des Kaninchens, dann schlug er die Hände vor den Mund und stürzte würgend hinaus.
 

tbc



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2004-06-08T12:45:28+00:00 08.06.2004 14:45
Boah ey...des wird ja immer fieser!!! *hilfe*
Aber die Ideen sind genial! ^^
Schreib bitte schnell weiter!

*TeeKay*


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