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Und ich schlief ein mit Musik.

von

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Zwei... Eins...

Als ich am Morgen aufwachte, war Marzia verschwunden. Ich wusste weder wohin, noch warum. Aber vielleicht war es besser so.

Hatte sie Angst vor uns gehabt? Immer wieder blieb ich bei dieser Frage hängen.

Aber sie wusste es nicht, wusste weder, dass Joe einer Widerstandsbewegung angehörte, noch, dass ich auch so dachte. Es war logisch, dass sie sich aus dem Staub gemacht hatte.

Das war das angeborene zum Überleben wichtige Misstrauen. Ohne das ist ein Tribut so gut wie tot.
 

Joe hatte ein kleines Feuer gemacht und den Zettel drin verbrannt. Wir hatten einen Vogel geschossen, den wir nun über dem Feuer brieten. Essen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Erst jetzt merkte ich, wie viel Hunger ich hatte. Ich hoffte, dass Joe bald den Vogel vom Feuer nahm.

Das tat er auch. Mit dem Messer zerteilten wir das Fleisch und ich biss herzhaft in mein Stück.

Stumm saßen wir nebeneinander und kauten. Immer wieder betrachtete ich ihn, wenn er gerade nicht auf mich achtete, fragte mich, was in ihm vorging. Was ließ einen Mann sein eigenes Leben opfern? War der Widerstand genauso rücksichtslos wie die Regierung?

Ich hatte so viele Fragen an ihn, aber die würde ich nie stellen können.
 

Joe stand auf, lauschte kurz und drehte sich zu mir um. So standen wir da und sahen uns an. Er war nicht hässlich, ganz im Gegenteil.

Wären wir nicht hier in der Arena, sondern draußen in der Freiheit...

Vielleicht würde dann alles anders kommen.

Vielleicht würde er auf mich zugehen.

Mich halten und umarmen.

Leidenschaft in seinen Augen.

Diese Leidenschaft, die man einem Tribut geraubt hatte.

Diese Leidenschaft, die ich trotzdem noch in mir spüre.

Und dabei kannte ich Joe kaum.

Was dachte ich mir nur dabei?
 

Links von uns erklang eine zunächst willkommende Ablenkung, doch dann wurde mir bewusst, was Geräusche in unserer Nähe bedeuten mussten.

"Lauf!", hörte ich Joe schreien, dann legte sich in meinem Körper ein Schalter um und ich war wieder das Tribut.

Das Tier.

Jagen oder gejagt werden.

Diesmal war ich die Gejagte.

Ich rannte los, so schnell mich meine Beine trugen. Dort vorne lief Joe. Wenn wir uns jetzt teilten, wäre das unser Untergang. Alleine starb man schnell.

Hastig folgte ich Joe, stolperte immer wieder unbeholfen, durch den Wald, riss mit dornigen Zweigen Wunden in meine Haut.

Schneller!

Egal wer oder was uns folgte, es holte uns ein.

Ich fiel hin, als sich etwas in meinen linken Oberschenkel bohrte.

Ein Pfeil. Er musste von einem Tribut sein.

Ehe ich mich versah, traf mich ein zweiter Pfeil in den Rücken.

Hektisch versuchte ich aufzustehen, biss unter Schmerzen die Zähne zusammen, humpelte weiter, sah schwarze Punkte vor meinen Augen.

Als ich die Schreie hinter mir hörte, versuchte ich schneller zu werden, aber meine Kraft verließ mich und ich brach stöhnend auf dem Waldboden zusammen.

Ich sah einen jungen Mann auf mich zukommen, konnte mich aber nicht an seinen Namen erinnern.

Er würde mich jetzt töten.

Ich blieb ruhig und sah dem Tod ins Auge.

Der Tod schrie plötzlich los, drehte sich um, Blut an seinem Rücken, dann sackte er in sich zusammen. Hinter ihm stand Joe, der elegant herunterbeugte und sein Messer aus dem blutigen Leichnahm zog. Kurz wartete er, aber der Tod bewegte sich nicht mehr.

Joe. Er hatte mich gerettet.
 

"Scheiße." Er kam auf mich zu, musterte mich, wie ich da saß, die Hände um den Körper geschlungen.

"Jake hat dich ziemlich blöd erwischt." Sanft berührte er meinen Körper. Dann half er mir, mich wieder auf den Waldboden zu legen und setzte sich neben mich hin.

"Warum machst du das?", fragte ich ihn, doch dann merkte ich es selbst, schaute den Pfeil an, der in meinem Bein steckte. Den anderen sah ich nicht.

"Scheiße", gab ich Joe recht. Ich spürte die Schmerzen kaum, merkte wie mein Körper langsam taub wurde.

Hier in der Arena würde mich niemand heilen.

"Ich wollte, dass du diejenige bist, die überlebt", flüsterte Joe leise.

"Dir würde ich den Sieg am meisten wünschen", gab ich zurück.
 

Da saßen wir nun, Joe und ich, hörten, wie die uns vertraute Melodie erklang.

Ich blickte auf die Bilder im Himmel, merkte, das Joe ernsthaft eine Chance hatte, zu gewinnen, als Louis erschien.

Sie waren nur noch zu dritt.

Joe beugte sich zu mir vor.

"Pass gut auf dich auf", flüsterte ich in sein Ohr.

"Ich geb mein Bestes." Sanft küsste er meine Stirn.

Und ich schlief ein mit Musik.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-08-17T07:24:45+00:00 17.08.2016 09:24
Hallo!
 
Ein sehr dramatisches und auch überraschendes Kapitel. Mit den Toten hatte ich nicht gerechnet, was mir als Wende und Effekt sehr zusagte. Auch die Ruhe vor dem Sturm, die Flucht und Hatz, sowie das wiederkehrende Motiv der Musik fand ich großartig als Spannungsbogen gewählt. An den Zeilenumbrüchen fand ich, wie gehabt, nichts auszusetzen, da sie mit der Sprachmelodie der Erzählerin einhergehen und in sich stimmig sind. Auch, dass Dornenzweige Kratzer hinterlassen oder die Ungewissheit vorherrscht, vor was man sich gerade verstecken wollte bzw. was eine Trennung von der Gruppe bedeuten könnte, dass Joe den Namen wusste, aber die Erzählerin nicht mehr - das waren kleine, aber feine Details, welche die Angelegenheit greifbarer gestalteten!
Inhaltlich sind dennoch einige Lücken zu verzeichnen: Einerseits Marzia. Ihre Flucht fand ich geheimnisvoll und interessant, weil ich mich frage, wie weit sie allein zu kommen glaubt und ob sie nicht doch etwas hörte. Aber vor dem Schlaf wollte die Erzählerin sie beschützen, nun sucht sie nicht einmal die nähere Umgebung ab, um sicherzugehen, dass keine Falle lauert? Dass sie sich schnell damit arrangiert (arrangieren muss), hatte in der Folge wieder etwas Logisches an sich, ja ...
Bei der Hatz selbst fand ich die Verletzungen eigenartig in der Wirkung: Ein Pfeil, der sich durch den Oberschenkel bohrt, könnte zwar je nach Trefferzone noch weitere Flucht gestatten (dank Adrenalin), aber der zweite hätte die Erzählerin wohl eher im Nieren- oder allgemein Rückenbereich treffen müssen. Magen ist als Beschreibung häufig frontal angesiedelt, die Verfolger schienen jedoch hinter der Erzählerin und Joe herzujagen. Warum keiner der beiden prüft, wo der zweite Verfolgertribut sein könnte, erschien mir überraschend unvorsichtig. Vielleicht aber ein Affekt?
Zu guter Letzt noch die Frage, ob Joe trainiert genug ist, um mit einem einzigen Messerstich jemanden zu töten. Je nach Klingenbeschaffenheit und Ziel möglich, wahrscheinlicher erschien mir allerdings, der andere würde innerhalb kurzer Zeit verbluten bzw. eher einen zweiten und dritten Stich abbekommen, damit er nicht noch herumwirbelt und verletzen kann. (Das ist allerdings Geschmackssache. Es funktioniert auch mit der vagen Beschreibung!)
 
Tippfehler:
- allein stirbt man schnell (starb)
 
Ehrlich gesagt möchte ich nun wissen, ob Joe, Louis, Marzia oder der unbekannte Tribut das Rennen machen. Dieses offene Ende ist mitreißend, spannend und interessant gewählt. Mir gefiel die Geschichte, weil sie die Stimmung der Tribute einfängt und hier gut kombiniert!
 
Viele Grüße, Morgi
Antwort von:  Anwysitna
17.08.2016 23:33
Danke für die Tipps.
Die Erzählerin wollte Marzia zwar beschützen, aber früher oder später hätten die beiden einander nicht vertraut. Als gefährlich schätzt sie Marzia nicht ein, weil diese derzeit weder Rucksack noch Waffe besitzt.
Bei den Pfeilen habe ich wohl undurchdacht losgeschrieben...der zweite Pfeil sollte im unteren Rückenbereich landen. Nieren klingt sehr gut:)
Bei Joe sollte ich wohl mehr Details in den Stich hineinbringen und ihn mehrmals zustechen lassen.
Wer übrigens das Rennen macht, weiß ich selbst nicht. Darum geht es mir eigentlich nicht, aber wenn du willst kannst du dir jemanden aussuchen, der gewinnt. Das unbekannte Tribut heißt übrigens Jake.
Nochmal danke für deine Kommis, haben mich sehr gefreut und motiviert.
Antwort von: abgemeldet
17.08.2016 23:49
Hmm, aber Jake war doch derjenige, den Joe umbrachte am Ende? Da müsste doch noch aus der Zweiergruppe übrig sein (im ersten Kapitel waren sie acht insgesamt, davon sechs - Marzia, Erzählerin, Benedikt, Louis, Joe, Betty - in der Kleingruppe).

Danke auch für deine Antworten. Die Geschichte war, wie gesagt, spannend! :-)
Antwort von:  Anwysitna
18.08.2016 06:57
Achja stimmt...Bin auch schon richtig Gedankenlos haha. Der zweite hat keinen Namen...Zumindest hab ich für die Story keinen gebraucht.


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