Zum Inhalt der Seite

3 AM

Frühjahrswichteln '16
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Roommates

Tetsurou, schon daran gewöhnt, einen Mitbewohner zu haben, hatte vorhergesehen, dass das Zusammenleben Enthüllungen ans Tageslicht bringen würde, die ein ganz neues Licht auf Tsukki werfen konnten – und dass sich Macken zeigen würden, die das Zusammenleben weit weniger entspannt machen würden, als es sein könnte:

 

 

***

 

 

Tsukki war ein Morgenmuffel.

 

Tetsurou, weil er gerne viel schlief und ausgeschlafen war, schlief früh ein und wachte morgens früh auf, was ihn zu einem absoluten Morgenmenschen machte. Zugegeben, zu Teilen war er es auch nur, weil er Morgenmuffel Kenma damit schon immer hatte in den Wahnsinn treiben können und es für ihn nichts lustigeres gab, als seine Freunde in den Wahnsinn zu treiben.

Es dauerte keine fünf Tage, bis er bemerkte, dass Tsukki alles andere als ein Morgenmensch war.

Wenn er vor zehn Uhr aufwachen musste, war der Blick hinter den eckigen Brillengläsern geradezu mörderisch, Tsukkis ohnehin nicht wortreicher Charakter auf absolute Einsilbigkeit reduziert.

 

Tetsurou fand es wahnsinnig witzig, wenn Tsukki morgens in die Küche geschlurft kam, die Augen mehr geschlossen als geöffnet, noch verquollen vom Schlaf, und sich ohne jede Energie auf einen Stuhl fallen ließ.

„Kaffee“, war die übliche Begrüßung. Die nächsten Sekunden entschieden dann, wie seine Laune den Rest des Tages über sein würde: Bekam er seinen Kaffee, ohne dass Tetsurou allzu dumme Kommentare machte, war er für Tsukki-Verhältnisse wohlgesinnt und Tetsurou konnte sich auf einen weitgehend amüsanten Tag freuen, an dem Tsukki sich auf das ein oder andere Wortgefecht einlassen würde. Bekam er seinen Kaffee nicht sofort, oder machte Tetsurou allzu dumme Witze, dann musste er damit rechnen, dass er den Rest des Tages von Tsukki-Spott erschlagen werden würde.

 

 

Manchmal konnte sich Tetsurou seine dummen Kommentare trotzdem nicht verkneifen.

 

„Guten Morgen, Tsukki~ Sicher, dass Dornröschen hier Kaffee braucht, und nicht einen Kuss von seinem Prinzen?“

 

Tetsurou brauchte, nachdem Tsukkis Morgenzeitung grob in seinem Gesicht landete, eher ein Kühlpack. 

 

 

***

 

 

Tsukki konnte nicht kochen.

 

Die ersten Hinweise darauf, dass Tsukki in der Küche weniger gut aufgehoben war als auf einem Spielplatz voller plärrender Chibis, war der angebrannte Topf, den Tetsurou eines Abends aus der Spülmaschine fischte, und der offensichtlich trotz großartiger Spülkraft nicht sauber geworden war.

 

Das zweite Indiz war der Plastikcontainer im Kühlschrank, den Tetsurou dort einmal fand, als er auf der Suche nach irgendetwas Essbarem war, das er nicht erst noch selbst kochen musste.

(Sie waren beide keine großen Einkäufer; Tsukki zu faul, Tetsurou zu faul, und am Ende rafften sie sich erst auf, wenn einfach gar nichts mehr im Kühlschrank war, aus dem man eine Mahlzeit hätte zusammenwerfen können, und es nicht einmal mehr für Reis mit Sojasauce reichte.)

Das Zeug in dem Container sah undefinierbar aus. Tetsurou war sich sicher, es mussten die Reste ihrer Gemüsevorräte sein, denn die waren nicht mehr da, und er war sich sicher, es waren Garnelen drin, denn die Packung, die gestern  noch verschlossen gewesen war, war heute offen. Die seltsame Matsche, die dem ganzen Kunstwerk eine Konsistenz von körnigem Brei gab, war wohl Reis, der ausgesprochen verkocht war. Es sah unappetitlich aus, und es roch ähnlich verlockend, also schloss Tetsurou den Container wieder, stellte ihn zurück, und griff sich dann doch lieber Kochgeschirr und Zutaten.

 

Dass die Portion groß genug war, dass für Tsukki etwas übrig blieb, war natürlich nur Zufall.

 

 

Auf frischer Tat ertappte Tetsurou Tsukki schließlich, als er nach einer ausgefallenen Vorlesung einmal früher aus der Uni nachhause kam und dort von dem unverwechselbaren Duft von kochlicher Inkompetenz begrüßt wurde.

 

(Tetsurou kannte diesen Geruch – das eine Mal, dass der Hunger Kenma so weit getrieben hatte, sich selbst etwas zu kochen, hatte es genauso ausgesehen. Als er angefangen hatte, dem Chibi Kochunterricht zu geben, weil er das unbedingt gewollt hatte – irgendjemand musste Kenma ja ernähren –, war es genauso gewesen. Inzwischen konnte man das Zeug, das der Chibi fabrizierte, übrigens essen.)

 

Tsukki stand in der Küche, knapp einen Meter fünfundneunzig groß, die Hände in die Hüften gestemmt, und ungewöhnlich angespannt aussehend für jemanden, der sein ganzes Leben sonst mit lässiger Selbstverständlichkeit meisterte. Er trug die Schürze, die Tetsurou sonst zum Kochen trug, und sah das grellrote Ungetüm (mit Nekoma-Aufdruck, ein Geschenk von Yamamoto, der das wahnsinnig lustig gefunden hatte) an Tetsurou schon immer nur zweifelhaft schmeichelnd aus, schaffte Tsukki es, darin wirklich ausgesprochen lächerlich auszusehen.

Vielleicht lag es auch an seinem verkniffenen Gesicht und dem feindlichen Blick, mit dem er was auch immer er da in der Pfanne hatte anstarrte, als würde es sich dadurch auf magische Art und Weise von einer undefinierbaren Pampe in ein genießbares Essen verwandeln.

 

Irgendwie konnte Tetsurou nicht anders, als Mitleid zu haben, wenn er sich vorstellte, dass Tsukki sich von diesem Zeug ernährte, wann immer Tetsurou nicht zufällig – oder weniger zufällig… – Reste für ihn übrig ließ.

Größer als das Mitleid allerdings war Tetsurous Amüsement, und entsprechend lehnte er sich in den Türrahmen, verschränkte lässig die Arme vor der Brust und fixierte Tsukki mit einem trägen Grinsen.

 

„Tsukki, ich weiß, dass dein Hauptfach Biochemie ist, aber du musst trotzdem keine biologischen Massenvernichtungswaffen in unserer Küche herstellen.“

 

Tsukki wirbelte herum, als wäre er vom Schlag getroffen worden, und er sah so ehrlich und aufrichtig ertappt aus, dass Tetsurou einen Moment die Luft im Halse stecken blieb. Wie immer dauerte es allerdings leider(?) nicht lange, bis Tsukki sich gefangen hatte und die Offenheit aus seinem Blick verschwand. Ertapptheit wich für einen Moment Genervtheit, dann verschwand auch die und wurde schlussendlich ersetzt durch Tsukki-typische Pseudofreundlichkeit.

Vor einem Jahr noch hätte es Tsukki viel mehr aus der Bahn geworfen. Tetsurou wurde glatt sentimental bei dem Gedanken.

 

„Aber Tetsurou-San… du gibst ein wunderbares Versuchsobjekt ab.“

 

Tetsurou war sprachlos. Die Retourkutsche war nicht einmal gut, und trotzdem war er sprachlos, so sprachlos, dass Tsukki in aller Seelenruhe den Herd ausschalten konnte, die Schürze abnehmen, die Hände waschen, und die Küche verlassen, und das alles, ehe Tetsurou sich aus seiner Starre gelöst hätte.

 

 

***

 

 

Tsukki war viel zu ordentlich.

 

 

Tetsurou, so wie jedes Genie, zog das Chaos der Ordnung vor.

 

Er sah keinen Sinn darin, sein Bett zu machen, wenn er es am Abend ja doch wieder ruinierte, und außerdem hatte er auch keine Lust, abends noch stundenlang durchs Bett zu rollen, bis er es endlich geschafft hatte, seine Kissen wieder in die perfekte Schlafposition zu bringen.

Er sparte es sich, seine Wäsche ordentlich zu falten, wenn er die Unterhosen genauso gut zerknüllt in die Schublade werfen konnte, denn es würde eh niemand sehen, und wenn es doch jemand sah, dann waren die aktuellen Prioritäten eindeutig woanders gelegen als dabei, wie faltenfrei seine Unterwäsche war.

Er packte Teller und Tassen und Gläser eben dort in den Schrank, wo sie gerade Platz hatten, und nicht dort, wo sie hingehörten, und das Besteck warf er prinzipiell einfach immer ins Schubfach, ohne es in die Besteckfächer einzusortieren, weil ihm das viel zu viel Arbeit war.

Lernkram wurde auch nicht aufgeräumt, sondern auf seinem Schreibtisch gestapelt, bis Tetsurou irgendwann auffiel, dass er etwas brauchte, das am unteren Ende des Stapels lag – und dann wurde einfach umgestapelt, bis er an das Teil herankam, statt aufgeräumt, und es ging immer so weiter.

 

Kurzum: Tetsurous Zimmer, und alle Räume in der Wohnung, in denen Tetsurou sich bewegte, waren prädestiniert, chaotisch zu sein.

 

 

Tsukki war das genaue Gegenteil davon.

 

Tsukkis Zimmer war so akribisch aufgeräumt, dass Tetsurou sich manchmal sicher war, dass er die wenigen Bücher und Utensilien, die feinsäuberlich auf seinem Schreibtisch platziert waren, mit Lineal und Wasserwaage ausrichtete.

Tsukki räumte das Geschirr konstruktiv auf, Tsukkis Kleiderschrank war perfekt aufgeräumt, und wenn Tetsurou mal beim Waschen geschludert hatte und sich einfach eines von Tsukkis Shirts borgte, weil er es konnte, wurde er jedes Mal erschlagen von einer Ordentlichkeit, in deren Angesicht selbst die tollen Möbelprospekte erblassen würden, die ihre Produkte so gern eingeräumt und dekoriert präsentierten.

Tsukki, obwohl er die größere Menge an Badutensilien hatte, verbrauchte die Hälfte von dem Raum, den Tetsurous lieblos herumgeworfene Rasierer und Duschsachen einnahmen, weil sein Krempel ordentlich gestapelt in einer Ecke stand und nach jedem Duschen wieder exakt am gleichen Platz zum Stehen kann.

 

Es war ein Streitpunkt gewesen, die ersten Wochen, weil Tetsurou sich geweigert hatte, etwas an seinem Chaos zu ändern, und Tsukki sich geärgert hatte, weil das Bad und die Küche und der Flur ständig von Tetsurous Unordentlichkeit kontaminiert waren.

Tsukki hatte schließlich aufgegeben, ihn belehren zu wollen, ungefähr zeitgleich damit, dass Tetsurou verkündet hatte, er würde das Kochen für den gesamten Haushalt übernehmen. Es war eine wortlose Veränderung gewesen, aber statt dass Tsukki ihn täglich missgelaunt anstarrte, wenn Tetsurou den Geschirrspüler wieder sonst wohin ausgeräumt hatte, oder weil Tetsurous Rasierer wieder auf dem Beckenrand lag statt an seinem Platz, hatte er einfach angefangen, die Dinge, die im Weg lagen, wegzuräumen.

Es fiel Tetsurou erst auf, als er einmal sein Duschgel suchte, nur um festzustellen, dass es zusammen mit dem Rest seiner Badutensilien aufgeräumt und an einem sinnvollen Platz untergekommen war.

 

Tetsurou fand, das war ein großartiges Arrangement: Tsukki bekam etwas Anständiges zu essen statt dem undefinierbaren Zeug, das sicher auch als Massenvernichtungswaffe durchgehen konnte, und Tetsurou bekam dafür eine aufgeräumte Wohnung, ohne sich selbst darum kümmern zu müssen. Und so wenig ihn das Chaos pauschal störte, so sehr stellte er fest, seit Tsukki ihm hinterherräumte, dass das Leben eigentlich viel bequemer war, wenn es aufgeräumt war.

 

(Etwas, das Yaku ihm seit ihrem zweiten High-School-Jahr predigte, als er einmal zum Lernen bei Tetsurou gewesen war. Etwas, das Tetsurou seit seinem zweiten High-School-Jahr ignorierte, und etwas, das Tetsurou schamlos ausgelacht hatte, als Yaku einmal bei ihm geklagt hatte, dass sein inzwischen Mitbewohner Lev ein genauso schlimmer Chaot wie Tetsurou war.)

 

 

Die unausgesprochene Absprache hatte sich nie auf Tetsurous Zimmer ausgeweitet.

Tetsurou fand das gut, und Tetsurou hatte nicht vor, sich darüber zu beklagen, aber als Tsukki ihm einmal abwesend zwischen Tür und Angel vorschlug, er könne sich im Zuge des jährlichen Frühjahrsputzes darum kümmern, willigte er trotzdem ein, denn es war auch nur bequem für ihn.

 

Leider neigte Tetsurou öfter zu Vergesslichkeit, als ihm lieb war, also dachte er gar nicht daran, dass in seinem Zimmer womöglich Dinge liegen könnten, die nicht für Tsukkis helle Bernsteinaugen bestimmt waren.

 

Als er von einem viel zu langen Lerntag zurück nach Hause kam, war sein Zimmer aufgeräumt. Tsukki saß an seinem Schreibtisch und blätterte in einer Zeitschrift, der Tetsurou gar keine Aufmerksamkeit schenkte, während er erstaunt feststellte, dass sein Zimmer um einiges größer war, als er es in Erinnerung gehabt hatte.

 

„Willkommen zuhause, Tetsurou-San.“

 

Inzwischen war es nicht mehr seltsam, und Tetsurou grinste Tsukki zähneblitzend an – bis sein Grinsen gefror, als er sah, was Tsukki da genau in der Hand hielt: Eines der Pornomagazine, die er schon vor einer ganzen Weile zu kaufen aufgehört hatte, die in einer Kiste irgendwo in seinem Chaos versauert waren, ohne dass Tetsurou jemals noch einmal darüber nachgedacht hatte, was eigentlich aus den Teilen geworden war. Tsukki hob den Blick, und auf seinem Gesicht erschien ein engelsgleiches Dämonenlächeln, als er Tetsurous panisch-ertappten Blick sah. In einer absoluten Nonchalance schloss Tsukki die Zeitschrift und legte sie zur Seite, ehe seine blitzenden Augen sich unheilverkündend ganz in Tetsurous bohrten.

 

„Du hättest mir doch längst sagen können, dass du auf blonde Brillenträger stehst, Tetsurou-San.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yo-Yoshi-Ku
2016-07-03T16:12:22+00:00 03.07.2016 18:12
Es gibt vieles, was ich zu dem Chapter sagen wollte - aber allen Voran muss ich gleichmal das Ende kommentieren: OUCH.
Das ist bitter - richtig, richtig bitter x'D
Als Jemand der selber mal nen Mitbewohner gehabt hatte (wo ich der Ordentliche war, wenn gleich nicht im Ausmaß von Tsukki :'D) konnte ich mich da sehr gut reinversetzen :'D
...leider auch in das Ende OTL
Und leider war es bei mir am Ende nicht mein Mitbewohner, der das heikle Zeug gefunden hat, sondern meine Eltern als sie auf Besuch waren, denn mein Zimmer glich trotz meiner Ordentlichkeit dennoch eher Kuro's.... Shit happens.

Ich hab mich köstlich amüsiert und an meine Studientage erinnert gefühlt - die beiden hatte ich echt bildilch vor Augen und ich LIEBE die kleinen Hinweise, die du auf die anderen Charaktere droppst <3
(Das Hinata der Captain wurde, dass Yaku nun mit Lev zusammenwohnt,....)
Kann es mir auch total gut vorstellen, dass Kuro diese Art von Genie ist, welche das Chaos bevorzugt - also ich finde du triffst die beiden wirklich wunderbar! :'D

Ah, schade, dass nur mehr ein Chapter auf mich wartet - aber ich werde es genießen! ; w;)
Antwort von:  Puppenspieler
03.07.2016 18:16
OUCH! Oh je, das ist ja übel, du armes Ding!!! XDDDDDDDDDDDDDDD
So herzig deine Anekdote klingt, du tust mir richtig Leid! Das war sicher nicht schön... xDDDD Wie gut, dass ich dich damit nicht zu sehr getriggert habe! :'D Uni-Nostalgie geht ja noch. XDDD

Awww, danke! ♥ Ich finde, so etwas macht eine Geschichte einfach viel lebhafter, wenn sie nicht nur aus zwei Personen besteht! X3
Haha, nicht wahr? Kuro ist sicher sau unordentlich. xDDD Und egal, mit wem er zusammenwohnt, er wird keine Freude dran haben. xD Armer Tsukki... xD Herrlich! Ich bin mächtig stolz, dass ich die beiden so gut hinbekommen habe!*^*

Owww! ;_; Genieße es! ♥


Zurück