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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ser Delrin Barris ist ein Charakter aus dem Spiel, den man nur trifft, wenn man sich mit den Templern verbündet. Falls er nicht während des Quests stirbt, wird er später der Anführer der Templer auf der Himmelsfeste.

Dass Dorian früher seine Mitschüler terrorisiert hat, ist übrigens auch canon, was... vermutlich niemanden überrascht. Komplett anzeigen

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Ser Barris

Ser Barris war ein ehrenvoller Mann.

Als jüngster Spross einer Familie, die auf eine lange Ahnenreihe ebenso ehrenvoller Männer und Frauen zurückblicken konnte, war er mit zwölf Jahren den Templern beigetreten und seitdem unaufhaltsam in ihren Rängen aufgestiegen. Bereits mit siebzehn Jahren war er zum Ritter ernannt worden, nachdem er auf seiner ersten Mission ein Unglück hatte verhindern können, das ohne sein Verhandlungsgeschick und taktisches Denken viele Männer und Frauen das Leben gekostet hätte. Jedem anderen hätten die Rekruten diesen Erfolg zweifellos geneidet, doch nicht Barris, der sich sowohl gegenüber seinen Kameraden als auch den Magiern der verschiedenen Zirkel, in denen er im Laufe seines Lebens stationiert gewesen war, immer höflich und zuvorkommend verhalten hatte.

Ser Barris lag nichts mehr am Herzen, als der respektvolle Umgang mit den Menschen, für die er sich verantwortlich sah, darum war es sein erster Instinkt, seine Hand auf seinen Schwertgriff zu legen, als er an diesem Abend nach einer späten Mahlzeit zum Turm der Templer zurückkehrte und Zeuge wurde, wie zwei seiner Männer einen Magier angriffen – einen Magier, den sie zuvor seiner Verbindung zum Nichts beraubt hatten, wie Barris fühlen konnte, was ein unverzeihliches Verbrechen war, wenn es fernab des Schlachtfeldes geschah.

Ser Barris spürte, wie Wut in ihm hochkochte. Er wollte gerade sein Schwert ziehen und eingreifen, als der am Boden kniende Magier den Blick hob und ihn ansah. Seine Augen weiteten sich, als er Barris erkannte, und er schüttelte unmerklich den Kopf, was den anderen nach kurzem Zögern wieder die Hand vom Schwertgriff nehmen ließ.

Den zwei Templern, die Barris den Rücken zugewandt hatten, schien der kurze Blickwechsel zwischen ihnen jedoch entgangen zu sein, denn sie genossen sichtlich die Machtposition, in der sie sich befanden, und zogen langsam ihre Schwerter.

„Plötzlich nicht mehr so vorlaut, was?“, meinte einer von ihnen und streckte den Arm aus, bis die Klinge seines Schwertes auf der Schulter der Magiers zu liegen kam, nur wenige Zentimeter von dessen Hals entfernt.

„Mit allem Respekt, Serah: Ihr seid ein Narr“, sagte der am Boden kniende Mann und schob die Schwertklinge mit seinem Stab beiseite. Dann erhob er sich mühevoll.

„Das war ein netter Trick, den Ihr da angewandt habt“, fuhr er fort und lächelte schwach, und Barris kam nicht umhin, seinen Mut zu bewundern, wie töricht und unangebracht er in dieser Situation auch sein mochte. „Aber ich habe auch einen Trick auf Lager. Wollt Ihr ihn sehen?“

Der Templer, der ihn mit seinem Schwert bedroht hatte, starrte den Magier noch immer mit offenem Mund an, als dieser plötzlich seinen Stab herumschwang und dem anderen die Beine unter dem Körper wegschlug. Während der Mann mit lautem Scheppern zu Boden ging, glitten die Finger des Magiers in eine Reihe von Vertiefungen knapp unter dem Griff des Stabes und Barris vernahm ein leises Klicken. Als der Magier seinen Stab wieder hob, ragte eine doppelschneidige Klinge aus seinem unteren Ende.

„Was zum–“, begann der andere Templer, doch Dorian ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Ihr habt mich heute überrascht“, sagte er mit gefährlich leiser Stimme, aus der jeder Humor verschwunden war. „Beglückwünscht Euch zu Eurem Erfolg, solange Ihr noch könnt. Denn es wird das letzte Mal sein, dass Euch dies gelungen ist.“

Geübt ließ er den Stab in der Hand rotieren.

„Lasst mich Euch demonstrieren, wozu ein ausgebildeter Kampfmagier fähig ist.“

Und damit begann einer der ungewöhnlichsten Kämpfe zwischen einem Templer und einem Magier, die Barris je gesehen hatte.

So gefährlich die Schwertattacken des Templers auch sein mochten, seine Rüstung beraubte ihn doch seiner Geschwindigkeit und Agilität, was eine Schwäche war, die der Magier gnadenlos ausnutzte. Ohne größere Schwierigkeiten wich er den Hieben seines Gegners aus oder duckte sich geschickt darunter hinweg, bevor er sie seinerseits mit schwungvollen Attacken seines Stabes erwiderte. Dessen Klinge konnte zwar die Rüstung nicht durchdringen, doch sie zwang den Templer, sich in Acht zu nehmen und die gepanzerten Hände zu heben, um sein Gesicht zu schützen, was ihn in entscheidenden Momenten des Kampfes wertvolle Sekunden kostete. Der Magier nutzte jede Lücke, die er sah, um die Verteidigung des anderen zu durchbrechen und nahe an ihn heranzutreten, und schon bald begann der Templer in seinem Bestreben, sich seinem Gegner stets rechtzeitig zuzuwenden, um seine Attacken zu kontern, vor Anstrengung zu schnaufen.

Von diesem Moment an wurden seine Hiebe immer träger und ungenauer, und schließlich war er so entkräftet, dass der Magier auch ihn mit einem gezielten Tritt und einem kräftigen Stoß zu Boden beförderte.

„Bitte tut mir den Gefallen und ergebt Euch“, sagte er und drückte die Klinge seines Stabes gegen den Hals des Mannes. Seine Stimme war ruhig und er schien kaum außer Atem zu sein. „Diese Roben sind neu und es würde mich schmerzen, sie mit Eurem Blut zu besudeln.“

Der Templer sah ihn hasserfüllt an, doch er nickte kurz, um zu signalisieren, dass er den Kampf nicht weiter fortsetzen würde.

„Gute Entscheidung“, meinte der Magier und nickte, dann betätigte er einen verborgenen Mechanismus an seinem Stab und die Klinge glitt lautlos wieder in den Schaft zurück.

Ohne die Männer eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er an ihnen vorbei und auf den Haupteingang der Burg zu.

Erst in der großen Halle gelang es Barris, den Magier einzuholen.

„Serah, bitte verzeiht mir, aber ich muss mit Euch sprechen.“

Der andere schien zu erkennen, dass er ihn nicht abschütteln konnte, und blieb schließlich mit einem Seufzen stehen. Widerwillig drehte er sich zu Barris herum, der besorgt die Augenbrauen hochzog, als er sah, dass der Magier am ganzen Körper zitterte.

„Was wollt Ihr?“, fragte er müde. „Die Ehre Eurer Kameraden verteidigen und beenden, was sie begonnen haben?“

Barris schüttelte den Kopf. Die Unterstellung des Mannes verletzte ihn, aber sie überraschte ihn nicht, wenn er bedachte, was er soeben mit angesehen hatte.

„Nichts liegt mir ferner“, entgegnete er. „Was diese Männer getan haben, lässt sich nicht entschuldigen. Sie werden für den Angriff auf Euch eine angemessene Strafe erhalten, das verspreche ich.“

Zu seiner Überraschung weiteten sich die Augen des Magiers bei diesen Worten und er schüttelte vehement den Kopf.

„Tut das nicht!“, stieß er hervor. „Wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, dann vergesst den Vorfall, den Ihr gesehen habt. Nichts wird sie eher gegen mich aufbringen, als zusätzlich zu dieser Demütigung auch noch von ihrem Orden bestraft zu werden.“

„Seid nicht unvernünftig“, entgegnete Barris, der nicht glauben konnte, was der andere gerade gesagt hatte. „Sie werden jede Möglichkeit nutzen, Euch das Leben schwer zu machen, wenn ich es nicht von Anfang an unterbinde!“

„Und was denkt Ihr, was geschieht, wenn Ihr mal nicht da seid, um sie auf Schritt und Tritt zu überwachen?“, fragte der Magier. „Ich habe viele Jahre in Zirkeln gelebt, Serah. Glaubt nicht, dass ich nicht all die subtilen Wege kenne, einem anderen zu schaden, ohne, dass es jemand merkt.“

Diesem Argument konnte Barris tatsächlich wenig entgegenhalten. Auch unter seiner Aufsicht hatte es in den Zirkeln manchmal Vorfälle gegeben, Gewalttaten gegen Magier, die er nicht hatte verhindern können, obwohl er seinen Untergebenen gegenüber oft genug deutlich gemacht hatte, was mit denjenigen geschah, die sie verübten.

„Es tut mir leid, dass man Euch in der Vergangenheit ein solches Unrecht angetan hat“, erwiderte er schließlich.

Mir?“ Der Magier lachte humorlos auf. „Ihr missversteht mich, Serah. Ich war nicht das Opfer...“

Er stützte sich auf seinen Stab und sah plötzlich sehr müde aus. „Aber wir alle haben in unserer Kindheit Dinge getan, die wir mittlerweile bereuen. Und nach all meinen Schandtaten habe ich vermutlich verdient, was heute passiert ist.“

Barris fragte sich, wo der Mann studiert haben musste, dass sich an diesem Ort die Magier gegenseitig terrorisierten. Doch als er ihn ansah – wirklich ansah – und neben seiner ungewöhnlichen Kleidung auch seinen fremdländischen Akzent mit berücksichtigte, fügten sich die Puzzleteile auf einmal zu einem Ganzen zusammen.

Natürlich. Er hätte gleich darauf kommen können, dass er mit dem Tevinteraner sprach. Das erklärte auch die offene Feindseligkeit seiner Männer dem anderen gegenüber – auch wenn seine Herkunft keine Entschuldigung für den Angriff war.

„Kein Magier hat verdient, was ihm angetan wird, auch Ihr nicht“, sagte er ruhig. „Ich bitte Euch, Serah, seid vernünftig. Eigentlich wäre ich dazu verpflichtet, diesen Fall vor den Kommandanten zu bringen. Wenn ich Euch schon nicht beschützen kann, dann kann er es sicherlich.“

„Und was würde mich das kosten, hm?“, fragte der Magier, nur um gleich darauf mit spöttischer Stimme seine Frage selbst zu beantworten: „Abgesehen natürlich von meiner Freiheit, mich in der Himmelsfeste zu bewegen, wie ich es wünsche.“

Ihr könntet gehen, dachte Barris – und er verstand plötzlich, wieso der andere so hartnäckig jegliche Hilfe ablehnte. Wenn er die Inquisition verließ, was blieb ihm dann noch, so weit von seiner Heimat entfernt...?

„Ich heiße Eure Entscheidung nicht gut, aber ich respektiere sie“, entgegnete er schließlich und der Tevinteraner sah ihn überrascht an. „Doch solltet Ihr es Euch jemals anders überlegen, dann könnt Ihr Euch jederzeit an mich oder Kommandant Cullen wenden.“

Der Magier mied seinen Blick, doch er schien tatsächlich für einen Moment über seine Worte nachzudenken.

„... ich werde Euer Angebot in Betracht ziehen“, sagte er nach einer Weile.

Barris lächelte. „Mehr wünsche ich mir nicht.“

Er wandte sich ab.

„Ich hoffe, Ihr habt eine geruhsame Nacht, Serah. Ihr seht aus, als könntet Ihr sie gebrauchen.“

Und mit diesen Worten drehte er sich um und ging. Den nachdenklichen Blick, den der andere ihm nachwarf, bemerkte er nicht.

 

Ser Barris bestrafte die beiden Templer nicht, ganz, wie er es dem Magier versprochen hatte. Doch als die Inquisitorin wenige Wochen später eine alte Festung im Kammwald eroberte, waren ihre Namen die ersten, die auf der Liste der Männer und Frauen standen, die in Zukunft dort stationiert sein würden.

Falls sie einen Zusammenhang zu dem Vorfall im Hof herstellten, dann konnten sie es ihm nicht nachweisen. Auf ihr Fragen hin entgegnete Barris nur, dass ihre Talente dort besser aufgehoben waren, was genau genommen keine Lüge war.

Schließlich war Ser Barris ein ehrenvoller Mann.



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