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Ich lasse dich darum flehen!

von

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Lass dich aufnehmen!

26. Kapitel

Lass dich aufnehmen!
 

„Sie sind verzweifelt!“ War der einfache und klare Kommentar und die grauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er konnte immer noch nicht glauben, was er eben gehört hatte. „Nein!“ Kam als ebenso klare Antwort zurück und die alten, von Falten umringten Augen der Hexe ihm gegenüber verengten sich ebenso wie die seinen. „Ich habe Katastrophen erlebt, die mich nicht verzweifeln ließen! Ich habe den Untergang der Monarchie miterlebt und zwei Mal den Aufstieg des dunklen Lords. All dies brachte mich nicht einmal ansatzweise zu der Regung eines verzweifelten Gefühls!“ Das „Aber“ war so deutlich in ihrer Stimme zu hören, dass Draco die Beine übereinander schlug und die Arme vor der Brust verschränkte. Er saß auf einem alten, wahrscheinlich geschichtsträchtigen Stuhl, der seine besten Zeiten lange hinter sich hatte. Dennoch war er neu aufgepolstert und der Stoff getauscht worden.

„Ich bin zu tiefst verzweifelt!“ Das war unerwartet! Das war so unerwartet, dass die angespannten Muskeln in seinem Gesicht einen erstaunten Ausdruck formten, während sich die kleine Frau hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch erhob. „Oh ja, sie müssen zu tiefst verzweifelt sein!“ Unterbrach der Kräuterkundige ihren offenkundig beginnenden Vortrag. Er löste die Verschränkung seiner Arme und packte beinahe wütend nach den Armlehnen neben sich.

„Ich werde noch einmal kurz zusammen fassen, um was sie mich bitten!“ Knurrte er leicht aufgebracht und noch immer innerlich so erschüttert, dass sein Verstand selbst diese Zusammenfassung benötigte. „Sie verlangen von mir, einem nicht verheirateten, fast 30 Jahre alten Mann, der sich in einer Beziehung mit einem anderen befindet, keinen festen Wohnsitz in England besitzt und ebenso keine Vertraglich geregelte Arbeit, einen ihm unbekannten Jungen zu adoptieren, obwohl ich erst vor einem guten halben Jahr die uneheliche Tochter meines Lebensgefährten akzeptieren musste?“
 

„JA!“ Donnerte sie mit so unverwüstlicher Stimme, dass der ehemalige Slytherin beinahe einen Schauer über seinen Rücken laufen spürte. Die kleine Hexe, die sicher mehr Jahrzehnte zählte, als sie jemals verriet, schien wirklich mit allen Wassern gewaschen, von keiner Einschüchterung in Verlegenheit gebracht zu werden. Sie trug eine Brille auf der Nase, die ihre kleinen Augen groß und scharf wirken ließen. Das dunkle Brillengestell hatte eine klare, zu den Seiten spitz zulaufende Form und war mit einer Perlenkette sicher um ihren Hals befestigt. Die grauen Haare trug sie zu einem ordentlichen, ja, regelrecht penibel gebundenen Knoten und ihr Kleid war von cremefarbenen Tönen bestimmt und mit Spitze besetzt. Sie hätte sicher auch problemlos vor zweihundert oder dreihundert Jahren umherlaufen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Die Perlenohringe hatten die gleiche Farbe wie die Kette der Brille.

„Hören Sie, Mr. Malfoy!“ Begann sie nun versöhnlicher und entspannte sich leicht wieder. „Ich sehe ein, dass sie in keiner Weise ein geeigneter Kandidat für diese Aufgabe sind. Gäbe es einen passenderen, wäre ich die erste, die jenen um diesen Gefallen bitten würde. Aber es gibt keinen anderen. Es gibt um ehrlich zu sein nicht einmal einen schlechteren. Es gibt nur noch Sie!“ Ihre Stimme hatte diesen einfühlsamen, aber bedeuteten Ton, mit dem man jedes Kind überzeugen konnte.

„Es geht nicht einfach um einen unbekannten Jungen. Er ist starrsinnig, willensstark und sehr zielgerichtet. Seine Talente setzt er schonungslos ein und die Blutsverwandtschaft kann einfach nicht geleugnet werden. Dennoch wird genau dieses gerade jetzt getan!“ Müde schloss sie die Augen, faltete die Hände vor ihrem Bauch und schwieg einen kurzen Moment. „Seine leiblichen Eltern leugnen, dass er jemals ihr Sohn gewesen wäre und fordern einen Beweis. Die kanadischen Behörden werden sich hüten gegen die malfoysche Linie anzutreten und auf meine Anfrage wird in einigen Wochen, vielleicht Monaten ein Schreiben folgen, welches keine genaue Klärung der Situation anbieten kann. Passende Unterlagen wird es nicht geben, entweder legen sie mir einen Grund vor, einen Einbruch vor Jahren, eine Wetterkatastrophe, geplatzte Wasserrohre im Winter… oder sie werden einfach behaupten, dass keine Unterlagen vorhanden sind und nicht bestimmt werden kann, ob es sie jemals gab.“
 

Schweigend hörte Draco zu. Er wusste, wie solche Dinge gehandhabt wurden. Er entstammte dieser Familie und wie die Behörden, besonders die regionalen, in solchen Fällen handelten, musste ihm nicht erklärt werden. „Natürlich wären ihre Eltern die nächsten Verwandten.“ Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und meinte mit abschätziger Stimme. „Formell habe ich sie darüber in Kenntnis gesetzt, aber wer schon den eigenen Sohn verstößt, nimmt kein anderes verstoßenes Kind bei sich auf.“ Mehr musste sie nicht sagen, auch wenn sich Draco wunderte, warum seine Mutter ihn nicht darüber informiert hatte. Sie musste es doch wissen oder?

„Sehen Sie, Mr. Malfoy, ich habe hier einen 13 Jahre alten Jungen, der talentiert und wissbegierig ist, der offensichtlich die Willensstärke besitzt allein im Alter von 12 Jahren aus seiner Familie auszubrechen und sich auf den weiten Weg von Kanada bis nach England macht, nur um vorher noch einmal Europa zu durchqueren. Dabei ist er ein Jahr lang von keiner Behörde bemerkt worden, obwohl er noch immer die Spur auf sich trägt. Wir haben solch eine Kombination schon einmal ignoriert und ich weiß, dass in diesem Kind mehr Gefühle, mehr Sehnsüchte und mehr Liebe stecken, als er verraten möchte. Was aber aus ihm wird, wenn er nichts weiter als das verstoßene Kind bleibt, kann ich nicht sagen!“

„Übertreiben sie jetzt nicht ein klein wenig?“ Wagte der Kräuterkundige anzumerken und die herablassende Kälte in ihren Auen ließ ihn seine eigenen Augenbrauen fragend in die Höhe ziehen. „Sie wissen, wie sich solch ein Verrat anfühlt. Sie sind der Außenseiter, der gegen alle Regeln verstoßen hat und doch seinen Platz in dieser Welt fand. Es gibt keine formelle Bedingung, die Sie erfüllen. Jede mir auferlegte Regel verbietet ein solches Angebot, aber wenn jemand auf dieser Welt diesen Jungen verstehen kann, dann sind Sie das!“
 

Nun spielte sie aber hoch auf. Mit einem Seufzen blickte Draco zur Seite. Er war zu einem elenden Schwächling geworden! Ja! Natürlich würde er diesen Knirps verstehen! Er war das Übel, das schwarze Schaf in der Familie, der schwule Sohn, der in aller Öffentlichkeit seiner Liebe frönte! Dass er nun gerade das zweite Gewitter an Schandpropaganda überstanden hatte, spielte dabei wohl keine Rolle! Es war ja schon hart sein eigenes Gesicht unter der Überschirift „Der Untergang des Adels“ zu finden oder mit Artikeln über ein Verbot von homosexuellen Mitarbeitern im Ministerium konfrontiert zu werden. Dann aber noch die Wochenlangen Diskussionen über eventuelle Mütter und seine angeblich gekränkten Gefühle wegen eines Betruges lesen zu dürfen, hatte ihn wirklich mehr Geduld gekostet, als er besaß. Hätte Harry ihn nicht aufgehalten, wäre er mehr als einmal dieser Rita Kimmkorn beinahe an die Kehle gegangen!

Was würde dort jetzt stehen? Kleinfamilie bekommt Zuwachs? Was wird nur aus Lily Potter, als einzige Frau im Hause? Wenn dieses elende Miststück noch einmal seine Gefühlswelt im Tagespropheten ausdiskutieren würde, brächte er sie um! Er würde sie vergiften, grausam und schmerzhaft! Er würde ihr mit größter Freude all die lieben Aufwartungen machen, die er von Bellatrix gelernt hatte!

„Sehen Sie sich den Jungen wenigstens einmal an! Dann können Sie mich immer noch belügen und behaupten, dass Sie ihm niemals helfen könnten!“ Gekonnt hob sich die rechte Augenbraue von Draco und er sah sie vorwurfsvoll zweifelnd an. Er hatte sie längst durschaut und sie ihn. Aber er konnte das nicht! Was dachte sie sich? Was sollte er diesem Knirps denn sagen? ~Hallo, ich bin Draco Malfoy und muss dich adoptieren, weil ich der einzige in unserer beschissenen Familie bin, der sich wenigstens ein wenig um deine Existenz schert!~
 

Kurz schlossen sich die grauen Augen und mit einem missmutigen Gefühl atmete er konzentriert ein. Er sollte das alles mit Harry besprechen! Er konnte doch nicht hingehen und diesen Jungen adop... Nein, was er nicht konnte war jetzt einfach zu gehen und diesen Jungen allein zurücklassen. Wahrscheinlich war auch nur dieser verschrobenen Hexe zu verdanken, dass der Kleine sich nicht mit seinem Gesicht über einem Artikel von Rita wiedergefunden hatte. Er war trotz allem Kräuterkuniger, obwohl er diese Seite in der Öffentlichkeit verbarg und besonders für sein Wissen in den dunklen Künsten, der schwarzen Magie geschätzt wurde. Sein weiches, mitfühlendes Herz jedoch schlug nun aufgebracht wild und sorgenvoll. Den Tag würde er nie vergessen, an dem er seinem Vater die Wahrheit über seine Sexualität und seine Liebe gestand. Lucius hatte zuerst nichts von alle dem glauben wollen, verfiel dann in ein herzloses Toben und als ihm bewusst wurde, dass sein eigener Sohn von diesem Weg nicht abrücken würde, drehte er sich um und ging.

Im Nachhinein ein Verhalten, das Draco mehrfach ebenfalls genutzt hatte; zuletzt bei Lilys Ankunft. Dennoch spürte er noch heute diesen Schmerz tief in seiner Seele schwelen, wenn er an seinen Vater dachte. Bis heute hatte Lucius kein Wort mehr mit ihm gesprochen und war meistens aus dem Haus, wenn sein Sohn angekündigt war. Nur selten trafen sie sich, dann war in den kalten Augen kein väterliches Gefühl zu erkennen. Trotz aller Einwände und Argumente konnte Narzissa ihren Mann nicht umstimmen.
 

Wie also sollte er den Kleinen nicht verstehen? Wie sollte er nicht seine Sorgen und Ängste kennen? Mit diesen Gedanken beschäftigt löste er die Überkreuzung seiner Beine und platzierte die glänzenden, schwarzen Schuhe elegant neben einander. Wenn er sich den Jungen „nur“ ansah, einen flüchtigen Blick auf ihn warf, würde sein Herz zerspringen, wenn er danach einfach ginge.

Er war so weich geworden! Wenn er an seine Schulzeit dachte… wenn er sich an all die Grausamkeiten erinnerte… und nun war er zu einem verweichlichten Kräuterkundigen geworden, der sich von einer alten Frau manipulieren ließ.

Trotz all dem aufgebrachten Widerwillen konnte er nicht diese bange Sorge in ihm verdrängen. Er musste diesen Jungen sehen und erfahren, wie es ihm ging. Seine eigene Mutter stand gleich dem Trotz ihres Mannes hinter Draco, gleich aller Fehler liebte ihn Harry fortbestehend, war es also nicht an der Zeit, diese Liebe weiter zu geben? Und wenn nur als Halt und Stütze für einen Familienlosen? War es nicht sogar eine Art Pflicht, ihm nun zu helfen? War es nicht sogar ein Privileg?
 

oooOOOooo
 

Seine Gefühle waren wechsellaunig, sie gaben sich einem seltsamen Tanz aus Unlust, gepaart mit einer gewissen Frustration und einer sorgenvollen Sanftmut hin. Wie lange er hier schon stand, wie lange er hier schon in der Tür lehnte, konnte er nicht bestimmen. Der Regen draußen stürzte rauschend vom Himmel und vor dem alten Strebenfenster auf der breiten Fensterbank saß der 13 Jährige. Draco hielt seinen Mantel fest, er hatte ihn über den linken Arm geworfen, nun waren sie mit dem Stoff zusammen vor seiner Brust verschränkt. Dass der Junge ihn gesehen hatte, stand außer Zweifel. Kaum war er an das Zimmer getreten, die Tür war nicht offen, als ein kleines Mädchen mit einem schmutzig grauen Blond in den zwei geflochtenen Zöpfen den Gang entlang stürmte und vor ihm die Klinke der Tür herunterdrückte. Sie war vielleicht vier Jahre alt und unter ihrem Knielangen, leicht ausgefransten roten Kleid mit weißen Blümchen schaute eine Strickstrumpfhose hervor. Sie hatte geweint, ihre Wangen glühten und noch immer waren Tränen in den großen Augen, die nicht über ihr Gesicht rollen wollten. In der freien Hand hielt sie eine kleine Puppe, der offenbar der Kopf fehlte. Diesen hielt sie ebenfalls fest an sich gedrückt und schluchzend rannte sie in das Zimmer.

Es war schlicht, dennoch auf gewisse Weise luxuriös. Es besaß nur zwei Betten und dahinter je einen kleinen Schreibtisch mit Stuhl. Alles war aus Holz gefertigt, über den Betten hing noch ein Regal für die eigenen, wichtigen Dinge und an der Wand je neben dem Fenster standen zwei kleine Schränke, in denen die Bewohner dieses Zimmers ihre Kleider ordnen konnten. Es gab wenig Persönliches in diesem Raum, beide Betten waren ordentlich gemacht und mit einer grauen Tagesdecke bezogen. Auf dem einen saß ein großer, alter Bär, der nur noch ein Auge besaß, dass andere hatte man mit einem Knopf ersetzt. An der Wand war ein Poster der englischen Fußballmannschaft aufgehängt und auch auf dem Schreibtisch waren die wenigen Sachen ordentlich drapiert. Dort hing über dem Stuhl noch ein Schal in den englischen Farben.
 

Das andere Bett war leer, es gab nichts weiter zu sehen und auch der Schreibtisch war nur mit einer einfachen, schwarzen Rolle für Stifte und einem zugeschlagenen Block bestückt. Anscheinend hatte der zweite Besitzer keine persönlichen Dinge, die er aus seinem früheren Leben mitgebracht hatte. Als verstoßener Sohn der malfoyschen Familie war klar, welches sein Bett darstellte.

Mit einem Lächeln und einigen tröstenden Worten nahm der Blonde die Puppe entgegen und setzet ihr geschickt den Kopf wieder auf. „Siehst du, Emma, es ist alles wieder in Ordnung. Jetzt geht es Dolly wieder gut.“ Beruhigte er sie und reichte der Kleinen die geliebte Puppe zurück. Erstaunt beobachtete Draco diese Szene und bemerkte auch den Ausdruck, der nur flüchtig über das blasse Gesicht huschte. Kaum war das geliebte Spielzeug wieder gerettet, machte sich die bezopfte Kleine wieder quietschend auf den Rückweg und mit einem sanftmütigen, ja, beinahe brüderlichen Blick sah der 13 Jährige ihr nach. Als sie an Draco vorbeistürmte, wechselte dieser Ausdruck in etwas, dass der ehemalige Slytherin nicht genau beurteilen konnte. Es wirkte wie ein Erkennen, gefolgt von einer gewissen Wut, einer Frustration und dann wendete er sich von dem fremden Mann einfach ab. Der Blick der jungen, grauen Augen floh nach draußen und dort blieb er auch. Seit diesem Moment würdigte er den Eindringling keines Blickes mehr und strafte ihn mit der gekonnten, malfoyschen Ignoranz, die Lucius alle Ehre gemacht hätte.
 

So kamen sie nicht weiter! Seit der Junge wieder aus dem Fenster sah, hatte er sich nicht gerührt. Wenn Draco heute noch nach Hause kommen wollte, musste er die Initiative ergreifen. Mit diesem Gedanken stieß er sich vom Türrahmen ab und betrat den schlicht eingerichteten Raum. Viele Waisenhäuser mussten vier bis sechs Kinder in einem Raum dieser Größe unterbringen, ob der Kleine von seinem Namen profitierte oder die alte Hexe hier grundsätzlich mehr Platz hatte, weigerte er sich zu bestimmen. Er selbst wollte sich nicht vorstellen, wie eine solche Situation sein würde, wenn man von den Eltern getrennt, verstoßen oder diese für immer verloren in einem Zimmer mit 5 anderen landete, deren Geschichten nicht minder herzerweichend waren.

„Dieses Fenster muss die beste Aussicht bieten, die ich je gesehen habe!“ Das kaum merkliche Zucken, welches durch den jungen Körper fuhr, machte die Anspannung des Kindes deutlich. Er hatte nicht mit einer Reaktion des Blonden gerechnet und nun kam dieser näher, sprach ihn an. „Ist auf jeden Fall deutlich besser als der gesamte Rest des Zimmers!“ Die Betonung, die Art, wie der 13 Jährige diese Worte aussprach machte deutlich, dass er etwas Bestimmtes in diesem Raum meinte, um genau zu sein: Draco!

Doch dieser war nicht in der Stimmung für einfühlsames Geplänkel, selbst bei einer möglichst neutralen Betrachtung hatte ihn dieser Bengel sicher 10 bis 20 Minuten ignoriert. Gefühlt war diese Spanne so unendlich lang, dass jeder Geduldsfaden zerreißen musste. Eine gewisse Verstimmung legte sich über die bestehende Sorge. „Dann macht es dir also nichts aus, dir dieses Fenster noch die nächsten 5 Jahre anzusehen?“ Mit diesen Worten warf er seinen teuren, maßgeschneiderten Mantel mit samt Seidenschal über den noch freien Teil der Fensterbank und lehnte sich nun gegen die Wand, um ebenfalls hinaus zu sehen.
 

Draußen lag der Innenhof umgeben von alten Wirtschaftsgebäuden, die damals zum Waschen und zur Tierzucht genutzt wurden. Heute war nur noch im hinteren Teil des Grundstückes ein kleiner Hühnerstall zu sehen, der an den typischen Leitern und der Umzäunung seinen Nutzen preis gab. „Immerhin wird außer mir niemand hier her kommen und sich von dir 20 Minuten ignorieren lassen, nur um dir doch noch eine Chance zu geben! Bis zu deiner Volljährigkeit ist es eine lange Zeit um dieses Fenster und seinen Ausblick zu genießen.“

Draußen tobten drei Jungen zwischen 15 und 17 Jahren im Regen, sie spielten Fußball und trugen außer ihren Hosen nichts mehr am Leib. Von Schlamm waren sie über und über bedeckt, dass man weder die Haarfarbe bestimmen konnte, noch die Gesichter genau erkennen. Anscheinend hatten sie ihren Spaß dort draußen, lachten, fluchten und nutzten auf der einen Seite ihres Spielfeldes die Pfosten der Wäscheleine als Tor und auf der anderen hatten sie zwei Eimer aufgestellt, die sie als Begrenzung verwendeten. Schweigend musterte der 13 jährige Blondschopf die Spieler draußen und ließ wieder eine gewisse Zeit verstreichen. „Wie hat sie dich hier her bekommen?“

Eine seltsame Frage, die Draco nur kurz zu dem noch immer abgewandten Gesicht blicken ließ. „Sie meinte, dass es wichtig wäre und ich heute um 15 Uhr hier sein müsste. Dann erzählte sie mir von dir und meinte, dass es meine Angelegenheit wäre, weil du sonst Tom Riddel als zweiten Dunklen Lord vertreten würdest!“
 

Eine richtige Antwort kam nicht, die grauen Augen starrten ihn nun an und die feinen Lippen standen ein wenig offen, das Erstaunen paarte sich mit einem gewissen Entsetzen. „Jetzt übertreibt sie aber!“ Kommentierte er plötzlich erbost und zog die akkuraten Augenbrauen zusammen. Draco war erstaunt, denn nicht nur die grauen Augen und die blonden Haare ließen den Eindruck einer familiären Ähnlichkeit entstehen, auch die Gesichtszüge waren markant erkennbar malfoyisch! Der Kleine hätte ohne Schwierigkeiten sein jüngerer Bruder sein können.

„Ich weiß, du bist weggelaufen, nicht verstoßen worden. Also wäre dein Hass auf Muggelgeborene nicht ersichtlich. Du müsstest das Spiel schon umdrehen und die Weltherrschaft anstreben, indem du den Adel ausrottest!“ Gab Draco von sich und blickte mit einem spöttischen Lächeln wieder aus dem Fenster. Einer der Jungen hatte den Ball freigespielt und rannte nun gefolgt von den beiden anderen auf die Wäscheleinen zu.

„Klar, als geborener Malfoy die Schlammblüter unterstützen und den Adel stürzen. Von dem Wahnsinn mal abgesehen, wäre das nicht mega verrückt, weil ich reinblütig bin?“ Fragte er nun in diesem typisch angefressenen, hochnäsigen Ton, den man förmlich in die Wiege gelegt bekam, wenn man in diese Familie geboren wurde. „Toms Vater war ein Muggel, darum hat er sie so gehasst.“ Schlug Draco vor und die grauen Kinderaugen fanden wieder zu ihm zurück. In dem leicht ovalen, wenn auch fein geschnittenen Gesicht stand die pure Skepsis gepaart mit überheblichen Spott. „Verarschen kann ich mich alleine!“
 

Offenbar hatte er sich auf seinem Weg nach England einige Manieren abgewöhnt und dabei auch eine angemessene Ausdrucksweise verloren. Nun war es an dem 28 Jährigen auf diese typische Weise die Augenbraue in die Höhe zu ziehen und mit verschränkten Armen vor der Brust den Jungen vor sich zu mustern. Doch er sagte nichts, nachdem er eine ausreichende Zeit das Unbehagen in dem Jüngeren in die Höhe getrieben hatte, blickte er wieder aus dem Fenster und sah zu den Jungen hinaus. Es sollte Frühling werden, doch noch waren die Bäume kahl und die dunklen Wolken, aus denen sich ein wilder Regen ergoss, ließen eher einen Herbsttag erscheinen. Der Winter, der sich über die Jahre 2008 und 2009 gezogen hatte, war nicht sonderlich schwer gewesen, hatte nur hin und wieder Schnee verteilt und einige Wochen mit nasser Kälte gespielt. In London gab es einige Rutschpartien, die zum Schmunzeln einluden. Doch so feucht und grau der Winter in diesem Jahresumbruch auch war, so unwillig schien er den Frühling kommen zu lassen.

Draco schnalzte mit der Zunge und stieß sich dann von der Wand ab. „Na, dann habe ich wohl keinen Grund mehr zu bleiben.“ Gab er lapidar von sich und griff nach dem Mantel, den er über die Fensterbank geworfen hatte. Die schlanken Finger legten sich geschmeidig um den weichen Stoff und als er sich aufrichtete, huschte sein Blick hinüber zu dem 13 Jährigen. Draco konnte es sehen; für einen unglaublich kurzen Moment stand das pure Entsetzen in den grauen Augen. Davon ließ er sich nicht weiter beirren und den Mantel über den Arm werfend drehte er sich um.

„Warum hast du ihm vergeben?“ Die kindliche Stimme zitterte und Draco wusste, dass er nun den Punkt erreicht hatte, an dem der Kleine am Empfindlichsten war. Nun wurde sein kleines Herz von Angst und Panik ergriffen, einer schieren Verzweiflung, die alles tun würde, um ihn ja nicht gehen zu lassen.
 

„Wen?“ Fragte er ohne zurückzublicken.
 

„Potter.“ Kam die noch immer wacklige Antwort.
 

„Was soll ich ihm denn vergeben?“ Forderte nun der ehemalige Slytherin ein und wartete.
 

Doch es kam nichts weiter. Schweigen erfüllte den Raum und trotz der langen Zeit, die Draco ihm gab, konnte sich der Kleine zu keinem weiteren Wort durchringen. Wieder setzte sich Draco in Bewegung und hatte schon die Mitte der Betten erreicht, als er die Antwort bekam.
 

„Den Betrug.“ Es platze beinahe aus dem 13 Jährigen heraus, als wäre er wie eine Feder gespannt, die nun endlich nachgeben konnte. Dennoch fing er sich gleich wieder und mit nun deutlich zitternder Stimme flüsterte er beinahe. „Er… er hat dich immerhin betrogen… oder?“
 

Nun war es der Kräuterkundige der eine Weile schwieg. Langsam drehte er sich um, blickte zurück auf den Jungen, dessen Brust sich flach und hektisch hob und senkte, dessen graue Augen von wilder, blanker Panik gezeichnet waren und dessen Gefühle ihn innerlich zu zerreißen schienen. Nun war sie gebrochen, diese kalte, distanzierte Fassade, hinter der sich all die Emotionen verbargen, all die Ängste und Sorgen, all die Zweifel und Fragen, die er tief in seinem Herzen verschlossen hatte.

„Hat er das?“ Fragte nun Draco und kam langsam wieder zurück, er hielt den Blick des Kleinen gefangen, ließ ihn nicht weichen und als er direkt vor ihm stand, beugte er sich leicht zu ihm herunter. Voller Anstrengung war jeder Muskel gespannt und dann hielt der 13 Jährige die Luft an. Einige der blonden Strähnen fielen in die Stirn, doch er regte sich nicht. „Gerade du solltest doch wissen, dass nichts so ist, wie es scheint. Du bist zu intelligent, um so eine dumme Frage zu stellen.“

Ein Schlucken. Nun ergriff den schlanken Körper ein unkontrolliertes, wenn auch nur sehr leichtes Beben, wieder schluckte der Kleine, unfähig zu einer bewussten Reaktion. Noch immer starrte er ihn an, die Kinderaugen so groß und rund als wären sie Münzen.
 

„Wir haben uns an diesem Abend gestritten und ich warf ihn aus meinem Haus. Er solle nie wieder kommen und ich wolle ihn nie wieder sehen, dass waren meine Worte an ihn, bevor ich die Tür vor ihm zuknallte. Sag mir, was wiegt schwerer? Dass ich ihn an diesem Abend verstoßen habe oder dass er sich daraufhin betrank und dem Charme einer Frau nicht widerstehen konnte?“ Die schmalen Lippen öffneten sich, der Kleine versuchte etwas zu sagen, doch ohne einen Ton von sich zu geben, schloss er den Mund wieder. Ohne Gnade wurde der Blick seiner Augen weiterhin von Draco gefangen gehalten.

„Soll ich wirklich glauben, dass es Zufall war, dass du hier her gekommen bist?“ Nun fuhr der blonde Junge in sich zusammen, zog den Kopf zwischen die Schultern und wirkte ertappt. Das Beben, welches eben nur leicht zu erkennen war, weitete sich zu einem Zittern aus, dass den gesamten Körper ergriff. Verlegen senkte er den Blick, starrte auf seine Hände, die sich krampfhaft in den Stoff seiner schwarzen Hose klammerten.

„Du bist zu intelligent, um einfach so davon zu laufen. Dein Ziel war immer schon England, weil hier der einzige, weitere Teil der Familie Malfoy lebt. Dass meine Eltern keinerlei Interesse an dir hegen, ist uns doch beiden klar!“ Wieder ein Schlucken, das abgewandte Gesicht verzog sich, verzweifelt biss er sich auf die Unterlippe.
 

„Du wirst keinen weiteren Tag mehr in der Schule fehlen und alles, was du an Lernstoff verpasst hast, wirst du aufholen.“ Noch immer völlig angespannt nickte er, konnte nicht aufsehen, unfähig zu sprechen. Alles in ihm drehte sich, sein Magen schlug Kapriolen und bitter stieß die Gallflüssigkeit in seinen Rachen auf. „Dein Benehmen wird tadellos sein und deine verlorenen Manieren wirst du wiederfinden.“ Die bleichen Wangen wirkten nun noch heller, noch blasser und der Junge schien immer weiter in sich zusammenzusinken. Er versuchte sich an einem Nicken, noch immer nicht verstehend, auf was dieses Gespräch eigentlich hinauslaufen würde.

„Ich werde dir nie ein Vater sein und ich habe auch nicht vor ihn dir Ansatzweise zu ersetzen. Aber du kannst mit allem zu mir kommen. Du kannst mich jederzeit um Rat und Hilfe bitten und ich werde mein Bestes geben, um auf dich aufzupassen.“ Ein Blinzeln folgte, ein Moment, in dem alles in dem Jungen inne hielt. Er schien nicht zu begreifen, nicht zu verstehen und dann hob sich das Gesicht wieder zu Draco auf. Er starrte ihn an, die von Tränen gefüllten Augen waren wieder große und rund. Die schmalen Lippen standen offen, doch noch immer klangen die Worte in ihm wider.

„Dir ist schon bewusst, auf was du dich da einlässt oder Scorpius?“ Fragte der ehemalige Slytherin nun und schmunzelte bei dem Anblick. „Godric's Hollow ist wirklich sterbenslangweilig und die Nachbarin ist das personifizierte Grauen. Sie glaubt immer noch, dass wir irgendwann wegen unseres Lebensstils im Fegefeuer landen.“ Jetzt endlich fiel auch bei ihm der Groschen und die Erkenntnis trat mit solch einer Wucht ein, dass nun keine Fassade mehr hielt. Tränen rannen hemmungslos über die Wangen, welche sich in wenigen Herzschlägen dunkel färbten.
 

Bevor Draco noch etwas tun konnte, war der 13 Jährige aufgesprungen und fiel ihm um den Hals. Er schluchzte, als brach nun die Last der letzten Monate in gewaltigen Felsbrocken von seiner Seele. Sein gesamter Körper zitterte und zurückhaltend legte Draco seine Hände auf den schlanken Rücken. Klasse, er war so ein Weichei geworden! War doch klar, dass er den Kleinen nicht hier lassen konnte. Und was erzählte er nun Zuhause? ~Hey Harry, wir sind Quitt?~
 

oooOOOooo
 

Leise schloss er die Tür auf und betrat den Flur. Die Treppe führte von hier direkt nach oben in das erste Stockwerk, in dem sich auch das alte Kinderzimmer befand. Nach so vielen Jahren diente es wieder diesem Zweck, nur beherbergte es nun ein kleines Mädchen und keinen Jungen. Schweigend lauschte er, doch alles schien still. So schloss er die Haustür lautlos hinter sich, trat an die Garderobe heran, an dessen Harken sein Schal und der Mantel einen Platz fanden. Kurz ließ er seinen Blick über den edlen, schwarzen Stoff gleiten, der ihn vor der noch immer bestehenden Kälte draußen schützte. Hier in Godric's Hollow regnete es nicht und mit einem tiefen Einatmen wendete er sich dem Gang zu, hinüber zum Wohnzimmer. Er vermutete Harry dort, immerhin hing sein Schlüssel noch immer an dem lächerlichen Brett, welches der schwarzhaarige Auror von seinem besten Freund bekommen hatte. Es war ein schlichtes Stück mit vier silbernen Haken, über denen der einfältige Spruch hing: Wenn ich hier bin und du draußen, sollte die Tür offen stehen.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen betrat er das große Wohnzimmer, welches einen Durchbruch zur Küche besaß. Noch immer leise warf er einen Blick hinein, doch niemand war zu sehen. Ob Lily oben schlief und Harry im Arbeitszimmer war? Von hier aus konnte er das meiste der Küche einsehen, es reichte um die Vermutung zu hegen, dass der Auror sich dort nicht befand. Gerade wollte er sich umdrehen, denn draußen im Garten war ebenso niemand, die langen Vorhänge waren wie immer offen und gaben den Blick unbeschränkt durch die großen Glastüren hinaus frei, als ihn ein Geräusch inne halten ließ.
 

Was war das? Verwundert verengte er die Augen und lauschte in den Raum hinein. War das ein Brabbeln? Ja, oder? Es klang wie eine kleine Stimme, die leise vor sich hin schmatzte. Ein richtiges Brabbeln konnte man nicht sagen. Neugierig überbrückte er lautlos den Weg zum Sofa und lehnte sich leicht mit beiden Händen auf die große Lehne. Ok, er hatte sie beide gefunden!

Mit einem warmen Schmunzeln betrachtete er die zwei Schlafenden noch einen Moment, bevor er sich umdrehte und auf den Weg in die Küche machte. Harry lag auf der Seite der Lehne zugewandt und neben ihm auf dem zum Glück breiten Sofa schlief das kleine, süße Ding namens Lily Sophia Potter. Sie hatte mit ihren 6 Monaten rotbraune Haare, die sich als kurze, wilde Mähne über ihren Kopf zogen. Die Züge waren noch immer rundlich und sie sah Harry sehr ähnlich. Manchmal musste er an die Worte der Baba Jaga denken, die ihm immer gerne Dinge erzählt hatte, die er gar nicht wissen wollte. So sollten Kinder angeblich die ersten Wochen, ja, teils sogar Monate dem Vater sehr ähnlich sehen, damit er das Kind als das seine anerkennt. Vorsorge der Natur nannte sie es. Ob das wirklich stimmte, bezweifelte Draco etwas.

Kurz hielt er inne, überlegte, doch der Kerl schlief. Mit einem breiten Grinsen knöpfte er die Ärmel seines weißen Hemdes auf und krempelte diese vorsichtig hoch. Harry war so altmodisch und erledigte am liebsten alles selbst und mit eigenen Händen. Zumindest letzteres konnte Draco nicht ausschlagen, auch wenn es nicht das war, was der Auror meinte. Grinsend konzentrierte er sich und hob die rechte Hand. Die Tätowierung an seinem Arm begann zu leuchten und die Schranktür über der Spüle öffnete sich. Zwei Becher schwebten auf einen einfachen Wink des Blonden heraus und ein Topf erhob sich aus der Schublade unter dem Herd.
 

Er war um so vieles besser geworden, doch leider kam er viel zu selten dazu diese Fähigkeiten zu nutzen. Sie beide machten ein Geheimnis daraus, wer wusste schon, was das Ministerium dazu sagen würde. Ein Zauberer, der ohne Zauberstarb zaubern konnte… lieber nicht!

Auch die Situationen, in denen er voller Begeisterung dieses Können nutzen wollte, wurden regelmäßig von der einzigen Dame hier im Haus vernichtet, zerstört, ja, regelrecht zerschmettert! Es machte ihm einfach unbeschreiblich viel Spaß Harry seiner Kleider zu entledigen, ohne dass dieser etwas dagegen tun konnte. Wehleidig warf Draco einen Blick zu dem massiven Eichentisch, der hier in der Küche stand und nur mit einer Schüssel Äpfel bestückt war. Er bot so viel Platz… so viele Möglichkeiten… und Lily hatte sie alle ruiniert!

Ein Geheimnis teilte er sich jedoch mit der kleinen Maus, für das der Auror ihn garantiert umbringen würde. Lily liebte es, wenn sie Zentimeter für Zentimeter höher schwebte und quietschte stets vergnügt, wenn sie auf der gleichen Höhe mit dem Baldachin ihrer Wiege war. Schweben war für sie das ein und alles, eben so, wie gerade die Becher aus dem Schrank geflogen waren. Harry war nur etwas empfindsam, wenn es um das Wohl seiner Tochter ging und obgleich sie eine begnadete Gleiterin war, mit Dracos Hilfe versteht sich, stürbe er sicher an einem Herzinfarkt, wenn er das je erfahren würde. Seine Lily, schwebend über der Wiege? Ohne Zauber? Also, nicht ohne Zauber, nur eben nicht auf traditionelle Weise!
 

Es dauerte nicht lange und ein Tee verbreitete seinen lieblichen Duft im Raum, der jedoch von einer anderen, schwereren Note übertüncht wurde. Mit einem zweiten Becher, welcher mit heißer Schokolade gefüllt war, machte sich Draco auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Der große Raum hatte zum Garten hin eine Fensterfront, vor der sich eine Terrasse befand. Der Kamin befand sich an der Außenwand des Hauses und auf der linken Seite des Zimmers, wenn man aus dem Flur hinein trat. Auf der rechten ging es hinüber in die ebenso große Küche. Der Boden war mit einem hellen Teppich belegt und die Wände zierten Photos und Bücherregale. Für letztere war Draco verantwortlich. Über dem Kamin hing ein großes Bild, welches in der Küche im „One“ entstanden war. Es war eher ein Schnappschuss, der in der ersten Reihe Harry, Ron und Lily zeigte. Beide zuckten zusammen, denn die kleine Maus stimmte gerade ein gewaltiges Geschrei an, ihr Gesicht war jedoch nicht zu sehen, da sie an der Schulter ihres Vaters lag. Hermine beugte sich von hinten grinsend zu ihnen, sie hatte einen Kochlöffel in der Hand und ihre Haare waren nach oben gesteckt, damit sie eine Kochmütze tragen konnte. Ihre Schürze war grün rot kariert.

Blaise lachte, er stand im Hintergrund und versuchte gerade einen großen Teller mit Schokolade vor Neville zu verteidigen, sie balgten sich im hinteren Teil der Küche. Luna unterhielt sich mit der großen Ratte, die ein rosa Herz auf der Seite trug und mittlerweile in der Küche des One heimisch war. Das sonst weiße Tier, welches schon einige Berühmtheit erlangt hatte, saß auf einer der Arbeitsflächen, hatte sich auf die Hinterbeine gestellt und wackelte mit den Ohren. Lunas Schürzte war hellblau mit Rüschen bestückt.

Nur einer schien in dem ganzen Chaos unbeeindruckt zu sein. Draco saß im Hintergrund links im Bild auf einem Stuhl, hielt einen Becher Tee in der Hand und hatte die Augen geschlossen. Mit beinahe göttlicher Ruhe ignorierte er den Lärm um sich herum und genoss die köstliche Freude seines chinesischen Neujahrestees, den er erst vor kurzem ergattert hatte.
 

Das Bild war durch einen Freund von Blaise entstanden, der es auf nicht magische Weise entwickelt hatte. Er war der Meinung, dass dieser herrliche Augenblick für die Nachwelt festgehalten werden musste und auf keinen Fall „davon laufen durfte“!

Mit einem Lächeln warf Draco noch einen flüchtigen Blick danach, bevor er die beiden Becher auf den niedrigen Wohnzimmertisch stellte. Es war ein robuster, schlichter Holztisch, dem die Eleganz fehlte, so dachte zumindest der ehemalige Slytherin über ihn. Allerdings erfüllte er seinen Zweck, hatte schon den Kerzenbrant an Weihnachten und einige verschüttete Becher überlebt. Dabei trotzte er sowohl kalten Getränken, wie heißen bis kochenden Flüssigkeiten.

Außer den Bildern gab es keine Dekorationen, keine Tischdeckchen oder kleine Figürchen in den Regalen. Alles war schlicht „männlich“ eingerichtet worden und auch der Schrank neben der Küche und das lange Sideboard auf der anderen Seite waren ebenso robust wie der Tisch. Auf dem langen Schrank befanden sich eine Keksdose, eine Ablage für all den Kram, der dort nicht liegen sollte, von dem keiner wusste, wo er eigentlich hingehörte oder der darauf wartete, dass man sich dazu entschied ihn zu entsorgen oder zu verwenden. Und… sonst nichts weiter. Es war eben eine praktisch eingerichtete Männerwohnung.

Allein das Baby Bett am Fenster und die große Kiste mit Spielsachen war verwunderlich, doch bei einem kleinen Kind zu erwarten. Mit ihren 6 Monaten saß Lily schon alleine und versuchte immer wieder zu krabbeln, doch noch ließ sie sich dabei stets über ihr eines Bein fallen und kam dann nicht weiter. Sie saß darauf und wusste nicht, wie sie es unter sich hervor ziehen sollte. Was sie jedoch haben wollte, machte sie deutlich. In ihren kleinen Fingern war viel Kraft und wenn sie etwas in ihrem Griff hatte, gab sie es erst wieder her, wenn sie keine Lust mehr hatte.
 

Der ehemalige Slytherin hatte vergessen, warum er Harry wecken wollte, der Anblick der beiden war einfach zu herrlich, zu herzerwärmend. Der Kräuterkundige war in die Knie gegangen, beugte sich über seinen Freund und sanft platzierte er einen Kuss auf dem Ohr des Schwarzhaarigen. Ein Brummen war die Antwort und Harry zog die Nase kraus. „Hier wartet eine heiße Schokolade auf dich!“ Flüsterte er nun, das friedliche Gesicht beobachtend. Wieder regte sich der Auror, verzog die Muskeln so, dass Stirn und Nase krause Falten besaßen. „Was?“ Murmelte er noch immer müde und frech küsste Draco seine Wange.

„Heiße Schokolade! Nur für dich!“ Flüsterte er nun mit diesem anrüchig verheißenden Ton und ein Lächeln schlich sich auf die vollen Lippen des Aurors. „Mhmmm…“ Gab er nun von sich und schlug die Augen auf. Dabei drehte er sich leicht nach hinten, wollte sich Draco zuwenden und erst zu spät bemerkte er die Kante, auf der er lag.

Mit einem unterdrückten Schrei rutschte sein Hintern vom Sofa herunter, die Füße folgten, der Oberkörper nicht, denn dieser stieß gegen Draco, der vor dem Möbelstück kniete. „Huch, ich wusste doch, dass du auf mich fliegst!“ Lachte der Blonde und schlang die Arme sanft um seinen Freund, der ihn entsetzt und verlegen anblickte. Eine leichte Röte schlich sich auf seine sonnengebräunten Wangen und vorsichtig versuchte er sein Gewicht so zu verlagern, dass er aufstehen konnte.
 

Da Lily noch immer schlief, schlichen die beiden in die Küche. Eine unüberwindbare Barriere aus Kissen verhinderte, dass die Kleine sich selbstständig machen konnte. Harrys Haare standen nun noch wilder ab, er trug ein schwarzes Longsleeve, an dessen linker Schulter helle Flecken zu sehen waren. Draco ahnte schon, dass Lily ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgegangen war: Papa an sabbern!

„Meine Güte, ist wirklich schon wieder Montag?“ Brummte der Auror, der gewisse zeitliche Schwierigkeiten hatte. Es war anstrengend vormittags Auror zu sein und nachmittags Vater. Davon abgesehen, dass man nie so richtig sagen konnte, dass man um 17 Uhr Feierabend hatte. Müde rieb sich der Schwarzhaarige den Nacken mit der freien Hand, in der linken hielt er den Becher. „Wie spät ist es eigentlich?“ Fragte er, nachdem er sich auf einen der Stühle gesetzt hatte, die Augen kurz geschlossen. „Fast 18 Uhr.“ Antwortete ihm Draco, der sich schlagartig daran erinnerte, warum er seinen Lebensgefährten geweckt hatte.

„Wir müssen reden!“ Begann er leise und die grünen Augen wanderten sofort zu ihm hinüber. Der blonde Zauberer saß seinem Freund gegenüber am Tisch. „Was hast du angestellt?“ War die erste Reaktion und mit einem misstrauischen Blick musterte er den Becher Schokolade. „Hätt ich mir ja denken können, mit sanften Küssen und heißer Schokolade geweckt zu werden war einfach zu traumhaft!“ Brummte er und die grauen Augen blickten ihn verzeihend an.

„Ich habe nichts getan, was du nicht auch tun würdest. Wir sind… ähm… sozusagen Quitt?“ Versuchte er es und Harry stellte den Becher auf den Tisch um die Arme vor der Brust zu verschränken. Er lehnte sich zurück und leckte sich noch einmal über die Lippen. „Das hießt?“

Unsicher wanderte der Blick der grauen Augen in den Teebecher und noch einmal musste er ein und aus atmen. „Na ja, das ist nicht so einfach zu erklären. Ähm… sagen wir mal so, ich gebe dieser verfluchten Schlampe wieder einen Grund mein privates Leben durch den Tagespropheten zu jagen.“
 

Erstaunt weiteten sich die grünen Augen und Harry räusperte sich. „Ok, fangen wir anders an, wo warst du heute?“
 

„In einem Waisenhaus drüben in Wytham. Das ist in der Nähe von Oxford, ein sehr kleines Dorf.“
 

„Und du warst da, weil?“
 

„Jemand aus der Familie Malfoy obdachlos geworden ist?“
 

„Da gibt es doch nur noch deine Eltern!“
 

„Nein, nicht ganz. Der Bruder meines Urururgroßvaters ist nach Kanada ausgewandert und daher gibt es in Kanada einen blühenden und gedeihenden Zweig der Familie Malfoy.“
 

„Ich entsinne mich, du erzähltest mal von einer Art Onkel, der dir die Schauermärchen über die Baba Jaga erzählte.“
 

„Ja, und der hat einen Enkel… oder jetzt offiziell nicht mehr.“
 

„Das heißt?“
 

Draco räusperte sich und nahm noch einen Schluck Tee. „Du kennst meinen Vater?“
 

„Ja!“
 

„Sein Vater ist genauso!“
 

„Und?“
 

„Darum ist sein Sohn weggelaufen. Er war nicht malfoyisch genug für die Familie. Jetzt leugnet der Vater, das er einen Sohn hat.“
 

„Was?“ Harry konnte nicht glauben, was er da hörte. Er wäre beinahe aufgesprungen und starrte nun seinen Freund mit großen Augen an.
 

„Der Junge ist in England vom Ministerium gefunden worden und die Behörden haben sich an die Familie gewandt, die wiederum antwortete, dass sie doch beweisen sollen, dass es ihr Sohn ist!“
 

Sprachlos starrte Harry ihn weiterhin an.
 

„Na ja, die kanadischen Behörden werden den Teufel tun und es sich mit den Malfoys dort verderben. Trotzt deiner partiell auftretenden Begriffsstutzigkeit kannst du dir ja denken, wie das ausgeht.“
 

Schweigend nickte der Angesprochene und wirkte noch immer bestürzt.
 

„Über meine Eltern müssen wir ja nicht sprechen oder?“ Kurz wartete Draco noch eine Reaktion ab und sprach dann weiter. „Also habe ich getan, was du auch getan hättest!“
 

Mit einem Seufzen griff Harry nach dem Becher und nahm einen kräftigen Schluck. „Du hast natürlich entschieden, dass du ohne mit mir darüber zu sprechen keine Entscheidung treffen kannst und du ruhig und bedacht diese Situation angehen willst.“
 

„Auf jeden Fall!“
 

„Und dann hast du ihm gegenüber gestanden und deinen tollen Plan über Bord geworfen, weil du dich von seinem Anblick hast erweichen lassen?“
 

„Ohne Zweifel richtig!“
 

„Und jetzt bist du sein Vormund? Sein… was auch immer?“
 

„Vormund! Es müssen allerdings noch ein paar Unterlagen unterzeichnet werden. Etwas dauert es noch.“
 

Mit einem weiteren Seufzen blickte Harry seinen Freund lange an. Er sagte nichts, nahm dann einen Schluck Schokolade, die langsam kühler wurde, und schüttelte den Kopf. „Also hast du genau das gemacht, was ich machen würde.“
 

„Ja, ich weiß. Aber du darfst das! Ich bin ein Malfoy! Ein ehemaliger Slytherin! Wobei ehemalig es am besten trifft, jetzt lasse ich mich von der Tatsache manipulieren und erweichen, dass er sonst niemanden auf der Welt hat.“ Der Auror lachte, als er Draco so niedergeschlagen sah und schüttelte den Kopf ein weiteres Mal.

„Ach was, du hast Gefühle, Draco Malfoy! Mitgefühl nennt man so etwas! Du Kräuterkundiger!“
 

„Ah, sag doch so etwas nicht! Das ist ja… eklig! Also ist das doch ansteckend!“
 

Nein, sie hatten es noch immer nicht geschafft. Über ernste Themen konnten sie einfach nicht ernst sprechen, auch wenn sie sich wirklich Mühe gaben. „Du Heiler, du!“ Warf Harry nun über den Tisch und der Blonde zog die geballten Hände vor die Brust und schien zu zittern. „BAH!“ Kommentierte er mit gespieltem Ekel.
 

Doch wieder trat eine Weile des Schweigens ein und als der Becher des Auroren leer war, stellte er ihn geräuschvoll auf den Tisch. „Ok, ich bin damit einverstanden, aber nur unter einer Bedingung.“ Seine Stimme hatte einen unerwartet festen Klang, so ruhig und gefasst, so ernst. Verwundert blickte ihn der ehemalige Slytherin an und wartete voller Anspannung auf die folgenden Worte.

„Erinnerst du dich noch an unser Gespräch bezüglich der Hintertür, die du dir offen gelassen hast?“ Ein schweigendes Nicken und dann sagte Harry direkt. „Du lässt sie immer noch offen!“

Erstaunt starrte ihn Draco an, offensichtlich verstand er nicht ganz, was sein Freund von ihm wollte. „Irgendwo in einem russischen, verwunschenen Wald ist keine anzumeldende Andresse! Die Cervine-Street 4 in Godric's Hollow hingegen schon!“
 

Nun konnte Draco den Groschen hören, der eben bei ihm fiel. Er verzog das Gesicht und verspürte dieses Gefühl der Schuld in sich aufstoßen, wie diese bittere Gallflüssigkeit. „Also erpresst du mich?“ Fragte er zögerlich nach, nicht direkt sicher, wie er damit umgehen sollte.

„Lass mich nachdenken! Du schläfst hier, du isst hier, du arbeitest hier, du hast beinahe all deine Klamotten hier, deine halbe Bibliothek und alle gehen davon aus, dass das hier deine offizielle Wohnanschrift ist. Deine Post kommt hier her!“ Harry hatte die Arme wieder verschränkt und beobachtete, wie sein Gesprächspartner die Augen verdrehte. „Selbst ohne die Eulen, dass kannst du als „hier wohnen“ bezeichnen und das tust du seit dem 29. Oktober 2008, wir haben jetzt den 30 März 2009!“
 

Sein Erstaunen wurde größer als die Verstimmung. „Lily ist am Samstag den 18.10.2008 geboren worden und du hast am darauffolgend zweiten Mittwoch die allerletzte Kiste ausgepackt!“ Draco öffnete seinen Mund, doch auf diese Aussage fiel ihm einfach nichts ein. Lautlos schloss er seine Lippen wieder und seufzte dann. „Ok, du hast Recht! Ja, ok, ich ädere es!“

Kaum hatte er das ausgesprochen, stand Harry auch schon auf. „Na, dann jetzt aber zu! Beweg dich!“ Er schob den Stuhl wieder an den Tisch und griff nach beiden Bechern, wobei er sich leicht über den Tisch beugen musste. Er zog den zweiten einfach aus den Händen des ehemaligen Slytherin. „Was?“ Völlig irritiert starrte er seinen Freund an, unfähig seinen Rest an Tee zu verteidigen, der kurz darauf im Abguss landete. Draco beobachtete ein noch viel verstörenderes Verhalten seines Angebeteten, er stellte die Becher ungewaschen in die Spüle und drehte sich um. Was bitte war so wichtig, dass Harry, der sonst immer jeden kleinen Scheiß abwaschen musste, die benutzten Becher einfach zurück ließ?

Dieser blieb in der Küchentür stehen. „Das Rathaus hat heute bis 19 Uhr geöffnet und du wirst das noch heute erledigen!“ Für einen Moment war er überwältigt, überwältigt von einer unerwarteten Freude, dass diese kleine Geste Harry wirklich so viel bedeutete, überwältigt aber auch von einer Sorge, dann war es wirklich offiziell!

Na ja, was machte es schon für einen Unterschied oder? Alle glaubten, dass er hier wohnte, er wohnte hier, eigentlich war es nur ein kleiner Vermerk in einer Akte hier in Godric's Hollow, sonst würde sich ja nichts ändern! Mit einem Lächeln erhob sich nun auch endlich Draco und als er aus der Küche trat, hatte Harry seine kleine Tochter schon im Arm. Langsam wurde Lily wach und zufrieden fragte der ehemalige Slytherin. „Ihr kommt also mit?“
 

„Ja, natürlich! Nicht, dass du nachher nur behauptest, dass du es getan hast!“ Warf ihm Harry vor und sah ihn mit einem Funkeln in den Augen an. „Das würde ich niemals tun!“ Entgegnete der Blonde vehement und musste schmunzeln, als der Auror auf so grobschlächtige Weise beide Augenbrauen zu einem zweifelnden Ausdruck in die Höhe zog. „Klar, du hast mich wegen meines Weihnachtsgeschenkes eiskalt angelogen! Ich habe dich zwei Mal danach gefragt und du hast nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als du es leugnetest!“ Protestierte Harry nun und Lily hob ruckartig ihren Kopf, um zu ihrem Vater aufzusehen. Sie war ein rundes, glückliches Baby, dem es weder an Liebe noch an Essen fehlte.

„Ich kann nichts dafür, dass du so leicht zu beschwindeln bist! Es war dein Weihnachtsgeschenk. Ich musste bei meinem unglaublich überrascht tun, obwohl ich es schon Wochen vorher wusste!“ Verteidigte sich nun der Kräuterkundige und erntete dafür einen vielsagenden, vorwurfsvollen Blick. „Ich bin übrigens fertig, ich muss nur noch meinen Mantel anziehen!“ Setzte Draco nun noch drauf und begann seine Hemdsärmel wieder nach unten auszufalten.

Kaum hatte er mit dieser Arbeit begonnen, als er auch schon die Rache für seine frechen Worte bekam. „Dann kannst du sie ja fertig machen!“ Damit hatte er nur einen Moment später dieses niedliche, süße Wesen auf dem Arm, das ihn aus ihren tiefgrünen Augen anstrahlte und ihren Mund zu einem Lachen verzog, welches leicht glucksend ertönte. „Lily, du wirst ein kleiner Pummelengel! Du wirst immer schwerer. Dein Papa sollte dich nicht so lieb haben!“ Neckte er die Kleine, die daraufhin noch breiter lachte.
 

Als Draco die Tür hinter sich schloss, erfüllte ihn ein seltsames Gefühl der inneren Ruhe. Sie vertrauten einander mittlerweile sehr und wenn sie doch nicht ernst miteinander sprachen, dann doch sehr offen. Harry hatte den großen „Korb“ abgestellt, in dem Lily gut eingepackt vor sich hin brabbelte, und wickelte nun den Schal enger um seinen Hals. Schnell rieb der Auror noch die Hände gegeneinander und zog dann die Handschuhe heraus. „Warum ist es auf dieser verdammten Insel Ende März noch so kalt?“ Brummte er leise und griff dann wieder nach dem modernen Babytragekorb, den Hermine ausgesucht hatte.

„Wie geht es deinem Findelkind denn? Und vor allem, wie heißt er? Sie?“ Wendete sich der Auror nun wieder an seinen Freund, ohne eine Antwort auf seine vorherige Aussage zu erwarten. Dieser steckte gerade den Schlüssel in die Manteltasche und hob die rechte Augenbraue auf seine typische Art. „Kommt das nicht etwas spät?“ Entgegnete der Blonde leicht spöttisch und trat von der schlicht gehaltenen Haustür fort, Harry stand schon an der kleinen Gartenpforte. „Was denn? In 25 Minuten schließt das Rathaus. Außerdem hätte ich dich eh nicht umstimmen können. Also vertraue ich dir, dass er anständig ist und ich mir keine Sorgen machen muss. Davon abgesehen hätte ich mehr Angst vor dir als vor mir, wenn Lily etwas passieren würde. Während ich nur schnell und effektiv umbringe, würdest du grausam, langsam und sehr qualvoll zu Tode foltern.“

Mit einem Schmunzeln und einem leicht ertappten Ausdruck in den Zügen antwortete Draco. „Keine Sorge, der würde nicht sterben... nicht in den nächsten Jahren!“ Der Blick, den er nun bekam, sagte mehr als tausend Worte. „Es ist ein Junge, 13 Jahre und unerwartet der Tradition meiner Muttet folgend mit dem Namen Scorpius Malfoy versehen. Um deine Frage nach seinem Wohlbefinden zu beantworten, es geht im sehr bescheiden. Er ist aufgewühlt, verunsichert und hat meiner Meinung nach sehr viel Angst. Allerdings verbirgt er alles so gut wie möglich hinter einer Fassade aus distanzierter Kälte, um so zu tun als würde ihn das alles in keinster Weise berühren.“
 

Langsam gingen die beiden die Straße Richtung Dorfplatz entlang, in Godric's Hollow war das Rathaus ganz in der Nähe der Kirche und da es ein sehr kleines Dorf war, fand sich wirklich alles in diesem Gebäude wieder. Jeder Antrag, ob es nun eine Heirat, eine Scheidung, eine Baugenehmigung oder Vergleichbares war, jede Geburtsurkunde und jeder Totenschein wurde hier ausgestellt. Selbst der winzige Gerichtssaal war dort unter gebracht und der Bürgermeister war der Richter. Genutzt wurde der Raum so gut wie nie, meistens endeten Auseinandersetzungen damit, dass der Bürgermeister genervt und wütend vor Ort auftauchte, ihm der Kragen platze und er voller Wut schimpfte, dass endlich Ruhe einkehren sollte. Der Richter und Bürgermeister war ein großgewachsener, schottisch stämmiger Mann, der mit leicht rötlichen Haaren und Vollbart beängstigend wirkte.

„Das kommt mir sehr bekannt vor, ich kenne da noch so einen Malfoy, der das richtig gut gemacht hat.“ Neckte ihn nun Harry und verwundert blickten die grauen Augen ihn an. Als keine Erkenntnis folgte, fügte der schwarzhaarige Auror noch hinzu. „Du hast bei unserer ersten Begegnung in Russland auch all deine Gefühle hinter einer Fassade versteckt und hast tunlichst dafür gesorgt, dass ich nichts von all dem mitbekomme. Dabei wärest du beinahe drauf gegangen, nur damit ich es nicht weiß! Nichts von deiner Angst, deinen Sorgen, deiner Liebe…“

Er wollte noch etwas sagen, doch da spürte er die Finger, die leicht nach seinen griffen und sanft verschränkte er sie mit denen von Draco. Ein verlegener Schimmer lag auf den noch immer blassen Wangen des 28 Jährigen. „So sind wir eben…“ Murmelte er peinlich berührt und blickte starr den Weg an den Gartenzäunen entlang, während der Himmel sich verdunkelte.
 

„Ich weiß und trotzdem liebe ich dich!“ Erstaunt blieb Draco stehen, als er den Ruck an seinem Arm spürte. Reflexartig blickte er zu Harry, der dafür verantwortlich sein musste und da legten sich die vollen Lippen schon auf die seinen. Der Auror küsste ihn so sanft, so liebevoll, dass sein Herz wild zu pochen begann. Blut schoss in die schon leicht geröteten Wangen und voller Zärtlichkeit legte sich die freie behandschuhte Hand Dracos in den Nacken des Mannes, den er über alles liebte. Er würde nie wieder davon laufen, ganz gleich, was auch immer kam. Ganz gleich, was diese Reporterin auch immer in den kommenden Tagen schreiben würde, er ertrüge es mit stoischer, malfoyscher Gelassenheit und wenn er das nächste Mal ein mordlüsterndes Verlangen spürte, würde er einfach noch einen dieser Küsse rauben. Sie ließen ihn alles vergessen, ihn spüren, dass nichts auf dieser Welt noch zwischen sie treten konnte und mit klopfendem Herzen hörte er das leise Brabbeln von Lily Sophia Potter. Sie war der Grund für all das hier! Sie war der Grund für dieses unbeschreibliche Gefühl, dieses Leben, dieses unendliche Glück. Wie sollte er sie jemals hassen können, wenn sie es doch war, die alle grauenhaften Abgründe mit ihrem zuckersüßen Lachen schloss, wenn sie es doch war, die alle Unterschiede mit ihrem fordernden Schreien auflöste und sie zum Brücken bauen zwang? Wie sollte er sie hassen, wenn sie es doch war, die ihnen beiden zeigte, wie man ohne Vorurteile liebte?

Als sich ihr Kuss wieder löste, konnte Draco den Blick nicht von diesen wunderschönen, tiefgrünen Augen lösen. Wann war er ihm so sehr verfallen? Wann hatte er diesen widerspenstigen Gryffindor so sehr zu lieben begonnen? Trotz all der Jahre, die zwischen ihnen lagen, trotz all der Fehler, die sie begangen hatten, so sehr liebte er ihn! Zu wissen, dass dieser Mann ebenso für ihn empfand, war nicht zu beschreiben. Es gab keine Worte auf dieser Welt, die seine Gefühle ausdrücken konnten.

„Es ist gelogen. Es stimmt nicht.“ Meinte er leise und beugte sich vor, dass die schmalen Lippen dicht an Harrys Ohr wanderten. „Ich habe diese Tür in dem Moment geschlossen, in dem ich die erste Kiste öffnete. Für mich ist es nur gleich… du bist mein Zuhause, du bist meine Heimat. Du bist mein Herz und meine Seele. Wo auch immer du bist, da wird meine Liebe sein!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Dieses ist ein verspätetes Weihnachtsgeschenk für euch!

Ich war noch am überlegen, ob ich es erst am Sonntag hochlade, da es auch jetzt erst fertig geworden ist, aber ich entschied mich dagegen.

Ja, es ist Scorpius, den ich noch unbedingt in der Geschichte haben wollte und ich hoffe, dass es für euch in Ordnung geht. ´Sein Auftritt war ja nun nicht so bewegend und doch habe ich die ganze Zeit dieses Bild vor Augen, wie dieser 13 Jährige all diese Angst in sich hineinfrisst.
Er hat nämlich eine sehr weiche und sanfte Seite, keine Schwierigkeiten mit Muggelstämmigen und er würde am liebsten Lehrer werden. Das ist keine gute Voraussetzung für einen Malfoy und daher nahm er reis aus.

Ich hoffe, dass auch dieses Ende gefallen hat, denn nun kommt nur noch das Finale. Wir haben wirklich alles hinter uns gebracht und nun kommt das Happy End!
Ich kann es noch gar nicht fassen, wir sind wirklich kurz vor dem Ende!
Noch zwei Kapitel und es ist um!

Konzentrieren wir uns auf das Schöne! Kommentare wurden alle heiß und glücklich von mir gelesen (mehrfach) und werden morgen Abend beantwortet.
Und es gibt das Happy End!!!! XD

Liebe Grüße
Eure aufgeregte Traumfänger Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  yamo-chan
2017-01-11T20:21:17+00:00 11.01.2017 21:21
Hallo,
ich hinterlasse dir jetzt auch mal ein Kommentar:
Das ist eine äußerst lesenswerte Geschichte!
In verschiedenen Kapiteln hast du sehr unterschiedliche Stimmungen erzeugt, und natürlich mitreißende Emotionen!
Ich habe gelacht und geweint, war wütend und verzaubert.

Ich bedanke mich für die bisherigen Kapitel und freue mich schon auf das nächste.

Liebe Grüße
Nina
Antwort von:  Traumfaengero_-
13.01.2017 11:03
Liebe Nina,

herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar!

Es freut mich sehr, dass du so mit den Figuren mit gefiebert, mitgelitten und dich mit ihnen gefreut hast. Manchmal bin ich erstaunt, was aus dieser Geschichte geworden ist, wenn ich in eines der vorigen Kapitel hinein lese. Es ist immer wieder faszinierend, was unsere Liebenden alles für Leid ertragen mussten, um dann doch wieder voller Hoffnung ihr Glück zu genießen.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Ende auch einen guten Schluss für diese Geschichte erreiche und du auch dann noch so verzauberst von ihr bist.

Mit ganz lieben Grüßen
Traumfänger
Von:  little_butterfly
2016-12-29T20:40:22+00:00 29.12.2016 21:40
Ahhh draco kann so romantisch sein! Das Ende des Kapitels war ja wohl mal ne Liebeserklärung vom feinsten! <3

Und NATÜRLICH konnte er den armen scorpius nicht zurück lassen! Und Harry hätte mit Sicherheit nicht anders reagiert... Ich finde es schön, dass scorpius auftaucht! Ich mag ihn sehr gerne... Die kleine Zimtrolle... x3
Antwort von:  Traumfaengero_-
01.01.2017 17:14
Liebe Butterfly,

ja! Ich fand schon immer, dass Draco der romantischere von beiden ist und das musste ich ja wohl auch mal umsetzen. Ich finde dieses Bild immer noch unglaublich schön, wie die beiden da stehen, sich tief in die Augen sehen und dann beginnt Draco seine Stimme zu einem sanften Flüstern zu senken, beugt sich vor… *träum*

Oh nein, Harry wäre noch weicher gewesen. Der hätte ihn gleich mitgenommen und ihn nicht erst noch geärgert. Das war es auch, was Harry mit seinem einen Satz meinte.
Harry: „Und dann hast du ihm gegenüber gestanden und deinen tollen Plan über Bord geworfen, weil du dich von seinem Anblick hast erweichen lassen?“

Draco: „Ohne Zweifel richtig!“

Ich mag ihn auch unglaublich gerne… zumindest die Vorstellung, die ich von ihm habe. Ich kenne ihn ja nur aus den Steckbriefen auf den Harry Potter Wikis, daher kann er doch anders sein, als die Vorstellung, die du von ihm hast. Aber Zimtrolle passt sehr schön für das Scorpius!

Dann wünsche ich dir ein noch einen guten Start ins neue Jahr!

Deine Traumfänger


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