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Gegen die Schwerkraft

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die beschriebene Szene hier, kam mir schon vor langer Zeit, als ich Musik hörte.
Am liebsten höre ich das OST von Death Parade – Memento Mori
https://www.youtube.com/watch?v=cVwuJbmxgnQ
und Moonlit Night.
https://www.youtube.com/watch?v=ewBOcdz29Sw Komplett anzeigen

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„Unsere Mitschülerin Huyana Doli ist wieder bei uns. Bitte seid nett zu ihr“, erklärte meine Lehrerin, während ich neben ihr stand und stur zum Boden sah.

Ich hasste meinen Vater. Warum zwang er mich dazu? Warum konnte er nicht einfach mit der Arbeit aufhören und für mich da sein? Außer ihm hatte ich niemanden mehr und doch lässt er mich in Stich.

Warum war das Leben bloß so ungerecht? Warum musste mir das alles passieren?

„Ja, Mrs. Edison“, antwortete die Klasse im Einklang und riss mich dabei aus meinen Gedanken.

„Dürfen wir auch Fragen stellen?“, fragte einer meiner Mitschüler. Ich zuckte mit meiner linken Schulter. Es war mir egal. Alles war mir egal. Ich wollte nur noch nach Hause. Mich in mein Bett verkriechen und weinen.

Meine Lehrerin seufzte. „Aber nur ein paar“, antwortete sie schließlich.
 

„Tun dir deine Verletzungen arg weh?“, fragte ein Mädchen. Ich sah nicht auf, um zu sehen, wer es war. Es spielte keine Rolle.

Ich nickte nur. Die Schmerzen waren unbeschreiblich. Im Krankenhaus war mir ständig heiß gewesen, als würde ich noch immer im brennenden Haus liegen. Doch der Schmerz verging, wenn ich mir eine spezielle Salbe draufschmierte. Was blieb, war der Schmerz in meiner Brust. Vater hatte mir erklärt, dass es dafür keine Medizin gab. Die Ärzte waren dumm, wenn es dagegen nichts gab. Denn ich fand die Schmerzen unerträglich. Ich konnte oft nicht mehr atmen und wollte nur noch weinen.
 

„Hast du jetzt Angst vor Feuer?“, fragte diesmal ein Junge.

Ich sah zu ihm auf. Er hieß Jared und ich mochte ihn nicht. Jungs waren blöd und er war der Blödeste. Ständig war er laut und wusste immer alles besser. Ich nickte ihm nur zu. Meine Angst gegenüber dem Feuer war zwar nicht mit der Angst vor Menschen zu vergleichen, aber sie war da. Ich konnte mich an den Unfall nicht mehr erinnern, wusste aber, dass mir das Herz gebrochen wurde. Ich konnte mich nur noch an den stechenden Schmerz erinnern und wie traurig ich war. Doch den Grund dafür wusste ich nicht mehr. Nur dass ich Menschen nicht mehr trauen durfte.
 

„Musst du diese Maske ständig tragen?“, erneut meldete sich ein Mädchen zu Wort. Ich nickte. Der Arzt sagte mir, dass meine Verbrennungen am Kopf nicht so gravierend waren, wie die an meinem Arm. Dennoch wollte er sichergehen und meinte, dass ich diese Maske mindestens ein halbes Jahr lang tragen sollte, um dicke, hässliche Narben zu verhindern. Und ich würde sie tragen, denn er hatte mir versprochen, dass mein Gesicht danach wieder hübsch wäre. Ich hoffte es zumindest. Denn mein Vater weinte fast jeden Tag, wenn er dachte, ich würde es nicht merken und sein Blick, wenn er mich ansah, war auch nicht mehr warm und herzlich, wie früher. Er konnte mich kaum noch ansehen. Ich mich auch nicht. Ich war zu einem rothäutigen Monster geworden, der kahle Stellen am Kopf hatte. Erneut machte sich dieser komische Druck in meiner Brust breit. Es fühlte sich an wie ein Loch. Ein dunkles Loch, in das ich zu fallen drohte.
 

„So das reicht jetzt. Wir müssen weiter mit dem Unterricht machen. Huyana setzt dich bitte auf deinen Platz“, sie drückte mir leicht meine linke Schulter.

Ich nickte ihr zu. Als ich meinen Blick zur Klasse wandte und zu meinem Sitzplatz sah, trafen sich meine Augen mit denen meines Sitznachbars. Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

Ich mochte ihn sehr. Anders als die blöden Jungs in meiner Klasse war er unheimlich nett. Wir kannten uns nämlich schon, seit wir kleine Kinder waren. Seine Mutter und meine kamen aus demselben Ort und waren Freundinnen gewesen.

„Hi Embry“, grüßte ich ihn, als ich mich zu ihm setzte.

Er sah mich kurz an und wendete wieder seinen Blick nach vorne. „Hi“, murmelte er leise.

Irgendwie tat mir diese Reaktion weh. Ich wusste, dass ich abschreckend wirkte, doch ich hätte gedacht, dass Embry trotzdem lieb sein würde. Er war immer nett und fröhlich.

Wahrscheinlich ändert sich jeder, sobald er mich sah. So wie mein Vater.
 

Tränen stiegen mir in die Augen, doch ich blinzelte sie weg. Wenn ich jetzt weinte, dann würde mich jeder auslachen.
 

Irgendwann läutete es zur Pause und alle rannten in den Pausenhof.

Meine Freundinnen waren einfach so gegangen, ohne auf mich zu warten. Auch die anderen Mitschüler waren weg. Selbst Embry hatte mich ohne ein Wort hier sitzen gelassen. Sie alle hatten mich in der Zeit, wo ich im Krankenhaus war, vergessen. Noch mehr Menschen, die mich in Stich ließen.

Ich wollte nicht rausgehen, aber es war Pflicht, dass sich alle im Pausenhof oder im Pausenraum während der Pause aufhielten. Nervös versuchte ich, den Reisverschluss meiner Jacke zu zubekommen. Aber ich schaffte es nicht mehr alleine. Meine rechte Hand tat weh und ich konnte meine Finger nicht ganz zusammentun. Frustriert ließ ich es bleiben.

Nichts würde jemals wieder so sein, wie vorher.

Als ich den Flur entlang schlich, konnte ich die Kinder draußen spielen hören. Ich wollte wirklich nicht zu ihnen. Was wenn mich alle auslachten?

Vater hatte mir gesagt, dass niemand so etwas machen würde. Dass ich meinen Mitmenschen vertrauen musste. Vielleicht hatte er Recht. Immerhin wissen Erwachsene doch alles.
 

Seufzend ging ich hinaus in den Hof und stellte erleichtert fest, dass mich niemand beachtete. Ich entdeckte meine Freundinnen Emma und Julie unter einem Baum sitzend. Sie hatten nicht auf mich gewartet, sollte ich dann zu ihnen gehen? Was wenn sie sich für mich schämten und nicht mehr meine Freunde sein wollten? Ich schüttelte energisch meinen Kopf. Emma und ich waren Freundinnen schon seit dem Kindergarten gewesen. Sie würde mich nicht alleine lassen. Zögernd ging ich auf sie zu.
 

Plötzlich standen etwas größere Jungs vor mir. Ich kannte sie nicht und ihr Grinsen machte mir Angst.

„Was bist du denn für eine?“, lachte einer von ihnen.

Panisch sah ich mich nach Hilfe um. Mein Blick traf den von Embry, welcher bei seinen Freunden stand. Er schien ihnen etwas zu sagen, denn alle drehten sich um und sahen zu mir.
 

„Sag mal, was soll denn die Maske? Was verbirgst du denn, du Vogelscheuche?“, grinste ein anderer.

Ich biss mir auf die Lippen und versuchte meine Tränen zu unterdrücken. Ich war keine Vogelscheuche. Ich konnte doch auch nichts dagegen machen. Die Maske war wichtig, denn ich wollte eines Tages so hübsch werden, wie meine Mutter.
 

„Dann eben nicht. Wenn du es uns nicht verrätst, dann sehen wir selbst nach!“

Ich verstand nicht, warum sie das taten. Warum sie mich nicht einfach ignorierten. Einer von ihnen schubste mich, sodass ich stolpernd auf den Boden fiel. Reflexartig versuchte ich, den Fall mit meinen Händen abzudämpfen. Ein gewaltiger Schmerz durchzuckte mich, wie ein Stromschlag, als sich mein ganzes Gewicht auf die Hände verlagerte. Ich konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken und wimmerte leise. Meine rechte Hand pochte vor Schmerz, als würde sie jeden Moment explodieren.

„Hei! Hört auf damit“, Jared rannte zu uns, dicht gefolgt von meinen anderen Mitschülern.

„Lasst sie in Ruhe“, hörte ich Embry schreien. Ich lächelte. Ich war so unendlich froh, dass mir jemand zur Hilfe eilte, gegen Viertklässler konnte ich mich nicht wehren. Vater hatte Recht, es gab Menschen, die einem Nichts Böses wollten und in der Not helfen würden.
 

Es war meine Unachtsamkeit, die mir zum Verhängnis wurde. Ich hätte meine Angreifer nicht aus den Augen lassen sollen. Denn im nächsten Moment wurde ich an meiner Maske gepackt. Am Boden wälzend versuchte ich mich gegen sie zu wehren und in fing an, panisch zu schreien. Sie konnten alles mit mir machen, nur nicht mein Gesicht entblößen. Aber ich war zu schwach. Meine rechte Seite fing an mir höllisch wehzutun und ich konnte mich nicht mehr gegen sie wehren.

Im nächsten Moment fühlte ich die kühle Luft an meinem Gesicht. Ich schloss meine Augen und wimmerte.
 

Es waren die entsetzten Schreie meiner Mitschüler, die als Erstes zu mir durchdrangen. Mit zittrigen Händen fuhr ich mir über meinen Kopf und ertastete meine kahle Kopfhaut. Ich versuchte so gut ich konnte, sie vor den Augen anderer zu verbergen. Tränen schossen mir ins Gesicht und ich fing an zu weinen. Schluchzend saß ich da und hörte all ihre Worte.

Hörte, wie sie angewidert schrien, dass ich ein verkrüppeltes Ohr habe. Dass ich hässlich war. Dass sie kotzen müssten.

Ich schielte kurz zu meinen Mitschülern, die mich ebenso angewidert und entsetzt anstarrten. Doch als Einziges fiel mir Embry auf. Wie gebannt starrte ich auf seinen Mund und sah, wie er etwas sagte. Das Einzige was ich von seinen Lippen lesen konnte, war das Wort Monster.
 

Ja ich war ein Monster und nein, Vater hatte Unrecht. Es gab keine guten Menschen auf dieser Welt. Nicht einmal Embry, der sonst immer zu allen nett war.


 

Müde bettete ich meinen Kopf auf meine Unterarme am Fensterbrett und sah aus dem Fenster. Es war ein wunderschöner, warmer Frühlingstag gewesen und die Vögel zwitscherten fröhlich zum Abschied. Selbst die Sonne hatte sich durch die undurchdringlichen Wolken von Forks durchgekämpft und färbte den Himmel orangerot, während sie sich langsam hinter den Horizont senkte.
 

Von diesem Tag an war ich nicht mehr in die Schule gegangen. Ich hatte mich geweigert, aus dem Haus zu gehen. Und es wurde schlimmer. Jede Nacht hatte ich meinen Vater weinen gehört. Er hatte um Vergebung gefleht. Er hatte wegen mir gelitten. Wahrscheinlich litt er immer noch.

Doch damals war es mir egal gewesen. Alles war mir egal gewesen. Ich hatte einfach nur im Bett gelegen und hatte versucht den Tag, so gut es ging, durchzuschlafen.
 

Ich wollte nicht mehr existieren.

Ich hatte mir so sehr den Tod herbeigesehnt. Doch er war nicht gekommen.

Das Loch in meiner Brust verschwand, als mein Vater mir die Haartransplantation ermöglichte. Es verschwand, doch auch meine Freude und andere Gefühle waren weg.

Ich war zu einem Freak geworden, auch wenn ich nach einem Jahr nicht mehr nach einem ausgesehen hatte.
 

Als ich zehn war, hatte ich wieder zur Schule gehen müssen. Dieses Mal in Forks. Dieses Mal ohne Freunde, die einen verletzten konnten. Nie wieder wollte ich jemanden in mein Herz schließen. Ich war der Überzeugung gewesen, dass wenn ich nichts fühlte, alles besser war.

Um mich selbst zu schützen, distanzierte ich mich sogar von meinem Vater. Ich lebte, war aber innerlich seit diesem Tag in der Grundschule tot gewesen.

Bis Nina in mein Leben trat, und alles irgendwie umkrempelte.
 

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken.

„Ja?“

Mein Vater öffnete die Tür und streckte den Kopf ins Zimmer. Als sich unsere Blicke trafen, zog er überrascht seine Augenbrauen in die Höhe und trat ganz hinein.

„Ana Spatz. Was ist los?“, er musterte mich besorgt.

Ich schüttelte nur den Kopf und sah erneut aus dem Fenster. Mein Vater seufzte schwerfällig. „Mich hat die Schule angerufen und mir gesagt, dass du heute nicht in da warst. Das sieht dir nicht ähnlich Ana. Ist etwas vorgefallen?“
 

Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit. Ich wusste mittlerweile, wie sehr es meinen Vater belastete, wenn ich mich vor ihm verschloss. Nina hatte mir erzählt, dass für nahestehende Menschen so etwas unerträglich war und ich das nicht machen durfte. Ich seufzte und versuchte gegen die wiederkehrenden Tränen anzukämpfen.
 

„Embry“, ich stockte, als ich meine heisere Stimme hörte.

„Embry? Was ist mit dem Jungen? Hat er etwas gemacht?“, wütend zog er seine Augenbrauen zusammen. Ich schüttelte zuerst den Kopf, nickte aber dann doch.

„Embry … Paps er ist … der Embry! Erinnerst du dich … Mamas Freundin und ihr Sohn?“, erklärte ich ihm.

„Der Junge, der immer kleiner war als du? Den du so sehr mochtest, weil er so ruhig, wie ein Mädchen war?“, fragte er überrascht. Ich nickte. „Ja … Embry Call!"

Mein Vater legte den Kopf schief, sein Blick war auf mich gerichtet, doch er schien nicht wirklich anwesend zu sein. Wahrscheinlich durchsuchte er seine Erinnerungen nach Embry.

"Jetzt wo du es sagst. Er hat gewissen Ähnlichkeiten mit seiner Mutter Tiffany", murmelte er und setzte sich zu mir aufs Bett. "Der Junge ist aber groß geworden. Was ist denn mit dem passiert? Wow", meinte er, mehr zu sich selbst, als an mich gewandt.

Ich nickte. "Ich hatte es auch nicht gewusst … nicht geahnt … und er wirkte so alt. Warum sollte ich ihn … nach Embry fragen … Gott Paps … Ich habe jeden Tag gebetet, dass ich niemanden mehr von ihnen sehe … Nie wieder wollte ich etwas mit ihnen zu tun haben … Ich war so unachtsam gewesen … und jetzt … jetzt … Was wenn er mich erkannt hat? … Und sich über das Monster von La Push lustig machen will? … Dad er hat mir damals so weh getan … Was soll ich nur tun?“ Seitdem ich wusste, wer er war, stellte ich mir andauernd diese Fragen. Ich hoffte, endlich eine Antwort darauf zu bekommen.
 

„Ich glaube nicht, dass er sich über dich lustig machen will. Huyana, du sahst damals … ganz anders aus. Aus dir ist eine wunderschöne, junge Frau geworden. Du solltest aufhören, ständig an dieser Vergangenheit zu hängen.“

Ich lächelte ihn traurig an. Ich war keine wunderschöne Frau, und die Vergangenheit war ein Teil von mir. Mein ganzer Körper war geprägt von der Vergangenheit und ich sollte so tun, als existiere sie nicht? Das war unmöglich!
 

Ich fuhr mir durch die Haare und kämpfte gegen meine Tränen an. Das war nicht fair. Warum musste ich nur so verunstaltet werden? Eine Träne stahl sich aus meinem Auge. Ich schluchzte.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte mich mein Vater an und rutschte näher zu mir. „Ana Spatz. Nicht weinen“, murmelte er leise. Er schien mit dieser Situation überfordert zu sein, denn es war lange her, dass ich vor ihm geweint hatte.
 

Als er mich umarmte versteifte ich mich, wehrte ihn aber nicht ab. Ich fühlte mich zu schwach dafür. „Es ist nicht fair Paps. Nichts ist fair. Wie soll ich die Vergangenheit loslassen, wenn sie mich auf Schritt und Tritt verfolgt? Sie ist ständig bei mir, Paps. Es tut mir leid. Ich bin so eine schlechte Tochter für dich. Du hast etwas Besseres verdient Paps ... Es tut mir so leid“, flüsterte ich. Es tat mir so leid, dass ich ihm Schmerzen zugefügt hatte. Ihm immer noch zufügte.

„Nein Ana, das bist du nicht … mir tut es leid. Ana“, murmelte er leise und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.


Nachwort zu diesem Kapitel:
uuuuund? ^^ Komplett anzeigen

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