Wir sind keine Soldaten

▷ Wir sind keine Soldaten

„Wir sind keine Soldaten!“

Glas knirschte unter Steves Schuhen. Eisenstangen lagen über all, die Federfüllung der Couchkissen wurden von den kühlen Winden über den Boden getrieben. Funken sprühten aus durchtrennten Kabel. Die Bildschirme waren zerstört, wie auch all die anderen Möbelstücke auf dieser Etage.

Er sah sich um, während die Erinnerungen an die Zerstörung ein mulmiges Gefühl in seinem Magen verursachten. Nicht dass er daran Schuld gewesen war, ganz im Gegenteil. Diese Karte musste sich der Hausherr selber zuschieben. Aber dennoch waren die Geschehnisse keine schönen Erinnerungen und auch ein unpassendes Ende für diesen eigentlich tollen Abend. Es hatte sich so gut angetan, umgeben von seinen Freunden und das Gefühl ein Kapitel beendet zu haben. Der Anfang des nächsten war lediglich zu unerwartet gekommen.

In mitten des riesigen Raumes, genau an der Stelle, wo die geräumige Couch gestanden hatte, stand nun der Hausherr umgeben von blauen Holoscreens. Er schob Bilder – Zeichnungen – von einem Bildschirm zum nächsten und überlegte. Wohl über die Neugestaltung des Raumes.

»Schon komisch«, sagte Steve um auf sich aufmerksam zu machen und blieb in einem großzügigen Abstand zu dem Mann stehen. »Immer dann wenn wir zusammenarbeiten, musst du deinen Turm wieder renovieren.«

Der dunkelhaarige Mann drehte sich zu Steve um und widmete sich gleich wieder seinen Bildschirmen. »Ich sehe das als eine Chance für eine Neugestaltung Cap.«

»Sicher«, entgegnete er und schob seine Handy in seine Hosentaschen während er versuchte so unauffällig wie möglich durch den riesigen Partyraum zu schlendern. Er ging bis hin zum Rand und sah hinunter auf die Straßen von New York. »Wenn du das sagst Tony.«

Tony schenkte ihm einen skeptischen Blick und schien darauf zu warten, dass der Captain weiter sprach, doch Steve Rogers schwieg. »Vorsicht Cap, das ist alles noch sehr … ungesichert.«

»Ich sehe es.«

»Gut das du kommen konntest, Captain«, wechselte Tony das Thema. Mit einer Handbewegung schob er die Holoscreens regelrecht weg, sodass sie verschwanden. »Ich mein, dass sieht hier alles noch nicht wirklich brauchbar aus, aber das wird es«, er schritt auf Steve zu. »und dann kann man hier auch wieder Besucher empfangen.« Tony stellte sich neben dem Mann aus vergangenen Tagen und begutachtete die Skyline die sich vor ihnen ausbreitete, so als wären die Fenster noch in Takt.

»F.R.I.D.A.Y.«

»Ja Boss?«

»Bitte sei so gütig und lege eine Projektion des fertigen Projektes über dieses Schlachtfeld, damit Captain Rogers das fertige Objekt begutachten kann.«

»Gewiss, gerne.«

Blaue strahlen, ausgehend von der Decke, breiteten sich aus und bildeten ein drei dimensionales Objekt, das zeigte wie der Raum später aussehen sollte. Unterschiede zu der vorherigen Einrichtung konnte Steve nicht wirklich entdecken, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.

»Was sagst du Cap?«

»Was soll ich dazu sagen?«

»Was du davon hältst«, fragte Tony mit einem verspielten Vorwurf. »Sie dich um! Du wirst ja wohl eine Meinung dazu haben wie es aussieht.«

Steve sah sich um, seiner Meinung auch sehr genau. Einen Unterschied zu früher konnte er jedoch nicht entdecken. Was ihn aber mehr interessierte war: »Was planst du, dass dir meine Meinung wichtig ist?«

Tony schenkte den Captain einen skeptischen Blick, sagte jedoch nichts dazu.

»Die Avengers haben eine neue Base, jetzt wo Nick Fury zurück ist und S.H.I.E.L.D. sich neu formiert würde hier der Platz für alle fehlen.«

»Ist das dein Ernst«, fragte Tony und schien beinahe gekränkt zu sein. »Ich frage dich nach deiner objektiven Meinung und du hinterfragst meine Absichten? DU glaubst echt ich würde den alten Zeiten nachtrauern, oder?«

Steve zuckte mit den Schultern. »Bei dir kann man nie wissen Tony. Du hast es schon oft geschafft mich zu überraschen.«

»Danke für das Kompliment, aber nein«, sagte Tony und mit einer Handbewegung verschwand das Hologramm. »Ich habe lediglich eine kleine Idee, von der ich dir erzählen wollte. Aber gut.«

»Bist du jetzt etwa eingeschnappt?«

»Ich? Eingeschnappt?«, Tony fing an zu lachen. Übertrieben und gespielt. Er beugte sich vor und hielt sich den Bauch. Das Spiel dauerte nur ein paar Minuten, dann fing sich der Mechaniker. Er ging zu einem Tisch, der voll mit Werkzeugen war. Dazwischen lag ein Pad, welches sich Tony nahm. »Ganz und gar nicht. Das ist keine meiner Eigenschaften.«

»Sicher? Willst du bei dieser Aussage bleiben?«

Tony gestikulierte mit seinem Pad auf Augenhöhe herum. »Bist du meiner Einladung nur gefolgt um mir irgendetwas vor zuhalten?«

»Nein, bin ich nicht«, erwiderte Steve. »Ich werde nun aber wieder gehen … Ich habe nämlich noch etwas zu erledigen.«

»Du suchst immer noch nach dem Winter Soldier?«

»Nach Bucky. Ja, ich suche nach ihm. Sam hat eine Spur die nach Canada führt, aber da verliert sie sich.«

Tony schnippte mehrmals mit den Fingern seiner linken Hand. »Hier, Sam, Sam … Sam … Ach … Der Neue … Sam Wendson! Der Falcon Typ.«

»Wilson und ja, er.«

»Ah«, gab Tony von sich und widmete sich seinem Pad, dessen Bildschirm durch eine Berührung zu leuchten begann.

»War es das? Dann würde ich nun gehen.«

»Warte kurz.«

»Gut«, erwiderte Steve und wartete darauf, dass Tony wieder aufblickte. Doch das dauerte.

Steve hatte keine Uhr in der Hand und in dem zerstörten Raum gab es ebenfalls keine, deswegen wusste er nicht wie viel Zeit vergangen war. Sein Zeitgefühl war auch nicht gerade das Beste, wenn er sich nicht gerade darauf konzentrierte.

Er konnte Tony dabei zuschauen wie er mit dem Zeigefinger auf dem Bildschirm herum wischte und tippte. Er murmelte irgendetwas vor sich hin, was Steve unmöglich hätte verstehen können. Dann blickte er endlich auf und sagte ganze trocken: »Bring ihn mit.«

»Mit? Wohin?«

»Hier her«, sagte Tony. »Hast du meine Mail nicht gelesen?«

Steve schenkte seinem Kameraden einen Blick, der ihm so viel sagen sollte wie „Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?“. Es war nicht so, dass er sich gegen die Zukunft währen würde, aber es gab Dinge mit denen er immer noch nicht klar kam. Die Technik, besonders dann wenn sie von Stark kam, gehörte besonders dazu. Telefonieren war ihm keinesfalls fremd, aber all die kleinen technologisch weit fortgeschrittenen Funktionen der Smartphones, schreckten ihn ab.

»Was? Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du dich noch immer mit den E-Mails schwer tust, Cap.«

»Sagen wir es so: Es gibt vieles was mir fremd ist und meine Prioritäten sind ein wenig anders gesteckt.«

»Was treibst du die ganze Zeit, nachdem die Avengers Ultron erledigt haben?«

»Romanoff und ich bilden die neuen Avengers aus.«

»Das weiß ich. Nebenbei suchst du noch nach deinem verlorenem Freund und führst Aufträge für Fury aus.«

»Du sprichst das so aus, als wäre es etwas schlechtes.«

Tony zuckte mit den Schultern. »Wir haben schon einmal darüber gesprochen und du kennst meine Meinung dazu.«

»Du befolgst keine Befehle.«

»Und ich bin kein Soldat«, ergänzte Tony und sah Steve eindringlich an.

»Wärmst du nun alte Themen auf«, fragte Steve und verdrehte seine Augen. »Ich dachte wir wären darüber hinaus.«

»Ich bin es schon lange«, der Mechaniker zuckte erneut mit seinen Schultern und wandte seinen Rücken dem Besucher zu. »Du aber nicht.«

»Ich ...«, begann Steve, stoppte dann jedoch und schüttelte den Kopf. »Wir beide sind vollkommen unterschiedliche Personen.«

»Darum geht es doch gar nicht. Du kommst einfach nicht aus deinen Mustern raus, lass es doch mal ruhig angehen und ein paar Tage die Arbeit liegen.«

»Was wird das jetzt?«

»Wenn du willst, nenne es die Sorgen eines Kameraedens.«

Steve schüttelte den Kopf. »Ich habe noch zu tun, also sag was du sagen willst.«

Tony hantierte auf seinem Pad herum und hielt den Bildschirm dann seinem Kameraden entgegen, sodass Steve lesen konnte was da stand. Aber erst nachdem der Soldat ein paar Schritte auf ihn zugegangen war. »Du willst eine Weihnachtsfeier veranstalten?«

»Genau davon habe ich die ganze Zeit geredet.«

»Warum? Was willst du damit bezwecken?«

»Nichts. Ich hatte nur gedacht dass ein guter Zeitpunkt wäre um zusammen zu kommen. Ruhiger werden, abschalten, Abstand von der Arbeit bekommen.« Tony drehte sich Steve wieder zu und sagte: »Mir geht es sicherlich nicht um irgendwelche familiäre Nähe, oder so etwas in der Art. Wir-«

»„Das Team hat eine Menge zusammen durchgemacht.“ Das willst du sicherlich sagen.«

»Oder so ähnlich«, sagte Tony und kratzte sich am Hinterkopf. »Das alles … Mit Ultron … War viel. Nicht nur das.«

»Der Fall von S.H.I.E.L.D., die Rückkehr von Hydra, die Sache mit dem Mandarin ...«

»Ja, der Mandarin ...«, murmelte Tony und schnippte mit der linken Hand gegen die Stelle an seinem Brustkorb, von der damals ein metallisches Klirren ausgegangen war, doch alles was nun zu hören war, war das dumpfe Geräusch das sein dunkles Shirt verursachte. »Das ist eine harte und heftige Zeit gewesen. Allen Grund für eine Auszeit.«

»Und du glaubst es ist Zeit dafür?«

»Wann denn sonst«, stellte Tony die Gegenfrage.

Sie schwiegen. Steve wollte Bucky finden und etwas in ihm sagte, dass er sich damit keine Zeit lassen durfte. Er war unruhig und das würde sich erst dann ändern, wenn er seinen alten Freund gefunden hatte.

»Steve … Es ist ruhig, keine Bedrohung klopft an die Türe, warum sollten wir uns nicht einen Tag Ruhe gönnen? Keine wahnsinnige, künstliche Intelligenz, keine Organisation aus dem zweitem Weltkrieg die im Verborgenen agiert, keine Aliens, Keine Würfel oder Zepter die wir suchen müssen, kein gar nichts.«

»Das aus deinem Munde Tony.«

»Ich hab daraus gelernt! Ich gebe zu, ich habe Mist gebaut und ich habe daraus gelernt, also bitte keine Vorträge.«

»Schon gut, schon gut.«

»Geben Sie sich einen Ruck, Captain.«

»Wem hast du alles eine Einladung geschickt?«

»Eigentlich an alle, bis auf Fury, Samy… Aber Rhodey ist eingeweiht, er wollte euch eigentlich noch mal daran erinnern. Wahrscheinlich kam er nicht dazu.«

»Es gibt halt wichtigere Sachen.«

Tony deutete mit seinen beiden Armen auf Steve, so als wolle er ihn auf der Stelle fest pinnen. »Und das ist der Punkt. Ihr arbeitet zu viel. DU arbeitest zu viel. Wann warst du das letzte Mal aus?«

»Hast du dich mit Romanoff über mich unterhalten?«

»Natasha?« Tony zog skeptisch eine Augenbraue empor. »Worüber sollte ich mich mit Agent Romanoff unterhalten?«

»Ach nichts, es wirkte lediglich so, als hättet ihr euch abgesprochen.«

»Vielleicht ist es auch einfach nur offensichtlich?«

Schweigen trat ein. Die beiden Avengers sahen sich lediglich an. So vergingen Minuten in denen sie einfach nur schwiegen.

So etwas von Tony Stark zu hören, war schon merkwürdig, schließlich war es doch sein Wunsch gewesen mit Ultron die Welt zu schützen. Jemand der vor ihnen schon vor ihnen die Welt beschützte, sodass sie in Ruhe leben konnten. Frieden für unsere Zeit.

»Thor wird nicht kommen.«

»Ich hab auch gar nicht damit gerechnet. Seine Einladung habe ich an Jane Foster geschickt. Seine … Naja … Freundin.«

»Und ...«

»Dr, Banner? Ich gehe davon aus, dass er Abstand will und auch wenn es mir in den Fingern juckt ihn zu suchen und zurück zu holen, werde ich seine Entscheidung akzeptieren. Für's erste.«

Steve nickte lediglich. Das selbe hatte Natasha auch über Banner gesagt, aber das behielt er für sich.

»Ich sehe deine grauen Zellen arbeiten, Cap.«

Doch der Captain antwortete nicht. Er sah lediglich seinen Gegenüber an, oder mehr durch ihn hindurch. »Jede Minute die ich warte, wird Bucky sich immer mehr verstecken. Wo auch immer er nun ist.«

Tony gab ein genervtes Seufzen von sich. »Hör mal, Steve«, sagte er und legte sein Pad beiseite. Dann umgriff er die Schultern des Helden und sah ihm in die Augen. »Auch wenn wir einen … holprigen Start haben, und man kann auch nicht behaupten, dass wir uns immer einig sind und vorbildlich verstehen. Wir leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten, aber dennoch-«

»Bist du ein Freund für mich«, viel Steve dem Mechaniker ins Wort. »Du redest viel zu viel.«

»Pff, das war unhöflich, aber ja, du hast Recht, mein Freund.«

Ein wenig belustigt schüttelte der Captain den Kopf. »Sag Tony, an dem Abend … Planst du noch mehr … Überraschungen?«

»Was meinst du«, fragte Tony und wenige Sekunden später konnte er die Antwort in den Augen seines Gegenübers lesen: »Oh nein, keine künstliche Intelligenz, die die Welt beschützen und sie dafür vernichten will. Versprochen.«

»Gut«, murmelte Steve. »Auch wenn man bei dir nie wissen kann was du so alles planst. Du bist manchmal so sprunghaft-«

»Ja, ja. Das kenne ich schon, können wir das überspringen und endlich zu deiner Zusage kommen?«

Erneut schüttelte Steve Rogers den Kopf. »Gut. Hier? Wann? Wie spät?«

»Hier. Am 22. Dezember um 9:00 pm. Kein Dresscode, kein Geschenke zwang. Nur ein lockerer Abend unter Freunden.«

»Hm … Ich werde da sein.«