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Bruderliebe

von

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~°~16~°~

 

 

Carsten hatte sich an dem Abend brav von mir verabschiedet. Der letzte Kuss, bevor jeder in sein eigenes Bett ging, hatte ihn zwar besänftigt, aber das Tier im Manne geweckt. Ich sah es an seinen hungrigen Augen.

Ich hatte die Nacht ruhig durchgeschlafen und musste am nächsten Morgen nicht einmal über seine Worte nachgrübeln. Ein gutes Zeichen, wie ich fand. Alles fühlte sich weiterhin richtig an. Zuvor aber brauchte ich dringend etwas gegen meinen Kater, der sich beim Aufstehen sofort und unbarmherzig meldete. Mein Kopf fühlte sich wie ein ausgefüllter Bienenstock an, als ich mich an den bereits gedeckten Frühstückstisch setzte. Ich war den Alkohol nicht mehr gewohnt.

„Guten Morgen“, begrüßte mich Carsten. Er wirkte gut gelaunt. Ich hingegen hob nur die Hand, um sie schnell um die Tasse Kaffee zu schlingen, die vor mir stand. Der Duft stieg mir in die Nase und ich nahm einen kräftigen Schluck.

Carsten stellte mir zusätzlich ein Glas Wasser hin, in dem er ein Aspirin aufgelöst hatte. Dankbar nahm ich es an und trank es in einem Zug aus. Keine fünf Minuten später zeigte sie schon die Wirkung. „Besser“, gab ich von mir.

Als Antwort bekam ich ein Lachen. Nach einer weiteren Tasse Kaffee, die wir schweigend zu uns nahmen, sah ich endlich von meiner auf, die ich mit beiden Händen umschlossen gehalten hatte. Mein Salamibrötchen hatte ich längst gegessen und nur die Krümel zierten den Frühstücksteller. Ich wusste, nein spürte, dass Carsten auf eine Antwort auf die gestrige Frage, wartete. „Carsten.“

„Ja?“ Erwartungsvoll sah er von seiner Zeitung auf, faltete sie zusammen und legte sie auf die Seite.

Ich räusperte mich. Meine Finger hatte ich ineinander geschlungen auf meinen Schoß gebettet, um über meine Nervosität Herr zu werden, als ich ihm endlich antwortete: „Du hast mir gestern eine Frage gestellt und ich möchte dir darauf antworten.“

„Ja!“, sagte er nur und ich konnte die Aufregung in seiner Stimme hören.

„Ich möchte bei dir bleiben, und zwar für immer.“ Mit ihm würde ich es schaffen. Ganz bestimmt und mir war es nicht schwergefallen, sie auszusprechen, im Gegenteil. Ein Ballast fiel von meinen Schultern. Carsten sagte nichts, aber seine Augen leuchteten und ein warmes Lächeln lag um seine Mundwinkel. Ein schönes Gefühl durchströmte mich und ich fühlte mich in diesem Moment geborgener, wie niemals in meinem Leben zuvor. Ich wusste genau, dass dieser Mann mir guttat – von dem Tag meiner Rettung an war es so.

Dennoch blieb Carsten rücksichtsvoll und ging keinen Schritt weiter, indem er aufsprang, um mich zu erdrücken, oder sonst was. Seine freundlichen Augen, die vor Freude schimmerten, waren Reaktion genug für mich. Die zarte Annäherung, die Küsse, das alles reichte mir vorerst. Ich wollte und musste es langsam angehen, zu meiner eigenen Gesundheit und auch, um nicht wieder jemanden zu verletzen. Das war ich Carsten schuldig, denn falsche Hoffnungen, indem ich Mitgefühle mit Zuneigung verwechseln würde, wollte ich ihm nicht machen. Wenn wir zu schnell vorgehen würden, könnte ich womöglich alles zerstören. Ich war ihm dankbar über die stille Übereinkunft.

Basta kam an den Frühstückstisch. Doch bettelte er auch jetzt wieder nicht, sondern legte sich vor meine Füße, schnüffelte dran und legte den Kopf auf die Seite. Ich hob meine Augenbrauen, tat empört.

„Willst du mir sagen, dass meine Füße stinken?“, zog ich Carstens Hund auf.

Als Antwort hob er den Kopf und gähnte laut, so nach dem Motto: „Hey Mann, du hast vielleicht Probleme, was interessieren mich deine Füße, wenn ich noch müde bin.“

„Wir waren etwas zu lange für ihn auf, denke ich. Also keine Stinkfüße.“ Carsten lächelte.

„Na, ich habe auch frisch geduscht“, verteidigte ich mich und grinste.

Wir frühstückten zu Ende, die Stimmung war gelöst, und wir witzelten noch eine kleine Weile herum.

Ich fühlte mich großartig und daher beschloss ich, noch heute meinen WG-Mitbewohnern Bescheid zu geben, dass sie ab sofort mein Zimmer frisch vermieten konnten, und rief sie am gleichen Tag an. So vereinbarte ich mit Ina einen Zeitpunkt, zu dem ich alle antreffen würde. Sie klang überrascht und wollte nach dem Grund fragen. Ich hielt mich aber bedeckt, verblieb mit ihr, dass ich am nächsten Tag gegen 18 Uhr vorbeischaute.

„Willst du mir nicht den Grund verraten?“, ließ sie zum Schluss nicht locker.

Ich lachte leise. „Nein, aber du wirst es morgen erfahren.“ Keine Ahnung, warum ich es ihr nicht gleich am Telefon gesagt hatte, vielleicht wollte ich einen Überraschungseffekt starten, ihnen zeigen, dass es mit mir aufwärtsging. Ich verabschiedete mich von ihr, ging dann beschwingt auf mein Zimmer zurück, welches jetzt mein Zuhause war, sah es als mein schützendes Rückzugsgebiet und nun wirklich mein Eigen an. Mein neues Heim!

Carstens Haus hatte alles, was man sich nur wünschen und erträumen konnte, da machte ich mir nichts vor. Neulich hatte er mir im Keller einen weiteren Raum gezeigt, der neben dem Trockenraum lag, und einen kleinen Fitnessbereich beinhaltete inklusive einer Sauna. Bald würde ich den in Anspruch nehmen, wollte ich mehr für Kondition sorgen und auch, um meinen Körper zu formen.

 

Ich hatte im Schneidersitz auf meinem Bett gesessen und ein Buch aufgeschlagen, als es an der Tür klopfte. „Komm rein.“

Carsten trat ein. Er hatte sich umgezogen, war sportlich gekleidet, wie ich feststellte, als ich von meinem Roman von Killhjas „Der Mond“ aufsah. Ich hatte mich nicht wirklich auf den Roman konzentrieren können, wo die Mondmenschen die Erde angriffen. Auf Fantasy stand ich nicht unbedingt.

„Und, alles geregelt?“, fragte er mich sanft, sodass es mich jedes Mal von Neuem erstaunte, wie friedlich seine Stimme klang.

„Ja, alles geregelt. Morgen treffe ich sie alle an.“

„Schön.“

„Machst du Sport?“, wollte ich interessiert wissen und klappte mein uninteressantes Buch zu.

„Ja.“

Ich musterte ihn. Wie gut er doch aussah! Wie gut würde Darian in den Sachen wohl aussehen?

Warum dachte ich überhaupt immer wieder an diesen Mistkerl? Ich ärgerte mich über meine eigenen Gedanken.

Carsten setzte sich zu mir auf das Bett und hatte meine finsteren Wolken, die aufgezogen waren und mir die Stimmung kurz verdarben, nicht bemerkt. Schnell hatte ich mich im Griff und versuchte, zu lächeln, was nur halbwegs gelang.

„Wir werden es hier schön haben. Du und ich!“ Er hob die Hand, berührte mich kurz an der linken Wange, streichelte mich. Wie zärtlich er dabei vorging, versetzte mir einen Schauer nach dem anderen. Dann sah er mir in die Augen, und ich verlor mich in seinem Blick. Unsere Lippen fanden einander. Wir küssten uns. Es war schön, mehr konnte ich nicht dazu sagen, als dass mir Carsten guttat.

Er ließ mich los. „Ich geh dann mal, hast du nicht Lust mitzukommen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht heute, aber das nächste Mal schon.“

„Na dann.“ Er ließ mich alleine, und ich hörte im Flur, wie er mit Basta kurz spielte. Ich lächelte.

Noch am gleichen Tag schlug ich Carsten vor, wenn ich wieder Geld verdienen würde, dass ich ihm den größten Teil zurückzahlen wollte. Ich hatte es mir fest vorgenommen und würde mich auch nicht von der Idee abbringen lassen.

Er war mit dieser Idee sofort einverstanden. Es wäre wichtig für mich, in die Selbstständigkeit zurückzukehren, meinte er. Und so waren wir uns einig, was für mich sehr wichtig war.

 

Am nächsten Tag verbrachte ich eine halbe Ewigkeit vorm Spiegel. Ich stylte mich, wollte für meinen Abschied besonders hübsch aussehen und Carsten stand angelehnt am Türrahmen und betrachtete mich wohlwollend. Ich konnte förmlich seine Blicke auf meiner Haut fühlen. Ein Schauer nach dem anderen rann über den Rücken, sodass meine Hände zu zittern anfingen und ich mich einen Narren schalt und mich zwang, ruhiger zu werden. So blendete ich ihn für einen kurzen Moment aus, damit ich mich besser auf mich und das Schminken meiner Augen konzentrieren konnte. Ich setzte den letzten Kajalstrich, danach ging ich ein wenig auf Abstand und besah mich im Spiegel. Mir gefiel, was ich sah – erholt. Zwar war ich immer noch sehr schlank, aber ich sah nicht mehr ganz so ausgemergelt aus.

Meine Haare glänzten in einem schönen Schwarz und meine Augen waren dezent geschminkt und kamen vollständig zur Geltung. Sie blickten nicht mehr stumpf und glanzlos aus ihren Höhlen, sondern aus ihnen strahlte das erneuerte, frische Leben. Meine Lebensgeister waren zurückgekehrt und aktiviert worden.

Ob es meine Mitbewohner ebenfalls sahen?

„Schwarz oder dunkle Farben überhaupt stehen dir wirklich gut“, meinte er anerkennend und ging auf mich zu.

Da drehte ich mich zu ihm um und lächelte. „Danke. Lass uns gehen! Sie werden schon warten.“ Ich wollte es hinter mich bringen und war nun aufgeregt. Carsten hatte ich nicht fragen müssen, ob er mitkommen wollte, das war selbstverständlich.

„Ja, bringen wir es hinter uns.“ Carsten beugte sich vor und gab mir wie immer einen sanften Kuss auf die geschlossenen Lippen, die mit leichtem Lipgloss versehen waren. Es erstaunte mich jedes Mal aufs Neue, wie einfühlsam er küssen konnte und das es ihm nichts ausmachte, wie ich aussah, vor allem geschminkt!

Ob wir jetzt richtig zusammen waren, konnte ich noch nicht einschätzen. Auf jeden Fall war er vorerst ein Freund, ein guter – und darüber hinaus, denn ich ließ mich gerne von ihm küssen. Sehr gerne sogar.

Wir fuhren mit seinem Wagen. Carsten hatte vor Tagen mein Auto zu sich geholt, wenn auch mit einem gewissen Schmunzeln auf den Lippen, als er sich über den Zustand und das Alter wunderte, vor allem, dass es diese Strecke zu ihm nach Hause ohne eine Reifenpanne oder einem Motorschaden überstanden hatte. Ich persönlich freute mich über mein Auto und dass ich in einer Woche meinen Führerschein wieder zurück bekam. Es gab mir eine gewisse Selbstsicherheit, so konnte ich in die Stadt und brauchte nicht mit dem Bus oder Zug fahren.

Während der ganzen Fahrt über hatte ich Herzklopfen und das wurde nicht ruhiger, je näher wir an Hamburg kamen. Carsten legte seine Hand über meine, drückte sie kurz, nahm sie dann wieder zurück, um in einen höheren Gang zu schalten. Die ganze Zeit über schwiegen wir.

Wir kamen zehn Minuten früher in der WG an, fanden auch gleich unweit von der Wohnung einen Parkplatz.

„Das wird schon, sie werden Augen machen, wenn sie dich sehen.“ Carsten legte kurz den Arm um mich.

„Meinst du?“ Natürlich hatte ich mich verändert, aber würde es denen wirklich auffallen?

Meine Mitbewohner staunten nicht schlecht, als sie mich sahen.

„Hallo!“, grüßte ich in die Runde und alle Augenpaare waren auf mich gerichtet. Von Carsten nahm keiner Notiz, noch nicht.

„Wow, Jaden, du siehst …“ Ina hatte als Erste gesprochen und brach baff ab. „… und du siehst nicht mehr ganz so abgemagert aus, überhaupt, viel besser, was ist passiert?“ Die letzten Worte waren von Sabine. Die beiden Frauen waren sprachlos, die drei Männer hingegen begrüßten mich normal und hielten sich mit ihren Kommentaren dezent zurück.

Eine mir unangenehme Stille brach herein, als Carsten und ich so verloren im Flur standen. Carsten hatte sich sehr zurückgehalten. Auch wurde er nicht gefragt, wer er ist. Vielleicht waren sie schon mit mir überfordert.

„Ich ziehe hier aus und will schnell meine Sachen zusammenpacken, dann kommen wir in die Küche. Das ist übrigens Carsten“, stellte ich ihn endlich den anderen vor.

Carsten hob die Hand, begrüßte jeden förmlich. Ja, da merkte man sein Alter.

„Carsten, sind Sie …“

 

©Randy D. Avies 2012



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Veri
2015-08-25T10:20:58+00:00 25.08.2015 12:20
Sind Sie was ? :o
Antwort von:  randydavies
25.08.2015 12:22
Tja, die Anwort kommt im nächsten Kapitel... das war gemein, gebe ich zu... O:)


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