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Am Ufer des lockenden Gartens

von

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"Du bringst einen Sünder dazu, sich zu ändern."

Sanji starrte die schwach glimmende Asche an, wo am Abend zuvor noch ein Feuer gebrannt hatte. Mit offenen Augen lag er auf seinem Schlafplatz und konnte nicht einschlafen. Seit Stunden lag er wach. Die letzte Nacht hielt ihn wach und er wagte nicht einmal, sich zu rühren. Schock füllte seine Glieder.

Schnarchen wehte zu ihm herüber, Sanji würde es unter tausend Geräuschen wiedererkennen: Zoro. Dass auch die anderen Jungs schnarchten und im Schlaf redeten, hörte er wiederum nicht. Luffy, Usopp und Chopper lagen viel näher zu ihm, doch seine Ohren hörten nur den Schwertkämpfer: "Ich lieber dich."

 

– you bring me to my knees, you make me testify –

 

Konnte ein – unbeabsichtigter – Kuss Zoros Gehirnwendungen durchbrennen lassen? Trotz all der Dinge, die sie sich stets an den Kopf warfen, hielt er Zoro nicht für so dämlich und schon gar nicht für so beeinflussbar. Wie konnte er von einem läppischen Kuss gleich zum L-Wort kommen? Innerhalb eines Tages. Die Rechnung ging doch um Himmels Willen nicht auf!

Sanji fragte sich, ob er wirklich so gut küsste, dass sich jemand – ausgerechnet der Spinatschädel – Hals über Kopf und sofort in ihn verlieben konnte. Die Idee fand er zugegeben gut, nicht nur als Erklärungsversuch, sondern auch als neue Fähigkeit in seinem Repertoire. Aber er konnte, anders als Usopp, der hässlichen Wahrheit ins Auge sehen: Solch eine Fähigkeit besaß er nicht. Noch nie hatte sich ein Mädchen wegen eines Kusses in ihn verliebt. Es hatte sich noch nie ein Mädchen in ihn verliebt … Auf diese Erkenntnis seufzte er tief.

War er etwa nicht liebenswürdig? Sanji fand doch. Zum einen sah er gut aus, das war nicht zu unterschätzen, er war charmant und höflich, eine Dame musste auf Händen getragen werden, und er war stark und mutig, der ideale Beschützer. Außerdem konnte er meisterlich kochen, eine besonders attraktive Eigenschaft. Ausgerechnet Mister Ich-folge-der-Wolke sah ein, was für ein guter Fang Sanji wirklich war. Ihm wurde übel.

Vorsichtig und langsam drehte er sich erst auf den Rücken, dann auf die andere Seite und sah, woher Zoros Schnarchen kam. Im Licht des anbrechenden Morgens erkannte er die breiten Schemen der Schultern, Zoro bestand im Grunde nur aus Muskeln. Sanji musterte, was er im Zwielicht sehen konnte und wovon er wusste, dass es dort war. Nie wirklich tauschten sie nette Worte miteinander aus, unterhielten sich selten normal, meistens stritten und kämpften sie miteinander und bisher hätte Sanji nicht geglaubt, dass daran etwas Schlechtes war. In ihrer Bekanntschaft fehlte nichts. Oder doch? Vielleicht waren diese Gefühle in Zoro älter als der halbe Kuss? Woher auch immer er sie nahm.

Wieder schloss Sanji seine Augen und spielte noch einmal den vergangenen Morgen in seinem Kopf ab, den Kuss, den Schock, die sich ständig wiederholenden Gedanken. Es war nur der Hauch einer Berührung gewesen, sowieso bedeutungslos und doch hatte es ihn den ganzen Tag beschäftigt. Hatte es ihm gefallen? Spielte sein Traum von Nami dafür eine Rolle? Von ihr würde ihm jeder Kuss gefallen, keine Frage. Oder hatte er sich geekelt? Überrascht war er gewesen, sicherlich, aber das allein war weder schlecht noch gut. Ekel fühlte sich anders an, fühlte sich stärker an. Wer sich ekelte, stellte sich diese Frage nicht mehr.

 

– you can make a sinner change his ways –

 

Wollte er diesen Kuss noch einmal erleben?

Darauf wusste Sanji keine Antwort. Er sollte schnell und zielsicher sagen: Nein, will ich nicht, das war nur ein Unfall. Trotzdem kam ihm dieser Gedanke nicht. Er verneinte nicht, doch er bejahte auch nicht. Was hieß diese Unentschlossenheit? Vielleicht war es ihm einfach egal, ob sie sich noch einmal küssten oder nicht.

Er wollte Frauen küssen. Er wollte Nami in seinen Armen halten. Er wollte für Robin die Sterne vom Himmel holen. Ihre vollen Lippen küssen und ihre weichen Rundungen streicheln. Ihre lieblichen Stimmen heiß in sein Ohr stöhnen hören. So sahen seine Träume aus. Nicht Zoros harte Muskeln unter seinen Fingern, nicht die breiten Schultern neben sich.

War das wirklich erotisch? Nun, Frauen musste das ja gefallen und so eine Frau wie Nami hatte einen untrüglichen Geschmack. Fand sie breite Schultern schön? War eine tiefe Stimme anziehend? Bisher hatte Sanji darüber nicht nachgedacht. Für ihn bestand die Welt nur aus Frauen, die er verehrte, weil sie grazil und hübsch waren, weil sie elegant und kultiviert durch ihr Leben schwebten, weil … Mann das eben tat; war das nicht Grund genug?

Sanji öffnete seine Augen, suchte Zoro mit seinem Blick und fand ihn sofort. Noch immer hörte er ihn schnarchen. Eingehend musterte er den grünhaarigen Schwertkämpfer, der ihm so oft die Nerven raubte: kräftige, muskulöse Beine; schmale, bewegliche Hüften; trainierter Bauch und breite Schultern; starke Arme; alles voller Muskeln und doch mit Proportion. Zoros Statur beeindruckte immer noch, obwohl er ihn jeden Tag sah. Hartes Kinn, gerade Nase, und wie Sanji wusste, bis ins Mark erschütternde Augen: grün wie der Wald oder grün wie ein Gift. Für einen Mann war Zoro sicherlich gutaussehend, da galt ein anderer Standard als für Frauen. Sanji sah es und je länger er den anderen ruhig beobachtete, desto mehr konnte er die Anmut schätzen. Sicherlich wäre es ein Erlebnis, sich in solchen Armen zu räkeln.

Allerdings war Aussehen nicht alles. Wahrlich nicht! Einer Frau war von Natur aus ein vorzüglicher Charakter gegeben. Männer hingegen benahmen sich von Natur aus barbarisch. Zoro war hier keine Ausnahme: brutal, blutdürstig, besessen. Das hinderte ihn nicht daran, ein guter Freund zu sein: ergeben, ehrlich, entbehrend. Ein schlechter Mensch war er sicherlich nicht. Vielleicht wäre Zoro auch als diese Art Partner geeignet.

Die Frage blieb: Wollte Sanji das überhaupt? Wollte er mit Zoro eine romantische Beziehung führen? Ihm Kosenamen ins Ohr seufzen und über Strände spazieren, sich unter ihm räkeln, ihn streicheln und küssen?

 

– open up your gates 'cause I can't wait to see the light –

 

Wer wollte schon einen anderen Mann küssen? Er war doch nicht schwul … War Zoro schwul?

Sanji blinzelte verwundert. Bisher hatte er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was Zoro attraktiv fand, wen er begehren könnte, wie er lieben würde. Bisher hatte er einfach angenommen, Zoro interessierte sich für diese Dinge nicht. Stein und Bein hätte er schwören können, Zoro hätte nur seine Schwerter im Kopf. Es schien, als wäre für ihn Kampf das Größte; abgesehen vielleicht von Sake und Schlaf. Für einen Schwertkämpfer musste Liebe zu trivial sein. Offensichtlich hatte Sanji sich geirrt.

Tatsächlich, Zoro musste schwul sein. Das sah man ihm überhaupt nicht an. Zoro liebte! Natürlich fiel Sanji aus allen Wolken, dass auch Zoro am Ende des Tages so war wie jeder andere Mensch … Schwer vorzustellen. Natürlich hatte auch Zoro irgendwie Interesse an Menschen, sonst würde er sich nicht derart für seine Freunde aufopfern oder gar erst Freundschaften knüpfen, allerdings war Liebe doch etwas anderes. Liebe war … anders, mehr, größer; einfach schwer in Worte zu fassen.

Schwul … In Zoro lebte ein ausgeprägter Macho, fand Sanji bisher, nun musste er über diese Meinung noch einmal verschärft nachdenken. Dieses ausladende Männlichkeitsgehabe – schwul?

Änderte dies irgendetwas an Zoro? Besonders verweiblicht hatte Sanji die Liebeserklärung nicht wahrgenommen, Zoro war immer noch bodenlos überschätzend von sich selbst überzeugt. Ging er wirklich davon aus, dass es Sanji garantiert freute? Zoro müsste ihn doch auch besser kennen.

Doch wie sehr kannte er überhaupt Zoro, wenn er hiervon so überrascht war? Wie lange waren sie nun schon Teil der gleichen Mannschaft? Wie lange lebten sie schon auf dem gleichen Schiff? Wie wenig musste er sich mit Zoro bisher beschäftigt haben, dass ihm hiervon nichts aufgefallen war? Konnte jemand das so gut verstecken? War Zoro überhaupt der Typ dafür, Dinge – sich selbst – zu verstecken? Nein, soweit Sanji wusste. Zoro war geradeheraus, radikal und stolz. Hatte Zoro selbst Probleme damit? Irgendwie konnte sich Sanji das nicht vorstellen. War schwul wirklich automatisch weich und schwach und tuntig? Als Bild passte das gar nicht zu Zoro, aber Zoro selbst legte auf Bilder und Klischees doch gar keinen Wert; nahm Sanji zumindest an. Zoro sagte und tat, was er für richtig hielt, nicht was die Erwartungen anderer von ihm verlangten. Würde es ihn also überhaupt stören, schwul zu sein? Musste das irgendjemanden stören?

Dann fand Zoro eben andere Männer attraktiv, statt Frauen. Wenn er Zoro so betrachtete, lag der Gedanke gar nicht so fern.

 

– and right there is where I wanna stay –

 

Sicherlich wäre der Flirt und der Umgang mit einem anderen Mann einfacher. Wären ihr beider Wünsche nicht ähnlich? Die Gemeinsamkeiten mussten größer sein als die Unterschiede, stellte sich Sanji vor. Er wusste doch, was ein Mann sich wünschte, immerhin war er selbst einer – oder war das zu kurz gedacht?

Sein Blick blieb an Zoros kräftigen Armen hängen; um seine Hüfte hatte er sich nicht schlecht angefühlt. Schwer, aber wahrlich nicht unangenehm. Heiß, aber fast schon schön. Oder bildete er sich das in der Erinnerung nur ein? Überlegte er an all diesen Fragen nur, weil er sonst allein war? Oder suchte er nach Antworten, weil er Zoro mindestens als Freund wirklich respektierte? Er mochte Zoro, das war leicht zuzugeben.

Was bedeutete mögen? Wie viel Zoro wollte er neben sich wissen? Könnten sie Freunde bleiben, wenn ihre Gefühle so unterschiedlich verteilt waren? Sanji wollte Zoro in seinem Leben nicht mehr vermissen. Für ihn war Zoro eine Bereicherung, egal wie sehr er ihm manches Mal den letzten Nerv raubte. Stellte er sich nun ein Leben ohne den anderen vor, dann wusste er nicht mehr, wie es aussehen könnte. Ein Leben vor Monkey D. Luffy gab es nicht. Einem Leben ohne Zoro mangelte es an allen Ecken und Enden. In ihrer Freundschaft ging es nicht nur um das Messen der eigenen Fähigkeiten, um das Streiten und Befrieden der Nerven, um eine nichtendende Rivalität. Sie waren Freunde, wahrlich und für immer. Konnten sie mehr sein?

Sanji drehte sich auf den Rücken und starrte in den wachwerdenden Himmel. Woher kamen nur all diese Fragen? War es wirklich nur der Kuss? Lag es an Zoros Geständnis? Und war die Antwort eigentlich nicht total einfach? Ja oder nein, simpler konnte eine Antwort gar nicht sein. Bildete er sich ein. Eigentlich.

Eigentlich. Lautgewordene Unentschlossenheit. Sanji wollte Nein sagen, aber das kam nicht über seine gedanklichen Lippen; doch Ja sagen konnte er auch nicht. Er war ein Mann und nicht schwul, er liebte Frauen und Zoro war einfach nur ein Freund. Ein wichtiger Freund, ein unersetzlicher Freund, ein treuer Freund, ein vertrauter Freund, ein Freund mit allen Gemeinsamkeiten, ein Freund mit allen Gegensätzen. Seine Gedanken drehten sich im Kreis?

Mit fahrigen Fingern zog er seine Zigaretten aus der Jacketttasche und zündete sich eine an. Tief sog er den Rauch in seine Lungen ein und lauschte den beruhigenden Worten seiner Droge. Sie sagte: Ist nicht wichtig, lass es so, wie es ist.

Ein verlockender Gedanke, den Status Quo einfach zu halten, aber … Auch hier ein Aber. Zoros Worte forderten eine Entscheidung, hatten längst alles verändert. Nichts war mehr so, wie es gestern noch gewesen war. Ein Tag reichte vollkommen aus, seine Welt vollständig auf den Kopf zu stellen. Entweder er veränderte sich auch oder er verlor alles. Mit diesem Ultimatum vor den Augen zogen seine Gedanken nur weiter zäh dahin. Über den Palmen beschienen die ersten Sonnenstrahlen weiche Wolken, der erste Weckruf eines Affen hallte über die Insel. Ein neuer Tag war angekommen. Eigentlich.

Die Zigarette trat Sanji aus, seine Decke lag sauber zusammengefaltet auf einem der Holzstämme, die sie am Abend zuvor als Sitzgelegenheiten genutzt hatten. Die Kochstelle war kalt, mit Feuer kannte Sanji sich jedoch aus. Schnell sprühten die Funken und flackerte das erste kleine Flämmchen zwischen den Zweigen. Mit leichten Handbewegungen führte er das Messer durch die Ananasfrüchte, die Basis ihres Frühstücks an diesem Morgen. Die Klinge des Messers flog regelrecht durch die Früchte und später durch das Fleisch, als wäre Widerstand nur eine Traumgestalt. Kochen beruhigte ihn, brachte seine Gedanken endlich zum Schweigen.

Die anderen Mitglieder der Strohhutpiratenmannschaft lagen noch immer unter ihren Decken, manch einer fiel mehr verstreut über seine Freunde. Luffy lag niemals still im Schlaf, immer bewegte er sich viel und breit, ständig alle Glieder weit von sich gestreckt. In seinen Mundwinkeln hing Speichel, ein eindeutiger Kommentar auf seinen Traum über singende Fleischkeulen. Nicht weit entfernt brabbelte Usopp leise, kuschelte sich tief in sein Kissen und war auch in seinen Träumen gar nicht so mutig, wie er es sich wünschte. In Choppers Nase kitzelte bereits der Duft der geschnittenen Früchte und weckte ihn langsam. Robin saß noch immer auf ihrem Liegestuhl am Strand, ein Tischchen mit einer fast gänzlich abgebrannten Kerze stand neben ihr und sie las in ihrem Buch. Sie las immer in ihrem Buch. Als einzige von ihnen verbrachte Nami die Nacht an Bord der Flying Lamb anstatt auf der Insel, immerhin schlief sie dort in einem richtigen Bett – ein nicht zu unterschätzender Luxus, den sie sich gerne gönnte. Zoro saß noch immer an eine Palme gelehnt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, aber sein Schlaf war unruhig. Ein Phänomen, das er bisher nicht kannte.

Spätestens als der Duft gegrillten Fleisches in Luffys Nase stieg, endete ihr aller Schlummer. Mit einem lauten Jubel sprang ihr Kapitän auf und forderte seine übergroße Portion Frühstück. Rabiat unterbrach Sanji das Gejaule, mittlerweile waren alle Strohhutpiraten an diese Aussetzer ihres Kapitäns gewöhnt, und ein heftiger Tritt in Luffys bodenlosen Magen ließ einen Moment lang wieder Ruhe einkehren. Zoro war der letzte, der sich von Luffys Rufen wecken ließ; oder dieses zumindest zu erkennen gab.

Beim Frühstück fragte Usopp: "Sammeln wir heute wieder Ananas?"

"Ziehen wir wieder Stäbchen? Ich will auch mal gewinnen", warf Ruffy mit vollem Mund und kaum verständlich ein.

Nami schüttelte den Kopf: "Dank Zoro haben wir genug Ananas. Ich werde mich an den Strand legen und die Ruhe genießen. Ein bisschen Urlaub wird uns allen ganz gut tun."

"Urlaub?", echoten die Jungs und die Blicke bündelten sich auf Luffy: Mit ihm musste Ruhe und Urlaub neu bestimmt werden. "Cool", war die gemeinsame Meinung. Einen heiterer Tag am Strand, da konnte auch ihr abenteuerlustiger Kapitän nicht viel kaputt machen.

 

Fröhlich schien die Sonne auf den Strand, das Wasser glitzerte in seichten Wellen und der Sand war warm und weich unter den Sohlen. Robin saß noch immer in ihrem Liegestuhl und las ihr Buch, manchmal entlockte die Tollpatschigkeit ihrer neuen Freunde ihr dennoch ein Schmunzeln. Neben ihr lag Nami und genoss die herrliche Sonne auf ihrer Haut. Sanji bot den beiden Damen an: "Nami-swan, Robin-chan, lasst mich eure zarte Haut eincremen", die Pirouetten, die er dabei drehte, dehnten jeden Vokal.

"Vollidiot", brummte Zoro und mit funkelnden Blicken stierten sie sich daraufhin an. Doch im Gegensatz zu jedem anderen Tag brach keine Prügelei zwischen ihnen aus. Ihren Freunden fiel diese Veränderung nicht weiter auf, doch Robin warf den beiden Streithähnen einen bedeutungsschweren Blick zu.

Luffy tauchte mit den Affen um die Wette, viel mehr ertrank er immer wieder halb, bis Usopp ihn jedes Mal aus dem Meer fischte. Seine Lernresistenz war an Urlaubstagen noch ausgeprägter als üblich, sie stand immer seinem Spaß im Weg. Währenddessen baute Chopper eine Sandburg, verzierte sie mit Muscheln und Kieseln und schaffte es nur immer wieder knapp, dass Luffy nicht über sie rannte oder auf sie fiel. Gemeinsames Lachen und Rufen erfüllte den Strand.

Sanji spazierte über den feuchten Sand, ließ das angespülte Meer immer wieder seine Zehen benetzen. Alles war unwiderruflich verändert. Ein Blick von Zoro und Sanji lief es heiß und kalt durch die Knochen. Es war nicht seine Entscheidung, ob sie ihre Freundschaft behielten oder nicht; es war nicht einmal eine Wahl. Sie würden einander verlieren und den Gedanken ertrug Sanji nicht.

 

– your sex takes me to paradise –

 

Er konnte Zoro nicht einmal mehr auf solch eine seichte Beleidigung wie Vollidiot antworten. Wo kamen sie nur hin, wenn sie das verloren? Ihre Freundschaft war vorbei. Konnte Sanji sie retten?

Vielleicht verfiel Zoro nur dieser fixen Idee und verwechselte Liebe mit inniger Freundschaft? Das musste die Erklärung sein. Ein Hoffnungsstreifen, an den sich Sanji klammerte. Gefühle tangierten Zoro nicht, woher nähme er dann die Sicherheit sie auszurufen? Er musste sich irren und das könnte Sanji ihm sicher begreiflich machen. Nichts leichter als …

Überraschend war der Strand gegen Sanjis Hintern gefallen. Wie war das passiert? Er blickte auf und sah direkt in Zoros ernstes Gesicht. Hart schluckte Sanji. Wie sollte er sich verhalten? Was musste er sagen? Was durfte er tun? Zoros Hand schwebte vor seinem Gesicht und fast hielt die Leere in seinem Kopf zu lange an. Er erinnerte sich, legte seine eigene Hand hinein und stand wieder auf. Hitze in seinem Kopf. Seine Hand ließ nicht los, sie genoss die Nähe, die seit letzter Nacht etwas anderes bedeutete. Jetzt bemerkte Sanji, worauf er früher niemals geachtet hätte: die Wärme von Zoros Hand, die von vielen Kämpfen raue Haut, der achtsame Druck unter den Fingern. Hier fühlte er einen Mikrokosmos namens Zoro.

Ihre Hände lösten sich wieder, ein letzter Blick von Zoro durchstieß Sanjis Körper, dann ließ Zoro ihn allein und ging zu Chopper und seiner Sandburg. Zu lange sah Sanji ihm nach, ehe er seinen eigenen Weg über den Strand fortsetzte. Hart pochte das Blut in seiner Hand. Im Gefühl war sie größer als sein ganzer Körper, jeder Gedanke fühlte nur noch hier. Zoro, pulsiert es in seinen Adern, Zoro, Zo-Zoro, Zoro. Als ob er noch immer seine Hand hielte, sie niemals losließe. Nicht ihre Hände hatten sich berührt, sondern sie waren einander in ihre Sinnwelten getaucht. Zoro hatte ihm nicht bloß hoch geholfen, er hatte Sanji noch einmal Ich liebe dich gesagt und gezeigt, was das hieß.

Und Sanji begann langsam zu verstehen. Es war das ehrlichste und herrlichste Gefühl, bedingungslose Zuneigung, in der nicht alles perfekt aber doch alles gut war. Die sich jeder wünschen musste, aber sich niemand erarbeiten konnte. Sie war oder war nicht, sie kam oder kam nicht, man erlebte sie oder erlebte sie nicht. Sie ließ sich nicht suchen, nur finden und offenbar nicht dort, wo man sie zu wissen glaubte.

Alles war anders, fühlte Sanji, und würde nicht mehr werden, wie einst gewesen. Früher war unwiederbringlich verloren. Doch wo stand er?

 

– you make me feel like I've been locked out of heaven –

 

Trotzdem! Wo auch immer dies auf einer Karte zu verorten war, einfach trotzdem, aber und nicht so. Der Status Quo stand gut in ihrer Mitte, warum ändern, was gut funktionierte? Sie waren Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Das reichte doch.

Reichte es? Es musste reichen. Er verliebte sich nicht plötzlich in einen Mann, nur weil dieser ihm seine Liebe gestand. Das war eine absurde Vorstellung. Er war nicht schwul und zwischen ihnen gab es nur Freundschaft, zumindest von seiner Seite aus. Zoros Seite sah gänzlich anders aus und immer noch pulsierte es heiß in Sanjis Hand. Das war nicht von Bedeutung!

Nachdenklich schlenderte er über den Strand, das fröhliche Lachen seiner Freunde war nur noch schwach in der Ferne zu hören. Er war allein. So setzte er sich in den warmen Sand und sah auf das sanft rauschende Meer hinaus. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken nur so herum, schwankten mal zur einen und dann wieder zur anderen Seite, ohne sich wirklich zu entscheiden. Er mochte Zoro, aber er liebte ihn nicht. Richtig?

Warum musste Zoro ihm unbedingt eine Liebeserklärung machen? Hätte er diese Worte nicht für sich behalten können? Er schloss die Augen und unwillkürlich sah er Zoros markantes Gesicht vor sich, spürte die raue, warme Haut an seiner Hand. Das Kribbeln. Dieses tiefsinnige Grün in Zoros Augen schaute bis auf den Grund von Sanjis Seele, zumindest fühlte es sich so an. Nur ein Blick und alles lag ihm offen. Scham war nicht nötig. Nein, Zoros Lippen waren nicht so rau, im Gegenteil fühlten sie sich erstaunlich weich auf Sanjis an. Aber die Zunge war genauso frech und selbstsicher, dringend wollte Sanji sie in ihre Schranken weisen. Zoro brauchte sich gar nicht so aufspielen, auch nicht in einem Kuss. Erst recht nicht in einem Kuss. Seine Finger krallten sich fest in die breiten Schultern, spürten die tödliche Stärke und die schützende Geborgenheit unter der Haut. Er seufzte erregt auf. Verlangend trafen sich ihre Erektionen, heiße Haut rieb gegeneinander. Stöhnen füllte seine Lungen und seine Ohren. Überall auf seinem Körper spürte er Zoros Hände. Gänsehaut unter der warmen Sommersonne. Tief versenkt er sich in ihm, erobert den lustvollen Po Zoros. Noch mehr Stöhnen. Noch mehr Kribbeln, Pulsieren und Rauschen, Erregung in seinen Gliedern und Blut in seinen Adern. Fiebriger Atem an seinem Hals, Zähne in seiner Haut. Genießendes Röhren. Höhepunkt. Gewesen.

 

– for too long, for too long –

 

Langsam und langgezogen entließ Sanji die Luft aus seinen Lungen. Zigarette, dringend. Er öffnete die Augen und die Sonne blendete, also blieb es nur bei einem Versuch. Mit halb zusammengekniffenen Augen zündete er sich die Zigarette an, die er aus seiner Hosentasche holte. Tief inhalierte er den Qualm.

Was?

Bis auf dieses Wort war sein Kopf leer. Was für Bilder waren ihm da in den Sinn gekommen? Wieso halluzinierte er von Zoros Küssen? Ihm musste all diese Grübelei und dieses verflixte Liebesgeständnis zu Kopf steigen und zwar auf eine besonders üble Weise. Er wünschte sich nach letzter Woche, damals war alles noch so einfach gewesen.

Nicht so genüsslich wie üblich rauchte er seine Zigarette auf. Ihre beruhigende Wirkung auf seine Nerven schien sie im Moment nicht entfalten zu wollen. Sanji sah aufs Meer hinaus, ebenso wenig hilfreich. Also stand er auf, klopfte sich den Sand rieselnd von der kurzen Hose und ging zurück zu seinen Freunden. Ging zurück zu Zoro. Dessen grünen Schopf sah er nämlich zuerst, als er ihnen näher kam. Natürlich trainierte Zoro und natürlich trug er bei seinen Liegestützen im Sand kein T-Shirt. Als ob sie alle diese Muskeln unter der gebräunten Haut sehen woll…

Sanji schüttelte den Kopf und trat an Zoro heran. „Wir müssen reden.“

Kurz sah Zoro auf, keine Gefühlsregung war in seinem Gesicht zu sehen. Bis auf Ärger und Gleichgültigkeit zeigte er in der Regel kaum Gefühle. Vermutlich, überlegte Sanji kurz, überraschte ihn Zoros Liebesgeständnis deswegen so sehr, immerhin kannte er Zoro mit Gefühlen einfach nicht. Dann erhob sich Zoro, nickte kurz und blickte Sanji abwartend an.

„Ich denke ni… Also du, ich mein … Deine Worte kamen … überraschend“, stammelte Sanji. Er hätte sich eine Rede überlegen sollen. Wie formulierte er, dass er Zoro nicht zurück liebte, aber als Freund sehr schätzte? Erst jetzt kam ihm der Gedanke, ob es nicht einfach ein Scherz von Zoro gewesen war. Würde Zoro solche Scherze machen?

„… Du erwiderst meine Gefühle nicht“, erkannte Zoro und sein Blick huschte von Sanjis Augen zu dem Sand zu ihren Füßen.

Ein Scherz war es sicher nicht, erkannte Sanji. Bedeutete dieser Blick etwa, dass Zoro verletzt war? Nichts hatte sich in seiner steinernen Miene verändert, nur die Richtung seines Blickes, aber natürlich mussten Zoro diese Worte schmerzen, wenn er wirklich so für Sanji empfand.

Sanji wollte ihm nicht so weh tun.

„Denkst du, ich kann dich umstimmen?“, fragte Zoro. Seine Natur war kämpferisch, leicht ließ er sich nicht besiegen. Niemals. „Ich will es versuchen.“

Sanji meinte, Verzweiflung in Zoros Stimme zu hören. So durfte Zoro nicht klingen! Er war stark, mutig, unerschütterlich. Immer. Sanjis Kehle schnürte sich zu, während er vor Zoro stand. „Ich … Ich …“ Was wollte er sagen? Wie sollte er es durch den Kloß in seinem Hals bekommen? Sanji versuchte es noch einmal: „Ich liebe dich.“

 

Nur Robin, noch immer saß sie auf ihrem Liegestuhl und las, verfolgte, wie Sanji und Zoro miteinander sprachen oder sich eigentlich nur sprachlos anstarrten. Plötzlich sprang Luffy dazwischen, er landete auf seinen Freunden und lachte bloß. „Spielt ihr mit?“, fragte er seine beiden Freunde. „Wir wollen einen Sandmann bauen“, erklärte er das Spiel.

„Einen Sandmann?“, fragte Sanji verwirrt.

„Ja, wie ein Schneemann. Nur aus Sand. Hier ist ja kein Schnee.“

Sanji schüttelte den Kopf: „Das geht doch gar nicht.“

„Doch, natürlich geht das“, widersprach Luffy überzeugt. „Ihr müsst mitmachen. Ich will nämlich einen richtig großen Sandmann machen. Einen Riesensandmann.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er seinen Freunden je einen Arm um die Schulter und zog sie mit sich zu Usopp und Chopper. Diese beiden standen neben einem unförmigen Haufen Sand, der äußerst unbeeindruckt von ihren Versuchen mit Wasser und Schüsseln als Förmchen war.

„Sind das meine Schüsseln?“, fragte Sanji dunkel. „Darin koche ich, ihr Vollidioten. Wer weiß denn, welcher dämliche Fisch schon auf diesen Sand gepisst hat?“ Kochutensilien benutzte man zum Kochen und für nichts anderes. Verunreinigte Schüsseln, Messer und Brettchen waren der Herd für eine Vielzahl hässlicher Krankheiten. Außerdem: Was fiel ihnen nur ein, einfache seine Sachen zu benutzen? „Gebt das her!“, nahm er ihnen die Schüsseln weg und stapfte weiter fluchend zurück zur Flying Lamb.

Kurz betrübt sah Luffy seinem Smutje nach, doch sein Sandmann war im Moment wichtiger und sie hatten immerhin noch zwei Eimer, als ob sich damit nicht improvisieren ließe. Mit Eifer kippte er das Wasser aus einem der Eimer über den Haufen Sand aus und erhielt, ganz zu seiner Überraschung, eine Schlammpfütze. „Menno.“

Zoro schüttelte den Kopf. Manchmal wunderte er sich noch immer, was für ein Kindskopf ihr Kapitän war. Zwei Stunden später wunderte er sich, wieso er immer wieder auf seinen kindsköpfigen Kapitän hereinfiel. Nun war es allerdings zu spät und er lag unter einem Berg Sand eingegraben. Eigentlich hatte er nur ein Nickerchen machen wollen, um seine Gedanken zu beruhigen … „Luffy“, bellte er, „was soll das?“

„Wir wollen doch einen Sandmann bauen“, erklärte dieser und lud noch eine Hand voll Sand auf Zoro. „Das wollte aber nicht so richtig klappen, also dachten wir, wir brauchen ein Gerüst für den Sand, weißt du. Dann brauchen wir nur die Form auffüllen.“

„Und dazu benutzt ihr mich?“

Voller Unschuld zuckte Luffy mit den Schultern: „Du lagst hier eben so rum.“

„Grab mich wieder aus, du Vollidiot!“, befahl Zoro.

 

Abends saßen die Strohhutpiraten wieder um das Feuer und Zoro juckte es überall wegen des Sandes. Er schwor sich, nie wieder Urlaub am Strand zu machen und sah bereits, dass er diesen Vorsatz als Pirat wohl kaum einhalten würde können. Luffy fraß, als müsste er seit Wochen hungern, und staunte gleichzeitig über Usyopps neueste heldenhafte Geschichte: Er hatte gegen ein Rudel rasender Riesengorillas um die Banane der Unsterblichkeit kämpfen müssen, mehrere Tage lang. Mit jedem Wort wurde die Geschichte unglaublicher, Luffy und Chopper hingen gebannt an seinen Lippen. Was für ein Abenteuer! Robin saß immer noch am Rand der Gruppe und las ihr Buch, trotzdem sah sie den unsicheren Blick, den Sanji dem Schwertkämpfer manchmal zuwarf. Wenn sich ihre Blicke trafen, knisterte es wie vor einem schwarzen Gewitter. Doch keiner sagte etwas, die berühmte Stille vor dem Sturm. Ein Sturm mit dem Potential für ein fatales Desaster.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es ist wundervoll, Dich als Leser hier zu haben. Dankeschön!
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Rocket-Chica
2015-07-27T22:57:23+00:00 28.07.2015 00:57
Schönes Kapitel! :D
Ich finde Sanjis Arroganz oder auch sein Selbstbewusstsein am Anfang des Kapitels zu herrlich. Wo er darüber spricht, dass er doch eigentlich ein toller Fang ist. :D
Du hast seine Gefühle sehr gut beschrieben und ich kann mir auch vorstellen, dass Sanji in dieser Situation wirklich so denken würde!
Wie gesagt, du hast einen echt schönen Schreibstil, der mir sehr gefällt! =)
Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Aber eine Sache habe ich nicht ganz verstanden: Wer sagt da jetzt "Ich liebe dich", kurz bevor Ruffy die beide zum Sandmannbauen auffordert? :D Das habe ich jetzt nicht ganz durchschaut. :D

Ich freue mich auf's nächste Chapter.^^
Antwort von:  In-Genius
28.07.2015 10:17
Freut mich, dass es dir gefällt und dass Sanjis Gedanken so nachvollziehbar sind.
Ich finde den Gegensatz zwischen den beiden richtig toll: Zoro ist kühl und kalkuliert, während Sanji verwirrt und stur ist.
Das nächste Kapitel ist bereits fertig und wartet nur noch auf den letzten Schliff (so Rechtschreibfehler und so). Also wird es noch diese Woche online kommen.

Oh, das wurde nicht klar? Dann muss ich da nochmal ran. In diesem Kapitel sagt Sanji "Ich liebe dich."
Antwort von:  In-Genius
28.07.2015 10:20
Der Satz ist vereindeutigt^^ Danke für den Hinweis. Als Schreiber weiß man ja immer, was da stehen soll, wer was wann wie macht. Manchmal ist es dann schwer, mit frischen Augen auf den Text zu sehen - mit Augen, die all die Hintergrundinformationen nicht haben.
Antwort von:  Rocket-Chica
28.07.2015 14:07
Ah, danke für den Hinweis! =) Hab mir auch schon gedacht, dass es Sanji ist, aber das hat mich irgendwie verwirrt, weil er ein paar Sekunden zuvor noch was anderes gedacht hat und Zorro ja noch gerade meinte, vllt kann ich dich ja doch umstimmen. Ich dachte dann iwie erst, dass Zorro das nochmal gesagt hat, um ihn auf die Probe zu stellen, aber da du ja gerade Sanjis Inneres beschrieben hast, wirkte es so, als ob er das gesagt hätte. Hatte mich iwie verwirrt. Aber jetzt weiß ich es. Danke :D


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